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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 229/15
Verkündet am:
21. Juli 2016
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ:
BGHR:
ja
nein
ja
HGB §§ 89b, 383 Abs. 1, § 384 Abs. 2, § 392 Abs. 1 und 2, § 396
a) Ein Vertrag ist als Kommissionsagenturvertrag zu qualifizieren, wenn ein Unternehmer
einen anderen gegen Zahlung einer Provision damit beauftragt, ständig von ihm gelieferte, jedoch dem Beauftragten nicht übereignete Ware im eigenen Namen auf Rechnung
des Unternehmers zu veräußern, und eine Abtretung der Forderungen aus der Veräußerung der Waren an den Unternehmer vereinbart ist.
b) Dem Kommissionsagenten steht bei Beendigung des Kommissionsagenturvertrags in
entsprechender Anwendung von § 89b HGB ein Ausgleichsanspruch gegen den Kommittenten zu, wenn er in dessen Absatzorganisation eingebunden ist und ihm bei Beendigung des Vertragsverhältnisses den Kundenstamm zu überlassen hat.
c) Im weitgehend anonymen Massengeschäft in einem stationären Sonderpostenmarkt
benötigt der Kommittent für eine Übernahme des Kundenstamms nicht in gleicher Weise
wie beim Verkauf hochwertiger Wirtschaftsgüter den Zugang zu vollständigen Kundendaten. Betreibt der Kommissionsagent in von dem Kommittenten angemieteten Räumen einen filialähnlich organisierten Markt und hat der Kommittent über ein von ihm vorinstalliertes Kassensystem ständigen Zugriff auf Informationen zu allen Verkaufsvorgängen
und auf sämtliche von den Kunden im Rahmen des Bezahlvorgangs mitgeteilten personenbezogenen Daten, ist von einer faktischen Kontinuität des Kundenstamms auszugehen, wenn der Kommittent nach Beendigung des Kommissionsagenturverhältnisses den
Markt unter derselben Geschäftsbezeichnung in denselben Geschäftsräumen weiterführen kann.
BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - I ZR 229/15 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
ECLI:DE:BGH:2016:210716UIZR229.15.0
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juli 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher,
die Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den
Richter Feddersen
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 27. Oktober 2015 wird auf Kosten der
Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Beklagte betreibt bundesweit von ihr angemietete Sonderpostenmärkte unter der Bezeichnung "T.
P.
". Diese Märkte werden von
selbständigen Marktleitern auf Provisionsbasis geführt.
2
Die Klägerin war zunächst aufgrund eines Vertrags vom 11. Oktober
2004 als Marktleiterin für die Beklagte in einem Sonderpostenmarkt in V.
tätig, den sie bis zum 31. Januar 2013 betrieb. Aufgrund einer Vereinbarung der
Parteien vom 15. November 2012 führte die Klägerin ab dem 14. März 2013
einen Sonderpostenmarkt in B.
.
-3-
3
In diesem Vertrag sind folgende Regelungen getroffen:
Präambel
P.
hat unter dem Namen "T.
P.
" ein Konzept zum Betrieb einer Kette
von Sonderposteneinzelhandelsmärkten einschließlich der dafür erforderlichen Infrastruktur entwickelt und zur Marktgeltung in der Bundesrepublik Deutschland gebracht.
Das "T.
P.
"-System ist ein umfassendes Marketing- und Vertriebssystem für
den Sonderposten-Einzelhandel. Es besteht insbesondere aus:
-
dem Namen und der Geschäftsbezeichnung "T.
P.
";
§ 1 Vertragsgegenstand
1.
P.
gewährt dem Unternehmer das Recht, einen T.
P.
-Markt in
zu betreiben.
Dieses Recht wird dem Unternehmer persönlich gewährt. Es darf ohne vorherige schriftliche Zustimmung von P.
weder ganz noch teilweise, weder direkt noch indirekt, auf Dritte übertragen werden.
Der Unternehmer führt den Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr als selbständiger Kaufmann. Er ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung von P.
, die für jeden Einzelfall erteilt werden muß, nicht berechtigt, Erklärungen
mit Wirkung für und/oder gegen P.
abzugeben und/oder entgegenzunehmen.
2.
Während der Dauer des Vertrages ist der Unternehmer berechtigt und verpflichtet, für diesen Geschäftsbetrieb den Firmennamen von P.
… zu nutzen.
4.
Das Geschäftslokal und der Geschäftsbetrieb des Unternehmers werden unter
der Firmenbezeichnung "T. P.
" geführt.
§4
Betrieb des T.
1.
Vertragliche Hauptpflicht von P.
ist die Einräumung der in der Präambel
genannten Rechte für den Betrieb des Unternehmers.
Insbesondere ist P.
verpflichtet, dem Unternehmer die in dem Markt zum
Verkauf gelangenden Waren zu liefern.
...
-P.
-Marktes - Pflichten von P.
-4-
§5
Betrieb des Marktes - Pflichten des Unternehmers
3.
Der Unternehmer ist verpflichtet, die ihm in diesem Vertrag eingeräumten Rechte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns persönlich unter Einsatz seiner gesamten Arbeitskraft in vollem Umfang auszuüben und zu nutzen, insbesondere die Förderung des Absatzes der Waren nach besten Kräften zu betreiben.
4.
… Der Unternehmer ist verpflichtet, Kunden von P.
Rechnung zu bedienen. …
nicht auf eigene
§6
Allgemeine Verkaufsbedingungen und Provision
2.
Provision
Der Unternehmer erhält von P.
eine Verkaufsprovision von 9 % vom Netto-Umsatz. Zusätzlich können bei außergewöhnlich guter Führung des Marktes
Prämien von 0 - 2 % vom Netto-Umsatz gewährt werden.
...
Mit dieser Verkaufsprovision sind alle Aufwendungen des Unternehmers, die
dieser durch den Betrieb des Marktes hat, abgegolten.
Insbesondere trägt der Unternehmer hiervon alle beweglichen und beeinflußbaren Kosten, wie z.B. Löhne, Kleinreparaturen zur Aufrechterhaltung der Geschäftsfähigkeit, sämtliche Inventurkosten und die Betriebskosten des Marktes.
… Die Kosten für größere Reparaturen, notwendige Versicherungen, Zeitungswerbung und für die Miete trägt P.
.
...
5.
Der Unternehmer ist verpflichtet, über die Kasseneinnahmen täglich abzurechnen. … Aus Sicherheitsgründen ist der Kassenbestand täglich nach Geschäftsschluß bei einer von P.
zu benennenden Bank einzuzahlen.
Forderungen gegen Kunden aus dem Verkauf von Waren gelten im Verhältnis
zwischen P.
und dem Unternehmer oder dessen Gläubigern als Forderungen von P.
. Der Unternehmer tritt bereits jetzt alle Forderungen aus
dem Verkauf aller Waren in Höhe des Faktura-Endbetrages (einschließlich
Mehrwertsteuer) an P.
ab. P.
nimmt die Abtretung an.
§7
Haftung von P.
2.
Der Unternehmer betreibt den Betrieb nach diesem Vertrag auf eigene Rechnung und Gefahr. P.
haftet daher, soweit nichts anderes vereinbart ist,
-5-
nicht für Sach- und Rechtsmängel gleich welcher Art, insbesondere auch nicht
für die Aufrechterhaltung und die Rentabilität des Betriebes, er hat diesbezüglich keinerlei Zusagen gemacht.
...
4
Die Beklagte kündigte diesen Vertrag zum 30. Juni 2014.
5
Die Klägerin verfolgt im vorliegenden Verfahren gegen die Beklagte
- soweit noch von Interesse - einen Anspruch auf Handelsvertreterausgleich.
6
Das Landgericht hat der auf Zahlung eines Betrags in Höhe von
311.694,45 € brutto nebst Zinsen gerichteten Klage in Höhe von 47.985,90 €
stattgegeben. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines Betrags in Höhe von
186.966,46 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen
(OLG Oldenburg, MDR 2016, 536).
7
Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der
Beklagten, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.
Entscheidungsgründe:
8
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, das Vertragsverhältnis der
Parteien sei als Kommissionsagenturverhältnis anzusehen. Auf dieses Verhältnis sei die für Handelsvertreter geltende Vorschrift des § 89b HGB entsprechend anzuwenden. Der der Klägerin zustehende Ausgleichsanspruch bestehe
in der zugesprochenen Höhe.
-6-
9
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
keinen Erfolg. Die Parteien haben einen Kommissionsagenturvertrag geschlossen (dazu II 1). Auf diesen Vertrag ist die Vorschrift des § 89b HGB entsprechend anzuwenden (dazu II 2). Der danach der Klägerin zustehende Anspruch
auf Handelsvertreterausgleich besteht in der vom Berufungsgericht zugesprochenen Höhe (dazu II 3).
10
1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich
bei dem Vertragsverhältnis der Parteien um ein Kommissionsagenturverhältnis
im Sinne der §§ 383 ff. HGB handelt.
11
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe die Klägerin aufgrund der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung mit einer
ständigen Tätigkeit betraut. Die vertraglichen Vereinbarungen ließen keinen
Zweifel daran, dass die Klägerin für Rechnung der Beklagten handeln sollte.
Die Klägerin sei bei den Warenverkäufen wie ein Kommissionär im eigenen
Namen und nicht wie ein Handelsvertreter im Namen der Beklagten aufgetreten. Nach § 1 Nr. 1 der Vereinbarung der Parteien sei die Klägerin nicht berechtigt gewesen, ohne vorherige und für jeden Einzelfall zu erteilende schriftliche
Zustimmung der Beklagten Erklärungen mit Wirkung für und gegen diese abzugeben. Außerdem sei in § 6 Nr. 5 des Vertrags vereinbart, dass Forderungen
gegen Kunden aus dem Verkauf von Waren im Verhältnis der Parteien als Forderungen der Beklagten gälten und dass die Klägerin bereits jetzt alle Forderungen aus dem Verkauf aller Waren an die Beklagte abtrete. Eine solche Regelung wäre nicht notwendig, wenn der Warenverkauf ohnehin im Namen der
Beklagten erfolgen sollte. Nichts anderes ergebe sich aus der Art und Weise,
wie die Parteien den zwischen ihnen geschlossenen Vertrag in der Praxis
durchgeführt hätten. Zwar würden auf den von der Klägerin erstellten Kassenbons lediglich die Bezeichnung "T.
P.
Sonderposten" und Steuer-
-7-
nummern der Beklagten genannt, der Name der Klägerin erscheine nicht. Zudem werde in den von der Beklagten verteilten Prospekten nur deren Firma und
Sitz genannt. Dennoch stelle sich die Situation für den einkaufenden Kunden
nicht so dar, dass die Beklagte ihr Vertragspartner werde. An der Eingangstür
des Marktes habe ein Schild auf die Klägerin als Inhaberin hingewiesen. Das
Vertragsverhältnis der Parteien sei auch nicht nach den Leitlinien für vertikale
Beschränkungen der Europäischen Kommission (ABl. Nr. C 130/1 vom 19. Mai
2010) als Handelsvertretervertrag einzuordnen. Diese kartellrechtliche Leitlinie
könne keinen Zweifel daran begründen, dass der Abschluss von Verträgen im
eigenen Namen keine Handelsvertretertätigkeit im Sinne von § 84 Abs. 1 HGB
und Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 86/653/EWG zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter sei.
Dies hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
12
b) Nach dem Leitbild der §§ 383 ff. HGB führt der Kommissionär die Geschäfte in eigenem Namen, aber auf Rechnung des Kommittenten (vgl. § 383
Abs. 1, § 384 Abs. 2 HGB), wobei er für seine Tätigkeit typischerweise eine
Provision (§ 396 HGB) und im Falle der Verkaufskommission die abzusetzende
Ware nicht zu Eigentum, sondern zur Verwahrung und zum Verkauf erhält. Will
der Kommittent Rechte aus den von dem Kommissionär geschlossenen Geschäften geltend machen, müssen die Ansprüche abgetreten werden (§ 392
Abs. 1 HGB). Der Kommissionär wird nach der gesetzgeberischen Konzeption
immer nur im Einzelfall eingeschaltet; der Kommissionsagent, der wie ein
Kommissionär im eigenen Namen und für fremde Rechnung verkauft, ist wie ein
Handelsvertreter
"ständig
betraut"
(BGH,
Urteil
vom
20. März
2003
- I ZR 225/00, NJW-RR 2003, 1056, 1058; Martinek in Martinek/Semler/Flohr,
Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Aufl., § 3 Rn. 11; Löwisch in Ebenroth/
Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 84 Rn. 138; BeckOK.HGB/Lehmann,
§ 84 Rn. 74, Stand 1. August 2016; Karsten Schmidt, JuS 2008, 665, 667). Der
-8-
Handelsvertreter wird demgegenüber in fremdem Namen und für fremde Rechnung tätig (Martinek in Martinek/Semler/Flohr aaO § 3 Rn. 13) und ist ständig
mit der Vermittlung von Geschäften für den Prinzipal betraut (§ 84 Abs. 1 Satz 1
HGB). Anders als für den Handelsvertreter und den Kommissionär fehlt für den
Kommissionsagenten eine eigenständige gesetzliche Regelung (Löwisch in
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 84 Rn. 138). Grundsätzlich findet für den
Kommissionsagenten das Kommissionsrecht Anwendung (BGH, NJW-RR
2003, 1056, 1058).
13
c) Danach ist die Vereinbarung der Parteien als Kommissionsagenturvertrag anzusehen (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 1056; BGH, Urteil vom 1. März 2007
- I ZR 79/04, NJW-RR 2007, 1177 Rn. 16).
14
aa) So sieht § 4 Abs. 1 Satz 2 der Vereinbarung der Parteien vor, dass
die Beklagte die abzusetzenden Waren der Klägerin zwar liefert, nicht aber an
sie übereignet; diese hat nach § 6 Nr. 5 des Vertrags über den Verkaufserlös
täglich abzurechnen und ihn noch am selben Tag bei einer von der Beklagten
benannten Bank einzuzahlen. Nach § 6 Nr. 2 des Vertrags steht der Klägerin für
ihre Tätigkeit in dem Vertriebssystem der Beklagten eine Provision zu; eine Gebühr für die Einbindung in dieses System hat sie dagegen nicht zu entrichten.
Diese Bestimmungen stellen deutliche Hinweise dafür dar, dass die Klägerin die
ihr gelieferten Waren nach den mit der Beklagten getroffenen Vereinbarungen
im Rahmen eines Kommissionsverhältnisses abzusetzen hatte (BGH, NJW-RR
2003, 1056, 1058).
15
bb) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin
auf Rechnung der Beklagten tätig werden sollte. Der Umstand, dass die Klägerin nach § 1 Nr. 1 und § 7 Nr. 2 des Vertrags der Parteien den Betrieb des Sonderpostenmarkts auf eigene Rechnung und Gefahr zu führen hatte, steht dem
-9-
nicht entgegen. Die genannten Bestimmungen regeln damit lediglich, dass die
Klägerin generell für die Aufwendungen für den Betrieb des Sonderpostenmarkts verantwortlich ist, die gemäß § 6 Nr. 2 mit der ihr zustehenden Verkaufsprovision abgegolten sind. Die für die vorzunehmende Beurteilung letztlich
entscheidenden Regelungen in § 5 Nr. 4 sowie § 6 Nr. 2 und Nr. 5 des Vertrages, wonach die Klägerin die Verkaufsgeschäfte auf Rechnung der Beklagten
führt und an ihrem wirtschaftlichen Erfolg allein in Form der vereinbarten festen
Provision teilhat, bleiben von diesen Bestimmungen unberührt (vgl. BGH, NJWRR 2003, 1056, 1058). Aus diesem Grund ist die Klägerin nicht als Franchisenehmerin der Beklagten anzusehen. Ein Franchisenehmer handelt, wenn er als
Eigenhändler tätig wird, auf eigene Rechnung, weil er die Ware entgeltlich erwirbt, den Erlös der Ware behält und dem Franchisegeber für dessen Leistungen eine Gebühr zahlt (BGH, NJW-RR 2003, 1056, 1058). So liegt der Streitfall
nicht.
16
cc) Zudem ist die in § 6 Nr. 5 des Vertrags vorgesehene Zession aller
Forderungen an die Beklagte maßgebliches Indiz für ein Kommissionsverhältnis. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Kommittent Forderungen aus einem Geschäft, das der Kommissionär abgeschlossen hat, erst
nach der Abtretung geltend machen kann (§ 392 Abs. 1 HGB).
17
dd) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin
nach den vertraglichen Regelungen gehalten war, die von der Beklagten gelieferte Ware in eigenem Namen zu veräußern.
18
(1) Hierfür spricht zunächst die Regelung in § 1 Nr. 1 des Vertrags der
Parteien, nach der die Klägerin nicht berechtigt sein sollte, Erklärungen mit Wirkung für und gegen die Beklagte abzugeben und entgegenzunehmen. Zwar
schließt diese Regelung an die Bestimmung an, nach der die Klägerin den Be-
- 10 -
trieb des Sonderpostenmarkts auf eigene Rechnung betreibt. Sie bezieht sich
jedoch nicht allein auf von der Klägerin abzuschließende Arbeitsverträge, Aufträge zur Durchführung von Kleinreparaturen, Inventurkosten und Betriebskosten, sondern soll ersichtlich allgemein und für von der Klägerin mit den Kunden
des Sonderpostenmarkts abzuschließende Verträge gelten.
19
(2) Für eine Verpflichtung der Klägerin, gegenüber den Kunden des Sonderpostenmarkts im eigenen Namen aufzutreten, sprechen zudem die Regelungen in § 6 Nr. 5 des Vertrags. Danach gelten Forderungen gegen Kunden
aus dem Verkauf von Waren im Verhältnis der Parteien als Forderungen der
Beklagten. Die Vereinbarung einer solchen Fiktion wäre für den Fall eines Handelns der Klägerin im Namen der Beklagten überflüssig. Dasselbe gilt für die
Vereinbarung, dass die Klägerin bereits jetzt alle Forderungen aus dem Verkauf
aller Waren an die Beklagte abtritt.
20
(3) Dafür, dass die Klägerin nach den Vereinbarungen der Parteien nicht
im Namen der Beklagten auftreten sollte, spricht zudem, dass eine wirksame
Verpflichtung, die Beklagte zu vertreten, nicht allein ein Handeln in deren Namen, sondern eine entsprechende Vollmacht der Beklagten voraussetzen würde (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB) und sich eine solche Vollmacht dem Vertrag der
Parteien nicht entnehmen lässt.
21
ee) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, das Berufungsgericht habe das Vertragsverhältnis der Parteien als Handelsvertretervertrag
ansehen müssen. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht dem beispielhaft für
die generelle Handhabung im Markt der Klägerin vorgelegten Kassenbon keine
entscheidende Bedeutung beigemessen und maßgeblich auf den Hinweis an
der Eingangstür des Marktes abgestellt.
- 11 -
22
(1) Der Umstand, ob die Klägerin gegenüber den Kunden des Sonderpostenmarkts im eigenen oder im fremden Namen aufgetreten ist, ist für die
Frage, welche Rechtsnatur die vertragliche Vereinbarung der Parteien hat,
grundsätzlich ohne Bedeutung. Maßgeblich ist deren vertragliche Beziehung
zueinander. Der Kommissionsvertrag regelt das Rechtsverhältnis des Kommittenten zum Kommissionär, der Handelsvertretervertrag dasjenige zwischen
Handelsvertreter und Prinzipal. Hiervon ist das Ausführungsgeschäft zu unterscheiden, das der Kommissionär oder Handelsvertreter in Ausführung des
Kommissionsvertrags mit einem Dritten schließt (vgl. Flohr/Pohl in Martinek/
Semler/Flohr aaO § 34 Rn. 5).
23
(2) Die Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen der Klägerin zu den
Kunden des von ihr geleiteten Sonderpostenmarkts lässt nur mittelbar Rückschlüsse auf die Auslegung und die rechtliche Qualifikation des Vertrags der
Parteien zu. Entgegen der Annahme der Revisionserwiderung kann der Gestaltung der im von der Klägerin geführten Sonderpostenmarkt ausgegebenen
Kassenbons kein Hinweis darauf entnommen werden, dass die Klägerin nach
den vertraglichen Vereinbarungen mit der Beklagten in deren Namen auftreten
sollte. Soweit sich aus dem im Rechtsstreit vorgelegten Kassenbon ergibt, dass
er von einem "T.
-P.
Sonderposten" ausgegeben ist, entspricht dies
der in § 1 Nr. 2 und Nr. 4 des Vertrags der Parteien vorgesehenen Verpflichtung
der Klägerin, für den Geschäftsbetrieb den Firmennamen "T.
P.
" zu
führen. Wie die Revisionserwiderung selbst einräumt, handelt es sich bei der
Verwendung der Angabe "T.
P.
Sonderposten" durch die Klägerin
nicht um den Hinweis auf das Unternehmen der Beklagten, sondern um die
Umsetzung der Verpflichtung der Klägerin, zu dem einheitlichen Markenauftritt
aller T.
-P.
-Sonderpostenmärkte beizutragen.
- 12 -
24
(3) Ohne Bedeutung für die Frage, ob das Vertragsverhältnis der Parteien als Kommissionsagentur- oder Handelsvertretervertrag anzusehen ist, ist
das Verständnis der in dem Sonderpostenmarkt einkaufenden Kunden. Wie die
Revisionserwiderung selbst zugesteht, werden sich die Kunden eines Verbrauchermarktes wie dem von der Klägerin betriebenen Sonderpostenmarkt beim
Kauf in der Regel keine Gedanken über die Person ihres Vertragspartners machen, so dass es für sie ohne Bedeutung ist, ob der Inhaber des Sonderpostenmarktes im eigenen oder im fremden Namen handelt. Bei einem derartigen
Geschäft für den, den es angeht, ist die Offenlegung des Vertreterwillens nicht
erforderlich, das Geschäft kommt mit demjenigen zustande, den es angeht
(BGH, Urteil vom 13. März 1991 - XII ZR 53/90, NJW 1991, 2283, 2285). Es
kommt deshalb nicht darauf an, ob der Hinweis auf die Klägerin als Inhaberin
des von ihr betriebenen Sonderpostenmarktes an dessen Eingangstür für die
Kunden einen Hinweis auf ihren Vertragspartner darstellt oder nicht.
25
d) Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, dass der Abschluss
von Verträgen im eigenen Namen sowohl gemäß § 84 Abs. 1 HGB als auch
nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 86/653/EWG keine Handelsvertretertätigkeit
darstellt (vgl. EuGH, Beschluss vom 10. Februar 2004 - C-85/03, Slg. 2004,
I-1578 Rn. 21), sind Rechtsfehler nicht erkennbar. Die Revision erhebt insoweit
auch keine Rügen.
26
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, auf Kommissionsagenturverträge sei die Vorschrift des § 89b
HGB entsprechend anzuwenden.
27
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin sei gemäß § 5
Nr. 3 des von den Parteien geschlossenen Vertrags verpflichtet, ihre gesamte
Arbeitskraft zur Förderung des Warenabsatzes einzusetzen. Darüber hinaus
- 13 -
enthalte die Vereinbarung zahlreiche Vorgaben, wie die Klägerin den Sonderpostenmarkt zu führen habe. Deshalb sei sie nicht anders als ein Handelsvertreter in die Absatzorganisation der Beklagten eingebunden. Zwar enthalte der
Vertrag der Parteien keine ausdrückliche Verpflichtung der Klägerin zur Überlassung des von ihr geworbenen Kundenstamms an die Beklagte. Hierzu sei die
Klägerin als Kommissionsagentin jedoch bereits aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 384 Abs. 2 HGB verpflichtet. Im Streitfall treffe die Klägerin zudem
die Pflicht, das vorinstallierte Kassensystem zu nutzen, durch das die Beklagte
ständigen Zugriff auf sämtliche von den Kunden im Rahmen des Bezahlvorgangs mitgeteilten personenbezogenen Daten gehabt habe. Damit sei die fortlaufende Überlassung der aufgrund der Bezahlvorgänge mitgeteilten Kundendaten verbunden. Es könne offen bleiben, ob für die analoge Anwendung des
§ 89b HGB spreche, dass aufgrund der Fortführung des Sonderpostenmarkts
unter derselben Geschäftsbezeichnung in den von der Beklagten gemieteten
Geschäftsräumen eine tatsächliche Kontinuität des Kundenstamms vorliege, die
eine ausdrückliche Pflicht zur Übertragung des Kundenstamms entbehrlich erscheinen lasse. Die von der Revision gegen diese Beurteilung erhobenen Rügen greifen nicht durch.
28
b) Grundsätzlich kann § 89b HGB auf andere im Vertrieb tätige Personen
entsprechend anwendbar sein (vgl. zur entsprechenden Anwendung des § 89b
HGB auf Markenlizenzverträge BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 3/09,
GRUR 2010, 1107 Rn. 24 = WRP 2010, 1512 - JOOP!).
29
aa) Dies gilt insbesondere für Vertragshändler, die im eigenen Namen
und auf eigene Rechnung kontrahieren (Großkomm.HGB/Emde, 5. Aufl., § 84
Rn. 54) und mit dem Hersteller einen Bezugsvertrag mit einer Bindung ähnlich
einem Handelsvertretervertrag abschließen (Großkomm.HGB/Emde aaO Vor
§ 84 Rn. 295). Die auf Handelsvertreter zugeschnittene Bestimmung des § 89b
- 14 -
HGB ist auf Vertragshändler entsprechend anzuwenden, wenn sich das
Rechtsverhältnis zwischen dem Vertragshändler und dem Hersteller oder Lieferanten nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der
Vertragshändler in der Weise in die Absatzorganisation des Herstellers oder
Lieferanten eingegliedert war, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang
dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat, und der Vertragshändler außerdem verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen
Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile
des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (st. Rspr.;
vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 1958 - II ZR 73/57, BGHZ 29, 83; Urteil vom
13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, NJW-RR 2010, 1263 Rn. 15 mwN; BGH,
GRUR 2010, 1107 Rn. 24 - JOOP!; BGH, Urteil vom 6. Oktober 2010
- VIII ZR 209/07, NJW 2011, 848 Rn. 17; Urteil vom 6. Oktober 2010
- VIII ZR 210/07, NJW-RR 2011, 389 Rn. 18; Urteil vom 5. Februar 2015
- VII ZR 109/13, BGHZ 204, 166 Rn. 14). Dabei muss sich die Verpflichtung des
Vertragshändlers zur Übertragung des Kundenstamms nicht ausdrücklich und
unmittelbar aus dem schriftlichen Händlervertrag ergeben; sie kann auch aus
anderen, dem Vertragshändler auferlegten Pflichten folgen (BGH, Urteil vom
26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 17 mwN; Urteil vom
12. Januar 2000 - VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413).
30
bb) Eine bloß faktische Kontinuität des Kundenstamms rechtfertigt, wie
der Bundesgerichtshof in Auseinandersetzung mit einer im Schrifttum (vgl. die
Nachweise im Urteil vom 17. April 1996 - VIII ZR 5/95, NJW 1996, 2159, 2160)
verbreiteten Ansicht entschieden hat, eine entsprechende Anwendung des
§ 89b HGB im Vertragshändlerverhältnis dagegen nicht (BGH, NJW 1996,
2159, 2160; BGH, Urteil vom 26. November 1997 - VIII ZR 283/96, NJW-RR
1998, 390, 391; BGHZ 204, 166 Rn. 15; vgl. ferner BGH, Urteil vom 16. Februar
1961 - VII ZR 244/59, VersR 1961, 401, 402).
- 15 -
31
cc) Deshalb ist bei Franchiseverträgen, die ein im Wesentlichen anonymes Massengeschäft betreffen, eine entsprechende Anwendung der auf Handelsvertreter zugeschnittenen Bestimmung des § 89b HGB nicht gerechtfertigt.
Insoweit besteht keine hinreichende Ähnlichkeit der Interessenlage (BGHZ 204,
166 Rn. 17). Der Franchisenehmer, der im eigenen Namen und für eigene
Rechnung handelt, besorgt - anders als der Handelsvertreter - mit der Werbung
eines Kundenstamms primär ein eigenes, kein fremdes Geschäft. Daran ändert
nichts, dass Franchisenehmer im Außenverhältnis gegenüber den Kunden
meist nicht unter eigenem Kennzeichen, sondern unter dem des Franchisesystems in Erscheinung treten. Ein vom Franchisenehmer geworbener, im Wesentlichen anonymer Kundenstamm ist nach Vertragsbeendigung nicht ohne weiteres für den Franchisegeber nutzbar. Die tatsächliche Möglichkeit für den Franchisegeber, einen solchen Kundenstamm nach Vertragsende zu nutzen, ist insbesondere dann eingeschränkt, wenn der Franchisenehmer am selben Standort
unter eigenem Kennzeichen weiterhin ein Geschäft betreiben kann und von
dieser Möglichkeit Gebrauch macht (BGHZ 204, 166 Rn. 18).
32
c) Der Bundesgerichtshof hat bisher die Frage offen gelassen, ob § 89b
HGB auf das zwischen einem Kommissionsagenten und einem Kommittenten
bestehende Rechtsverhältnis entsprechend anzuwenden sein kann (BGH,
VersR 1961, 401; Urteil vom 1. Juni 1964 - VII ZR 235/62, BB 1964, 823; Urteil
vom 12. März 2003 - VIII ZR 221/02, NJW-RR 2003, 894, 895). Vom Schrifttum
wird diese Frage bejaht (Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl., § 89b
Rn. 10; Großkomm.HGB/Emde aaO § 89b Rn. 43; Hopt in Baumbach/Hopt,
HGB, 36. Aufl., § 84 Rn. 19; Thume in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas,
HGB, 4. Aufl., § 84 Rn. 41; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 84
Rn. 138; Busche in Oetker, HGB, 4. Aufl., § 89b Rn. 68; Wank in Martinek/
Semler/Flohr aaO § 16 Rn. 6; MünchKomm.HGB/von Hoyningen-Huene,
- 16 -
4. Aufl., § 89b Rn. 25). Begründet wird diese Auffassung im Wesentlichen damit, dass die analoge Anwendung des § 89b HGB beim Kommissionsagenten
noch eher geboten sei als beim Vertragshändler (Sonnenschein/Weitemeyer
aaO § 89b Rn. 10; Hopt in Baumbach/Hopt aaO § 84 Rn. 19).
33
d) Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung
des § 89b HGB gegeben.
34
aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Klägerin
- ebenso wie ein Handelsvertreter - in die Absatzorganisation der Beklagten
eingebunden. Die Revision nimmt dies hin.
35
bb) Die Klägerin wurde zudem als Kommissionsagentin für Rechnung
der Beklagten tätig. Insofern sind ihre Interessen denjenigen eines Handelsvertreters eher vergleichbar, als dies die Interessen von Vertragshändlern und
Franchisenehmern sind, die mit der Werbung eines Kundenstamms primär ein
eigenes, kein fremdes Geschäft besorgen.
36
cc) Außerdem bestand auf Seiten der Klägerin eine Verpflichtung, der
Beklagten ihren Kundenstamm zu überlassen. Gegen diese Annahme des Berufungsgerichts wendet sich die Revision ohne Erfolg.
37
(1) Die Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms ergibt sich
aus § 384 Abs. 2 HGB. Danach hat der Kommissionär dem Kommittenten die
erforderlichen Nachrichten zu geben, insbesondere von der Ausführung der
Kommission unverzüglich Anzeige zu machen (§ 384 Abs. 2 Halbsatz 1 HGB),
wobei zu der Ausführungsanzeige die Benennung des Namens des Dritten gehört, an den der Kommissionär die Kommissionsware veräußert hat (vgl. Großkomm.HGB/Koller aaO § 384 Rn. 65 ff.). Weiter ist der Kommissionär verpflich-
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tet, dem Kommittenten über das Geschäft Rechenschaft abzulegen und ihm
dasjenige herauszugeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erhalten hat
(§ 384 Abs. 2 Halbsatz 2 HGB). Da es Aufgabe des Kommissionsagenten ist,
ähnlich wie ein Handelsvertreter für den Unternehmer einen Kundenstamm zu
werben, liegt in dem Kundenstamm dasjenige, was er bei der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Beim Kommissionsagenten fällt damit wie beim Handelsvertreter der Kundenstamm bei Vertragsende schon kraft der gesetzlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses dem Lieferanten zu, ohne dass es einer besonderen vertraglichen Verpflichtung zu seiner Überlassung bedarf (vgl. BGH,
BB 1964, 823).
38
(2) Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, dass die in § 384 Abs. 2
HGB normierte Pflicht zur Namhaftmachung des Dritten, mit dem der Kommissionär kontrahiert hat, modifiziert oder abbedungen werden kann (MünchKomm.HGB/Häuser, 3. Aufl., § 384 Rn. 42; Hopt in Baumbach/Hopt aaO § 384
Rn. 7; differenzierend Großkomm.HGB/Koller aaO § 384 Rn. 66), und dass dies
im Streitfall geschehen sei. Die Namhaftmachung der Person des Kunden gehört zur Verpflichtung des Kommissionärs zur Ausführungsanzeige (§ 384
Abs. 2 Halbsatz 1 HGB). Die Verpflichtung des Kommissionärs zur Übertragung
des Kundenstamms ist hiervon unabhängig und ergibt sich aus § 384 Abs. 2
Halbsatz 2 HGB; hiernach hat er den Kundenstamm als dasjenige, was er
durch die Geschäftsführung erlangt hat, an den Kommittenten herauszugeben.
39
(3) Die Revision zeigt keine Umstände auf, die im Streitfall die Annahme
rechtfertigen würden, dass die Parteien die Pflicht zur Übertragung des Kundenstamms abbedungen hätten. Insbesondere kann der Umstand, dass der
Betrieb eines Sonderpostenmarkts ein anonymes Massengeschäft ist, nicht den
Schluss auf eine konkludente Abbedingung der Pflicht des Kommissionsagenten zur Überlassung des Kundenstamms nach Vertragsende rechtfertigen.
- 18 -
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(4) Da eine gesetzliche Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten und
damit zur Herausgabe des Kundenstamms besteht und diese Pflicht im Streitfall
in dem von der Beklagten verwendeten Vertrag nicht abbedungen ist, bedarf es
keiner Entscheidung, ob die Pflicht zur Überlassung des Kundenstamms für
eine analoge Anwendung des § 89b HGB bei Kommissionsagenturverträgen
ebenso wie bei Vertragshändlern überhaupt erforderlich ist oder ob für derartige
Vertragsverhältnisse diese Voraussetzung zu modifizieren ist (vgl. hierzu Großkomm.HGB/Emde aaO § 89b Rn. 36 ff.).
41
dd) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, tatsächlich sei keine Übertragung eines individualisierbaren Kundenstamms erfolgt. Dabei kann zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass die Klägerin der Beklagten
nicht die Namen und Anschriften aller im Sonderpostenmarkt einkaufenden
Kunden übermittelt hat. Dies ist im Streitfall für eine analoge Anwendung des
§ 89b HGB nicht erforderlich. Es reicht aus, dass die Beklagte während der Tätigkeit der Klägerin alle Daten erhalten hat, die die Beklagte für eine Übernahme
des von der Klägerin geworbenen Kundenstamms benötigt.
42
(1) Allerdings ist Voraussetzung für die analoge Anwendung des § 89b
HGB auf Vertragshändler nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Verpflichtung des Vertragshändlers, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm durch Übermittlung der Kundendaten so zu übertragen, dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort
und ohne weiteres nutzbar machen kann (BGHZ 29, 83, 87 ff.; BGH, Urteil vom
17. April 1996 - VIII ZR 5/95, WM 1996, 1555 unter II 1; Urteil vom 12. Januar
2000 - VIII ZR 19/99, WM 2000, 877 unter II 1 a, jeweils mwN; Urteil vom
28. Juni 2006 - VIII ZR 350/04, NJW-RR 2006, 1692 Rn. 11 mwN).
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43
(2) Zutreffend weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass das Erfordernis der Verpflichtung des Vertragshändlers zur Übertragung des Kundenstamms im Bereich langlebiger Wirtschaftsgüter, insbesondere im Bereich des
Automobilhandels, entwickelt worden ist und dass bei Verkäufen derartiger Güter üblicherweise die Kundendaten vollständig erfasst werden. Der Hersteller
oder Lieferant ist bei derartigen Wirtschaftsgütern auf komplette Kundendaten
angewiesen, um sich den Kundenstamm nach Vertragsende sofort und ohne
weiteres nutzbar machen zu können. Zudem ist beim Automobilhandel der Vertragshändler Besitzer der Verkaufsräume und muss diese nicht nach Beendigung des Vertragshändlervertrags verlassen. Der Lieferant ist bei einer solchen
Sachlage auf eine Weitergabe der Kundendaten angewiesen, um die vom
Händler aufgebauten Kundenbeziehungen weiter nutzen zu können. Im Streitfall hat die Klägerin demgegenüber einen filialähnlich organisierten Sonderpostenmarkt in von der Beklagten angemieteten Räumen betrieben. Diese Fallkonstellation weist eher Ähnlichkeit mit dem Betrieb von Tankstellen durch
Handelsvertreter auf, bei dem es für die Nutzbarkeit des Kundenstamms maßgeblich auf die Übergabe der Tankstelle ankommt (vgl. BGH, Urteile vom
6. August 1997 - VIII ZR 92/96 und VIII ZR 150/96, NJW 1998, 66 und NJW
1998, 71). Ähnlich liegt es im Streitfall. Das Berufungsgericht hat festgestellt,
dass der bisher von der Klägerin geleitete Sonderpostenmarkt unter derselben
Geschäftsbezeichnung in den von der Beklagten gemieteten Geschäftsräumen
weitergeführt wird. Bei einer derartigen Sachlage ist von einer faktischen Kontinuität des Kundenstamms auszugehen.
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(3) Im weitgehend anonymen Massengeschäft in einem stationären Sonderpostenmarkt benötigt der Hersteller oder Lieferant zudem für eine Übernahme des Kundenstamms nicht in gleicher Weise wie beim Verkauf hochwertiger
Wirtschaftsgüter den Zugang zu vollständigen Kundendaten. Vielmehr sind in
einem derartigen Fall in erster Linie Informationen über den Verkaufsvorgang
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an sich erheblich, um es dem Unternehmer zu ermöglichen abzuschätzen, welche Art von Waren am jeweiligen Standort in welchen Mengen nachgefragt
wird. Welche Informationen die Beklagte über die Klägerin beziehen wollte, hat
sie selbst festgelegt, indem sie die Klägerin verpflichtete, das vorinstallierte
Kassensystem der Beklagten zu nutzen. Dadurch hatte die Beklagte ständigen
Zugriff auf Informationen zu allen Verkaufsvorgängen und auf sämtliche von
den Kunden im Rahmen des Bezahlvorgangs mitgeteilten personenbezogenen
Daten.
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(4) Vergeblich macht die Revision demgegenüber geltend, die Beklagte
habe sich zu diesem vom Berufungsgericht als entscheidungserheblich angesehenen Umstand im Berufungsverfahren nicht äußern können. Die Revision
legt nicht dar, welchen Vortrag sie hierzu gehalten hätte, wenn ihr dazu Gelegenheit gegeben worden wäre.
46
3. Das Berufungsgericht hat die Höhe des der Klägerin nach § 89b HGB
zustehenden Anspruchs auf Handelsvertreterausgleich zutreffend bemessen.
Die dagegen von der Revision erhobenen Rügen haben keinen Erfolg.
47
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, Grundlage für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs seien alle im letzten Vertragsjahr gezahlten
Provisionen. Berücksichtigt werden könnten dabei nur die mit Stammkunden
erzielten Umsätze, deren Anteil gemäß § 287 Abs. 2 ZPO auf 60% zu schätzen
sei. Von diesem Stammkundenumsatz sei ein Abschlag von 10% vorzunehmen,
weil bei der Ermittlung der Höhe des Ausgleichsanspruchs nur Provisionen für
die Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit zugrunde gelegt werden könnten, nicht
dagegen Provisionen für vermittlungsfremde, verwaltende Tätigkeiten. Zudem
sei unter Billigkeitsgesichtspunkten ein Abzug von 20% im Hinblick auf in erheblichem Umfang ersparte Betriebs- und Personalkosten der Klägerin vorzuneh-
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men. Ein weiterer Abzug von 20% sei unter dem Gesichtspunkt der Sogwirkung
der Marke der Beklagten vorzunehmen. Der Umstand, dass die Klägerin lediglich in der Zeit von März 2013 bis Juni 2014 den Sonderpostenmarkt in B.
geleitet habe, rechtfertige keinen weiteren Billigkeitsabzug, weil die Klägerin
vorher über einen längeren Zeitraum als Marktleiterin in V.
tätig gewesen
sei. Ein Ausgleichsanspruch stehe der Klägerin für vier Jahre zu, wobei es angemessen sei, für jedes Jahr eine Abwanderungsquote von jeweils 20% zu berücksichtigen. Der dabei ermittelte Betrag sei mit einem Zinssatz von 2% abzuzinsen und die Mehrwertsteuer hinzuzurechnen, so dass sich ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 186.966,46 € errechne. Der so ermittelte Ausgleichsanspruch überschreite die Höchstgrenze nach § 89b Abs. 2 HGB nicht. Mit ihren
gegen diese Beurteilung gerichteten Rügen kann die Revision nicht durchdringen.
48
b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die vom Berufungsgericht
angenommene Berechnungsgrundlage.
49
aa) Die Revision macht geltend, der Berechnung des Ausgleichsanspruchs seien nicht alle im Basisjahr verdienten Provisionen zugrunde zu legen.
Bemessungsgrundlage seien nur Abschluss- und Vermittlungsprovisionen, Provisionen für verwaltende Tätigkeiten seien nicht ausgleichsrelevant. Zudem
knüpften Öffnungszeitprovisionen nicht an den Abschluss von Geschäften an,
sondern an die Umsetzung längerer Öffnungszeiten. Damit zeigt die Revision
keine Rechtsfehler des Berufungsgerichts auf.
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50
bb) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass für die
Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b Abs. 1 Satz 1 HGB die zuletzt erzielte Jahresprovision maßgebend ist. Dem liegt die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 29. März 1990 - I ZR 2/89, WM
1990, 1496 unter 3 c) gemäß § 287 ZPO zulässige Schätzung zugrunde, dass
die der Beklagten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verbleibenden
Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die die Klägerin geworben hat (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB), der Höhe nach identisch sind mit
den Provisionsverlusten, die die Klägerin infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses erleidet (BGH, Urteil vom 19. Januar 2011 - VIII ZR 149/09, IHR
2012, 78 Rn. 14).
51
cc) Das Berufungsgericht hat der Berechnung des Ausgleichsanspruchs
der Klägerin die vollständigen im Basisjahr verdienten Provisionen lediglich im
Ausgangspunkt zugrunde gelegt. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon
ausgegangen, dass bei der Ermittlung der Höhe des Ausgleichsanspruchs nach
ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur solche Provisionen und Provisionsanteile zu berücksichtigen sind, die der Handelsvertreter für seine ("werbende") Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit erhält, nicht dagegen Provisionen
für vermittlungsfremde ("verwaltende") Tätigkeiten (BGH, IHR 2012, 78 Rn. 16
mwN). Das Berufungsgericht hat für verwaltende Tätigkeiten einen pauschalen
Abzug von 10% vorgenommen. Gegen die Höhe dieses Abzugs hat die Revision keine Einwendungen erhoben.
52
dd) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die Provisionen für längere
Öffnungszeiten berücksichtigt. Grundsätzlich trägt der einen Ausgleichsanspruch geltend machende Kläger die Darlegungs- und Beweislast für dessen
Voraussetzungen und damit auch dafür, dass der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nur solche Provisionsanteile zugrunde liegen, die auf seine werben-
- 23 -
de Tätigkeit entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2002 - VIII ZR 158/01, WM
2003, 499 mwN; Urteil vom 11. November 2009 - VIII ZR 249/08, IHR 2010,
154 Rn. 18). Es kann nicht bezweifelt werden, dass verlängerte Öffnungszeiten
nicht der Verwaltung, sondern dem Abschluss von Geschäften dienen.
53
c) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht den für den Ausgleichsanspruch entsprechend § 89b HGB maßgeblichen Stammkundenumsatz auf 60%
geschätzt.
54
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der von der Klägerin betriebene Sonderpostenmarkt
keine Stammkunden habe. Dies stehe im Widerspruch zum eigenen Vortrag der
Beklagten zur Bedeutung ihrer Marke und des von ihr entwickelten Marketingund Vertriebskonzepts, das zum Ziel habe, Kunden langfristig zu binden und sie
zum regelmäßigen Besuch ihrer Sonderpostenmärkte zu bewegen. Es sei deshalb davon auszugehen, dass Kunden, die die Märkte der Beklagten mindestens einmal im Monat aufsuchten, Stammkunden seien. Der Anteil dieser Kunden könne angesichts des von der Klägerin vorgelegten Coaching-Briefs der
Beklagten auf 60% geschätzt werden. Dagegen wendet sich die Revision ohne
Erfolg.
55
bb) Grundsätzlich hat der Handelsvertreter darzulegen und zu beweisen,
welcher Anteil am Umsatz bzw. an den Provisionseinnahmen in der Zeit vor der
Vertragsbeendigung auf Geschäfte mit Mehrfachkunden entfiel (BGH, WM
2003, 499). Der Bundesgerichtshof hat dem Handelsvertreter im Hinblick auf
die tatsächlichen Schwierigkeiten, im anonymen Massengeschäft den Stammkundenumsatzanteil konkret zu ermitteln, die Darlegung und Beweisführung
dadurch erleichtert, dass er eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zugelassen
- 24 -
und zudem die Verwendung statistischen Materials gebilligt hat (BGH, Urteil
vom 12. September 2007 - VIII ZR 194/06, WRP 2007, 1480 Rn. 25).
56
cc) Die Klägerin hat ihrer Darlegungslast durch Vorlage des von der Beklagten erstellten Coaching-Briefs genügt. Aus diesem Brief ergibt sich, dass
79% aller Kunden der T.
-P.
-Sonderpostenmärkte wenigstens ein-
mal im Monat dort einkaufen. Der Umstand, dass dieser Prozentsatz nicht notwendigerweise dem Anteil der Stammkunden am Umsatz entspricht und dass
dies nicht ohne weiteres auf den von der Klägerin betriebenen Sonderpostenmarkt übertragen werden kann, hat das Berufungsgericht durch einen erheblichen Abschlag von knapp 20% berücksichtigt und ist von einem durch Stammkunden generierten Umsatz von 60% ausgegangen. Dies ist im Hinblick darauf,
dass die Daten zur Kaufhäufigkeit in dem Coaching-Brief von der Beklagten
selbst stammen und nicht für die Bewerbung der T.
-P.
-Sonder-
postenmärkte in der Öffentlichkeit, sondern für die Leiter der Sonderpostenmärkte zur Steigerung der Kaufmotivation der Stammkunden bestimmt sind,
nicht zu beanstanden. Es kann bei einem derartigen, zu Motivations- und Schulungszwecken eingesetzten Material erwartet werden, dass es auf einer zutreffenden Grundlage beruht. Es obliegt der Beklagten, die sich darauf beruft, die
von ihr selbst beauftragte Befragung beruhe auf einer angesichts von lediglich
909 Befragten nicht repräsentativen Umfrage, näher darzulegen und zu beweisen, dass der Anteil derjenigen Kunden, die mindestens einmal im Monat bei ihr
einkaufen, nicht 79% beträgt, wie dort ausgewiesen, sondern geringer ist und
dass der von diesen Kunden generierte Umsatz weniger als 60% beträgt. Dass
die Beklagte in den Tatsacheninstanzen hierzu ausreichenden Vortrag gehalten
hätte, zeigt die Revision nicht auf.
57
dd) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Schätzung des Berufungsgerichts sei deshalb fehlerhaft, weil es nicht alle schätzungsrelevanten
- 25 -
Umstände berücksichtigt habe. Das Landgericht, auf dessen Ausführungen das
Berufungsgericht Bezug genommen hat, hat ausgeführt, dass die Klägerin einen neu eröffneten Sonderpostenmarkt in B.
geleitet hat, so dass ihr im
Grundsatz sämtliche Stammkunden zuzurechnen seien. Soweit die Revision
geltend macht, die Beklagte betreibe mehrere Sonderpostenmärkte in B.
, so
dass davon auszugehen sei, dass nicht alle Kunden der Klägerin Neukunden
gewesen seien, verweist sie insoweit nicht auf von der Beklagten in den Tatsacheninstanzen gehaltenen Vortrag. Damit handelt es sich um neues Tatsachenvorbringen in der Revisionsinstanz, mit der die Beklagte gemäß § 559 ZPO
ausgeschlossen ist.
58
ee) Es trifft entgegen der Rüge der Revision nicht zu, dass das Berufungsgericht den Umsatzanteil der Stammkunden mit dem von ihm geschätzten
Stammkundenanteil gleichgesetzt habe. Das Landgericht hat in seinem Urteil,
auf das das Berufungsgericht Bezug genommen hat, ausgeführt, die Bezeichnung eines Kunden als Stammkunden erfordere nicht ein gleichbleibendes Sortiment. Es sei anzunehmen, dass es Stammkunden gebe, die sich nicht nur für
das Kernsortiment des Sonderpostenmarkts interessierten, die aber dennoch
einen Sonderpostenmarkt aufsuchten, um nach Kaufgelegenheiten Ausschau
zu halten. Das Berufungsgericht hat von dem in dem Coaching-Brief ausgewiesenen Anteil der Kunden von 79%, der mindestens einmal im Monat in den
Sonderpostenmärkten der Beklagten einkauft und die deshalb als Stammkunden anzusehen sind, einen erheblichen Abschlag vorgenommen und den von
diesen Kunden generierten Umsatz auf 60% geschätzt.
59
d) Vergeblich rügt die Revision, das Berufungsgericht habe wegen der
besonders hohen Verwaltungskosten der Klägerin und den insofern nach Vertragsbeendigung ersparten Kosten nicht lediglich einen Abzug in Höhe von 20%
vornehmen dürfen, es habe nicht begründet, warum es keinen höheren Abzug
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vorgenommen habe. Ausweislich der vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen habe der Betriebskostenanteil rund 74% betragen.
60
aa) In die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist nicht nur der Vergütungsanteil einzubeziehen, der dem Handelsvertreter nach Abzug seiner gesamten Betriebs- und Personalkosten als Gewinn verbleibt. In dem Verhältnis
zwischen Handelsvertreter und Unternehmer, auf das es in § 89b HGB ankommt, ist nicht auf die Nettoeinnahme des Handelsvertreters abzustellen, die
sich aus der Gesamtprovision nach Abzug der Kosten ergibt, sondern auf dessen Bruttoprovision (BGHZ 29, 83, 92). Nur ausnahmsweise können besonders
hohe, den Verdienst schmälernde Betriebskosten, die der Handelsvertreter
nach Vertragsbeendigung erspart, zu einer Kürzung seines Ausgleichsanspruchs unter Billigkeitsgesichtspunkten führen (BGH, Urteil vom 12. Februar
2003 - VIII ZR 130/01, NJW-RR 2003, 821, 825 mwN). Dabei ist allerdings auch
im Rahmen der Billigkeitserwägungen nicht auf den Reinverdienst des Handelsvertreters etwa in der Weise abzustellen, dass alle Betriebskosten abzusetzen wären (BGH, NJW-RR 2003, 821, 825 f. mwN).
61
bb) Hiervon ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat insbesondere
berücksichtigt, dass ein Billigkeitsabzug nicht dazu führen darf, dass der Anspruchsberechtigte lediglich auf einen Ausgleich seines Reingewinns verwiesen
wird. Es hat deshalb bei seiner Entscheidung, den Ausgleichsanspruch der Klägerin ausnahmsweise zugunsten der Beklagten unter Billigkeitsgesichtspunkten
zu kürzen, berücksichtigt, dass für die Führung eines Sonderpostenmarkts mit
der erforderlichen Lagerhaltung sowie der Regalpflege und angesichts der langen Öffnungszeiten ein beträchtlicher Personalaufwand erforderlich ist, den die
Klägerin zu übernehmen hatte. Es hat umgekehrt ebenso berücksichtigt, dass
die Klägerin nicht die vollen Kosten der Ladenmiete zu tragen hatte, sondern
nur die Nebenkosten. Die Revision legt nicht dar, dass das Berufungsgericht
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maßgebliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hätte. Rechtsfehler
sind insoweit nicht erkennbar.
62
e) Vergeblich wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Prognosezeitraum sei auf vier Jahre zu bemessen.
63
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Prognosezeitraum von
vier Jahren und eine Abwanderungsquote von 20% seien angemessen.
64
bb) Dagegen erhebt die Revision keine erheblichen Rügen.
65
(1) Maßgeblich für die Bemessung des Ausgleichsanspruchs ist, inwieweit der Unternehmer aus den Geschäftsverbindungen mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und inwieweit der Anspruchsberechtigte infolge der
Beendigung des Vertragsverhältnisses Provisionseinnahmen verliert, die er bei
dessen Fortsetzung aus Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden erzielt hätte. Dabei ist die Entwicklung der vom Handelsvertreter hergestellten
Geschäftsbeziehungen in den Blick zu nehmen und festzustellen, wie lange und
in welchem Umfang die Geschäfte zwischen Unternehmer und Neukunden voraussichtlich fortgesetzt werden. Zu berücksichtigen sind die Besonderheiten
der jeweiligen Branche, die Marktgegebenheiten, Wettbewerbsbedingungen,
Kundenfluktuation und die Art der Tätigkeit (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992
- I ZR 173/91, NJW-RR 1993, 221). Für die Annahme einer Geschäftsverbindung mit Vorteilen für den Unternehmer ist die Zeitspanne maßgebend, innerhalb derer normalerweise noch mit Folgeaufträgen der vom Handelsvertreter
neu geworbenen Kunden gerechnet werden kann. Im Falle des Vertriebs von
Waren bestimmt sich dieser Zeitraum unter anderem danach, wie häufig sich
ein Neubedarf einstellt. Lassen die vertriebenen Artikel aufgrund ihrer Zweckbestimmung und ihrer Langlebigkeit in der Regel nur eine einmalige Anschaf-
- 28 -
fung erwarten, so kann von einer - für den Geschäftsherrn in absehbarer Zeit weiterhin nutzbaren Geschäftsverbindung nicht gesprochen werden. Andererseits steht der Entstehung einer Geschäftsverbindung mit Vorteilen für den Unternehmer aber nicht von vornherein entgegen, dass Nachbestellungen infolge
der Lebensdauer eines Erzeugnisses erst nach einer längeren, auch mehrjährigen Zeitspanne in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1984
- I ZR 104/82, NJW 1985, 859 mwN).
66
(2) Im Ergebnis hält nach diesen Maßstäben die von dem Berufungsgericht vorgenommene Bemessung des Prognosezeitraums und der Abwanderungsquote einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Die Klägerin hat vorgetragen, dass in den Sonderpostenmärkten unter anderem Lebensmittel, Getränke, Süßwaren, Waschmittel, Seifen, Kosmetika sowie Gebrauchsgüter
überwiegend für Haus und Garten wie Gartenmöbel, Werkzeuge, Pflanzen,
Textilwaren und Haushaltsgeräte verkauft werden. Dabei handelt es sich um
Waren mit unterschiedlicher Lebensdauer, so dass das Berufungsgericht bei
seiner Annahme, der Prognosezeitraum betrage vier Jahre, ersichtlich sowohl
lang- als auch kurzlebige Waren berücksichtigt hat. Das ist nicht zu beanstanden. Soweit die Revision demgegenüber auf den pauschalen Vortrag der Beklagten verweist, der Prognosezeitraum betrage im Regelfall zwei bis drei Jahre, eine längere Dauer sei nur bei langlebigen Gütern gerechtfertigt, zeigt sie
damit keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts auf, sondern ersetzt die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts in revisionsrechtlich unzulässiger
Weise durch ihre eigene.
67
f) Gegen die weiteren Überlegungen des Berufungsgerichts zur Bemessung des Ausgleichsanspruchs erhebt die Revision keine Rügen. Rechtsfehler
sind insoweit auch nicht ersichtlich.
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68
g) Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich für die Zeit vor Rechtshängigkeit aus § 353 Satz 1, § 352 Abs. 1 Satz 1 HGB, für die Zeit danach aus
§ 286 Abs. 1, § 288 Abs. 2, § 291 BGB.
69
III. Nach alledem ist die Revision mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1
ZPO zurückzuweisen.
Büscher
Koch
Schwonke
Löffler
Feddersen
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 24.04.2015 - 13 O 425/14 OLG Oldenburg, Entscheidung vom 27.10.2015 - 13 U 40/15 -