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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 117/16
Verkündet am:
5. Oktober 2017
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Tabakwerbung im Internet
UWG § 3a; TabakerzG § 19 Abs. 2, 3; VTabakG § 21a Abs. 3, 4
a) Das Werbeverbot für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft gemäß § 21a Abs. 4 VTabakG und § 19 Abs. 3 TabakerzG ist eine
Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG.
b) Es stellt eine verbotene Tabakwerbung in einem Dienst der Informationsgesellschaft dar, wenn ein Unternehmen auf der Startseite seines Internetauftritts für Tabakerzeugnisse wirbt.
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2017 - I ZR 117/16 - OLG München
LG Landshut
ECLI:DE:BGH:2017:051017UIZR117.16.0
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die
Richter
Prof.
Dr. Schaffert,
Dr. Kirchhoff,
Dr. Löffler
und
die
Richterin
Dr. Schwonke
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. April 2016 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger ist der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG
eingetragene Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Die Beklagte ist ein mittelständischer Tabakhersteller. Sie betreibt unter www.
.com eine
Website, auf der sich interessierte Nutzer über das Unternehmen, Karrieremöglichkeiten, die einzelnen Produkte und die Tabakkultur informieren können. Der
Zugang zu den einzelnen Inhalten wird nach einer elektronischen Altersabfrage
gewährt.
2
Am 4. November 2014 befand sich auf der Startseite des Internetauftritts
der Beklagten eine Abbildung, die vier Tabakerzeugnisse konsumierende, gut
gelaunte, lässig anmutende jüngere Personen zeigte. Nach einer informellen
Beanstandung durch das Landratsamt Landshut wurde diese Abbildung von der
Beklagten entfernt.
-3-
3
Unter dem 6. November 2014 mahnte der Kläger die Beklagte unter Bezug auf § 22 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c VTabakG wegen der Abbildung ab. In einem
weiteren Schreiben vom 24. November 2014 stützte sich der Kläger auch auf
§ 21a VTabakG. Die Beklagte gab keine Unterlassungserklärung ab.
4
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß unter Androhung näher
bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen für Tabakerzeugnisse wie nachfolgend
abgebildet zu werben bzw. werben zu lassen.
5
Außerdem hat das Landgericht dem Kläger einen Anspruch auf Ersatz
pauschaler Abmahnkosten gegen die Beklagte in Höhe von 214 € zuzüglich
Zinsen zuerkannt (LG Landshut, MMR 2016, 119).
-4-
6
Nachdem der Kläger den Klageantrag vor dem Berufungsgericht im Wege der Teilklagerücknahme entsprechend eingeschränkt hat, hat das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass es im Unterlassungstenor lautet "… zu unterlassen, auf ihrer Unternehmenswebseite im Internet für Tabakerzeugnisse …" (OLG München, MD 2016,
793).
7
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
8
I. Das Berufungsgericht hat die Klage als zulässig und begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
9
Die beanstandete Abbildung verstoße gegen das Werbeverbot gemäß
§ 21a Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 VTabakG. Die Vorschrift sei eine
verbraucherschützende Norm im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG und eine
Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG und § 4 Nr. 11 UWG aF. Bei
der Abbildung handele es sich um Werbung der Beklagten für Tabakerzeugnisse, da sie jedenfalls indirekt zum Kauf ihrer Produkte anregen solle. Die Beklagte habe in einem "Dienste der Informationsgesellschaft" gemäß § 21a Abs. 4
VTabakG geworben. Dafür sei die Entgeltlichkeit der Online-Dienstleistung im
engeren Sinne nicht entscheidend. Mit "Dienst der Informationsgesellschaft" sei
vielmehr das Internet gemeint, soweit es zu wirtschaftlichen Zwecken genutzt
werde, wie insbesondere für Werbung. Die Unternehmenswebseite der Beklagten sei im Sinne von § 21a Abs. 4 VTabakG mit der in Absatz 3 dieser Vorschrift genannten "Presse" oder einer "anderen gedruckten Veröffentlichung"
-5-
vergleichbar. Die Unternehmenshomepage der Beklagten wende sich nicht an
einen von vornherein lokal beschränkten Interessentenkreis, sondern potentiell
an Interessenten in der ganzen Welt. Die Beklagte könne sich nicht auf die in
§ 21a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 VTabakG enthaltene Ausnahme vom Werbeverbot für
Tabakfachzeitschriften berufen. Die unionsrechtliche Grundlage für diese Ausnahme sei fraglich. Jedenfalls sei die Unternehmenswebseite der Beklagten
nicht mit einer Fachzeitschrift vergleichbar, die "in ihrem redaktionellen Inhalt
weit überwiegend Tabakprodukte oder ihrer Verwendung dienende Produkte"
betreffe. Außerdem wende sich die Unternehmenswebseite der Beklagten nicht
wie eine Fachzeitschrift an ein beschränktes Publikum, sondern potentiell an
jedermann.
10
Ein Verstoß gegen das Werbeverbot des § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
VTabakG liege dagegen nicht vor. Aus der Abbildung von vier Tabakprodukten
in der Hand haltenden Personen, die sichtbar gut gelaunt sind, könne keine
Aussage zu einer gesundheitlichen Unbedenklichkeit der Verwendung von Tabakerzeugnissen entnommen werden. Ebenso wenig erwecke die Abbildung
den Eindruck, der Genuss der Produkte der Beklagten werde die Funktion des
Körpers, die Leistungsfähigkeit oder das Wohlbefinden günstig beeinflussen.
Schließlich handele es sich auch um keine Darstellung, die das Inhalieren des
Tabakrauchs als nachahmenswert erscheinen lasse. Die bloße Darstellung eines eine Zigarette zwischen den Fingern haltenden, Rauch ausstoßenden oder
eines eine Pfeife in der Hand haltenden Menschen, der den Zigaretten- oder
Pfeifenrauch auch nur in die Mundhöhle verbringen könne, anstatt ihn zu inhalieren, reiche für ein Verbot nicht aus.
11
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat
keinen Erfolg.
12
1. Der Kläger hat seinen Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt. Der Unterlassungsantrag ist daher nur begründet, wenn das be-
-6-
anstandete Verhalten der Beklagten sowohl zur Zeit der Begehung wettbewerbswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 4. Februar 2016
- I ZR 194/14, GRUR 2016, 403 Rn. 3 = WRP 2016, 450 - Fressnapf; Urteil vom
1. Dezember 2016 - I ZR 143/15, GRUR 2017, 641 Rn. 16 = WRP 2017, 536
- Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln). Für den Anspruch auf Erstattung von
Abmahnkosten kommt es dagegen allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der
Abmahnung an (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2016 - I ZR 220/15, GRUR
2017, 517 Rn. 9 = WRP 2017, 705 - WLAN-Schlüssel).
13
Nach der Verwendung der beanstandeten Abbildung auf der Startseite
des Internetauftritts der Beklagten im November 2014 ist das Lauterkeitsrecht
durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren
Wettbewerb mit Wirkung ab 10. Dezember 2015 novelliert worden (BGBl. I,
S. 2158). Die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG aF ist nunmehr inhaltsgleich im um
die Spürbarkeitsklausel des § 3 Abs. 1 UWG aF ergänzten § 3a UWG enthalten. Für den Tatbestand des Rechtsbruchs hat sich dadurch in der Sache nichts
geändert (BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 61/14, GRUR 2016, 516
Rn. 11 = WRP 2016, 581 - Wir helfen im Trauerfall; Urteil vom 2. März 2017
- I ZR 194/15, GRUR 2017, 537 Rn. 18 = WRP 2017, 542 - Konsumgetreide).
14
Das vorläufige Tabakgesetz ist mit Wirkung vom 20. Mai 2016 durch das
Tabakerzeugnisgesetz (BGBl. I 2016, S. 569) ersetzt worden. Die bisherigen
Verbote der Werbung für Tabak in § 21a Abs. 2 bis 4 und § 22 VTabakG sind
nunmehr in § 19 Abs. 2 und 3 sowie § 21 Abs. 1 TabakErzG geregelt, wobei die
Definitionen des § 21a Abs. 1 VTabakG jetzt in einer gesonderten Vorschrift
über sonstige Begriffsbestimmungen in § 2 TabakErzG enthalten sind. Inhaltliche Änderungen haben sich durch diese Neuregelung nicht ergeben.
15
2. Der Anwendung des § 3a UWG steht im Streitfall nicht entgegen, dass
die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die in ihrem An-
-7-
wendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung
des Lauterkeitsrechts geführt hat (Art. 4 der Richtlinie), keinen vergleichbaren
Unlauterkeitstatbestand kennt. Gemäß Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 9 der
Richtlinie bleiben von ihr Rechtsvorschriften der Gemeinschaft und zu ihrer
Umsetzung ergangene nationale Rechtsvorschriften in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt (vgl. BGH, GRUR 2017,
641 Rn. 18 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln, mwN). Diese Regelung erfasst
auch Vorschriften, welche die Möglichkeit beschränken, für solche Produkte zu
werben (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - I ZR 213/13, GRUR 2015, 813
Rn. 11 = WRP 2015, 966 - Fahrdienst zur Augenklinik; BGH, GRUR 2017, 641
Rn. 18 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln).
16
3. Das Werbeverbot für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft gemäß § 21a Abs. 4 VTabakG ist eine Marktverhaltensregelung im
Sinne des § 3a UWG und § 4 Nr. 11 UWG aF. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Vorschrift des § 21a Abs. 3 VTabakG eine Marktverhaltensregelung ist (BGH, Urteil vom 18. November 2010 - I ZR 137/09, GRUR 2011, 631
Rn. 10 = WRP 2011, 870 - Unser wichtigstes Cigarettenpapier). Für § 21a
Abs. 4 VTabakG, der das für die Presse und andere gedruckte Veröffentlichungen geltende Werbeverbot auf Dienste der Informationsgesellschaft erweitert,
gilt nichts anderes. Ebenso sind die bestimmte Formen der Tabakwerbung erfassenden Verbote des § 22 Abs. 2 VTabakG Marktverhaltensregelungen (zu
§ 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VTabakG vgl. BGH, Urteil vom 4. November 2010
- I ZR 139/09, GRUR 2011, 633 Rn. 34 = WRP 2011, 858 - Biotabak).
17
4. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, die Beklagte habe
gegen § 21a Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 VTabakG verstoßen. Das Zeigen
der beanstandeten Abbildung auf der Startseite des Internetauftritts der Beklagten stellt eine Werbung für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft dar, die entsprechend § 21a Abs. 3 VTabakG verboten ist.
-8-
18
a) Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 VTabakG ist es verboten, für Tabakerzeugnisse in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung zu werben. Gemäß Absatz 4 dieser Vorschrift gilt dieses Verbot entsprechend für die
Werbung für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft. Diese
Regelungen setzen Art. 3 der Richtlinie 2003/33/EG vom 26. Mai 2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über
Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen (ABl. 2003 L 152,
S. 6) in das deutsche Recht um. Nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/33/EG
ist Werbung, die in der Presse und anderen gedruckten Veröffentlichungen
nicht erlaubt ist, in Diensten der Informationsgesellschaft ebenfalls nicht gestattet.
19
b) Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, stellt die beanstandete Abbildung eine "Werbung für Tabakerzeugnisse" im Sinne von § 21a
Abs. 4 VTabakG dar. § 21a Abs. 1 Nr. 1 VTabakG verweist zur Definition des
Begriffs der Werbung auf Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2003/33/EG. Danach ist
Werbung "jede Art kommerzieller Kommunikation mit dem Ziel oder der direkten
oder indirekten Wirkung, den Verkauf eines Tabakerzeugnisses zu fördern".
Dieser Begriff der Werbung erfasst ausdrücklich auch eine kommerzielle Kommunikation, die den Verkauf eines Tabakerzeugnisses indirekt fördert (BGH,
GRUR 2011, 631 Rn. 17 - Unser wichtigstes Cigarettenpapier). Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler eine solche indirekte Werbewirkung darin gesehen, dass durch die Abbildung von vier gut gelaunten Personen, die die von der
Beklagten verkauften Produktarten (Schnupftabak, Zigarettentabak, Zigaretten
und Pfeifentabak) in der Hand halten, diese Produkte dem Besucher der Internetseite der Beklagten näher gebracht und als attraktiv dargestellt werden sollen.
-9-
20
c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, diese Werbung für Tabakerzeugnisse sei nicht in einem Dienst der Informationsgesellschaft erfolgt und
werde deshalb nicht vom Verbot des § 21a Abs. 4 VTabakG erfasst.
21
aa) § 21a Abs. 1 Nr. 3 VTabakG verweist für die Definition des Begriffs
"Dienste der Informationsgesellschaft" auf Art. 2 Buchst. d der Richtlinie
2003/33/EG, der wiederum auf Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften
und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 1998
L 204, S. 37, geändert durch die Richtlinie 98/48/EG, ABl. 1998 L 217, S. 18)
Bezug nimmt. Danach ist eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft jede
in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen
Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Diese Definition findet sich
unverändert auch in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 über
ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der
Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 2015 L 241,
S. 1). Diese unionsrechtliche Definition des Begriffs "Dienste der Informationsgesellschaft" wird in den Erwägungsgründen 17 und 18 der Richtlinie
2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr", ABl. 2000 L 178,
S. 1), erläutert. Gemäß Erwägungsgrund 17 dieser Richtlinie umfasst die Definition alle Dienstleistungen, die in der Regel gegen Entgelt im Fernabsatz mittels
Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten auf individuellen Abruf eines Empfängers erbracht werden. Nach Erwägungsgrund 18 erstrecken sich die Dienste der Informationsgesellschaft, soweit es sich überhaupt um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, auch auf Dienste, die nicht von denjenigen vergütet werden, die sie
empfangen, wie etwa Online-Informationsdienste oder kommerzielle Kommunikation.
- 10 -
22
bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, nach dieser Definition müsse das Merkmal der Entgeltlichkeit lediglich "in der Regel" vorliegen, so dass
die Definition auch Sachverhalte erfassen könne, in denen keine Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht würden. Da nach Erwägungsgrund 18 der Richtlinie
2000/31/EG vom Begriff der "Dienste der Informationsgesellschaft" auch die
"kommerzielle Kommunikation", also Werbung, erfasst sein solle, könne es auf
eine Entgeltlichkeit der Online-Dienstleistung im engeren Sinne nicht entscheidend ankommen. Zusammengefasst sei mit dem Begriff "Dienste der Informationsgesellschaft" das Internet gemeint, soweit es zu wirtschaftlichen Zwecken
genutzt werde, namentlich für Werbung. Da die Abbildung auf der Startseite der
Unternehmenswebseite der Beklagten Werbezwecken diente, erfolgte sie auch
in Diensten der Informationsgesellschaft.
23
cc) Die Revision meint, durch die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung des Begriffs "Dienste der Informationsgesellschaft" werde das Tatbestandsmerkmal "in der Regel gegen Entgelt" unzutreffend erfasst. Die jeweils zu
beurteilende Dienstleistung entspreche nur der Definition in Art. 1 Nr. 2 der
Richtlinie 98/34/EG und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/1535,
wenn gerade die konkret in Rede stehende Dienstleistung "in der Regel gegen
Entgelt" (und somit nur ausnahmsweise unentgeltlich) erbracht werde. Danach
verbiete es sich, Leistungen unter den Begriff der "Dienste der Informationsgesellschaft" zu fassen, die in der Regel gerade nicht oder gar - wie Werbung niemals gegen Entgelt erbracht würden. Es sei deshalb entgegen der Ansicht
des Berufungsgerichts verfehlt, "Dienste der Informationsgesellschaft" mit Werbung gleichzusetzen. Die Erwähnung der "kommerziellen Kommunikation" in
Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2000/31/EG gebe lediglich ein Beispiel für
einen Dienst, der nicht von denjenigen vergütet werde, die ihn empfingen. Gemeint seien damit Sachverhalte, in denen sich der Werbende zur Verbreitung
seiner Werbung gegenüber den Werbeadressaten eines Dritten bediene und an
diesen Dritten hierfür ein Entgelt entrichte. Zudem werde der "Dienst" in den
- 11 -
Legaldefinitionen des Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG und des Art. 1 Abs. 1
Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 als "Dienstleistung" bezeichnet. Der
Begriff der "Dienstleistung" sei dadurch gekennzeichnet, dass es sich um eine
Leistung handele, deren Nutzen ihrem Empfänger zugutekomme. Der Nutzen
von Werbung komme aber naturgemäß dem Werbenden und nicht dem Werbeadressaten zugute.
24
dd) Mit diesen Rügen hat die Revision keinen Erfolg.
25
(1) Nach der unionsrechtlichen Definition in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie
98/34/EG und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 handelt es
sich bei einem Dienst der Informationsgesellschaft um eine in bestimmter Weise elektronisch erbrachte Dienstleistung. Der Begriff "Dienstleistung" impliziert,
dass es sich um Leistungen handelt, die normalerweise gegen Entgelt, also für
eine wirtschaftliche Gegenleistung, erbracht werden (EuGH, Urteil vom 22. Mai
2003 - C-355/00, Slg. 2003, I-5263 Rn. 54 - Freskot; Urteil vom 18. Dezember
2007 - C-281/06, Slg. 2007, I-12231 = EuZW 2008, 152 Rn. 28 - Jundt, mwN;
vgl. auch Art. 4 der Richtlinie 2006/123/EG). Allerdings können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch Leistungen wirtschaftlicher Art, die unentgeltlich erbracht werden, ein "Dienst der Informationsgesellschaft" sein. Die Vergütung für einen Dienst, den ein Anbieter im Rahmen
seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt, wird nicht notwendig von denjenigen
bezahlt, denen der Dienst zugutekommt. Das ist insbesondere der Fall, wenn
eine unentgeltliche Leistung - etwa der Zugang zu einem WLAN-Netz - von einem Anbieter zu Werbezwecken für die von ihm angebotenen Güter oder
Dienstleistungen erbracht wird, da die Kosten dieser Tätigkeit dann in den Verkaufspreis dieser Güter und Dienstleistungen einbezogen werden (vgl. EuGH,
Urteil vom 15. September 2016 - C-484/14, GRUR 2016, 1146 Rn. 41 f. = WRP
2016, 1486 - Mc Fadden).
- 12 -
26
Danach kann Online-Werbung einen Dienst der Informationsgesellschaft
im Sinne der Richtlinie 2000/31/EG darstellen. Ferner ergibt sich aus Art. 2
Buchst. f der Richtlinie 2000/31/EG, dass der Begriff "kommerzielle Kommunikation" unter anderem alle Formen der Kommunikation abdeckt, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen einer natürlichen oder juristischen Person dienen, die eine unternehmerische Tätigkeit ausübt. Nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union
folgt daraus, dass Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung
über eine Website, die von einem selbständigen Zahnarzt erstellt wurde, eine
kommerzielle Kommunikation ist, die einen Dienst der Informationsgesellschaft
darstellt oder Bestandteil eines solchen Dienstes ist (EuGH, Urteil vom 4. Mai
2017 - C-339/15, GRUR 2017, 627 Rn. 37 bis 39 = WRP 2017, 670 - Luc Vandenborght).
27
(2) Danach besteht die Bedeutung der Beschränkung des Dienstleistungsbegriffs auf "in der Regel" entgeltliche Leistungen entgegen der überwiegenden Meinung im deutschen Schrifttum nicht darin, auch Leistungen zu erfassen, die zwar typischerweise gegen Entgelt, aber gelegentlich - etwa aus
Gefälligkeit - unentgeltlich erbracht werden (Streinz/Leible in Schlachter/Ohler,
Europäische Dienstleistungsrichtlinie, 2008, Art. 4 Rn. 2; Kluth in Calliess/
Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. Art. 57 AEUV Rn. 13; Müller-Graff in Streinz,
EUV/AEUV, 2. Aufl., Art. 56 AEUV Rn. 19; Roth in Dauses/Ludwigs, EUWirtschaftsrecht, EL 41, E I Rn. 131; Seyr in Lenz/Borchardt, EU-Verträge,
6. Aufl., Art. 56/57 AEUV Rn. 12). Die Formulierung "in der Regel" soll auch
nicht klarstellen, dass eine Dienstleistung nur vorliegt, wenn über den Einzelfall
hinaus eine entsprechende Leistung generell vergütet wird (so aber Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union,
61. EL, AEUV Art. 57 Rn. 47). Schließlich bedeutet das Tatbestandsmerkmal "in
der Regel gegen Entgelt" nicht, dass die Dienstleistung im Regelfall gegen eine
Leistung in Geld erfolgen muss, jedoch ausnahmsweise andere Gegenleistun-
- 13 -
gen wie der unmittelbare Austausch gegen andere Waren oder andere Dienstleistungen oder die Verrechnung mit Forderungen möglich sind oder dass es
unschädlich ist, wenn nur bestimmte Personengruppen bezahlen müssen (vgl.
Tiedje in von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl.
2015, AEUV Art. 57 Rn. 11).
28
Diese in der Literatur erwogenen Auslegungsmöglichkeiten sind mit der
jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der
Rechtssache "Luc Vandenborght" unvereinbar. Danach stellt die Website eines
Unternehmens, auf der für dessen Produkte oder Dienstleistungen geworben
wird, einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie
2000/31/EG dar, auch wenn der Werbeadressat für den Aufruf dieser Internetseite in aller Regel kein Entgelt zahlt, und die Werbeleistung auch von keinem
Dritten vergütet wird (vgl. EuGH, GRUR 2017, 627 Rn. 37 bis 39 - Luc Vandenborght). Die beanstandete Startseite des Internetauftritts der Beklagten ist danach eine vom unionsrechtlichen Begriff der Dienstleistung erfasste kommerzielle Kommunikation und damit ein Dienst der Informationsgesellschaft.
29
d) Die beanstandete Werbung auf der Startseite unterfällt dem Verbot
gemäß § 21a Abs. 3 und 4 VTabakG. § 21a Abs. 4 VTabakG setzt Art. 3 Abs. 2
der Richtlinie 2003/33/EG um, der bestimmt, dass in der Presse und anderen
gedruckten Veröffentlichungen verbotene Werbung in Diensten der Informationsgesellschaft ebenfalls nicht gestattet ist. Für die Bestimmung des Umfangs
dieses Verbots ist Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 2003/33/EG heranzuziehen.
Danach muss Tabakwerbung auf diejenigen Magazine und Zeitschriften beschränkt werden, die sich nicht an die breite Öffentlichkeit wenden. Die weltweit
unbeschränkt aufrufbare Startseite eines Unternehmens wendet sich an die
breite Öffentlichkeit und wird deshalb von dem Verbot der Tabakwerbung in
Diensten der Informationsgesellschaft erfasst.
- 14 -
30
e) Dieses Verbot der beanstandeten Abbildung auf der Startseite des Internetauftritts der Beklagten stellt sich nicht als unverhältnismäßige Beschränkung ihrer Grundrechte auf Meinungs- und Äußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG
in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 11 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta) sowie auf wirtschaftliche und unternehmerische Betätigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1
GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 15 Abs. 1 und 16 EU-Grundrechtecharta) dar. Zwar käme möglicherweise ein unverhältnismäßiger Eingriff
in diese Grundrechte in Betracht, wenn Unternehmen der Tabakindustrie generell daran gehindert würden, das Medium Internet zur Förderung ihres Erscheinungsbildes einzusetzen. Ein so weitreichendes Verbot steht vorliegend aber
nicht in Rede. Es bezieht sich vielmehr nur auf die einer breiten Öffentlichkeit
allgemein zugängliche Startseite des Internetauftritts der Beklagten.
31
5. Da § 21a Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 und 2 und Abs. 4 VTabakG
inhaltlich § 19 Abs. 2 und 3 TabakErzG entspricht und ein Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne von § 2 Nr. 8 TabakErzG vorliegt, folgt das Verbot
nach Inkrafttreten des Gesetzes über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse nunmehr ebenfalls aus diesen Vorschriften.
32
6. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Unterlassungsanspruch nicht
aus § 22 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG als begründet erachtet.
33
a) Nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a VTabakG ist es unter anderem verboten, in der Werbung für Tabakerzeugnisse Darstellungen zu verwenden,
durch die der Eindruck erweckt wird, dass der Genuss von Tabakerzeugnissen
gesundheitlich unbedenklich oder geeignet ist, die Funktion des Körpers, die
Leistungsfähigkeit oder das Wohlbefinden günstig zu beeinflussen.
34
Das Berufungsgericht hat angenommen, der bloßen Abbildung von vier
offensichtlich gut gelaunten Personen, die Tabakerzeugnisse in der Hand hielten, könne keine Aussage zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit der Tabaker-
- 15 -
zeugnisse entnommen werden, da die gute Laune ohne Weiteres auf andere
Umstände zurückzuführen sein könne und eine gesundheitliche Unbedenklichkeit ohnehin kaum durch Abbildungen, sondern vornehmlich durch Wortattribute
ausgedrückt werde. Ebenso wenig sei ein hinreichender Zusammenhang zwischen den abgebildeten Tabakerzeugnissen und der möglicherweise einen
Rückschluss auf deren Leistungsfähigkeit zulassenden Fröhlichkeit der Personen erkennbar.
35
Das wird von der Revision nicht angegriffen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
36
b) Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c VTabakG ist es verboten, in der
Werbung für Tabakerzeugnisse unter anderem Darstellungen zu verwenden,
die das Inhalieren des Tabakrauchs als nachahmenswert erscheinen lassen.
37
aa) Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, die angegriffene Darstellung zeige bei der mit brennender Zigarette abgebildeten zweiten Person von
rechts zwar einen bestimmten Ausschnitt beim Vorgang des Rauchens (vom
Mund der Person austretender Rauchstrom), der vorausgehende und nachfolgende Vorgang des "Ziehens" samt Verbringen des Rauchs ins Körperinnere
sei jedoch nicht zu sehen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es neben der
Rauchtechnik des Inhalierens, verstanden als Einatmen des Rauchs direkt in
die Lunge, auch die weniger gesundheitsschädliche Technik gebe, den Rauch
lediglich in die Mundhöhle zu verbringen. Entsprechendes gelte für die Person
ganz rechts auf der Abbildung, die eine rauchende Pfeife in der Hand halte, ohne dass ein vom Mund austretender Rauchstrom zu sehen sei.
38
bb) Die Revisionserwiderung meint, bei der auf der Darstellung als zweite Person von rechts abgebildeten Person handele es sich um einen inhalierenden Raucher. Das Inhalieren umfasse das Ein- und Ausatmen des Tabakrauchs. Zudem verbiete § 22 Abs. 1 Buchst. c VTabakG nicht die Abbildung des
- 16 -
Inhalierens von Tabakrauch, sondern jede Darstellung, die das Inhalieren
nachahmenswert erscheinen lasse.
39
cc) Mit diesen Erwägungen kann die Beurteilung des Berufungsgerichts,
ein Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Buchst. c VTabakG liege nicht vor, nicht in Frage gestellt werden. Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung ohne
Rechtsfehler angenommen, dass die zweite Person von rechts in der Abbildung
rauchen könne, ohne zu inhalieren, die Abbildung eines inhalierenden Rauchers also nicht festzustellen sei. Auch wenn der Lungenzug die Phasen des
Ein- und Ausatmens umfassen mag, ist unter "Inhalation" nach allgemeinem
Sprachverständnis das Einatmen des Rauchs in die Lunge zu verstehen. Zwar
verbietet § 22 Abs. 1 Buchst. c VTabakG jede Darstellung, die das Inhalieren
nachahmenswert erscheinen lässt. An einer solchen Darstellung fehlt es aber,
wenn eine beanstandete Abbildung einen Raucher zeigt, der nicht erkennbar
inhaliert.
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6. Ist der Unterlassungsantrag aus § 21a Abs. 4 VTabakG in Verbindung
mit Absatz 3 dieser Vorschrift zum Zeitpunkt der Abmahnung begründet gewesen, steht dem Kläger auch der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten zu.
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7. Nach den vorstehenden Ausführungen stellt sich im Streitfall keine
entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt
oder zweifelsfrei zu beantworten ist. Damit ist es nicht geboten, gemäß Art. 267
Abs. 3 AEUV ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg.
1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 1. Oktober 2015
- C-452/14, GRUR-Int. 2015, 1152 Rn. 43 - Doc Generici, mwN).
- 17 -
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Büscher
Schaffert
Löffler
Kirchhoff
Schwonke
Vorinstanzen:
LG Landshut, Entscheidung vom 29.06.2015 - 72 O 3510/14 OLG München, Entscheidung vom 21.04.2016 - 6 U 2775/15 -