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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 36/98
Verkündet am:
16. November 2000
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung Nr. 395 33 667.8
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ
: nein
BGHR
:
ja
Jeanshosentasche
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1
Erschöpft sich eine Bildmarke nicht in der Darstellung der Ware selbst, sondern stellt sie nur einen Teil derselben unter Heranziehung von charakteristischen Merkmalen dar, kann ihr regelmäßig die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.
BGH, Beschl. v. 16. November 2000 - I ZB 36/98 - Bundespatentgericht
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-3-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und
Dr. Schaffert
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des
27. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts
vom 24. März 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 DM
festgesetzt.
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Gründe:
I. Mit ihrer am 17. August 1995 eingereichten Anmeldung begehrt die
Anmelderin für die Waren "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen" die Eintragung des nachfolgend dargestellten Bildes:
Die zuständige Markenstelle des Deutschen Patentamts hat der angemeldeten Marke die Eintragung wegen fehlender Unterscheidungskraft versagt.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin ist erfolglos geblieben.
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Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr
Eintragungsbegehren weiter.
II. Das Bundespatentgericht hat das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG für gegeben erachtet und dazu ausgeführt:
Da Marken stets im Blick auf die beanspruchten Waren zu beurteilen
und (Ober-)Bekleidungsstücke in der Regel mit Taschen versehen seien (gelegentlich aber auch Mützen, Hüte und Schuhe), liege es für den angesprochenen Verkehr bei der Wahrnehmung des angemeldeten Zeichens im Hinblick
auf die äußeren Umrisse ohne weiteres nahe, hierin eine aufgesetzte Tasche
als Teil der Ware zu sehen. Nach neuem Markenrecht seien an die Unterscheidungskraft generell keine (wesentlich) geringeren Anforderungen als unter der Geltung des Warenzeichengesetzes zu stellen. Wenngleich nach neuem Markenrecht Abbildungen der Ware selbst - somit auch wie hier eines Teils
der Ware - abstrakt markenfähig sein könnten, ändere dies nichts daran, daß
im Einzelfall die erforderliche Unterscheidungskraft, d.h. die Eignung, dem Verkehr als Unterscheidungsmittel der Herkunft nach zu dienen, gegeben sein
müsse. An dieser fehle es im Streitfall. Die Rechtsprechung, nach welcher eine
naturgetreue, wenn auch nicht fotografisch genaue oder maßstabsgerechte
Wiedergabe einer beanspruchten Ware nicht geeignet sei, diese ihrer betrieblichen Herkunft nach zu individualisieren, müsse für Abbildungen entsprechend
gelten, die - wie im Streitfall - in unverkennbarer Weise einen Teil der Waren,
nämlich hier eine (aufgesetzte) Tasche, wie sie insbesondere für Jeansbekleidung typisch sei, wiedergäben. Dabei seien gerade Artikel der Jeansbekleidung (bzw. Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen und zum Teil auch Schuhe
aus diesem Material), insbesondere sogenannte Freizeitbekleidung im weitesten Sinne in der vorliegenden Warenklasse Produkte von zentraler, wirt-
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schaftlich überaus großer Bedeutung, weshalb es angesichts der konkreten
Gestaltung der Abbildung geboten sei, auf diese Erzeugnisse in besonderem
Maße abzustellen. Der weitgehend realistischen Zeichnung fehle ein Mindestmaß an gestalterischer (graphischer) Eigentümlichkeit. Eine solche könne insbesondere nicht darin gesehen werden, daß die Nahtlinien als durchgezogene
Striche ausgebildet seien, weil jedenfalls die Taschendarstellung in der Gesamtheit keinerlei verfremdende oder in sonstiger Weise originelle Wirkungen
erkennen lasse. Es liege auch nicht der in der Rechtsprechung anerkannte
Ausnahmefall vor, wonach Unterscheidungskraft einer Bildmarke zu bejahen
sei, wenn der dargestellte Gegenstand als solcher von herkunftskennzeichnend origineller Gestalt sei und die zweidimensionale Abbildung diese Originalität erkennen lasse.
Die
den
Gegenstand
der
Anmeldung
bildende
(Jeans-)Bekleidungs-tasche als Ganzes weise nämlich von den äußeren Umrissen her, die für derartige aufgesetzte Taschen charakteristisch seien, keine
hinreichend eigentümlichen Besonderheiten auf. Das gelte auch für den Verlauf der mittleren Nähte, insbesondere bei einem Vergleich mit den von anderen Herstellungsbetrieben derartiger Erzeugnisse verwendeten Taschen, die
vielfach ebenfalls ähnliche Mittelnähte aufwiesen.
Zwar möge es zutreffen, daß eine Reihe von Produzenten, insbesondere
von Jeanshosen, bestrebt sei, durch die Verwendung jeweils stets gleichbleibend verlaufender Mittelnähte auf Taschen zusätzlich zu der dadurch bewirkten Verzierung den Abnehmern durch allmähliche Gewöhnung einen weiteren
Herkunftshinweis neben den so gut wie ausnahmslos in erster Linie bekannten
Wort- bzw. Bildmarken zu geben. Ob eine derartige "Ziernaht" aber zu einem in
maßgeblichen Endverbraucherkreisen beachteten (zusätzlichen) Herkunftshinweis werde, hänge nicht in erster Linie von der Absicht des Herstellers ab,
sondern von der Aufnahme und vom Verständnis des breiten angesprochenen
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Publikums. Insoweit könne nicht auf einzelne "Kenner" abgestellt werden. Gerade weil eine Vielzahl von Jeansbekleidungsherstellern jeweils unterschiedlich
verlaufende Mittelnähte auf den Taschen anbringe, werde es der Mehrheit der
Verbraucher in aller Regel unmöglich sein, diese im Einzelfall auseinanderzuhalten bzw. sich bei der betrieblichen Zuordnung ausschließlich an ihnen zu
orientieren. Somit fehle derartigen Mittelnähten auf Taschen von Hause aus die
erforderliche Unterscheidungskraft, wenngleich sie eine solche im Einzelfall im
Wege der Verkehrsdurchsetzung erlangen könnten. Das sei aber von der Anmelderin weder ausdrücklich behauptet noch belegt worden.
III. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Annahme des
Bundespatentgerichts, dem angemeldeten Zeichen fehle jede Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, hält der rechtlichen Nachprüfung
nicht stand.
Zutreffend ist das Bundespatentgericht zunächst davon ausgegangen,
daß das angemeldete Bild abstrakt geeignet ist, Waren eines Unternehmens
von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden; es ist deshalb (abstrakt)
markenfähig i.S. von § 3 Abs. 1 MarkenG.
Dem Bundespatentgericht kann jedoch nicht darin beigetreten werden,
daß ein Zeichen, das in der naturgetreuen, wenn auch nicht fotografisch genauen oder maßstabsgerechten Wiedergabe eines Teils der beanspruchten
Waren besteht, generell von Haus aus nicht geeignet sei, die betriebliche Herkunft dieser Waren kenntlich zu machen. Es trifft zwar zu, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine naturgetreue, wenn auch nicht fotografisch genaue oder maßstabsgerechte Wiedergabe einer beanspruchten
Ware als solche grundsätzlich nicht geeignet ist, diese ihrer betrieblichen Her-
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kunft nach zu individualisieren (vgl. BGHZ 130, 187, 192 - Füllkörper; BGH,
Beschl. v. 10.4.1997 - I ZB 1/95, GRUR 1997, 527, 529 = WRP 1997, 755
- Autofelge; Beschl. v. 5.11.1998 - I ZB 12/96, GRUR 1999, 495 = WRP 1999,
526 - Etiketten). Anders liegt der Fall jedoch, wenn sich die Bildmarke nicht in
der Darstellung der Ware selbst durch Merkmale erschöpft, die für die Art der
Ware typisch oder zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind,
sondern wenn sie darüber hinausgehende charakteristische Merkmale aufweist, in denen der Verkehr einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sieht
oder wenn sie - wie im Streitfall - nicht die Ware selbst, sondern einen Teil derselben darstellt, der für sich charakteristische Merkmale aufweist.
Entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts muß eine Bildmarke
nämlich keine gestalterische (graphische) Eigentümlichkeit oder eine originelle
Wirkung aufweisen, um als unterscheidungskräftig angesehen werden zu können. Eigentümlichkeit und Originalität sind keine zwingenden Erfordernisse für
das Vorliegen von Unterscheidungskraft und können deshalb auch nicht zum
selbständigen Prüfungsmaßstab erhoben werden (vgl. BGH, Beschl. v.
24.2.2000 - I ZB 13/98, GRUR 2000, 722, 723 = WRP 2000, 741 - LOGO;
Beschl. v. 13.4.2000 - I ZB 6/98, WRP 2000, 1290, 1292 - Likörflasche; Beschl.
v. 26.10.2000 - I ZB 3/98, GRUR 2001, 239, 240 = WRP 2001, 31 - Zahnpastastrang). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes fehlt einer Bildmarke nur dann jegliche Unterscheidungskraft, wenn es sich bei dem Bild um
eine warenbeschreibende Angabe handelt (BGH, Beschl. v. 8.12.1999
- I ZB 25/97, GRUR 2000, 502, 503 = WRP 2000, 520 - St. Pauli Girl, m.w.N.).
Bei der angemeldeten Bildmarke handelt es sich nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts für den angesprochenen Verkehr um die Darstellung einer aufgesetzten Tasche, wie sie bei (Ober-)Bekleidungsstücken,
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gelegentlich aber auch bei Mützen, Hüten und Schuhen, verwendet wird. Hieraus kann nicht entnommen werden, daß das angemeldete Bild als solches in
irgendeiner Weise die Art oder Beschaffenheit der in Frage stehenden Waren
beschreibt. Der bildlichen Darstellung einer aufgesetzten Tasche kann nichts
für die Art und Beschaffenheit der mit ihr etwa gekennzeichneten Bekleidungsstücke entnommen werden. Das gilt um so mehr für die weiteren in der Anmeldung in Anspruch genommenen Waren, nämlich Schuhwaren und Kopfbedekkungen, für die das Bundespatentgericht nicht einmal hinreichende entsprechende Feststellungen für die Verwendung derartig aufgesetzter Taschen getroffen hat.
Die Unterscheidungskraft steht aber auch nicht deswegen in Frage, weil
das angemeldete Bildzeichen lediglich einfache geometrische Formen zeige.
Es ist allerdings anerkannt, daß einfache geometrische Formen oder sonstige
einfache graphische Gestaltungselemente, die - wie dem Verkehr aus Erfahrung bekannt ist - in der Werbung aber auch auf Warenverpackungen oder
sogar Geschäftsbriefen üblicherweise in bloß ornamentaler, schmückender
Form verwendet werden, keine Unterscheidungskraft aufweisen (BGH GRUR
2000, 502, 503 - St. Pauli Girl). Um eine derartige Bilddarstellung handelt es
sich bei der angemeldeten Marke jedoch nicht. Wenn sie auch im wesentlichen
aus Rechtecken oder dieser geometrischen Form angenäherten, auf den
Längsseiten mit Kreisbögen versehenen Begrenzungen besteht, kann ihr insgesamt als komplexer Darstellung eine gewisse charakteristische Erscheinung,
die insbesondere in der annähernd horizontalen Ziernaht liegt, nicht abgesprochen werden. Das gilt um so mehr, als das Versehen insbesondere von Jeanshosen mit Taschen, die für die einzelnen Hersteller charakteristische Ziernähte
aufweisen, nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts nichts Ungewöhnliches ist. Darüber hinaus wird die Gestaltung der Ziernähte für den Ver-
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kehr erkennbar auch in der Werbung der Hersteller herausgestellt. Bei dieser
Sachlage reichen die Zweifel, die das Bundespatentgericht in diesem Zusammenhang daran geäußert hat, daß sich die Gestaltung der Ziernähte bereits
jetzt zu einem maßgeblichen Identifikationsmittel für konkrete Jeansbekleidungsstücke entwickelt habe, nicht aus, um eine Unterscheidungskraft zu verneinen (a.A. HABM MarkenR 2000, 110 für eine nahezu identische Bildmarke).
Bei dieser Beurteilung kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Anmelderin beim Deutschen Patent- und Markenamt die Eintragung allein der
waagerechten Ziernaht erreicht hat.
Da auch sonstige Gründe, dem angemeldeten Zeichen jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen, nicht ersichtlich sind (vgl. BGH, Beschl. v.
15.7.1999 - I ZB 47/96, GRUR 1999, 1093 = WRP 1999, 1169 - FOR YOU;
Beschl. v. 22.9.1999 - I ZB 19/97, GRUR 2000, 231 = WRP 2000, 95
- FÜNFER; Beschl. v. 17.2.2000 - I ZB 33/97, GRUR 2000, 882 = WRP 2000,
1140 - Bücher für eine bessere Welt), kann der angefochtene Beschluß keinen
Bestand haben.
IV. Danach war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache
an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen, das nunmehr der Frage etwaiger sonstiger Eintragungshindernisse nachzugehen haben wird.
Zugleich für die in Urlaub befindlichen Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Bornkamm
und Dr. Schaffert:
Erdmann
Starck
Büscher