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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
AnwZ (Brfg) 42/14
Verkündet am:
11. Januar 2016
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Weiterleitung von Stellungnahmen in einem berufsrechtlichen Beschwerdeverfahren u.a.
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BRAO § 56 Abs. 1, § 73 Abs. 2 Nr. 4, Abs 3, § 76 Abs. 1
a) Stellungnahmen, die der nach § 56 Abs. 1 BRAO beteiligte Rechtsanwalt in einem
ihn betreffenden berufsrechtlichen Aufsichts- und Beschwerdeverfahren gegenüber dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer abgibt, sind Bestandteil der über
ihn von der Rechtsanwaltskammer geführten Personalakte und unterliegen der
Verschwiegenheitspflicht der Vorstandsmitglieder der Rechtsanwaltskammer nach
§ 76 Abs. 1 BRAO. Ihre Weiterleitung an den Beschwerdeführer bedarf grundsätzlich der Zustimmung des Rechtsanwalts.
b) In dem Schweigen des Rechtsanwalts liegt auch dann keine konkludente Zustimmung zur Weiterleitung seiner Stellungnahme an den Beschwerdeführer, wenn die
Rechtsanwaltskammer ihm zuvor mitgeteilt hat, die Zweitschrift seiner Stellungnahme sei grundsätzlich zur Weiterleitung an den Verfasser der Eingabe bestimmt, um ihm Gelegenheit zur abschließenden Äußerung zu geben, soweit seine
Stellungnahme ausschließlich nur für den Kammervorstand bestimmt sein solle,
müsse er darauf besonders hinweisen.
BGH, Urteil vom 11. Januar 2016 - AnwZ (Brfg) 42/14 - AGH Nordrhein-Westfalen
ECLI:DE:BGH:2016:110116UANWZBRFG42.14.0
- 2 -
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat auf die mündliche
Verhandlung vom 11. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Kayser, die Richter Dr. Bünger und Dr. Remmert sowie die Rechtsanwälte
Dr. Braeuer und Dr. Kau
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des 1. Senats des
Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai
2014 (1 AGH 6/14) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt
war, die Stellungnahmen des Klägers in dem Aufsichtsverfahren - III. Abt.
- ohne dessen Zustimmung
an die Rechtsanwaltskammer M.
weiterzuleiten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf
11.500 € festgesetzt.
- 3 -
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Zulässigkeit der Weiterleitung von Stellungnahmen des Klägers in gegen ihn gerichteten Aufsichtsverfahren an die jeweiligen Beschwerdeführer ohne ausdrückliche Zustimmung des Klägers.
2
Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Am 17. Januar 2013 sprach die Beklagte ihm gegenüber in dem Aufsichtsverfahren - III. Abt.
- wegen eines Verstoßes gegen das Tätigkeitsver-
bot nach § 45 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 BRAO eine Missbilligung aus. Dem lag eine
Beanstandung der Rechtsanwaltskammer M.
als Beschwerdeführerin
vom 18. August 2011 zugrunde. Nach Eingang der Beschwerde forderte die
Beklagte mit Schreiben vom 2. September 2011 den Kläger nach § 56 BRAO
zur Auskunft auf. In dem Schreiben heißt es unter anderem:
"Die Zweitschrift Ihrer Stellungnahme ist grundsätzlich zur Weiterleitung an den Verfasser der Eingabe bestimmt, um ihm Gelegenheit zur abschließenden Äußerung zu geben. Soweit Ihre Stellungnahme ausschließlich nur für den Kammervorstand bestimmt
sein soll, müssen Sie darauf besonders hinweisen."
3
Die im Anschluss in Gestalt der Bezugnahme auf ein Gutachten erfolgte
Stellungnahme des Klägers vom 28. September 2011 übermittelte der Geschäftsführer der Beklagten mit Schreiben vom 6. Oktober 2011 an die Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin mit der Bitte um Stellungnahme. Die
daraufhin erfolgte Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 2. Dezember
2011 floss weitgehend wortgleich in ein Schreiben der Beklagten an den Kläger
vom 14. Dezember 2011 ein. Die weitere Stellungnahme des Klägers vom
18. Mai 2012 leitete die Beklagte mit Begleitschreiben vom 2. August 2012 er-
- 4 -
neut der Beschwerdeführerin mit der Bitte um Stellungnahme zu. Diese wurde
am 1. Oktober 2012 abgegeben.
4
In einem zwischen den Parteien anhängigen Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes (AGH N.
- 2
-) erklärte der Geschäftsführer der
Beklagten mit Schriftsatz vom 23. April 2013, dass die Beklagte Stellungnahmen des Klägers in dem Verfahren - III. Abt.
- nicht an die Beschwer-
deführerin weiterleiten werde. Auf diese Erklärung wies er mit Schriftsatz vom
28. Juni 2013 nochmals hin.
5
In einem weiteren den Kläger betreffenden Aufsichtsverfahren der Beklagten (- ER
-) findet sich in einem Schreiben der Beklagten an
den Kläger vom 18. Juni 2014 erneut der in dem Schreiben der Beklagten vom
2. September 2011 in dem Aufsichtsverfahren - III. Abt.
- verwendete,
vorstehend wiedergegebene Text. Der Kläger hat daraufhin mit Schreiben vom
8. Juli 2014 der Weiterleitung seiner Stellungnahme an die Beschwerdeführerin
vorsorglich widersprochen.
6
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Weiterleitung von Stellungnahmen an die Beschwerdeführerin durch die Beklagte sei rechtswidrig und
verstoße gegen die Verschwiegenheitspflicht nach § 76 i.V.m. § 58 BRAO. Er
hat die Feststellung begehrt, dass die Beklagte nicht berechtigt war, seine Stellungnahmen in dem Aufsichtsverfahren - III. Abt.
- ohne seine aus-
drückliche Zustimmung an die Beschwerdeführerin weiterzuleiten (Antrag zu 1).
Des Weiteren hat er die Feststellung begehrt, dass die an dem vorgenannten
Aufsichtsverfahren beteiligten Vorstandsmitglieder und der Geschäftsführer der
Beklagten die ihnen obliegende Verschwiegenheitspflicht verletzt haben, dass
die Beschwerdeführerin in dem vorgenannten Aufsichtsverfahren keine Verfah-
- 5 -
rensbeteiligte ist und dass die für ihn bei der Beklagten geführte Beschwerdeakte Bestandteil der Personalakte ist (Anträge zu 2 bis 4). Zudem hat er die Verurteilung der Beklagten begehrt, es künftig zu unterlassen, seine Stellungnahmen
an den Beschwerdeführer weiterzuleiten, es sei denn, dass er sich mit der Weiterleitung ausdrücklich einverstanden erklärt (Antrag zu 5).
7
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es fehle hinsichtlich aller Anträge an einem Rechtsschutzinteresse des Klägers.
8
Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat er ausgeführt, bezüglich des Klageantrags zu 1 fehle es am erforderlichen Feststellungsinteresse des Klägers, hinsichtlich der Klageanträge zu 2
bis 4 an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis und hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu 5 an dem dafür notwendigen Interesse an vorbeugendem
Rechtsschutz.
9
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen
Berufung.
Entscheidungsgründe:
10
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie hat in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg.
- 6 -
I.
11
1. Der Klageantrag zu 1 des Klägers ist zulässig und überwiegend begründet.
12
a) Er ist nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1, 2 VwGO zulässig.
13
aa) Das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse ist
gegeben. Zwar hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt, dass das
Feststellungsinteresse des Klägers in Folge der in dem vor dem Anwaltsgerichtshof anhängigen Verfahren - 2
- abgegebenen Erklärung der Be-
klagten vom 23. April 2013, sie werde Stellungnahmen des Klägers in dem Verfahren - III. Abt.
- nicht mehr an die Beschwerdeführerin weiterleiten,
entfallen war. Die zwischenzeitlich erfolgte Erklärung der Beklagten in ihrem
Schreiben vom 18. Juni 2014 in dem weiteren Aufsichtsverfahren - ER
- zeigt jedoch, dass sie an ihrer Praxis festhält, Stellungnahmen
des Klägers in ihn betreffenden Aufsichtsverfahren auch dann an die jeweiligen
Beschwerdeführer weiterzuleiten, wenn der Kläger dem nicht zugestimmt hat.
Vor diesem Hintergrund besteht in Bezug auf das vom Kläger beanstandete
Verhalten der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein
Feststellungsinteresse des Klägers im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO.
14
bb) Der Feststellungsantrag zu 1 ist nicht subsidiär im Sinne von § 43
Abs. 2 VwGO.
- 7 -
15
(1) Dies gilt zunächst im Hinblick auf ein etwaiges künftiges Strafverfahren gegen Mitarbeiter der Beklagten sowie im Hinblick auf eine Anfechtungsklage des Klägers betreffend die Missbilligung vom 17. Januar 2013. In Bezug auf
die vom Kläger beanstandete Weiterleitung seiner Stellungnahmen im Verfahren - III. Abt.
- mag zwar in solchen Verfahren eine hinreichende Gele-
genheit zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Beklagten gegeben sein. Angesichts des von ihr auch im Aufsichtsverfahren - ER
- fortgesetzten Verhaltens besteht jedoch ein verfahrensübergreifendes Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung unter dem
Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Ein hierauf gründender Feststellungsantrag ist nicht subsidiär gegenüber den vorgenannten Verfahren. Insbesondere kann der Kläger nicht darauf verwiesen werden, bei Wiederholung des von
ihm beanstandeten Verhaltens der Beklagten stets aufs Neue strafrechtlich
oder im Wege der Anfechtungsklage gegen die Beklagte und deren Mitarbeiter
vorzugehen.
16
(2) Der Feststellungsantrag zu 1 ist auch im Hinblick auf den vorbeugenden Unterlassungsantrag zu 5 nicht subsidiär im Sinne von § 43 Abs. 2 VwGO.
17
Im Verwaltungsprozess ist die Feststellungklage nicht deshalb unzulässig nach § 43 Abs. 2 VwGO, weil der Kläger einen Unterlassungsantrag mit
demselben Ziel hätte stellen können (vgl. zur einschränkenden Auslegung und
Anwendung von § 43 Abs. 2 VwGO, BVerwG, NJW 1997, 2534, 2535; Eyermann/Happ, VwGO, 14. Aufl., § 43 Rn. 43 mwN). Allerdings war dem Kläger ein
Unterlassungsantrag nicht nur möglich, vielmehr hat er ihn auch tatsächlich gestellt. Die Frage, ob ein Feststellungsantrag nach § 43 Abs. 2 VwGO unzulässig
ist, wenn gleichzeitig ein Unterlassungsantrag mit demselben Ziel gestellt wird,
bedarf indes vorliegend keiner Beantwortung. Denn der Kläger hat zu dem Un-
- 8 -
terlassungsantrag zu 5 ausdrücklich erklärt, mit ihm begehre er die künftige Unterlassung der Weiterleitung seiner Stellungnahmen in dem Aufsichtsverfahren III. Abt.
- (Seite 21 f. des Schriftsatzes vom 10. September 2014). Da-
gegen hat er sein Feststellungsinteresse im Rahmen des Antrags zu 1 mit der
Gefahr der Wiederholung des von ihm beanstandeten Verhaltens der Beklagten
in weiteren Aufsichtsverfahren begründet (Seite 12 f. des Schriftsatzes vom
10. September 2014). Das Rechtschutzziel des Klägers ist somit im Hinblick auf
den Feststellungsantrag zu 1 - insoweit anders als bei dem Unterlassungsantrag zu 5 - nicht auf das Verfahren - III. Abt.
- beschränkt, sondern
- weitergehend - auf künftige Aufsichtsverfahren bezogen. Jedenfalls vor diesem Hintergrund ist der Feststellungsantrag zu 1 im Verhältnis zu dem Unterlassungsantrag zu 5 nicht subsidiär.
18
b) Der Feststellungsantrag zu 1 ist überwiegend begründet. Die Beklagte
war nicht berechtigt, die Stellungnahmen des Klägers vom 28. September 2011
und 18. Mai 2012 in dem Aufsichtsverfahren - III. Abt.
- ohne dessen
Zustimmung an die Beschwerdeführerin in diesem Verfahren weiterzuleiten.
Denn die Stellungnahmen des Klägers sind Bestandteil der von der Beklagten
über ihn geführten Personalakte (dazu nachfolgend aa) und unterliegen der
Verschwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 BRAO (dazu nachfolgend bb). Eine
Zustimmung des Klägers zur Weiterleitung seiner Stellungnahmen an die Beschwerdeführerin liegt nicht vor (dazu nachfolgend cc).
19
aa) Die Stellungnahmen des Klägers in dem ihn betreffenden Aufsichtsverfahren - III. Abt.
geführten Personalakte.
- sind Bestandteil der von der Beklagten über ihn
- 9 -
20
Der Begriff der Personalakte in § 58 BRAO ist nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur materiell zu verstehen. Für die Frage, ob
ein Vorgang zu den Personalakten gehört, kommt es nicht darauf an, wo und
wie er geführt oder aufbewahrt wird (formelles Prinzip), sondern allein darauf,
ob er den Rechtsanwalt in einem inneren Zusammenhang mit seinem Status
als Rechtsanwalt betrifft (Senat, Urteil vom 25. November 2013 - AnwZ (Brfg)
39/12, NJW-RR 2014, 883 Rn. 5 mwN und Beschluss vom 2. März 2011
- AnwZ (B) 50/10, NJW 2011, 2303 Rn. 11 mwN; Schwärzer in Feuerich/
Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 58 Rn. 6 f. mwN; Zuck in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 58 Rn. 5). Bestandteile der Personalakte sind
somit auch Unterlagen aus einem gegen den Rechtsanwalt eingeleiteten Aufsichts- oder Beschwerdeverfahren (Weyland in Feuerich/Weyland aaO § 73
Rn. 66; Güldenzoph, BRAK-Mitt. 2011, 4, 5). Hierzu zählen Stellungnahmen,
die - wie vorliegend - ein Rechtsanwalt zu Beschwerden oder ungünstigen Tatsachenbehauptungen abgibt, die gegen ihn gerichtet sind (vgl. Senat, Beschluss vom 2. März 2011 aaO; Schwärzer aaO Rn. 8 f. mwN.; Zuck aaO
Rn. 13).
21
bb) Die Stellungnahmen des Klägers unterlagen der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 BRAO.
22
Nach § 76 Abs. 1 BRAO haben die Mitglieder des Vorstandes der
Rechtsanwaltskammer über die Angelegenheiten, die ihnen bei ihrer Tätigkeit
im Vorstand über Rechtsanwälte, Bewerber und andere Personen bekannt
werden, Verschwiegenheit gegen jedermann zu bewahren. Das gleiche gilt für
Rechtsanwälte, die zur Mitarbeit herangezogen werden, und für Angestellte der
Rechtsanwaltskammer. Zu den der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden
Angelegenheiten gehören der Inhalt der von einer Rechtsanwaltskammer über
- 10 -
ein Kammermitglied geführten Personalakte (Zuck in Gaier/Wolf/Göcken aaO
Rn. 15) und mithin auch Stellungnahmen, die in einem Aufsichts- und Beschwerdeverfahren nach § 56, § 73 Abs. 2 Nr. 4, § 74 BRAO erfolgen. Letzteres
ergibt sich zudem unmittelbar aus § 73 Abs. 3 Satz 3 BRAO. Danach bleibt,
soweit der Kammervorstand gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1, 2 BRAO im Beschwerdeverfahren den Beschwerdeführer von seiner Entscheidung in Kenntnis setzt,
§ 76 BRAO unberührt. Durch die Verweisung auf § 76 BRAO wird klargestellt,
dass bei der Mitteilung nach § 73 Abs. 3 Satz 1 BRAO das Verschwiegenheitsgebot nach § 76 BRAO zu achten ist (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes
zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht,
zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschiften, BT-Drucks. 16/11385, S. 39).
23
cc) Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht sind in Bezug auf die
Stellungnahmen des Klägers nicht gegeben.
24
(1) Eine solche Ausnahme ergibt sich nicht aus Verfahrensrechten des
Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren nach § 56, § 73 Abs. 2 Nr. 4, § 74
BRAO. Der Beschwerdeführer ist im berufsrechtlichen Beschwerdeverfahren
nicht Beteiligter und besitzt nach der gesetzlichen Konzeption - mit Ausnahme
der in § 73 Abs. 3 BRAO bestimmten Mitteilungspflicht - keine Verfahrensrechte. Er ist Dritter, dem gegenüber die Verschwiegenheitspflicht des Vorstandes in
vollem Umfang greift (vgl. Senat, Beschluss vom 24. November 1997 - AnwZ
(B) 47/97, BRAK-Mitt. 1998, 41, 42; VG Freiburg, BRAK-Mitt. 2015, 303, 306;
Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, aaO
Rn. 20; Güldenzoph aaO S. 6).
§ 74 BRAO Rn. 33 sowie § 76 BRAO
- 11 -
25
Die Weiterleitung von Stellungnahmen des Rechtsanwalts in einem ihn
betreffenden Beschwerdeverfahren ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Rechts des Beschwerdeführers auf Einsicht in die über den Rechtsanwalt
von der Rechtsanwaltskammer geführte Personalakte gerechtfertigt. Da die
Personalakte der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 BRAO unterliegt, kommt
ein Einsichtsrecht Dritter nur in Betracht, wenn dafür eine Ermächtigungsgrundlage besteht oder der Rechtsanwalt einverstanden ist (VG Freiburg aaO;
Schwärzer in Feuerich/Weyland, aaO § 58 Rn. 17; Zuck in Gaier/Wolf/Göcken,
aaO § 58 Rn. 15; Hartung/Scharmer, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 5. Aufl.,
§ 58 BRAO Rn. 23). Eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage besteht in
Fällen der vorliegenden Art nicht (vgl. eingehend zum Akteneinsichtsrecht für
den Beschwerdeführer in berufsaufsichtsrechtlichen Beschwerdeverfahren:
Güldenzoph, BRAK-Mitt. 2011, 4 ff.).
26
(2) Eine Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht ist nicht deshalb
gegeben, weil die in den Stellungnahmen des Klägers mitgeteilten Tatsachen
der Beschwerdeführerin ohnehin bekannt waren. Ob die Beklagte befugt gewesen wäre, bekannte Tatsachen mitzuteilen (vgl. hierzu Weyland in Feuerich/
Weyland aaO § 76 Rn. 9 f.; Lauda in Gaier/Wolf/Göcken aaO § 76 BRAO
Rn. 10; Jungfer, BRAK-Mitt. 2001, 167, 169; a.A.: Hartung in Henssler/Prüttung,
BRAO, 4. Aufl., § 76 Rn. 5; ders., AnwBl. 2013, 582, 584 f.; Eich, MDR 1991,
385, 386: Verschwiegenheitspflicht als absolutes, uneingeschränkt zu wahrendes Schweigegebot), kann offen bleiben, denn die von der Beklagten an die
Beschwerdeführerin weitergeleiteten Stellungnahmen des Klägers enthielten
Tatsachen, die der Beschwerdeführerin noch nicht bekannt waren. So beinhaltete das vom Kläger mit Schreiben vom 28. September 2011 übersandte Gutachten Informationen zur Zuständigkeit des Klägers als Mitglied des Vorstands
der "D.
A.
AG" (A.
AG) und zur kon-
- 12 -
kreten Aufgabenverteilung innerhalb der A.
AG in Bezug auf das Forde-
rungsmanagement. Insbesondere wird dort mitgeteilt, dass und aus welchem
Grund der Kläger sämtliche Vergütungsrechnungen unterzeichnete. Es ist davon auszugehen, dass diese Umstände der Beschwerdeführerin zuvor noch
nicht bekannt waren. Hierauf deutet auch ihr Schreiben vom 2. Dezember 2011
hin, in dem hinsichtlich der vorgenannten Tatsachen ausdrücklich auf das vom
Kläger übersandte Gutachten Bezug genommen wird. Der Kläger teilte mit
Schreiben vom 18. Mai 2012 weitere Einzelheiten zu seinem Aufgabenbereich
als Vorstandsmitglied der A.
A.
AG, zum Forderungsmanagement der
AG, zur Zusammenarbeit mit der R.
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
und zur Sachbearbeitung der Fälle in der R.
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
mit. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass diese internen Regelungen und
Vorgänge der Beschwerdeführerin zuvor bereits bekannt waren.
27
(3) Eine Befugnis der Beklagten zur Weiterleitung der Stellungnahmen
des Klägers ergibt sich schließlich auch nicht aus Natur, Inhalt und Zweck des
Aufsichts- und Beschwerdeverfahrens nach § 56, § 73 Abs. 2 Nr. 4, § 74
BRAO.
28
Das Aufsichtsverfahren ist ein Verfahren von Amts wegen. Erlangt der
Kammervorstand Kenntnis von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für
das Vorliegen einer Pflichtverletzung eines Rechtsanwalts, ist er verpflichtet, ein
Aufsichtsverfahren einzuleiten und den Sachverhalt vollständig aufzuklären
(Weyland in Feuerich/Weyland aaO § 74 Rn. 20 f.; Lauda in Gaier/Wolf/Göcken
aaO § 74 BRAO Rn. 31). Zwar sind die Aufklärungsmöglichkeiten des Kammervorstands begrenzt (vgl. hierzu im Einzelnen Weyland aaO Rn. 21 ff.; Lauda
aaO Rn. 36 ff.). Dies rechtfertigt jedoch noch keine Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 BRAO im Hinblick auf Stellungnahmen des
- 13 -
Rechtsanwalts in einem ihn betreffenden Beschwerdeverfahren (zur Wahrung
der Verschwiegenheitspflicht auch im Rahmen der Amtshilfe vgl. Weyland aaO
§ 76 Rn. 42). Insbesondere wird die Aufklärung des Sachverhalts durch die
Rechtsanwaltskammer nicht unangemessen erschwert. Es bleibt dem Kammervorstand unbenommen, dritte Personen - mithin auch den Beschwerdeführer um die Erteilung von Auskünften zu bitten (Lauda aaO Rn. 37; Weyland aaO
§ 74 Rn. 23). Handelt es sich hierbei um Auskünfte zu Tatsachen, die der
Rechtsanwalt in seiner Stellungnahme vorgetragen hat, können die an den Dritten gerichteten Fragen ohne Bezugnahme auf die Stellungnahme des Rechtsanwalts und in Gestalt einer reinen Auskunftsbitte, d.h. nicht in Gestalt einer
Mitteilung von - der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden - Tatsachen formuliert werden.
29
Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die Weiterleitung der Stellungnahmen des Klägers durch die Beklagte an die Beschwerdeführerin zu dem Zweck
erfolgte, die vom Kläger mitgeteilten - neuen - Tatsachen aufzuklären. Es handelt sich dabei um Tatsachen, die ausschließlich die Tätigkeit und Zuständigkeit
des Klägers in K.
K.
und in den vorstehend unter (2) genannten, ebenfalls in
ansässigen Gesellschaften betrifft. Dass die Rechtsanwaltskammer M.
zur Aufklärung des entsprechenden Sachverhalts hätte beitragen können,
ist nicht ersichtlich. Dementsprechend beinhalteten die auf die Weiterleitung der
Stellungnahmen des Klägers erfolgten Schreiben der Rechtsanwaltskammer
M.
vom 2. Dezember 2011 und 1. Oktober 2012 nahezu ausschließlich
rechtliche Ausführungen. Diese wurden von der Beklagten in ihr an den Kläger
gerichtetes Schreiben vom 14. Dezember 2012 und die Begründung des Bescheids vom 17. Januar 2013 weitgehend übernommen. Die Weiterleitung von
Stellungnahmen des Rechtsanwalts an den Beschwerdeführer wird indes nicht
durch den Zweck gerechtfertigt, eine rechtliche Bewertung des Sachverhalts
- 14 -
durch den Beschwerdeführer zu erhalten. Die rechtliche Bewertung des Verhaltens des Rechtsanwalts, das den Gegenstand der Beschwerde bildet, und der
von ihm in seiner Stellungnahme vorgetragenen Tatsachen bleibt vielmehr allein dem Vorstand der zuständigen Rechtsanwaltskammer vorbehalten.
30
dd) Da die Stellungnahmen des Klägers der Verschwiegenheitspflicht
nach § 76 Abs. 1 BRAO unterlagen, durften sie nicht ohne seine Zustimmung
an die Beschwerdeführerin weitergeleitet werden (zum Einverständnis mit der
Erteilung einer Auskunft gegenüber Dritten vgl. Lauda in Gaier/Wolf/Göcken
aaO § 76 BRAO Rn. 12; zur Zustimmung der Beteiligten als Rechtfertigung der
Offenbarung von Geheimnissen im Sinne von § 30 VwVfG vgl. Kopp/Ramsauer,
VwVfG, 16. Aufl., § 30 Rn. 15; Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG,
8. Aufl., § 30 Rn. 17). Die seitens der Beklagten dem Kläger eingeräumte Möglichkeit, der Weiterleitung seiner Stellungnahme an den Verfasser der Eingabe
zu widersprechen, genügt insofern nicht. Die durch den Kläger erfolgte Übermittlung seiner Stellungnahme an die Beklagte nach deren Hinweis, soweit seine Stellungnahme ausschließlich nur für den Kammervorstand bestimmt sein
solle, müsse er darauf besonders hinweisen, ist keine Zustimmung zur Weiterleitung seiner Stellungnahme. Sie kann insbesondere nicht als konkludente Zustimmung ausgelegt werden.
31
(1) Zwar kommt auch im Bereich der Verschwiegenheitspflicht nach § 76
BRAO eine konkludente Zustimmung der Personen in Betracht, deren Angelegenheiten die Verschwiegenheitspflicht betrifft (vgl. zur konkludenten Zustimmung beziehungsweise Einwilligung im Bereich des § 30 VwVfG und des § 203
StGB: Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs aaO; BeckOKVwVfG/Herrmann, § 30
[01.04.2015], Rn. 15; Schünemann in Leipziger Kommentar zum StGB,
12. Aufl., § 203 Rn. 106 f.; Kargl in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafge-
- 15 -
setzbuch, 4. Aufl., § 203 Rn. 58). Der Feststellungsantrag zu 1 des Klägers ist
daher unbegründet, soweit er mit ihm die Notwendigkeit einer ausdrücklichen
Zustimmung geltend macht. Bei der Annahme einer konkludenten Zustimmung
ist allerdings Zurückhaltung geboten, um zu verhindern, dass das Erfordernis
einer hinreichend eindeutigen Zustimmung durch die Obliegenheit der durch die
Verschwiegenheitspflicht geschützten Personen ersetzt wird, der Offenbarung
der geheim zu haltenden Angelegenheiten widersprechen zu müssen (vgl. zu
§ 203 StGB: Kargl aaO; Schünemann aaO Rn. 107; zur Weitergabe von Patientenunterlagen vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 1991 - VIII ZR 4/91, NJW
1992, 737, 739).
32
Auch Sinn und Zweck der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 BRAO
gebieten einen restriktiven Umgang mit der Annahme einer konkludenten Zustimmung zur Bekanntgabe geheim zu haltender Umstände an Dritte. In Aufsichts- und Beschwerdesachen könnte die erforderliche Prüfung oftmals nicht
hinreichend vorgenommen werden, wenn der beteiligte Rechtsanwalt durch
seine Stellungnahme seinerseits die ihm nach § 43a Abs. 2 BRAO obliegende
Verschwiegenheitspflicht verletzen würde. Da er indes im Rahmen seiner Auskunftspflicht nach § 56 Abs. 1 BRAO unter Umständen Tatsachen vortragen
wird, die Dritte - etwa Mandanten - betreffen, bedarf es (auch) zum Schutz der
Daten der betroffenen Dritten der Verschwiegenheitspflicht der Vorstandsmitglieder der Rechtsanwaltskammer gemäß § 76 BRAO. So verstanden ist die
Verschwiegenheitspflicht nach § 76 BRAO das Pendant der Auskunftspflicht
des Rechtsanwalts nach § 56 Abs. 1 BRAO (vgl. Lauda in Gaier/Wolf/Göcken
aaO § 76 BRAO Rn. 2; Weyland in Feuerich/Weyland aaO § 76 Rn. 3 f.).
- 16 -
33
Das berechtigte Interesse Dritter daran, dass ihre Daten im Rahmen eines berufsrechtlichen Aufsichts- und Beschwerdeverfahrens nicht zur Kenntnis
Unbefugter gelangen, gebietet Zurückhaltung bei der Annahme einer konkludenten Zustimmung des von einem solchen Verfahren betroffenen Rechtsanwalts zur Bekanntgabe seiner Stellungnahme an den Beschwerdeführer. Enthält die Stellungnahme Daten Dritter, könnten diese Daten andernfalls allzu
leicht zur Kenntnis Unbefugter gelangen. Einer aktiven Handlung in Gestalt einer ausdrücklichen Zustimmung des Rechtsanwalts kommt im Hinblick auf die
Bekanntgabe der in der Stellungnahme enthaltenen Daten an den Beschwerdeführer eine deutlich höhere Warnfunktion zu als einer konkludent erklärten Zustimmung.
34
Wegen des aus den vorgenannten Gründen besonderen Stellenwerts der
Verschwiegenheitspflicht sind an eine konkludente Zustimmung hohe Anforderungen zu stellen. Eine Aushöhlung der Verschwiegenheitspflicht durch zu geringe Anforderungen an eine solche Zustimmung ist nicht hinnehmbar. Aus dem
bloßen Schweigen des Betroffenen kann daher im Regelfall nicht auf eine
Zustimmung zur Offenbarung von Tatsachen geschlossen werden, die der
Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Vielmehr muss aus seinem Verhalten
eindeutig hervorgehen, dass er auf die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht
verzichtet (vgl. zu § 30 VwVfG: Kopp/Ramsauer aaO; Kallerhoff aaO;
BeckOKVwVfG/Herrmann aaO; Huck in Huck/Müller, VwVfG, § 30 Rn.18).
35
(2) Ein eindeutiges Verhalten des Klägers im vorstehenden Sinne liegt
nicht in der Übermittlung seiner Stellungnahme an die Beklagte.
- 17 -
36
Die von der Beklagten verwendete Formulierung, wonach der von einem
Aufsichts- und Beschwerdeverfahren betroffene Rechtsanwalt besonders darauf hinweisen muss, wenn seine Stellungnahme nur für den Kammervorstand
bestimmt sein soll, gibt das Erfordernis einer Zustimmung des Betroffenen nicht
zutreffend wieder, sondern ersetzt dieses Erfordernis durch ein Widerspruchsrecht. Der betroffene Rechtsanwalt wird durch die vorgenannte Formulierung zu
der Fehlannahme verleitet, er müsse der Weitergabe seiner Stellungnahme
nicht zustimmen, sondern habe lediglich ein Widerspruchsrecht. Vor diesem
Hintergrund kann die Übersendung der Stellungnahme des Klägers an die Beklagte nicht als hinreichend deutliche konkludente Ausübung eines - ihm möglicherweise nicht bekannten - Zustimmungsrechts ausgelegt werden, sondern
lediglich als die Unterlassung der Ausübung eines - im Verhältnis zum Zustimmungserfordernis schwächeren - Widerspruchsrechts, die indes zur Rechtfertigung der Offenbarung von geheim zu haltenden Tatsachen nicht genügt. Der
hohe Stellenwert der Verschwiegenheitspflicht, der durch sie bezweckte Schutz
der Daten Dritter und die hierauf bezogene Verschwiegenheitspflicht des
Rechtsanwalts nach § 43a Abs. 2 BRAO erfordern - wie ausgeführt - zur Annahme einer konkludenten Zustimmung ein eindeutiges Verhalten des Rechtsanwalts, das keinen Zweifel daran lässt, dass er der Weiterleitung seiner Stellungnahme zustimmt. Ein lediglich unterlassener Widerspruch gegen die Weiterleitung seiner Stellungnahme lässt den sicheren Rückschluss auf eine solche
Zustimmung nicht zu.
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(3) Nichts anderes gilt für das von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Bezug genommene Gespräch zwischen den Parteien vom 15. Mai 2012. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten beinhaltete
dieses Gespräch eine Erörterung der Hauptsache, nicht hingegen die Frage der
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Zustimmung des Klägers zur Weiterleitung seiner Stellungnahmen an die Beschwerdeführerin.
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2. Der Feststellungsantrag zu 2 des Klägers ist teilweise unzulässig und
im Übrigen unbegründet.
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a) Soweit mit dem Feststellungsantrag zu 2 eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht in Gestalt der Weiterleitung der Stellungnahmen des Klägers an die Beschwerdeführerin festgestellt werden soll (vgl. Klageschrift S. 10),
fehlt angesichts des - begründeten - Feststellungsantrags zu 1 das nach § 43
Abs. 1 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ist eine im Rahmen des Feststellungsantrags zu 1 zu beantwortende Vorfrage (siehe zu 1 b). Ein weitergehendes berechtigtes Interesse
des Klägers an der - zusätzlichen - Feststellung der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ist, soweit die Weiterleitung seiner Stellungnahmen an die Beschwerdeführerin betroffen ist, nicht erkennbar. Der Kläger erhält insofern bereits durch den Feststellungsantrag zu 1 hinreichenden Rechtsschutz (vgl. EGH
Berlin, NJW 1992, 846: Zulässigkeit der auf die Feststellung eines Verstoßes
gegen § 76 Abs. 1 BRAO gerichteten Feststellungsklage, wenn der Betroffene
andernfalls keinen Rechtsschutz hätte). Letztlich erkennt dies auch der Kläger,
indem er ausführt, die Klageanträge zu 1 und 2 lägen so dicht beieinander,
dass man sie auch zu einem Klageantrag hätte zusammenfassen können (Zulassungsbegründung vom 10. September 2014, S. 14).
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b) Soweit mit dem Antrag zu 2 eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht insoweit festgestellt werden soll, als die Vorstandsmitglieder der Beklagten dem Geschäftsführer der Beklagten die Bearbeitung des Aufsichtsverfahrens zumindest in Teilbereichen überlassen haben, ist der Antrag unbegründet.
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Dabei kann dahinstehen, ob die Vorstandsmitglieder zu einem solchen
Vorgehen befugt waren. Denn eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht
nach § 76 Abs. 1 BRAO liegt schon deshalb nicht vor, weil der Geschäftsführer
der Beklagten jedenfalls zur Vorbereitung und Ausführung der vom Kammervorstand beschlossenen Maßnahmen tätig werden durfte beziehungsweise hätte tätig werden können (vgl. hierzu Schwärzer in Feuerich/Weyland aaO § 56
Rn. 16; Hartung/Scharmer aaO § 56 BRAO Rn. 26; Johnigk, BRAK-Mitt. 2008,
101, 104 f.). Der Kammervorstand war befugt, ihm zu diesem Zweck die Stellungnahmen des Klägers und andere Dokumente zu überlassen, die der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 BRAO unterlagen.
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3. Die Feststellungsanträge zu 3 und 4 sind unzulässig.
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Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei der Stellung der Rechtsanwaltskammer M.
als Verfahrensbeteiligte in dem Aufsichtsverfahren - III. Abt.
- (vgl. Klageantrag zu 3) und bei der Frage, ob die über den Kläger von
der Beklagten geführte Beschwerdeakte Bestandteil der Personalakte ist (vgl.
Klageantrag zu 4), überhaupt um feststellungsfähige Rechtsverhältnisse handelt (zu dem im Rahmen einer Feststellungsklage erforderlichen feststellungsfähigen Rechtsverhältnis vgl. BVerwG, NJW 1983, 2343; EGH Berlin aaO;
Eyermann/Happ aaO § 43 Rn. 12 ff., 15, 20; Kopp/Schenke aaO § 43
Rn. 11 ff.). Denn jedenfalls fehlt auch hinsichtlich dieser Anträge angesichts des
- begründeten - Feststellungsantrags zu 1 das nach § 43 Abs. 1 VwGO erfor-
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derliche Feststellungsinteresse. Auch bei den vorgenannten Fragen handelt es
sich um Vorfragen, die bereits im Rahmen des Feststellungsantrags zu 1 zu
beantworten sind (siehe zu 1 b aa und cc (1)). Ein weitergehendes berechtigtes
Interesse des Klägers an einer diesbezüglichen - zusätzlichen - Feststellung ist
nicht erkennbar. Er erhält auch insofern bereits durch den Feststellungsantrag
zu 1 hinreichenden Rechtsschutz.
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4. Der Unterlassungsantrag zu 5 ist ebenfalls unzulässig.
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Mit diesem Antrag begehrt der Kläger vorbeugenden, auf das Aufsichtsverfahren - III. Abt.
- bezogenen Rechtsschutz (siehe oben zu 1 a bb
(2)). Die Zulässigkeit eines solchen vorbeugenden Rechtsschutzes setzt ein
qualifiziertes, d.h. ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse voraus (BVerwGE 40, 323, 326
mwN; Eyermann/Happ aaO § 42 Rn. 67).
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Ein solches qualifiziertes Rechtsschutzinteresse fehlt vorliegend. Der
Anwaltsgerichtshof hat zutreffend ausgeführt, dass angesichts der Erklärung
der Beklagten vom 23. April 2013 in dem Verfahren - AGH N.
2
-, sie werde Stellungnahmen des Klägers in dem Verfahren - III.
Abt.
- nicht an die Beschwerdeführerin weiterleiten, das - möglicher-
weise zuvor gegebene - Rechtsschutzinteresse des Klägers entfallen ist.
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Die Erklärung vom 23. April 2013 ist auch nicht etwa deshalb rechtlich
unverbindlich, weil sie vom Geschäftsführer der Beklagten und nicht von ihrem
Vorstand abgegeben wurde. Die Erklärung erfolgte in dem Verfahren vor dem
Anwaltsgerichtshof N.
seitens des Geschäftsführers der Be-
klagten als dem gemäß § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO vertretungsbefugten Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Die Prozessvollmacht ermächtigt den Bevollmächtigten nach der - entsprechend anwendbaren (vgl. Eyermann/Schmidt
aaO § 67 Rn. 20) - Bestimmung des § 81 ZPO zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen einschließlich materiell-rechtlicher Erklärungen,
soweit sie den Streitgegenstand betreffen (vgl. dazu MüKoZPO/Toussaint,
4. Aufl., § 81 Rn. 1 f., 22, 25; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 81 Rn. 10 f.).
Hierzu gehörte im Verfahren - AGH N.
2
- die Ab-
gabe von Erklärungen zur - auch dort streitgegenständlichen - Weiterleitung von
Stellungnahmen des Klägers an die Beschwerdeführerin. Die Prozesshandlungen, die der Vertreter in den Grenzen seiner Prozessvollmacht im Namen der
Partei vornimmt, wirken - wie nach § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB - unmittelbar für
und gegen die Partei. Diese Wirkung besteht unabhängig vom Innenverhältnis
der Partei zu ihrem Prozessbevollmächtigten (MüKoZPO/Toussaint aaO § 85
Rn. 4). Ein Prozessbevollmächtigter kann daher für eine juristische Person eine
diese bindende Erklärung auch dann abgeben, wenn ein entsprechender Beschluss der zuständigen Organe der juristischen Person nicht gefasst worden
ist. Die internen Zuständigkeiten der Beklagten sind mithin in vorstehendem
Zusammenhang ohne Bedeutung.
- 22 -
II.
48
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
Abs. 1, 2, § 155 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert wird in Übereinstimmung mit der
Festsetzung durch den Anwaltsgerichtshof gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO,
§ 52 Abs. 1, 2 GKG auf 11.500 € festgesetzt.
Kayser
Bünger
Braeuer
Remmert
Kau
Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 09.05.2014 - 1 AGH 6/14 -