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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
AnwZ (Brfg) 35/11
Verkündet am:
23. April 2012
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen belehrenden Hinweises
-2-
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2012 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Tolksdorf, die Richterinnen Lohmann und Dr. Fetzer sowie die Rechtsanwälte Dr. Wüllrich und Prof. Dr. Stüer
für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2011 wird auf
Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist eine im Bezirk der Beklagten zugelassene Rechtsanwältin. Am 18. März 2010 erteilte die Beklagte der Klägerin einen belehrenden
Hinweis, in dem es unter anderem heißt:
"Sie vertreten Herrn Dr. A.
C.
in dessen Scheidungsverfahren sowie in der Folgesache Zugewinnausgleich gegen die Ehefrau Ihres
Mandanten, Frau B.
C.
. … Mit Datum vom 26.06.2009 haben
Sie zudem auch für den volljährigen Sohn der Eheleute, Herrn M.
C.
, Klage vor dem Amtsgericht Bi.
auf Zahlung von Kindesunterhalt gegen Frau B.
C.
erhoben. Im Rahmen des gegen
Sie bei der Rechtsanwaltskammer H.
eingeleiteten Beschwerdeverfahrens haben Sie eine Erklärung des Herrn Dr. A.
C.
vom
-3-
02.10.2009 vorgelegt, in der dieser sein Einverständnis Ihnen gegenüber
erklärt, dass Sie sowohl ihn als auch seinen Sohn anwaltlich vertreten.
Ferner haben Sie eine Erklärung des Herrn M.
C.
vom
09.10.2009 überreicht, in der dieser erklärt, dass es eine Interessenkollision für ihn nicht gebe und er selbst gewollt habe, dass Sie Unterhaltsansprüche gegenüber seiner Mutter durchsetzen. …
Die Vertretung des Herrn Dr. A.
C.
einerseits und des Herrn
M.
C.
andererseits, jeweils gegen Frau B.
C.
, verstößt gegen §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 1. Alt. BORA, da Sie Ihre
Mandanten in derselben Rechtssache vertreten und zwischen Ihren
Mandanten objektiv widerstreitende Interessen bestehen. ... Das Interesse Ihres Mandanten Dr. C.
in den Scheidungs- und Zugewinnausgleichsverfahren ist auf die Anerkennung einer geringen eigenen Vermögenslage zur Abwehr von Zugewinnausgleichs- und ggfls. sich anschließender Unterhaltsansprüche der Frau B.
C.
gerichtet. Das Interesse des Herrn M.
C.
besteht dagegen in der Feststellung
einer hohen Vermögenslage sowohl seiner Mutter als auch seines Vaters
zugunsten seiner eigenen Unterhaltsansprüche gegen diese. Denn neben dem derzeit geltend gemachten Unterhaltsanspruch gegen seine
Mutter B.
C.
bestehen grundsätzlich auch Unterhaltsansprüche des Herrn M.
C.
gegen seinen Vater Dr. C.
, weil
die Voraussetzungen des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB entfallen sind. …
Das Vorliegen widerstreitender Interessen wird auch nicht durch das Einverständnis des Herrn Dr. C.
und des Herrn M.
C.
zu
deren jeweiliger Vertretung durch Sie aufgehoben. … Gemäß § 3 Abs. 3
BORA sind Sie somit verpflichtet, alle Mandate, also sowohl die Mandate
des Herrn Dr. A.
C.
als auch das Mandat des Herrn M.
C.
, zu beenden."
2
Gegen diesen mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen und förmlich
zugestellten Hinweis hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben. Die Beklagte
hat die Abweisung der Klage beantragt und ergänzend darauf hingewiesen,
dass B.
von Dr. A.
C.
mit Schreiben vom 9. Februar 2010 Trennungsunterhalt
C.
verlangt und ihren Anspruch mit Antrag vom 8. Juni
2010 eingeklagt habe; auch in diesem Verfahren werde Dr. A.
von der Klägerin vertreten.
C.
-4-
3
Der Anwaltsgerichtshof hat den belehrenden Hinweis aufgehoben
(BRAK-Mitt. 2011, 250). Mit ihrer vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen Berufung will die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe:
4
Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen
zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 2, 3 VwGO). Sie bleibt jedoch ohne
Erfolg.
I.
5
Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1
BRAO, § 42 VwGO) statthaft. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliegt es dem
Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO hat
er die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben. Stellt der Vorstand einer Rechtsanwaltskammer in Wahrnehmung seiner Aufgaben fest, dass sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhalten hat, so kann er diesen auf die Rechtsauffassung
der Kammer hinweisen und über den Inhalt seiner Berufspflichten belehren; er
kann ihm auch aufgeben, das beanstandete Verhalten zu unterlassen. Erteilt
der Vorstand der Rechtsanwaltskammer einem Kammermitglied eine derartige
missbilligende Belehrung, so stellt diese eine hoheitliche Maßnahme dar, die
geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche
-5-
ist sie anfechtbar (BGH, Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02,
BGHZ 153, 61, 62 f.).
II.
6
Das im Bescheid der Beklagten vom 18. März 2010 beschriebene Verhalten der Klägerin verstieß nicht gegen § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA.
7
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin betreffen der Zugewinnausgleich
und der Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes gegen seine Eltern allerdings dieselbe Rechtssache. "Rechtssache" kann jede Angelegenheit sein, die
zwischen mehreren Beteiligten mit jedenfalls möglicherweise entgegenstehenden rechtlichen Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt
werden soll (BGH, Urteil vom 25. Juni 2008 - 5 StR 109/07, BGHSt 52, 307
Rn. 11). Maßgebend dafür, ob die Rechtssache dieselbe ist, ist der sachlichrechtliche Inhalt der anvertrauten Angelegenheit (BGH, Urteil vom 16. November 1962 - 4 StR 344/62, BGHSt 18, 192, 193; BayObLG, NJW 1989, 2903),
auch wenn dasselbe materielle Interesse Gegenstand verschiedener Ansprüche oder Verfahren ist (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1986 - 1 StR 519/86,
BGHSt 34, 191; BayObLG, NJW 1989, 2903; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 356
Rn. 5; Hartung, AnwBl 2011, 679, 680).
8
Die von der Klägerin übernommenen Mandate decken sich sachlichrechtlich zumindest teilweise. Grundlage des Zugewinnausgleichs ist zwar die
Ehe, während der Unterhaltsanspruch aus dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Eltern und Kindern folgt. Die Verwandtschaft zu miteinander verheirateten Eltern betrifft jedoch denselben Sachverhalt wie deren Ehe. Der Unterhalts-
-6-
anspruch des erwachsenen Kindes richtet sich zudem grundsätzlich gegen beide Elternteile, die anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen
haften (§ 1606 Abs. 3 BGB); die Vermögensverhältnisse der beiden Elternteile
sind - bezogen auf den Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags
(§ 1375 Abs. 1, § 1384 BGB) - Gegenstand des Zugewinnausgleichs.
9
2. Die Interessen, welche die Klägerin bei der Abwehr des Anspruchs auf
Zugewinnausgleich (fortan auch: Erstmandat) einerseits und der Durchsetzung
des Anspruchs auf Kindesunterhalt (fortan auch: Zweitmandat) anderseits zu
vertreten hat, widersprechen einander unter den besonderen Umständen des
vorliegenden Falles jedoch nicht.
10
a) Die Interessen, welche der Anwalt im Rahmen des ihm erteilten Auftrags zu vertreten hat, sind objektiv zu bestimmen. Grundlage der Regelung des
§ 43a Abs. 4 BRAO sind das Vertrauensverhältnis von Rechtsanwalt und Mandant, die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse
der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung (BTDrucks. 12/4993, S. 27; vgl. auch BVerfGE 108, 150). Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus (BGH, Urteil vom 8. November 2007 - IX ZR 5/06, BGHZ 174, 186 Rn. 12 = NJW 2008,
1307). Diese Eigenschaften stehen nicht zur Disposition der Mandanten. Der
Rechtsverkehr muss sich darauf verlassen können, dass der Pflichtenkanon
des § 43a BRAO befolgt wird, damit die angestrebte Chancen- und Waffengleichheit der Bürger untereinander und gegenüber dem Staat gewahrt wird und
die Rechtspflege funktionsfähig bleibt (BVerfGE 108, 150, 161 f.; vgl. auch
BVerfG, NJW 2006, 2469 f.).
-7-
11
Im rechtlichen Ausgangspunkt stehen die Interessen eines unterhaltsberechtigten volljährigen Kindes im Widerspruch zu denjenigen seiner Eltern, die
beide Unterhalt schulden und gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach
ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen haften. Ein Rechtsanwalt darf
deshalb nicht zugleich die unterhaltspflichtigen Eltern bei der Abwehr des Anspruchs und das unterhaltsberechtigte Kind bei dessen Durchsetzung vertreten.
12
b) Dass die Klägerin im vorliegenden Fall nur mit der Durchsetzung des
Anspruchs gegen die Ehefrau ihres Mandanten Dr. A.
C.
beauftragt
worden war, die auch dessen Gegnerin im Zugewinnausgleichsverfahren war,
ändert für sich genommen nichts am Vorliegen eines Interessenwiderstreits. Ein
objektiv vorhandener Interessenwiderspruch lässt sich (entgegen Henssler,
NJW 2001, 1521, 1522; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat und berufsrechtliches Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, 2009, Rn. 279 ff.)
nicht durch den schlichten Hinweis darauf auflösen, dass der Mandant mit der
Mandatserteilung selbst bestimmen könne, in welche Richtung und in welchem
Umfang der Anwalt seine Interessen wahrnehmen möge. Zwar werden die
Mandatspflichten eines Anwalts wesentlich durch den ihm erteilten Auftrag bestimmt. Der Anwalt ist an die Weisungen seines Auftraggebers gebunden
(§§ 665, 675 Abs. 1; vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04,
BGHZ 174, 205 Rn. 8), wobei es dem Mandanten, der das Misserfolgs- und
Kostenrisiko trägt, durchaus freisteht, Weisungen zu erteilen, welche seinen
wohlverstandenen Interessen aus der Sicht eines objektiven Betrachters widersprechen (BGH, Urteil vom 20. März 1984 - VI ZR 154/82, NJW 1985, 42, 43;
vom 13. März 1997 - IX ZR 81/96, NJW 1997, 2168, 2169 f.; vgl. Vill in Zugehör
u.a., Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 841). Nicht selten sind Umfang
und Ausgestaltung des Auftrags jedoch erst das Ergebnis der Erstberatung,
welche dem Mandanten aufzeigen soll, welche Rechte er hat und wie er sie
-8-
durchsetzen kann. Außerdem muss ein Anwalt den Mandanten auch im Rahmen eines eingeschränkten Mandats vor Gefahren warnen, die sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Auftrags aufdrängen, wenn er Grund zu der
Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich dieser Gefahren nicht bewusst ist
(BGH, Urteil vom 29. April 1993 - IX ZR 101/92, NJW 1993, 2045; vom 9. Juli
1998 - IX ZR 324/97, WM 1998, 2246, 2247; vom 29. November 2001 - IX ZR
278/00, WM 2002, 505, 506; vgl. Vill in Zugehör u.a., Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 552 ff.).
13
Ein Anwalt, der ein volljähriges Kind bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen berät, muss darauf hinweisen, dass sich der Anspruch gegen
beide Elternteile richtet. Vertritt der Anwalt bereits einen Elternteil im Rahmen
einer unterhalts- oder ehegüterrechtlichen Auseinandersetzung, ist schon dieser Hinweis geeignet, dessen Interessen zu beeinträchtigen. Wenn und soweit
sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs des volljährigen Kindes nach den zusammengerechneten Einkommen beider Eltern richtet, kann das Interesse des
Kindes überdies darauf gerichtet sein, ein möglichst hohes Einkommen auch
desjenigen Elternteils nachzuweisen, dessen Vertretung der Anwalt bereits
übernommen hatte und dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse dieser daher kennt. Auch dies schließt eine gemeinsame Vertretung eines Elternteils und des volljährigen Kindes im Rahmen des Kindesunterhalts grundsätzlich aus.
14
c) Ob widerstreitende Interessen bestehen und vertreten werden, kann
indessen nicht ohne Blick auf die konkreten Umstände des Falles beurteilt werden. Maßgeblich ist, ob der in den anzuwendenden Rechtsvorschriften typisierte Interessenkonflikt im konkreten Fall tatsächlich auftritt (RGSt 71, 231, 236 [zu
§ 356 StGB]; BAG, NJW 2005, 921 f.; KG, NJW 2008, 1458, 1459; aA Hartung
-9-
in Hartung/Römermann, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Aufl., § 3 BerO
Rn. 59). Was den Interessen des Mandanten und damit zugleich der Rechtspflege dient, kann nicht ohne Rücksicht auf die konkrete Einschätzung der hiervon betroffenen Mandanten abstrakt und verbindlich von Rechtsanwaltskammern oder Gerichten festgelegt werden (BVerfGE 108, 150, 162; vgl. auch
BVerfG, NJW 2006, 2469, 2470). Die Vorschrift des § 43a Abs. 4 BRAO
schränkt (ebenso wie diejenige des § 356 StGB) das Grundrecht der freien Berufsausübung der Rechtsanwälte nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Ihre Auslegung
hat sich daran zu orientieren, dass jeder Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit
durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein muss und
nicht weiter gehen darf, als die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange es erfordern. Eingriffszweck und Eingriffsintensität müssen zudem in einem angemessenen Verhältnis stehen; denn die Gerichte sind, wenn sie Einschränkungen
der grundsätzlich freien Berufsausübung für geboten erachten, an dieselben
Maßstäbe gebunden, die nach Art. 12 Abs. 1 GG den Gestaltungsspielraum
des Gesetzgebers einschränken (BVerfGE 54, 224, 235; 97, 12, 27; 108, 150,
160; BVerfG, NJW 2006, 2469). Im Interesse der Rechtspflege sowie eindeutiger und gradliniger Rechtsbesorgung verlangt § 43a Abs. 4 BRAO lediglich,
dass im konkreten Fall die Vertretung widerstreitender Interessen vermieden
wird (BVerfGE 108, 150, 164). Das Anknüpfen an einen möglichen, tatsächlich
aber nicht bestehenden (latenten) Interessenkonflikt verstößt gegen das Übermaßverbot und ist verfassungsrechtlich unzulässig (BAG, NJW 2005, 921, 922;
Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 43a Rn. 171, 174).
15
Danach hat die Klägerin keine widerstreitenden Interessen vertreten. Sie
ist von M.
C.
die Mutter B.
war Dr. A.
beauftragt worden, Unterhaltsansprüche (nur) gegen
C.
C.
geltend zu machen. Bei der Erteilung des Auftrags
zugegen. Er hat den Gebührenvorschuss an die Klä-
- 10 -
gerin gezahlt. Die Frage des Unterhaltsanspruchs gegen beide Elternteile stellte
sich nicht. Dr. A.
C.
kam bis dahin allein für den Unterhalt seines
Sohnes auf und war bereit, dies unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits
weiterhin zu tun. Fragen der Schweigepflicht waren ebenfalls nicht berührt,
nachdem Dr. A.
C.
der Klägerin alle für die Berechnung des Kin-
desunterhalts erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt hatte. Zudem
wusste M.
C.
, dass die Klägerin seinen Vater im Scheidungs- und
im Zugewinnausgleichsverfahren vertrat. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände fehlt es bei der gebotenen konkret objektiven Betrachtung an einem Interessengegensatz.
III.
16
Die Vertretung des Dr. A.
C.
im später angestrengten Ver-
fahren auf Trennungsunterhalt kann nicht nachträglich zur Begründung des belehrenden Hinweises vom 18. März 2010 herangezogen werden.
17
1. Ein fehlerhafter Bescheid kann zwar mit anderer Begründung aufrechterhalten werden, wenn sich ergibt, dass dies mit einer fehlerfreien Begründung möglich ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Grundsätzlich sind hierzu alle
tatsächlichen Umstände heranzuziehen, die bei seinem Erlass vorlagen
(Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 108 Rn. 30). Die Klägerin hatte bereits am 9. Februar 2010, also vor Erlass des belehrenden Hinweises vom 18.
März 2010, namens des Dr. A.
C.
den Anspruch auf Trennungsunterhalt
zurückgewiesen. Der Bescheid darf durch die Berücksichtigung der geänderten
Begründung jedoch nicht in seinem Wesen verändert (BVerwGE 19, 252, 257;
64, 356, 357 f.; 71, 363, 368; 95, 176, 183 f.) und die Rechtsverteidigung des
Klägers darf hierdurch nicht unzumutbar beeinträchtigt werden (BVerwG, NVwZ
- 11 -
1999, 303 Rn. 16). Unzulässig ist ein Nachschieben von Gründen insbesondere
dann, wenn der Verwaltungsakt an einen anderen Sachverhalt anknüpft
(Knopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 113 Rn. 66).
18
2. Die Vertretung des Dr. A.
C.
bei der Abwehr des An-
spruchs auf Trennungsunterhalt wäre daraufhin zu überprüfen gewesen, ob sie
mit der Vertretung des M.
C.
bei der Geltendmachung des An-
spruchs auf Volljährigenunterhalt gegen B.
C.
vereinbar war. Das ist
ein anderer Sachverhalt als derjenige, welcher dem belehrenden Hinweis vom
18. März 2010 zugrunde lag. Geschütztes Rechtsgut wäre neben der Rechtspflege allgemein das von M.
C.
erteilte Mandat gewesen, während
es im belehrenden Hinweis um das Mandat des Dr. A.
C.
ging.
- 12 -
IV.
19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 2
GKG.
Tolksdorf
Lohmann
Wüllrich
Fetzer
Stüer
Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 06.05.2011 - 2 AGH 47/10 -