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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 114/01
vom
8. Mai 2001
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
-2-
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Mai 2001 gemäß §§ 44,
349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1.
Dem Angeklagten wird auf seine Kosten nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das
Urteil des Landgerichts Bochum - Strafkammer Recklinghausen - vom 20. November 2000 Wiedereinsetzung
in
Der
den
Beschluß
vorigen
des
Stand
Landgerichts
gewährt.
Bochum
vom
12. Februar 2001, durch den die Revision des Angeklagten verworfen wurde, ist damit gegenstandslos.
2.
Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte
Urteil mit den Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte in den Fällen II 1 bis 5 der
Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b)
3.
im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
-3-
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 188 Fällen, davon in 46 Fällen
gemeinschaftlich handelnd mit dem gesondert verfolgten D.
, sowie wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen
Rechts. Das Rechtsmittel hat - nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist - mit der Sachrüge teilweise
Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung und
der Gegenerklärung vom 11. April 2001 hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten ergeben, soweit das Landgericht ihn im Fall II 6 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren
und sechs Monaten verurteilt hat. Auch soweit das Landgericht von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach
§ 64 StGB abgesehen hat, hält das Urteil rechtlicher Nachprüfung stand.
2. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II 1 bis 5 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 188 Fällen
(Kokainverkäufe in den von ihm betriebenen Lokalen "Café Babylon" und "Tee-
-4-
stube") kann dagegen nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft 188 tatmehrheitlich begangene Taten angenommen hat:
Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittel beziehen, sind als eine Tat des unerlaubten Handeltreibens anzusehen, weil bereits der Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln,
die zum Zweck gewinnbringender Weiterveräußerung bereitgehalten werden,
den Tatbestand des Handeltreibens in bezug auf die Gesamtmenge erfüllen; zu
dieser Tat gehören als unselbständige Teilakte im Sinne einer Bewertungseinheit auch die späteren Veräußerungsgeschäfte, soweit sie dasselbe Rauschgift
betreffen (st. Rspr., BGHSt 30, 28, 31; BGH NStZ 1998, 89).
Zwar ist es nicht geboten, festgestellte Einzelverkäufe zur Bewertungseinheit zusammenzufassen, nur weil die nicht näher konkretisierte Möglichkeit
besteht, daß sie ganz oder teilweise aus einem Verkaufsvorrat stammen (vgl.
BGH NStZ 1998, 89 m.w.N.). Es ist jedoch rechtsfehlerhaft, allein auf die Anzahl der Veräußerungsgeschäfte abzustellen, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, daß an sich selbständige Rauschgiftgeschäfte aus derselben Erwerbsmenge getätigt wurden. So liegt es hier:
Nach den Feststellungen "verschaffte sich der Angeklagte von etwa Juni/Juli 1998 bis zu seiner Festnahme im Mai 2000 durch eine Vielzahl von Kokainverkäufen (etwa 2.180 Bubbels) eine regelmäßige und fortlaufende Einnahmequelle" und finanzierte so seinen Lebensunterhalt. Der Angeklagte, der
"auf ungeklärte Art und Weise in der Lage (war), in größeren Mengen Kokain"
zu beschaffen, portionierte das Kokain in "Bubbels" zu einem oder 0,8 g und
verkaufte dies entweder selbst oder durch in seinen Lokalen beschäftigte Mit-
-5-
arbeiter an verschiedene Abnehmer weiter, und zwar in 60 Fällen jeweils
15 "Bubbels" (II 2 der Urteilsgründe) und in den weiteren unter II 1, 3 bis 5 der
Urteilsgründe zusammengefaßten Fällen jeweils 10 "Bubbels". Telefonüberwachungen ergaben, “daß der Angeklagte in einem Monat teilweise bis zu 4000
Telefonate führte, die sich nahezu ausschließlich mit dem An- und Verkauf von
Rauschgift beschäftigten" (UA 8). Danach liegt es nahe, daß er Kokain in größeren Mengen vorrätig gehalten hat und daß sich einige der festgestellten 188
Verkaufsakte, jedenfalls soweit sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang
stehen, auf dieselbe Einkaufsmenge bezogen haben. Dies gilt insbesondere für
die 40 Lieferungen an Enver D.
im Dezember 1999/Januar 2000 (II 1 der
Urteilsgründe) und die Verkäufe durch Stefanie Du.
Dezember 1999 und Carla P.
(II 3 der Urteilsgründe) im
(II 4 der Urteilsgründe) Ende November/ De-
zember 1999.
Zwar ist die Beurteilung, ob selbständige Rauschgiftgeschäfte zu einer
Bewertungseinheit zusammenzufassen sind, in erster Linie Sache des
Tatrichters, dessen Wertung vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler hin zu
überprüfen ist (vgl. BGH NStZ 1998, 89 m.N.). Da sich das Urteil aber hierzu
nicht verhält und sich seinen Gründen zudem nicht entnehmen läßt, ob - und
gegebenenfalls wie - sich der hinsichtlich der Einzelverkäufe geständige Angeklagte zur Beschaffung des veräußerten Kokains eingelassen hat, entzieht es
sich insoweit der revisionsrechtlichen Überprüfung. Die danach gebotene Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II 1 bis 5 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung auch des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
3. Die Urteilsausführungen zur rechtlichen Würdigung geben Anlaß zu
dem Hinweis, daß nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO die Gründe des Strafurteils
-6-
das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen müssen. Eine Bezugnahme "auf die Paragraphen-Kette des Tenors" (UA 10) genügt diesen Anforderungen nicht.
Zu der gemäß § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO in die Urteilsformel aufzunehmende rechtlichen Bezeichnung der Tat gehören weder das Merkmal "gemeinschaftlich handelnd" noch das Merkmal "gewerbsmäßig" des nur eine Strafzumessungsregelung enthaltenden § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 260 Rdn. 24 m.N.)
Meyer-Goßner


Kuckein

Athing