Cyberlaywer/build/tfgpu-cyberlaywer/EndDokumente/2_str_356-07.pdf.txt
2023-03-06 15:36:57 +01:00

73 lines
No EOL
4.1 KiB
Text
Raw Blame History

This file contains invisible Unicode characters

This file contains invisible Unicode characters that are indistinguishable to humans but may be processed differently by a computer. If you think that this is intentional, you can safely ignore this warning. Use the Escape button to reveal them.

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 356/07
vom
13. Februar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
-2-
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. Februar 2008 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Kassel vom 9. März 2007 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Zwar ist das Verfahren in einer der Justiz anzulastenden Weise verzögert
worden. Entgegen der Ansicht der Revision rechtfertigt dies jedoch, wie der
Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift mit zutreffender Begründung
ausgeführt hat, nicht die Einstellung des Verfahrens aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG, NJW 2003, 2225, 2226 f.; 2897, 2899; BGH, NStZRR 2004, 230, 231 m.w.N.).
Die vom Landgericht im Rahmen der Strafzumessung vorgenommene
Kompensation der Verfahrensverzögerung hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Zwar hat das Landgericht weder, wie es nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geboten gewesen wäre, das Ausmaß
einer Art. 6 Abs. 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung ausdrücklich
festgestellt, noch hat es das Maß der von ihm vorgenommenen Kompensation
durch einen Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten
-3-
Strafe ausdrücklich und konkret bestimmt (vgl. BVerfG, NStZ 1997, 591; BGH,
NJW 1999, 1198, 1199 = NStZ 1999, 181 f.; NStZ 2001, 52; Fischer StGB § 46
Rdn. 62 m.w.N.).
Eine Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 MRK durch
rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat der Beschwerdeführer jedoch
nicht ausdrücklich erhoben. Hierzu wäre die Erhebung einer Verfahrensrüge
unter genauer Angabe des beanstandeten Verfahrensverstoßes erforderlich
gewesen (Kuckein in KK, 5. Auflage, § 344 Rdn. 34 m.w.N.). Dass eine solche
Rüge in dem Revisionsvorbringen enthalten ist, aufgrund einer der Justiz anzulastenden Verzögerung des Verfahrens sei ein Verfahrenshindernis wegen Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegeben, ist jedenfalls zweifelhaft.
Im Übrigen fehlt es aber an einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden
Bezeichnung der Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll.
Die Revision stellt den Verlauf des gegen den Angeklagten geführten Strafverfahrens nicht so umfassend dar, dass das Revisionsgericht allein anhand der
Revisionsbegründung in der Lage wäre, das Vorliegen eines Verfahrensverstoßes zu überprüfen. So fehlen insbesondere Angaben zum Ermittlungsverfahren
sowie zum gerichtlichen Verfahren bis zur ersten Revisionsentscheidung des
Senats, so dass eine Gesamtbeurteilung einer Art. 6 Abs. 1 MRK verletzenden
Verfahrensverzögerung sowie die Bestimmung des Maßes einer hierfür gebotenen Kompensation nicht möglich ist.
Die Verfahrensrüge, ihre zulässige Erhebung unterstellt, wäre auch im
Ergebnis nicht begründet. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Beruhen eines Urteils auf dem Fehlen einer ausdrücklichen
Quantifizierung der Kompensation nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen wer-
-4-
den (vgl. BGH StraFo 2007, 35; Fischer aaO § 46 Rdn. 62 a). Ein solcher Fall
liegt hier aber vor. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil die in der ersten Hauptverhandlung verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten auf nunmehr ein Jahr und sechs Monate mit Strafaussetzung zur Bewährung reduziert und dies allein auf die Verzögerung des Verfahrens gestützt (vgl.
UA S. 41). Der Senat kann sicher ausschließen, dass das Landgericht bei einer
zutreffenden Darstellung der Kompensation zu einer noch niedrigeren Strafe
gekommen wäre.
Dadurch, dass das Landgericht bei der Kompensation im Grundsatz der
bis zur Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 17. Januar 2008
- GSSt 1/07 - anzuwendenden sogenannten Strafzumessungslösung gefolgt ist,
ist der Angeklagte hier nicht beschwert.
Rissing-van Saan
Rothfuß
Roggenbuck
Fischer
Schmitt