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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 274/11
vom
7. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
-2-
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. September 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 10. März 2011 in den Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen II.1 bis 145 sowie im Gesamtstrafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen
notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 145 Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in einem
weiteren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt. Mit seiner
gegen dieses Urteil eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung
-3-
formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den
aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler
zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung keine Ausführungen zur Wahl des anzuwendenden Strafrahmens gemacht. Allein der Liste
der angewendeten Vorschriften ist zu entnehmen, dass das Landgericht in den
Fällen einer Verurteilung des Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern den Strafrahmen der Vorschrift des § 176a Abs. 2 StGB
herangezogen hat, die ohne Angabe der Gesetzesfassung angeführt wird. Dies
lässt besorgen, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft in allen 145 Fällen des
schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern von dem mit Wirkung ab 1. April
2004 eingeführten Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB ausgegangen ist, der
Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vorsieht. Bei der Bemessung der Einzelstrafen für die vor dem 1. April 2004 begangenen Straftaten in den Fällen II.1
bis 127 ist jedoch der bis zum 31. März 2004 geltende Strafrahmen des § 176a
Abs. 1 StGB in der Fassung vom 13. November 1998 zugrunde zu legen, der
Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr vorsah, § 2 Abs. 1 und 3 StGB.
4
b) Weiter hat die Kammer rechtsfehlerhaft in den Fällen II.1 bis 145 zu
Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass "diese Taten jeweils auch dadurch
gekennzeichnet (waren), dass sie mit einem Eindringen in den Körper des
Kindes verbunden waren, was regelmäßig eine das Kind besonders belastende
Behandlung darstellt" (UA S. 28). Die Strafkammer hat damit unter Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB einen Tatumstand
strafschärfend herangezogen, der den Qualifikationstatbestand des § 176a
-4-
Abs. 2 Nr.1 StGB in der aktuellen Fassung vom 27. Dezember 2003 (bzw. des
§ 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der früheren Fassung vom 13. November 1998)
und den insoweit zugrunde zu legenden Strafrahmen begründet.
5
2. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die aufgezeigten
Rechtsfehler bei der Bemessung der Einzelstrafen ausgewirkt haben. Die Aufhebung der Einzelstrafen führt auch zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
6
Die getroffenen Feststellungen werden durch die aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
Im Rahmen der neuen Strafzumessung sind ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
Fischer
Schmitt
Krehl
Berger
Eschelbach