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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 127/17
vom
7. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:070318U2STR127.17.0
-2-
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. März 2018,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Zeng,
Dr. Grube,
Schmidt,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-3-
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 29. November 2016
a) im Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte des
bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe und Munition, des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie des unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen, in allen Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von
Betäubungsmitteln, schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Anordnung von Wertersatzverfall aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
-4-
Gründe:
1
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe und Munition unter Einbeziehung weiterer Strafen
aus einer anderen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren
und fünf Monaten verurteilt und Nebenentscheidungen getroffen. Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch den Senat mit Beschluss vom 29. Juni 2016
hat das Landgericht den Angeklagten nunmehr wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, tateinheitlich
dazu wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe sowie Munition, sowie wegen weiteren zwei Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in all diesen Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,
sowie sechs Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, wiederum jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung weiterer Strafen aus anderen Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es eine Einziehungs-, eine Verfalls- und eine Anrechnungsentscheidung hinsichtlich erbrachter Arbeitsleistungen getroffen sowie wegen einer rechtsstaatswidrigen
Verfahrensverzögerung vier Monate der Gesamtstrafe als vollstreckt erklärt.
Seine auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte
Revision hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist
sie unbegründet.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckende Angeklagte, der Schulden mindestens in Höhe
von 5.000 € hatte, ab November 2009 jeweils im Abstand von sechs bis acht
Wochen mit Betäubungsmitteln beliefert, wobei von vornherein der überwie-
-5-
gende Teil zum Weiterverkauf und eine Teilmenge zum Eigenverbrauch bestimmt war. In der Zeit bis Dezember 2010 erhielt der Angeklagte bei sechs Lieferungen ca. 10-20 Gramm, von Dezember 2010 bis Juli 2011 in drei Lieferungen jeweils 50 Gramm sowie in zwei Fällen im Juli 2011 und Dezember 2011
jeweils 200 Gramm Kokainzubereitung. Hintergrund der Geschäfte war ein dem
Angeklagten gewährter Kredit des Betäubungsmittelverkäufers, mit dem der
Angeklagte u.a. offene Unterhaltsverbindlichkeiten, Mietschulden und Versicherungskosten beglich und den er in monatlichen, über die Betäubungsmittelverkäufe zu finanzierenden Raten von 500 € zurückführen sollte.
3
Von den insgesamt gelieferten 610 Gramm Kokain veräußerte der Angeklagte 430 Gramm in Kleinmengen zwischen einem und fünf Gramm und konsumierte 30 Gramm selbst; der Rest wurde im Dezember 2011 in seiner Wohnung sichergestellt. Die gesamte Wirkstoffmenge betrug 182,39 Gramm
Cocainhydrochlorid, was dem 36,4fachen der nicht geringen Menge entspricht.
Ab Anfang 2011 war der Angeklagte im Besitz einer ungeladenen Schusswaffe,
die er in seiner Wohnung in der Nähe der gelagerten Betäubungsmittel aufbewahrte, wo auch die Verkäufe an die Abnehmer stattfanden. Eine dazu passende Patrone bewahrte der Angeklagte unweit der Pistole in einem verschlossenen Tresor auf. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurden
neben der Kokainzubereitung und der Waffe mit der Munition u.a. Bargeld von
ca. 2.630 € sichergestellt, die aus vorangegangenen Betäubungsmittelverkäufen stammten, außerdem 18,98 Gramm Cannabisharz, 11,32 Gramm Marihuana, eine Digitalwaage und eine Beißzange.
4
2. Die Revision des Angeklagten führt zu einer Klarstellung des Schuldspruchs und zur Aufhebung der Entscheidung über die Anordnung von Wertersatzverfall; im Übrigen bleibt ihr der Erfolg versagt. Zu einer Abänderung der
Einziehungsentscheidung, die auch Gegenstände erfasst, auf deren Herausga-
-6-
be der Angeklagte wirksam verzichtet hat, und insoweit nur deklaratorischer
Natur ist, sieht sich der Senat nicht veranlasst (vgl. BayObLG NStZ-RR 1997,
51).
5
a) Die Verfahrensrügen greifen aus den vom Generalbundesanwalt in
seiner Zuschrift aufgeführten Erwägungen nicht durch.
6
b) Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand, insbesondere ist
auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge nicht zu beanstanden. Der Klarstellung bedarf freilich die im verkündeten Tenor ausgesprochene tateinheitliche Verurteilung „in all diesen Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“. Wie das Landgericht in den Urteilsgründen selbst ausgeführt
hat, handelt es sich bei der Verurteilung wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ um einen bloßen Schreibfehler, der
den Senat zu einer Anpassung des Schuldspruchs veranlasst.
7
c) Der Strafausspruch hält insgesamt rechtlicher Nachprüfung noch
stand.
8
aa) Die Strafrahmenwahl in den Fällen 1 und 6 begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler vom Vorliegen des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit im Sinne von § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG
ausgegangen, war sich bewusst, dass allein die Verwirklichung des Regelbeispiels noch nicht die Annahme des besonders schweren Falles und des hierfür
vorgesehenen Strafrahmens rechtfertigt und hat mit tragfähigen Erwägungen
die Anwendung des Normalstrafrahmens nach § 29 Abs. 1 BtMG ausgeschlossen. Der Umstand, dass das gewerbsmäßige Handeln über einen längeren
Zeitraum erfolgt ist, durfte die Strafkammer als gegen den Angeklagten spre-
-7-
chenden Umstand in seine Würdigung ohne Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB
einbeziehen. Dies gilt auch, soweit das Landgericht zu Lasten des Angeklagten
eingestellt hat, es läge ein „typischer Fall von Gewerbsmäßigkeit“ vor. Diese
Erwägung lässt nicht besorgen, die Strafkammer habe die Gewerbsmäßigkeit
als solche im Rahmen der Prüfung eines möglichen Entfallens der Indizwirkung
rechtsfehlerhaft berücksichtigt (vgl. Senat, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Gewerbsmäßigkeit 1). Im Übrigen lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend deutlich entnehmen, dass das Landgericht die
unmittelbar nach der Begründung des zur Anwendung gebrachten Strafrahmens im Zusammenhang mit der konkreten Strafzumessung aufgezeigten
Strafmilderungsgründe auch bei der Prüfung des § 29 Abs. 3 BtMG im Blick
gehabt hat.
9
Auch die konkrete Strafzumessung in den Fällen 1 bis 6 weist keinen
durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die Erwägung
des Landgerichts, der Angeklagte sei „erheblich“ vorbestraft, erscheint nicht
ohne Weiteres bedenkenfrei, weil der Angeklagte vor den jetzt abgeurteilten
Taten lediglich zu Geldstrafen verurteilt war; der Senat entnimmt der sprachlich
verunglückten Formulierung der Strafkammer insoweit jedoch den insoweit
nicht zu beanstandenden Hinweis auf zahlreiche strafrechtlich geahndete
Verstöße, die jeweils zu Geldstrafen geführt haben.
10
bb) Auch die Strafen in den Fällen 7 und 8 begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bei der Strafrahmenwahl hat das Landgericht zu
Lasten des Angeklagten eingestellt, dass der Grenzwert zur nicht geringen
Menge jeweils knapp um das Dreifache überschritten worden sei. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
-8-
11
Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge darf
nur die Tatbegehung mit einer „nicht geringen Menge“ für sich genommen nicht
bei der Strafzumessung berücksichtigt werden; jedoch kann das Maß der Überschreitung des Grenzwerts in die Strafzumessung einfließen, soweit es sich
nicht lediglich um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt (vgl.
Senat, Urteil vom 15. März 2017 2 StR 294/16, NJW 2017, 2776, 2777 mit
Anm. Oğlakçioğlu). Danach ist die Berücksichtigung der Überschreitung der
nicht geringen Menge um das Dreifache rechtlichen Bedenken nicht ausgesetzt
(so schon Senat, Urteil vom 16. November 2017 2 StR 74/17).
12
d) Die Entscheidung des Landgerichts, hinsichtlich eines Betrags von
20.069,35 € Wertersatzverfall anzuordnen, hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
13
Zu Recht ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass
abgesehen von dem sichergestellten, für verfallen erklärten Geldbetrag das
Erlangte im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist. Die daraufhin
nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. zu treffende Ermessensentscheidung aber
weist Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
14
Der Tatrichter kann bei seiner Billigkeitsentscheidung nach § 73c Abs. 1
Satz 2 StGB a.F. neben den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
des Betroffenen insbesondere berücksichtigen, aus welchem Grunde das Erlangte bzw. dessen Wert nicht mehr im Vermögen des Angeklagten vorhanden
ist. Hierbei ist maßgebend, ob und inwieweit es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles unangemessen erscheint, den Verfall anzuordnen (BGH
NStZ-RR 2005, 104, 105). Das „Verprassen” der erlangten Mittel sowie ihre
Verwendung für Luxus und zum Vergnügen kann dabei gegen die Anwendung
der Härtevorschrift sprechen (vgl. BGHSt 30, 314, 317); ihr Verbrauchen in ei-
-9-
ner Notlage für den Lebensunterhalt kann hingegen als Argument für eine entsprechende Ermessensentscheidung herangezogen werden (vgl. BGHSt 38,
23, 25).
15
Daran gemessen begegnet es zwar keinen Bedenken, dass der Tatrichter hinsichtlich der Beträge, die der Angeklagte für Feiern und private Vergnügungen aufgewendet hat, von einer Verfallsanordnung nicht abgesehen hat. Zu
kurz greift aber die weitere Begründung für den darüber hinausgehenden Wertersatzverfall, der Angeklagte habe mit dem Erlangten (teilweise) seine Schulden getilgt, diese jedenfalls nicht für die notwendige Lebensführung ausgegeben. Die Möglichkeit, nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. von einer Verfallsanordnung abzusehen, beschränkt sich nicht auf Entreicherungen, die durch Aufwendungen für die notwendige Lebensführung getätigt worden sind. Sie kommt
grundsätzlich auch in Betracht, wenn Mittel zur Schuldentilgung eingesetzt worden sind. Dabei kann eine Rolle spielen, welcher Art diese Verbindlichkeiten
war (vgl. BGHSt 38, 23, 25). Das Landgericht hätte sich deshalb mit dem Umstand auseinander setzen müssen, dass der Angeklagte mit den aus den
Rauschgiftgeschäften erlangten Einnahmen nicht z. B. Vermögen bildete oder
Konsumgüter erwarb, sondern in einer bedrängten finanziellen Situation Verbindlichkeiten von Versicherungen bediente, offenen Unterhaltsverpflichtungen
nachkam und Mietschulden beglich, insoweit also auch Ausgaben tätigte, die
der notwendigen Lebensführung dienten. Dass die Zahlungen sich insoweit auf
bereits bestehende Verpflichtungen richteten, ändert an dieser Beurteilung
nichts.
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Soweit das Landgericht darüber hinaus das Entfallen des Wertersatzverfalls nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB a.F. abgelehnt hat, fehlt es dafür an einer
tragfähigen Begründung. Sie war auch nicht im zugrunde liegenden Fall entbehrlich, weil angesichts der vom Landgericht getroffenen Feststellungen zur
- 10 -
persönlichen Situation des Angeklagten Anlass bestand, sich mit dem Vorliegen
einer „unbilligen Härte“ konkret auseinander zu setzen.
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Da der Senat nicht ausschließen kann, dass der Tatrichter bei rechtsfehlerfreier Würdigung jedenfalls teilweise von der Anordnung von Wertersatzverfall abgesehen hätte, hebt er die Anordnung über den Wertersatzverfall zur
neuen Prüfung durch den Tatrichter auf. Der Aufhebung von Feststellungen
bedarf es insoweit nicht, da es sich um bloße Wertungsfehler handelt.
Schäfer
Krehl
Grube
Zeng
Schmidt