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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 422/13
vom
5. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Steuerhinterziehung
-2-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Februar 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts München I vom 25. März 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat die Angeklagten K.
, S.
und A.
je-
weils wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von
vier Jahren (Angeklagte K.
ten (Angeklagter S.
A.
und A.
) bzw. drei Jahren und sechs Mona-
) verurteilt und bestimmt, dass die vom Angeklagten
in Österreich erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 angerechnet
wird.
2
Hiergegen haben die Angeklagten Revision eingelegt, mit der sie jeweils
die Verletzung materiellen Rechts rügen; die Angeklagten K.
erheben auch Verfahrensrügen.
und S.
-3-
3
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben mit der Sachrüge jeweils vollen
Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrügen nicht bedarf.
I.
4
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts handelten die Angeklagten über die von ihnen geführte Su.
GmbH mit Computerbauteilen.
Diese bezogen sie über die Initiatoren eines auf die "planmäßige Nichtabführung der Umsatzsteuer" gerichteten Hinterziehungssystems. Diese Initiatoren
waren der bereits verurteilte Zeuge O. sowie der gesondert Verfolgte B.
O. und B.
hatten die Ware aus dem Ausland beschafft und (in näher be-
zeichneter Weise, UA S. 15) "direkt an die Su.
(UA S. 26). Die der Su.
GmbH angeliefert"
GmbH in diesem Zusammenhang erteilten
Rechnungen waren demgegenüber auf die M.
auf die E.
.
GmbH bzw.
GmbH ausgestellt. Bei diesen Firmen handelte es sich um wirt-
schaftlich inaktive, formal von Strohleuten vertretene, tatsächlich aber von O.
und B.
sowie dem Zeugen Ei.
beherrschte Firmen. O. und B.
hatten diese Firmen "zwischengeschaltet", um die wahren Lieferwege und die
im Vorfeld stattgefundene Umsatzsteuerhinterziehung zu verschleiern. Diese
Umsatzsteuerhinterziehung bestand darin, dass weitere - ebenfalls von O. und
B.
gesteuerte - inländische Firmen (jedenfalls nach Papierlage) die Com-
puterbauteile von in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässigen Firmen erwarben
und rechnungsmäßig unter Ausweis von Umsatzsteuer an die M.
GmbH bzw. die E.
GmbH weiterverkauften, die in den Rechnun-
-4-
gen ausgewiesene Umsatzsteuer jedoch "planmäßig" nicht an die Finanzbehörden abführten.
5
b) Aufgrund einer Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der Su.
GmbH vom 27. April 2005 wussten die Angeklagten, dass gegen O.
und B.
ein Ermittlungsverfahren anhängig war (UA S. 26). Anlässlich die-
ser Durchsuchung wurde den Angeklagten die Funktionsweise eines Umsatzsteuerkarussells und der Verdacht gegen O. , mit der M.
GmbH ein solches Umsatzsteuerkarussell zu betreiben, erläutert. Danach brachen die Einkäufe bei der M.
GmbH und der E.
weg; die letzte der Su.
GmbH
GmbH in diesem Zusammenhang erteilte
Rechnung datierte vom 26. April 2005.
6
c) In der am 10. April 2006 für das Jahr 2004 und der am 22. Februar
2007 für das Jahr 2005 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung der Su.
GmbH machten die Angeklagten aus den Einkäufen bei den Firmen
M.
GmbH und der E.
GmbH die jeweils ausgewiese-
nen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer geltend. Diese Vorsteuerbeträge beliefen sich in Summe auf rund 850.000 Euro (Jahr 2004) und 1.330.000 Euro
(Jahr 2005).
7
2. Das Landgericht hat die Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2004 und 2005 jeweils als Taten der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gewertet.
8
Der
Vorsteuerabzug
GmbH und der E.
aus
den
Rechnungen
der
M.
GmbH sei ungerechtfertigt, weil, was den Angeklagten
bekannt gewesen sei, sich die Su.
GmbH an einem "Umsatzsteu-
-5-
erkarussell" beteiligt habe und nicht die in den Rechnungen genannten Firmen,
sondern O.
und B.
die tatsächlichen Lieferanten der Su.
GmbH gewesen seien.
9
Dass die Angeklagten zum Zeitpunkt der Abgabe der Jahresumsatzsteuererklärungen die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus den
Rechnungen der M.
GmbH und E.
GmbH zumindest
billigend in Kauf genommen hätten, folge bereits daraus, dass die Angeklagten
anlässlich der Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der Su.
GmbH, also noch vor Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen, von dem
Ermittlungsverfahren gegen O. und B.
und von deren auf Hinterziehung
von Umsatzsteuer angelegten System erfuhren. Damit, so das Landgericht, war
bei allen Angeklagten nach der Durchsuchung am 27. April 2005 dolus eventualis gegeben (UA S. 32).
II.
10
Das Urteil hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
11
Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung nicht. Zum einen ist die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug
aus den Rechnungen der M.
GmbH bzw. der E.
GmbH
nicht rechtsfehlerfrei begründet (nachfolgend unter 1.). Zum anderen kann den
getroffenen Feststellungen nicht entnommen werden, ob jeweils Tatvollendung
oder nur Versuch vorliegt (nachfolgend unter 2.).
-6-
12
1. Die Annahme des Landgerichts, dass die Angeklagten in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Su.
GmbH gegenüber den
Finanzbehörden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht haben, indem sie die in den Rechnungen der Firmen M.
GmbH und E.
GmbH ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer
geltend machten, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
a) Dass sich die Angeklagten mit den Warenbezügen von den Firmen
M.
GmbH und E.
GmbH an einem von O. und B.
initiierten "Umsatzsteuerkarussell" beteiligten, genügt für sich genommen
nicht, um die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug (vgl. § 15 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 UStG) zu begründen.
14
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs macht derjenige, der
in Umsatzsteuererklärungen die in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer geltend macht, unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen im
Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn er sich mit dem der Rechnung zu
Grunde liegenden Erwerb an einem in eine "Mehrwertsteuerhinterziehung" einbezogenen Umsatz beteiligte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011
- 1 StR 24/10, NJW 2011, 1616), denn aus solchen Erwerben steht ihm kein
Vorsteuerabzugsrecht zu. Dies gilt jedoch nur dann, wenn er bereits zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges von der Einbeziehung in die "Mehrwertsteuerhinterziehung" wusste oder hätte wissen müssen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom
1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13 mwN zur Rechtsprechung des EuGH). Bei
nachträglicher - also nach Leistungsbezug eintretender - "Bösgläubigkeit" bleibt
-7-
das Vorsteuerabzugsrecht aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG hingegen unberührt (vgl. BGH aaO).
15
Indem das Landgericht die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M.
GmbH und E.
GmbH mit
der Beteiligung der Angeklagten an einem "Umsatzsteuerkarussell" verneint
und sich hierbei maßgeblich auf die Erwägung gestützt hat, den Angeklagten
sei im Rahmen der Durchsuchung vom 27. April 2005 der Tatverdacht gegen
O. und B.
in näher bezeichneter Weise erläutert worden, hat es dem-
nach auf einen rechtlich unzutreffenden Zeitpunkt abgestellt.
16
Die Durchsuchung vom 27. April 2005 erfolgte zwar zeitlich gesehen vor
Abgabe
der
verfahrensgegenständlichen
Umsatzsteuerjahreserklärungen.
Sämtliche hier in Rede stehenden Warenlieferungen waren aber zuvor, zuletzt
einen Tag vor der Durchsuchung, in Rechnung gestellt worden. Die Erkenntnisse über O. und B.
hatten die Angeklagten also - davon geht die Kammer
jedenfalls zugunsten der Angeklagten aus - erst erlangt, als sie die in den
Rechnungen aufgeführten Computerbauteile bereits für die Su.
GmbH bezogen hatten. Diese Erkenntnisse durften daher für die Versagung
des Vorsteuerabzugs nicht herangezogen werden.
17
Eine frühere Kenntnis der Angeklagten lässt sich auch dem Urteil in seiner Gesamtheit nicht hinreichend sicher entnehmen. Das Landgericht war zwar
"davon überzeugt", dass die Angeklagten schon vor der genannten Durchsuchung von O. s "Umsatzsteuerkarussell bzw. betrügerischen Handelsketten"
gewusst hätten. Das Landgericht hat aber keine Feststellungen darüber getroffen, ab wann dieses Wissen bei jedem der Angeklagten genau vorgelegen hat.
-8-
Ebenso wenig ist nachvollziehbar dargelegt, worauf das Landgericht insoweit
seine Überzeugung stützt.
18
b) Auch soweit das Landgericht ergänzend das Vorsteuerabzugsrecht
mit der Begründung verneint hat, die in den Rechnungen genannten M.
GmbH bzw. E.
GmbH als von O. und B.
"zwi-
schengeschaltete" Firmen seien nicht die "wahren Lieferanten" der Su.
GmbH gewesen, ist dies nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht war offenbar der Ansicht, dass diese Firmen wegen ihrer Eigenschaft als
"Strohmannfirmen" nicht als Leistende im Sinne des Umsatzsteuergesetzes
angesehen werden könnten. Dies trifft indes so nicht zu.
19
Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist
in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten
ausführt (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, vgl. nur BFH, Beschluss vom 31. Januar 2002 - V B 108/01, BFHE 198, 208).
20
Auch ein "Strohmann", der nach außen im eigenen Namen auftritt, im
Verhältnis zum "Hintermann" jedoch auf dessen Rechnung handelt, kann daher
leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein (vgl. BFH
aaO; BFH, Urteil vom 10. November 2010 - XI R 15/09, wistra 2011, 237 mwN).
Dementsprechend können dem "Strohmann" auch solche Leistungen zuzurechnen sein, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des Strohmannes tatsächlich ausgeführt hat (vgl. BFH, Urteil vom 10. November 2010
- XI R 15/09, wistra 2011, 237 mwN).
-9-
21
"Vorgeschobene" Strohmanngeschäfte zwischen einem "Strohmann" und
dem Leistungsempfänger sind hingegen dann umsatzsteuerrechtlich (wie auch
zivilrechtlich) unbeachtlich, wenn sie nur zum Schein (vgl. § 41 Abs. 2 AO) abgeschlossen sind, mithin die Vertragsparteien - der "Strohmann" und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass
die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (zu den
Maßstäben vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, wistra 2013, 314;
BFH, Urteil vom 10. November 2010 - XI R 15/09, wistra 2011, 237; BFH, Beschluss vom 31. Januar 2002 - V B 108/01, BFHE 198, 208; vgl. auch BGH,
Urteil vom 22. Mai 2003 - 5 StR 520/02, BGHR UStG § 2 Unternehmer 4).
22
Gemessen daran fehlt es im angefochtenen Urteil an ausreichenden
Feststellungen für die Annahme des Landgerichts, nicht die in den Rechnungen
genannten Firmen M.
O. und B.
GmbH und E.
GmbH, sondern
seien die "wahren" Lieferanten der Su.
gewesen. Die bloße Feststellung, dass O. und B.
GmbH
diese Firmen - sei es
auch zum Zwecke der Hinterziehung von Umsatzsteuer - "zwischengeschaltet"
hatten, genügt für sich genommen jedenfalls nicht. Vielmehr kam es auch auf
die Sicht der Leistungsempfängerin Su.
GmbH bzw. der für sie
handelnden Angeklagten an. Dass aber die vertraglichen Beziehungen auch
aus Sicht der Angeklagten nur zum Schein mit den Firmen M.
GmbH und E.
GmbH eingegangen bzw. abgewickelt wurden,
diese Firmen also auch aus Sicht der Angeklagten in Wahrheit keine Rechte
und Pflichten aus den Lieferungen an die Su.
GmbH übernehmen wollten,
verstand sich vorliegend nicht von selbst und hätte daher näherer Erörterung
bedurft.
- 10 -
23
2. Das angefochtene Urteil war auch deshalb aufzuheben, weil ihm die
für die Beurteilung der Frage, ob Tatvollendung oder nur Versuch gegeben ist,
maßgeblichen Umstände nicht entnommen werden können. Die Urteilsgründe
enthalten zwar Feststellungen zur Höhe der in den Umsatzsteuerjahreserklärungen geltend gemachten Vorsteuerbeträge. Mangels Feststellungen zu weiteren Angaben in den Erklärungen kann der Senat aber nicht nachprüfen, ob die
(unrichtigen) Steueranmeldungen zu einer Steuervergütung (§ 168 Satz 2 AO)
oder zu einer Zahllast (§ 168 Satz 1 AO) der Su.
GmbH geführt
haben. Hiervon hängt aber die Frage der Tatvollendung ab (vgl. hierzu BGH,
Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 318/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Vollendung 3).
24
3. Die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen hat der Senat
ebenfalls aufgehoben (§ 353 Abs. 2 StPO), zum einen, weil sie auf der Grundlage einer fehlerhaften Rechtsansicht getroffen wurden und zum anderen vor
allem, um dem neuen Tatrichter die Gelegenheit zu geben, neue widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen.
- 11 -
25
Die Sache war daher insgesamt zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
26
Eine abschließende Entscheidung durch den Senat kam nicht in Betracht, da nicht auszuschließen ist, dass Feststellungen getroffen werden können, die erneut zu einer Verurteilung der Angeklagten führen.
Wahl
Rothfuß
Radtke
Jäger
Mosbacher