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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 287/11
vom
29. November 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.
-2-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
29. November 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
(bei der Verhandlung),
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Dr. S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M.
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B.
,
,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-3-
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom
4. November 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die
Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
1
Die Revisionen von Staatsanwaltschaft und Nebenkläger wenden sich
gegen die Freisprüche der Angeklagten von folgenden Anlagevorwürfen:
2
Der Angeklagte Dr. S.
, ein in K.
(
) tätiger
rumänischer Zahnarzt, hatte mit dem Nebenkläger R.
geschäftliche
Beziehungen gehabt und stritt mit ihm um hohe Beträge. Er wusste, dass er
keine Ansprüche mehr hatte, nachdem R.
zur Abgeltung aller Ansprü-
che 700.000 € bezahlt hatte. Er erhob aber immer neue, höher werdende Forderungen. Man erstattete in Rumänien gegenseitig Strafanzeigen und prozessierte über eine Villa in Bukarest. Dr. S.
Angeklagten M.
auf, der R.
nahm schließlich Kontakt mit dem
bei einem seiner Aufenthalte in Re.
, wo dessen Tochter Gastronomiebetriebe führte, "mit Gewalt unter Druck
setzen" sollte, damit er zu Zahlungen und zur Beendigung des Prozesses im
Sinne von Dr. S.
bereit würde. Dr. S.
und M.
nahmen Kontakt mit der
"Rockergruppe Hells Angels" auf, am Ende wurden der Angeklagte B.
und
ein weiteres Bandenmitglied "beauftragt". "M.
das
plante nun für ... Dr. S.
-4-
weitere Vorgehen". Am 19. August 2009 versuchten B.
engem Kontakt mit M.
- in Re.
und sein "Team" - in
vergeblich, ihn mit der Lüge, man
habe seinen Porsche angefahren, auf die Straße zu locken, um ihn zu überfallen und Autoschlüssel und Bargeld wegzunehmen. Die Beute hätten B.
sein Mittäter behalten sollen. Als R.
seiner Pension kam, eilten B.
und
zwei Tage später zum Parkplatz
und sein Mittäter aus einer gegenüberliegen-
den Pension hinzu, beschossen ihn mit Reizgas, was ihn am Auge verletzte,
schlugen ihn mit einer Schreckschusspistole und versuchten, ihm Autoschlüssel und Brieftasche abzunehmen. Sie flüchteten ohne Beute, als Angehörige
R.
3
zu Hilfe eilten.
Am 15. September 2009, so wird Dr. S.
seien an R.
Re.
und M.
weiter vorgeworfen,
, dessen Frau (nach Bukarest) und dessen Tochter (nach
) je eine Postkarte mit Motiven aus Re.
den, die Dr. S.
geschickt wor-
(auf Rumänisch) mit folgendem Text beschrieben hatte:
"Gebt zurück, was ihr gestohlen habt, ihr Betrüger. Dies ist die letzte Warnung.
Vlad Tepes.". Vlad Tepes war ein auch als Dracula bekannter rumänischer
Fürst, der "Pfählung als Hinrichtungsart bevorzugte". Die darin liegende Drohung hätte letztlich R.
dazu veranlassen sollen, doch noch auf die For-
derungen einzugehen. Wenige Tage später schickte Dr. S.
an R.
den Entwurf eines "Abkommens", mit dem dieser sich zur Übertragung von
Geld und Wertgegenständen im Wert von jedenfalls weit über 1 Mio. € an
Dr. S.
4
verpflichten sollte. Er kam dieser Aufforderung nicht nach.
Die Angeklagten wurden freigesprochen, die Täter des Überfalls und
auch eine Verbindung von Dr. S.
und M.
zu dieser Tat seien nicht fest-
stellbar, die Postkarten hätten keinen strafbaren Inhalt, darüber hinaus sei eine
Tatbeteiligung von M.
hinsichtlich der Postkarten nicht festzustellen.
-5-
5
Die Revisionen haben (schon) mit der Sachrüge Erfolg:
6
1. Bezüglich des Überfalls beruht dies darauf, dass das Urteil keine genügende Grundlage einer revisionsgerichtlichen Überprüfung ist.
7
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen sind regelmäßig in einer geschlossenen Darstellung die als erwiesen angesehenen Tatsachen festzustellen, ehe in der Beweiswürdigung darzulegen ist, warum die für einen
Schuldspruch erforderlichen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (st.
Rspr.; vgl. zusammenfassend nur BGH, Urteil vom 24. Juli 2008 - 3 StR
261/08, b. Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2011, 225, 232). Die Strafkammer
teilt dagegen nach dem Anklageinhalt protokollartig das (wohl) gesamte Beweisergebnis in allen Details mit, auch soweit sie offenbar für die Entscheidung
über Verurteilung oder Freispruch keine Bedeutung haben können, wie etwa um nur ein Beispiel zu nennen - Hinweise eines Sanitäters an einen Arzt zu
einem möglichen Sonnenbrand R.
s. Eingefügt in diese Darlegungen sind
immer wieder beweiswürdigende Überlegungen, die meist jeweils streng auf die
zuvor geschilderten Teile der Beweisergebnisse begrenzt sind. Die Staatsanwaltschaft und der Generalbundesanwalt haben zutreffend insgesamt (nur) etwa zehn, auf mehr als fünfzig Urteilsseiten verstreute Passagen aufgezählt
- meist nicht mehr als ein Absatz, manchmal nur einzelne Sätze -, die als Sachverhaltsfeststellungen zu bewerten sind. Abgesehen von der Notwendigkeit,
diese Bruchstücke aus den umfangreichen Ausführungen herauszufiltern, ist es
insgesamt kaum möglich, sie zu einer in sich geschlossenen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglichen Sachverhaltsfeststellung zusammenzufassen.
8
2. Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass die Strafkammer die erforderliche Gesamtwürdigung aller für und gegen eine Täterschaft der Angeklag-
-6-
ten sprechenden Indizien (vgl. BGH aaO mwN) unterlassen hat, die - in ihrer
Vielzahl vom Generalbundesanwalt zutreffend hinsichtlich sämtlicher Angeklagter umfangreich und im Detail dargelegt - weitgehend allenfalls isoliert bewertet
sind. Bei einer Gesamtschau könnte eine Vielzahl einzelner Gesichtspunkte auf
Grund ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung möglicherweise die
Überzeugung von der Richtigkeit des Anklagevorwurfs vermitteln (BGH aaO).
9
3. Der Angeklagte B.
hat "im Laufe der Hauptverhandlung" zunächst
mündlich und am zehnten Verhandlungstag schriftlich über seinen Verteidiger
folgendes erklärt:
Er sei von einem Mitglied der "Hells Angels" beauftragt worden, in Re.
bei einer "Abreibung … Schmiere zu stehen" und erforderlichenfalls einzugreifen. Der Tatort sei ihm genannt worden, sonst nichts. Die Täter der Abreibung
seien ihm ebenso unbekannt gewesen wie Dr. S.
Ferne beobachtet, wie zwei Männer R.
und M.
. Er habe aus der
angriffen. Als diesem eine Frau
zu Hilfe kam, seien die Männer geflüchtet, worauf auch er (der Angeklagte) geflüchtet sei. Sonst wisse er nichts.
10
a) Die Strafkammer hält für möglich, dass der Angeklagte mit der Tat
nichts zu tun hatte und er sich mit diesen Angaben zu Unrecht belastet habe.
Der Verteidiger habe vor Abgabe der Erklärung auf Gespräche mit der Staatsanwaltschaft verwiesen, "in die das Gericht bewusst nicht einbezogen … und
über deren Inhalt … Stillschweigen vereinbart worden sei". Der Angeklagte wolle bald aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Zumal, da der Staatsanwalt (in der Hauptverhandlung) erklärt habe, nach der bisherigen Beweisaufnahme komme nur eine Bewährungsstrafe wegen Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung in Betracht, sei, so folgert die Strafkammer, insgesamt eindeutig,
dass die Staatsanwaltschaft "eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt" habe.
Es liege daher nicht fern, dass der Angeklagte, um das Verfahren gegen sich
-7-
entsprechend zu beenden, wahrheitswidrig die genannten Angaben gemacht
habe.
11
b) Hierzu bemerkt der Senat:
12
(1) Verständigungen können außerhalb der Hauptverhandlung vorbereitet werden, jedoch ist dann hierüber Transparenz in der Hauptverhandlung herzustellen. Das Transparenzgebot kennzeichnet das Verfahren über eine Verständigung im Strafverfahren insgesamt (vgl. zusammenfassend auch Niemöller/Schlothauer/Weider, Verständigung im Strafverfahren D Rn. 49 ff. mwN,
auch aus den Gesetzgebungsmaterialien), wie sich aus einer Reihe von Bestimmungen über hieraus erwachsende Pflichten des Gerichts ergibt (vgl.
§ 202a Satz 2 StPO, § 212 StPO, § 243 Abs. 4 StPO, § 257c Abs. 3 StPO,
§ 267 Abs. 3 Satz 5 StPO, § 273 Abs. 1a StPO).
13
Eine spezielle gesetzliche Regelung für nur zwischen Staatsanwaltschaft
und Verteidigung im Rahmen des (Zwischen- oder) Hauptverfahrens außerhalb
der Hauptverhandlung geführte Gespräche, die letztlich das Ziel haben, die
Hauptverhandlung abzukürzen, gibt es nicht. Jedoch hat die Staatsanwaltschaft
im Ermittlungsverfahren zur Verfahrensförderung mit anderen Verfahrensbeteiligten (naheliegend häufig der Verteidigung) geführte Gespräche aktenkundig
zu machen (§ 160b Satz 2 StPO), besonders sorgfältig, wenn eine Verständigung i.S.d. § 257c angestrebt wird (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 160b
Rn. 8).
14
All dies spricht dafür, dass auch derartige Gespräche offen zu legen
sind, zumal das Gericht sonst nach solchen Gesprächen abgegebene Erklärungen des Angeklagten nicht auf umfassender Grundlage würdigen könnte.
Dies würde im Übrigen in besonderem Maße gelten, wenn solche Gespräche
-8-
bei einer gegen mehrere Angeklagte geführten Hauptverhandlung nur mit der
Verteidigung eines Angeklagten geführt würden, dessen anschließende Aussagen dann die übrigen Angeklagten belasten (vgl. BGHSt 52, 78, 83; 48, 161,
168).
15
Dies ist hier aber nicht einschlägig, da B.
M.
erklärt hat, Dr. S.
und
nicht zu kennen. Im Übrigen ist hier im Ergebnis durch die genannte Er-
klärung des Verteidigers die gebotene Klarstellung jedenfalls ansatzweise,
wenn auch im Hinblick auf das vereinbarte Stillschweigen über den näheren
Inhalt des Gesprächs nicht in vollem Umfang (vgl. § 273 Abs. 1a StPO) erfolgt.
Der Senat braucht alledem aber nicht näher nachzugehen, weil in diesem Zusammenhang insgesamt die Möglichkeit eines den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehlers nicht zu erkennen ist.
16
(2) Unabhängig von alledem wäre bei der Einbeziehung der Aussagegenese in die Würdigung der - etwas lebensfremd erscheinenden - Erklärung
des Angeklagten nicht nur die Möglichkeit einer selbstbelastenden Erfindung
eines Unschuldigen zu prüfen gewesen. Jedenfalls nicht weniger naheliegend
und daher erörterungsbedürftig erscheint auch die Möglichkeit, dass zur Erreichung einer milden Strafe zwar eine Tatbeteiligung grundsätzlich eingeräumt
sein soll, die nach Art und Maß mit Entlastungstendenz aber (zu) gering geschildert sein kann.
17
c) Zudem, so führt die Strafkammer aus, sei der Angeklagte selbst bei
Zugrundelegung seiner Angaben straflos. Sie ergäben nämlich nicht zwingend,
dass den Haupttätern die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort bekannt
gewesen sei. Der rechtliche Ansatz dieser Ausführungen ist zutreffend, (auch)
sie beruhen aber auf einer nicht rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
-9-
18
(1) Von Beihilfe, die objektiv die Tat fördert, braucht der Haupttäter
nichts zu wissen (BGH, Urteil vom 8. Juli 1954 - 4 StR 350/54, BGHSt 6, 248,
249 f.). Die bloße, objektiv die Tat nicht fördernde Anwesenheit am Tatort kann
"psychische" Beihilfe sein (BGH, Beschluss vom 17. März 1995 - 2 StR 84/95,
NStZ 1995, 490, 491; zusammenfassend zur Rechtsprechung Kudlich in v.
Heintschel-Heinegg, StGB, § 27 Rn. 9.4 mwN), aber nur, wenn sie dem Haupttäter bekannt ist.
19
Dies war hier nicht der Fall. Andererseits war der Angeklagte nicht nur
anwesend, sondern er stand "Schmiere" und war bereit, wenn nötig, zu helfen.
Ob dies auch dann zu strafbarer Beihilfe führt, wenn der Haupttäter von der
Anwesenheit und der nicht realisierten Bereitschaft zur Hilfe nichts weiß, wird
unterschiedlich beurteilt (dafür z.B. Murmann in SSW-StGB, § 27 Rn. 4;
Maurach/Gössel/Zipf, StGB AT Tb 2, 7. Aufl. § 52 Rn. 8; dagegen z.B. Roxin in
FS Miyazawa 504, 511 f.; Dreher MDR 1972, 553, 557).
20
Nach Auffassung des Senats liegt keine strafbare Beihilfe vor. Die Tat ist
in einem solchen Fall nicht objektiv gefördert, sondern eine solche Förderung
ist nur vorbereitet. Dass dadurch der Bereich strafbaren Verhaltens (noch) nicht
erreicht ist, folgt aus der Straflosigkeit der gegenüber einer Vorbereitung sogar
weiter gehenden versuchten Beihilfe (Roxin aaO 512).
21
(2) Die Annahme fehlender Kenntnis der Haupttäter ist allerdings nicht
rechtsfehlerfrei begründet. Richterliche Überzeugung erfordert nicht, dass das
gefundene Ergebnis "zwingend", ein anderes Ergebnis also denknotwendig
ausgeschlossen ist. Dies wäre ein überspannter und daher rechtlich unzutreffender Maßstab (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 20. September 2011
- 10 -
- 1 StR 120/11 mwN). Darüber hinaus beschränkt sich die Strafkammer allein
auf die Bewertung der Erklärung des Angeklagten, was auch hier eine nur isolierte Würdigung der einzelnen Beweismittel besorgen lässt.
22
4. Die Annahme, der Inhalt der von Dr. S.
versandten Postkarten sei
strafrechtlich irrelevant, ist vor allem darauf gestützt, dass der historische Dracula "einerseits als grausamer Tyrann, der seine Feinde pfählen ließ, und andererseits als fanatischer Kämpfer für die Gerechtigkeit" gelte. Daher sei nicht
"zwingend", dass Dr. S.
die Familie R.
bedrohen wollte, möglicher-
weise habe er nur ankündigen wollen, "dass er mit Nachdruck für Gerechtigkeit
kämpfen werde". Hierfür spreche auch, dass er sie "Betrüger" genannt habe.
Gegen die Annahme, dass er sein Verhalten selbst als strafbar werte, spreche,
dass er als Akademiker dann kaum offene Postkarten verschicken würde, da er
auf diese Weise leicht überführt werden könne. Dass die Empfänger sich nach
ihren Aussagen bedroht gefühlt hätten - ohne dass dies die Strafkammer als
unzutreffend bewertet hätte, bedeute, so ein Zeuge, "Vlad Tepes" in Rumänien
"Tod" - sei irrelevant. Ob eine Drohung i.S.d. §§ 240, 241, 255 StGB vorliege,
richte sich nicht danach, ob der Bedrohte die Ankündigung des Übels ernst
nehme, abzustellen sei allein auf den Drohenden. Auch sei nicht klar genug,
was überhaupt angedroht sei.
23
Diese Ausführungen halten weder zur objektiven noch zur subjektiven
Seite rechtlicher Überprüfung stand.
24
a) Eine Drohung im Sinne der genannten Vorschriften ist die Ankündigung eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Täter Einfluss hat oder jedenfalls zu haben vorgibt (vgl. zusammenfassend Fischer, StGB, 59. Aufl.,
§ 240 Rn. 31 mwN). An der Ankündigung eigenen künftigen Verhaltens hat die
- 11 -
Strafkammer zu Recht keinen Zweifel. Ob ein empfindliches Übel angekündigt
ist, richtet sich nach dem Inhalt der Erklärung, der nach dem Empfängerhorizont zu bestimmen ist (Vogel in LK, 12. Aufl., § 253 Rn. 7).
25
Hier haben die Empfänger der Postkarten, so die Strafkammer, deren
Inhalt in dem für sie landläufigen Sinn als Bedrohung mit dem Tod oder jedenfalls mit schwerer körperlicher Misshandlung verstanden und ernst genommen.
26
Nicht tragfähig ist die in diesem Zusammenhang - hilfsweise - angestellte
Erwägung der Strafkammer, wenn eine Drohung vorläge, sei sie zu unpräzise.
Dass hier eine (etwaige) Drohung auf etwas anderes gerichtet sein könnte als
Tod oder jedenfalls schwere körperliche Misshandlung, ist nicht erkennbar. Eine solche Drohung bedarf aber keiner präzisierenden Erläuterung.
27
b) Der Vorsatz des Täters muss darauf gerichtet sein, dass der Empfänger die Äußerungen als Drohung versteht und ernst nimmt. Anhaltspunkte für
die - eher fern liegend erscheinende - Annahme, Dr. S.
hätte geglaubt, der
Karteninhalt würde von den Empfängern entgegen seinem für sie landläufigen
Sinn wegen uneindeutiger historischer Überlieferungen nur als Streben nach
Gerechtigkeit bewertet, sind weder genannt noch erkennbar. Offenbar kommt
die Strafkammer deshalb zu dieser Annahme, weil anderes nicht "zwingend"
sei; wie dargelegt, ist dies jedoch ein rechtsfehlerhafter Maßstab.
28
c) In subjektiver Hinsicht kann im Übrigen allein der Hinweis, dass die
Empfänger der Karten als "Betrüger" bezeichnet wurden, nicht tragfähig belegen, ob Dr. S.
(anders als ihm vorgeworfen) überhaupt glaubte, noch (im
Einzelnen wiederholt wechselnde) Ansprüche zu haben. Andernfalls wäre für
- 12 -
Überlegungen zu besonderem Einsatz für die Gerechtigkeit ohnehin kein
Raum.
29
d) Es wäre auch zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte kurz nach
der Versendung der Postkarten ohne erkennbare weitere Begründung neue
hohe Forderungen erhob. Dies könnte dagegen sprechen, dass er nur künftiges
Bemühen um Gerechtigkeit ankündigen wollte.
30
e) Nicht rechtsfehlerfrei begründet ist die Annahme, gegen eine auf
strafbares Verhalten gerichtete Vorstellung von Dr. S.
spreche auch, dass er
als Zahnarzt (Akademiker) dann schwerlich für "jeden lesbare" offene Karten
verschickt und so die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung erhöht hätte. Es fehlt
die Erörterung des offensichtlich gegenläufigen Gesichtspunkts, dass er die
Karten nicht mit seinem Namen unterschrieben hat. Soweit die Karten in
Deutschland gelesen werden konnten, kommt hinzu, dass wohl die wenigsten
potentiellen Leser Rumänisch können.
31
5. Hinsichtlich des Angeklagten M.
stützt sich die allein getroffene
Feststellung, insoweit hätten sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, nur auf dessen Angabe, er habe zwar den Inhalt der Postkarten gekannt und gewusst,
dass sie Dr. S.
abschicken wollte, damit jedoch nichts zu tun gehabt. Nicht
erörtert ist jedoch in diesem Zusammenhang die festgestellte Aussage einer
Freundin von M.
, R.
hätte gezwungen werden sollen, anzuerkennen,
"dass irgendein Grundstück in Rumänien Dr. S.
falls mitgeteilte Aussage R.
gehöre"; dies, so die eben-
s, deckt sich mit Forderungen, die bald
nach den Postkarten an ihn gestellt wurden. M.
und seine Leute, so die
Freundin, hätten diese Unterschrift erzwingen wollen. Schon dieses Beweisergebnis ist - unabhängig davon, wie es letztlich tatrichterlich zu werten ist - un-
- 13 -
vereinbar mit der Annahme, nichts deute auf eine Mitwirkung von M.
an der
Drohung mit den Postkarten hin.
32
6. Da die Sachrüge durchgreift, kann der in der Hauptverhandlung hilfsweise gestellte Aussetzungsantrag eines Verteidigers auf sich beruhen. Zu
Grunde liegt, dass ein am 22. Februar 2011 an das Landgericht gerichteter
Akteneinsichtsantrag dort unbearbeitet blieb; auch die Staatsanwaltschaft hat
bei der Aktenweiterleitung am 22. März 2011 hierauf nicht hingewiesen. Wiederholt wurde der Antrag nicht (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 1. Februar
2000 - 4 StR 635/99, NStZ 2000, 326 mwN). Der Aussetzungsantrag war jedenfalls nur für den Fall gestellt, "dass der Senat den … Verfahrensrügen Bedeutung beimessen und die dort in Bezug genommenen Verfahrenstatsachen
… verwerten will". Dies ist nicht der Fall.
33
7. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Zuerkennung von Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft ist mit der
Aufhebung des Urteils gegenstandslos (BGH, Urteil vom 24. Januar 2006
- 1 StR 357/05 mwN).
34
8. Wie auch im Urteil mitgeteilt ist, bewertet die (unverändert zugelassene) Anklage die Versendung der Postkarten als versuchte besonders schwere
räuberische Erpressung (§§ 253, 255, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), die in Tateinheit mit den durch den gescheiterten Überfall in Re.
verwirklichten
Tatbeständen stehe. Dies veranlasst folgende vorsorgliche Hinweise:
35
a) Es bedarf der Klärung, ob die Postkarten an Frau und Tochter nur
Druck auf den Nebenkläger ausüben sollten oder ob auch diese zur Zahlung
- 14 -
aufgefordert werden sollten, wofür die Formulierung "gebt zurück ihr Betrüger"
sprechen könnte.
36
Sollte nur auf den Nebenkläger Druck ausgeübt werden - auch Dritten in
Aussicht gestellte Übel können genügen (vgl. Gropp/Sinn in MüKo § 240 Rn. 82
mwN) - könnte hier letztlich eine tatbestandliche Handlungseinheit vorliegen
(vgl. Vogel aaO Rn. 51).
37
Sollten dagegen auch Frau und Tochter zur Zahlung aufgefordert werden, wäre (versuchte) Erpressung mehrfach erfüllt, selbst wenn sich die Forderungen, jedenfalls wirtschaftlich, nur gegen ein Vermögen richtete, da § 253
StGB auch das höchstpersönliche Rechtsgut Willensfreiheit schützt (BGH, Urteil vom 28. April 1992 - 1 StR 148/92 mwN). Allein dadurch, dass, wie die
Strafkammer festgestellt hat, die Postkarten - sei es auch gleichzeitig - (von
K.
etwa 45 km entfernt) im selben Briefpostzentrum in Ko.
auf-
gegeben wurden, wären diese Taten nicht zu einer natürlichen Handlungseinheit verbunden (BGH, Urteil vom 24. November 2004 - 5 StR 220/04, wistra
2005, 56, 57).
38
b) Räuberische Erpressung (§ 255 StGB) erfordert eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. Genaue zeitliche Grenzen dafür, wann
eine für die Zukunft angedrohte Gefahr noch gegenwärtig ist, lassen sich nicht
allgemein festlegen. Gegenwärtigkeit kann grundsätzlich auch dann noch vorliegen, wenn dem Opfer eine - nicht zu lang bemessene - Zahlungsfrist gesetzt
ist. Entscheidend sind die nicht zuletzt nach Maßgabe der vom Täter für möglich gehaltenen Opfersicht zu beurteilenden Umstände des Einzelfalls, wobei
das Revisionsgericht im Wesentlichen nur den vom Tatrichter angelegten Maßstab überprüfen kann (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 1998 - 4 StR 332/98,
- 15 -
NStZ-RR 1999, 266, 267; Beschluss vom 4. September 1997 - 1 StR 489/97,
NStZ-RR 1998, 135; Urteil vom 28. August 1996 - 3 StR 180/96, BGHR StGB
§ 255 Drohung 9 jew. mwN).
39
c) Wieso durch die Versendung von Postkarten eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet sein könnte (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB),
ist nicht ersichtlich.
40
d) Tateinheit zwischen dem gescheiterten Überfall und der versuchten
Erpressung durch die Postkarten läge nicht vor, auch wenn, wie die Strafkammer erwägt, die Motive von Re.
auf den Karten auf den dort versuchten
Überfall hinweisen und so die neue Drohung unterstreichen sollten. Auch wenn
im Rahmen einer (versuchten) Erpressung mehrere Einzelakte auf den Willen
des Opfers einwirken sollen und somit nur die ursprüngliche Drohung durchgehalten wird, liegt Tateinheit im Blick auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt
nur bei engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang dieser Einzelakte vor
(BGH, Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369).
Dies ist im Verhältnis zwischen einem versuchten Überfall in Re.
und
Wochen später von Ko.
ge-
mit der Post nach Bukarest und Re.
schickten Drohungen nicht der Fall. Hinzu kommt, dass die erste Tat die Erpressung nur vorbereiten sollte, ohne dass der Erpresser am unmittelbaren
Taterfolg wirtschaftliches Interesse hatte. Wären aber nicht einmal zwei unmittelbare Erpressungsversuche unter den gegebenen Umständen tateinheitlich
verbunden, kann für einen Erpressungsversuch und den vorangegangenen
Versuch, die Aussichten dieses Erpressungsversuchs durch die einschüchternde Wirkung einer anderen Straftat zu vergrößern, erst recht nichts anderes gelten.
- 16 -
41
9. Die Hauptverhandlung, die sich, naheliegend wegen der schwierigen
Beweislage, über 21 Verhandlungstage hinzog, fand mit reduzierter Gerichtsbesetzung statt. Die nach der Zurückverweisung einer Sache mögliche Änderung der Besetzungsentscheidung erscheint hier erwägenswert.
Nack
Wahl
Jäger
Graf
Sander