Cyberlaywer/build/tfgpu-cyberlaywer/EndDokumente/1_str_168-06.pdf.txt
2023-03-06 15:36:57 +01:00

118 lines
No EOL
6 KiB
Text
Raw Blame History

This file contains invisible Unicode characters

This file contains invisible Unicode characters that are indistinguishable to humans but may be processed differently by a computer. If you think that this is intentional, you can safely ignore this warning. Use the Escape button to reveal them.

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 168/06
vom
3. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern
-2-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Juli 2006 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Baden-Baden vom 9. November 2005 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Dem Angeklagten war bei der Polizei ein Foto vorgelegt worden, das
einen Mann, nach seinem Äußeren wahrscheinlich einen Vietnamesen, zeigte,
der eine auffällige Goldkette trug. Das Foto war im Rahmen verdeckter polizeilicher Ermittlungen zur Aufklärung von Schleusungskriminalität auf einem Parkplatz gemacht worden, wo dieser Mann "als erste Kontaktperson" aufgetaucht
war. Später verschwand er und tauchte nicht wieder auf. Die Angaben des Angeklagten ergaben, dass dieser als "Goldkettchen" bezeichnete Mann im Rahmen der hier abgeurteilten Schleuseraktionen wesentliche Funktionen wahrgenommen hatte und deshalb als "Hintermann" bezeichnet werden konnte. Dies
hat die Strafkammer auf Grund eines auf Vernehmung des Polizeibeamten
S.
gerichteten Hilfsbeweisantrages als wahr unterstellt und auch im Rah-
men der Strafzumessung ("nicht als gering einzuschätzende Aufklärungshilfe")
strafmildernd berücksichtigt.
2. Die als wahr unterstellten Tatsachen entsprechen Vermutungen des
als Zeugen gehörten Polizeibeamten Z.
. Die Auffassung der Revisi-
-3-
on, daraus, dass die Strafkammer diese Aussage Z.
s in den Urteils-
gründen - in indirekter Rede - referiert, ergebe sich, dass sie entgegen ihrer
ausdrücklichen Feststellung die entsprechende Behauptung des Hilfsbeweisantrags doch nicht uneingeschränkt als wahr unterstellt habe, ist nicht nachvollziehbar.
3. Im Übrigen trägt die Revision vor, die Strafkammer habe dadurch,
dass sie S.
nicht vernommen habe, auch ihre Aufklärungspflicht verletzt.
Es hätte sich aufgedrängt, dass S.
bekunden würde, es sei ermittelt, wie
"Goldkettchen" heiße. Hieran hätten sich vielfältige erhebliche neue Erkenntnisse, z. B. über eine "neue Bande", angeschlossen. Ebenso dränge sich auf, dass
er bekundet hätte, die Festnahme "Goldkettchens" sei jederzeit möglich, bisher
jedoch aus allein polizeitaktischen Gründen unterblieben.
Hieraus hätte sich - so will die Revision offenbar zum Ausdruck bringen ergeben, dass die Angaben des Angeklagten über den bisher nicht bekannten
Umfang der kriminellen Aktivitäten "Goldkettchens" auch einem konkreten
Strafverfahren zu Grunde gelegt werden könnten, dessen Durchführung jedenfalls nicht daran scheitere, dass die Personalien "Goldkettchens" oder sein Aufenthalt unbekannt seien. Deshalb seien die Angaben des Angeklagten noch
wertvoller als von der Strafkammer angenommen und hätten dementsprechend
mit größerem Gewicht als geschehen bei der Strafzumessung berücksichtigt
werden müssen.
a) Für die Polizei war jedoch offensichtlich auch schon vor den Angaben
des Angeklagten die Identität und der Aufenthaltsort von "Goldkettchen" als der
genannten "ersten Kontaktperson" von Interesse. Es ist nicht erkennbar, dass
die Angaben des Angeklagten zu den - behaupteten - Ermittlungserfolgen beigetragen hätten. Er konnte weder Hinweise auf den wahren Namen "Goldkett-
-4-
chens" geben, noch auf dessen gegenwärtigen Aufenthaltsort. Dass einem Angeklagten aber bei der Gewichtung seines andere Tatbeteiligte belastenden
Geständnisses auch solche Erfolge polizeilicher Ermittlungen zu Gute gehalten
werden müssten, die er durch seine Angaben weder angestoßen noch gefördert
hat, erscheint jedenfalls nicht nahe liegend.
b) Letztlich braucht der Senat dem aber nicht näher nachzugehen, weil
sich der Strafkammer die Notwendigkeit der unterbliebenen Beweiserhebung
jedenfalls nicht aufdrängen musste.
(1) Wird, wie hier, in einem (Hilfs-)Beweisantrag im Einzelnen dargelegt,
welche für den Antragsteller günstigen Tatsachen ein Zeuge bekunden werde,
so braucht sich das Gericht regelmäßig nicht zu der Annahme gedrängt sehen,
von diesem Zeugen seien nicht nur die vom Antragsteller genannten Angaben
zu erwarten, sondern davon unabhängig auch solche, die der Antragsteller in
seinem Antrag nicht einmal andeutet. Gleichwohl mag bei einer ungewöhnlichen Fallgestaltung im Einzelfall anderes gelten. Dies bedarf dann aber regelmäßig eingehender und nachvollziehbarer Darlegung der tatsächlichen Umstände, an die eine solche Bewertung anknüpfen soll (§ 344 Abs. 2 Satz 2
StPO). Unabhängig davon sind die Anforderungen an den Vortrag zum Aufdrängen aber umso höher, je ferner liegend das behauptete Beweisergebnis
erscheint.
(2) Diesen Anforderungen wird der Revisionsvortrag nicht gerecht.
Die Behauptung, inzwischen sei als Folge der behaupteten polizeilichen
Erkenntnisse über "Goldkettchen" eine neue Bande ermittelt, hat keinen erkennbaren realen Anknüpfungspunkt, jedenfalls führt die Revision hierzu überhaupt nichts aus.
-5-
Im Übrigen hat der Polizeibeamte Z.
eingehend geschildert,
dass Name und Aufenthalt von "Goldkettchen" bisher nicht ermittelt werden
konnten. Mit dieser Aussage setzt sich die Revision nicht auseinander. Was zur
Annahme drängt, dass der Polizeibeamte S.
sagen würde, was der Polizeibeamte Z.
das Gegenteil dessen ausausgesagt hat, und was zur
Annahme drängt, dieser habe etwas Unzutreffendes ausgesagt, erschließt sich
nicht.
Die Revision beschränkt sich letztlich auf die Behauptung, das genannte
Ergebnis der vermissten Beweiserhebung hätte sich schon wegen der Existenz
des genannten Fotos aufgedrängt. Die Annahme, ein Foto einer Person führe
ohne weiteres dazu, dass diese Person namentlich identifiziert werden kann,
und die namentliche Identifizierung einer Person ermögliche ohne weiteres die
Feststellung ihres Aufenthaltsorts, ist offensichtlich falsch.
Das Revisionsvorbringen geht daher insgesamt ins Leere.
Nack
Wahl
Elf
Kolz
Graf