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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 12/05
vom
12. August 2009
in dem Vollstreckbarerklärungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Brüssel I-VO (EuGVVO) Artt. 1 Abs. 1, 2 a, 34 Nr. 1, 45; AVAG § 15 Abs. 1
Zur Vollstreckbarkeit einer britischen Entscheidung zur finanziellen Versorgung
und Vermögensauseinandersetzung gemäß Secs. 23 und 24 MCA nach der
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und
die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO = Brüssel I-VO).
BGH, Beschluss vom 12. August 2009 - XII ZB 12/05 - OLG Karlsruhe in Freiburg
LG Karlsruhe
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. August 2009 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin
Dr. Vézina und die Richter Dose und Dr. Klinkhammer
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 9. Zivilsenat in Freiburg des Oberlandesgerichts
Karlsruhe vom 20. Dezember 2004 unter Zurückweisung seiner
weitergehenden Rechtsbeschwerde und der Rechtsbeschwerde
der Antragstellerin teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt
neu gefasst:
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des
Vorsitzenden Richters der 11. Zivilkammer des Landgerichts
Karlsruhe vom 28. Mai 2004 unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt
neu gefasst:
Auf Antrag der Antragstellerin wird angeordnet, dass die gerichtliche Verfügung (Order) des High Court of Justice von London/
England, Principal Registry of the Family Division vom 16. Februar
2004 - FD 02 F 00454 - mit der deutschen Teil-Vollstreckungsklausel zu versehen ist, soweit der Antragsgegner verpflichtet ist,
a) innerhalb von 14 Tagen nach Rechtskraft des Scheidungsurteils der Antragstellerin alle seine Anrechte an der H.
Lebensversicherungspolice Nr. ...
und alle Ein-
künfte daraus als teilweise Sicherung des Unterhalts für die
Erblasserin und/oder die unmündigen Kinder der Familie S. ,
-3-
V.
und F.
im Falle des Ablebens des Antragsgeg-
ners während des Bestehens der nachfolgend aufgeführten
Unterhaltsregelung zu übertragen und abzutreten (Ziffer 1 b
des Entscheidungstenors),
b) der Erblasserin mit Wirkung vom 1. März 2004 für sie selbst
bis zum Monatsende nach dem Tod der Erblasserin am
19. Juli 2007, regelmäßige Zahlungen im Betrag von 24.600 £
im Jahr zu leisten bzw. diese Zahlungen zu veranlassen; diese
Zahlungen sind monatlich im Voraus zu leisten (Ziffer 2 des
Entscheidungstenors);
c) der Erblasserin mit Wirkung vom 1. März 2004 zugunsten der
Kinder der Familie, S.
(geboren am 16. April 1990), V.
(geboren am 8. Februar 1993) und F.
(geboren am
20. Juli 1995) regelmäßige Zahlungen im Betrag von 3.000 £
im Jahr pro Kind zu leisten bzw. diese Zahlungen zu veranlassen; diese Zahlungen sind monatlich im Voraus zu leisten, bis
das jeweilige Kind das Alter von 17 Jahren erreicht hat oder bis
zum Abschluss seiner höheren Schulausbildung, je nach dem,
welches der spätere Termin ist, oder weiterer Verfügungen
(Ziffer 3 des Entscheidungstenors), längstens bis zum Monatsende nach dem Tod der Erblasserin am 19. Juli 2007 und
d) der Erblasserin eine Abschlagszahlung auf die Kosten und
Nebenkosten ihres Antrags auf Unterhaltsregelung in Höhe
von 40.000 £, fällig am 26. Februar 2004, zu leisten (Ziffer 7
des Entscheidungstenors).
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
-4-
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Antragstellerin ¾ und
der Antragsgegner ¼ zu tragen.
Streitwert: 417.500 €
Gründe:
I.
1
Die Parteien streiten um die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung des
High Court of Justice von London/England vom 16. Februar 2004 in der Bundesrepublik Deutschland.
2
Die verstorbene Antragstellerin (im Folgenden: Erblasserin) und der Antragsgegner waren deutsche Staatsangehörige und hatten im Jahre 1991 in
Deutschland die Ehe geschlossen, aus der die Kinder S., geboren am 16. April
1990, V., geboren am 8. Februar 1993 und F., geboren am 20. Juli 1995, hervorgegangen sind. Nachdem der Antragsgegner bis 1996 in Deutschland berufstätig gewesen war, zogen die Ehegatten mit den Kindern nach England, wo
der Antragsgegner selbständig erwerbstätig war. Im Jahre 1998 kehrte er nach
Deutschland zurück und übernahm eine Angestelltenstellung in führender Position. Im Jahre 2000 schied er dort gegen eine hohe Abfindungssumme aus. Anschließend war er selbständig tätig. Seit Juli 2002 bezog er Arbeitslosengeld
und später Arbeitslosenhilfe. Seit 2004 absolviert er als Beamter auf Widerruf
im Vorbereitungsdienst eine neue Ausbildung zum Berufsschullehrer mit einem
deutlich geringeren Einkommen als vor dem Ausscheiden aus seiner Angestelltentätigkeit in Deutschland.
-5-
3
Im Frühjahr 2002 trennten sich die Erblasserin und der Antragsgegner.
Im Mai 2002 beantragte die Erblasserin die Scheidung ihrer Ehe und verband
den Antrag kurz darauf mit einem Antrag auf Regelung der finanziellen Scheidungsfolgen.
4
Mit Verfügung vom 16. Februar 2004 traf der High Court of Justice von
London/England - soweit für das Vollstreckbarerklärungsverfahren noch von
Interesse - zu den finanziellen Scheidungsfolgen u.a. folgende Anordnungen:
• Übertragung und Abtretung aller Anrechte des Antragsgegners an einer Lebensversicherungs-Police als teilweise Sicherung des Unterhalts für die Erblasserin und/oder die unmündigen Kinder S., V. und F.;
• Zahlung eines Pauschalbetrages (lump sum) in Höhe von 213.055 £
als Unterhalt (einschließlich Wohnungskosten) für die Erblasserin und
die Kinder S., V. und F. Zug um Zug gegen Übertragung von Anteilen
der Erblasserin an gemeinsamem Guthaben bei einer Bausparkasse
und einer Bank;
• regelmäßige Zahlungen an die Erblasserin in Höhe von 24.600 £ jährlich für sie selbst zu Lebzeiten der geschiedenen Ehegatten, bis zur
Wiederverheiratung der Antragstellerin oder bis zu einer abweichenden Verfügung;
• regelmäßige Zahlungen in Höhe von 3.000 £ jährlich pro Kind an die
Erblasserin zugunsten der Kinder der Familie S., V. und F. für die Zeit
vom 1. März 2004 bis zur Vollendung des 17. Lebensjahres, einem
späteren Abschluss einer höheren Schulausbildung eines Kindes oder
einer abweichenden Verfügung und
-6-
• Zahlung einer Abschlagssumme in Höhe von 40.000 £ auf die Kosten
und Nebenkosten des Antrags der Erblasserin auf Unterhaltsregelung.
5
Die Zahlung des Pauschalbetrages hat der High Court auf der Grundlage
eines Gesamtvermögens der Ehegatten von rund 326.000 £ ermittelt, wovon
rund 91.500 £ gemeinsames Vermögen, rund 41.000 £ Vermögen der Erblasserin und rund 193.000 £ Vermögen des Antragsgegners waren. Das gesamte
Vermögen sollte wegen erhöhter Wohnkosten der Erblasserin mit den drei minderjährigen Kindern im Verhältnis 70/30 zu ihren Gunsten aufgeteilt werden, so
dass ihr wertmäßig ein Vermögen von rund 228.000 £ zugute kommen sollte.
Da die Erblasserin aus eigenem Vermögen und der Hälfte des gemeinsamen
Vermögens über rund 87.000 £ verfügte, hat das Gericht weiteres Vermögen in
Höhe von rund 140.000 £ auf sie übertragen. Diese Übertragung erfolgte durch
Anordnung der Zahlung des Pauschalbetrages in Höhe von 213.055 £ gegen
Übertragung der hälftigen Anteile der Ehefrau an dem gemeinsamen Bausparund Bankguthaben sowie Übertragung eines Grundstücks der Ehefrau im Wert
von insgesamt rund 73.000 £.
6
Bei der Bemessung der regelmäßigen Zahlungen für die Erblasserin und
die drei minderjährigen Kinder hat der High Court trotz der behaupteten Arbeitslosigkeit des Antragsgegners eine Erwerbsobliegenheit angenommen. Im Hinblick auf sein Alter von knapp 55 Jahren und seine Berufsqualifikation ist das
Gericht von einem (fiktiv) erzielbaren Jahreseinkommen in Höhe von 70.000 £
ausgegangen. Davon könne der Antragsgegner der Erblasserin und seinen
Kindern jährlich Unterhalt in Höhe von (24.600 + 9.000 =) 33.600 £ zahlen.
7
Auf den Antrag der Erblasserin hat das Landgericht die Entscheidung
des High Court insgesamt für vollstreckbar erklärt. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht diese Entscheidung abgeändert und
-7-
den Antrag auf Anordnung der Erteilung einer deutschen Vollstreckungsklausel
hinsichtlich des zugesprochenen Pauschalbetrages in Höhe von 213.055 £ abgelehnt. Im Übrigen hat es die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richten sich die Rechtsbeschwerden des Antragsgegners, der eine vollständige Abweisung des Antrags anstrebt und der
Testamentsvollstreckerin der Erblasserin, die auch den zugesprochenen Pauschalbetrag für vollstreckbar erklärt wissen will.
8
Während des Verfahrens der Rechtsbeschwerde ist am 19. Juli 2007 die
Erblasserin verstorben. Sie wurde von ihren drei zunächst minderjährigen Kindern beerbt. Die am 9. Dezember 1978 geborene weitere Tochter der Erblasserin hat die Erbschaft ausgeschlagen. Gemäß der letztwilligen Verfügung der
Erblasserin hat das Nachlassgericht Testamentsvollstreckung angeordnet, die
jeweils mit Vollendung des 18. Lebensjahres der minderjährigen Erben endet,
und die Antragstellerin zur Testamentsvollstreckerin bestellt.
II.
9
Die Rechtsbeschwerden sind nach Art. 44 der Verordnung (EG)
Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung
und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: Brüssel I-VO) in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG und § 574 Abs. 1 Nr. 1
ZPO statthaft. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist aber nicht zulässig,
weil es ihr an den besonderen Zulassungsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2
ZPO fehlt. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung zulässig und führt zu einer Begrenzung der Voll-
-8-
streckbarkeit der regelmäßigen Unterhaltszahlungen auf die Zeit bis zum Tod
der Erblasserin am 19. Juli 2007.
10
1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die
Entscheidung des High Court auf der Grundlage der Brüssel I-VO anerkannt
und vollstreckt werden kann. Gemäß Art. 1 Abs. 3 der Brüssel I-VO ist diese
auch im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Großbritannien anwendbar, nachdem das Vereinigte Königreich und Irland gemäß Art. 3 des dem
Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königsreichs und Irlands schriftlich mitgeteilt haben, dass sie sich an der
Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten (vgl. Erwägungsgrund 20 zur Brüssel I-VO).
11
Zwar ist eine Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über
Unterhaltspflichten im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Großbritannien auch nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und
Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 (HUVÜ 73)
möglich. Dieses Übereinkommen bleibt von der Brüssel I-VO nach dessen
Art. 71 Abs. 1 auch unberührt. In jedem Fall können daneben aber die Bestimmungen der Brüssel I-VO über das Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen angewandt werden (Art. 71 Abs. 2 b Satz 3 Brüssel I-VO; vgl. auch Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen
Praxis § 9 Rdn. 226 f.).
12
Ebenfalls zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass
sich die weiteren Einzelheiten des Anerkennungsverfahrens nach den Vorschriften des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur
Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Ge-
-9-
biet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz; im Folgenden: AVAG) richten.
13
2. Mit Recht ist das Oberlandesgericht von einem Geltungsbereich der
Brüssel I-VO ausgegangen, der sich nach dessen Art. 1 Abs. 1 auf Zivil- und
Handelssachen beschränkt, wovon nach Art. 1 Abs. 2 a Güterrechtssachen
ausdrücklich ausgenommen sind. Entsprechend beschränkt sich auch das HUVÜ 73 nach dessen Art. 1 Abs. 1 auf die Vollstreckbarkeit von Unterhaltsentscheidungen. Auf dieser Rechtsgrundlage hat das Oberlandesgericht zutreffend
zwischen unterhaltsrechtlichen und güterrechtlichen Folgen in der zu vollstreckenden britischen Entscheidung unterschieden.
14
a) Das britische Scheidungsfolgenrecht sieht in den Secs. 21-26 des
Matrimonial Causes Act von 1973 (MCA) richterliche Eingriffsbefugnisse vor,
die sich nach deutschem Verständnis auf Unterhalt, güterrechtliche Ansprüche,
Versorgungsausgleich sowie Hausratsteilung und Wohnungszuweisung erstrecken. Dabei wird nach der Art der Entscheidung zwischen Anordnungen zur
finanziellen Versorgung (Financial Provision Orders; Sec. 23 MCA) und Anordnungen zur Vermögenszuweisung (Proper Adjustment Orders; Secs. 24, 24 a
MCA) unterschieden, die auch miteinander kombiniert werden können und auf
der Grundlage einer einheitlichen Gesamtwürdigung ausgesprochen werden.
Das Gericht entscheidet nach Billigkeit unter Berücksichtigung gesetzlicher Ermessensfaktoren und gerichtlicher Leitlinien. An erster Stelle dieser Ermessenskriterien steht das Wohl minderjähriger Kinder der Familie. Daneben sind
insbesondere die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten,
aber auch die finanziellen Bedürfnisse, Alter und Gesundheit der Ehegatten, die
Dauer der Ehe und das Verhalten der Ehegatten während der Ehe, zu berücksichtigen (Sec. 25 MCA). Schließlich soll das Gericht auch prüfen, ob eine endgültige Regelung der finanziellen Angelegenheiten (sog. clean break approach)
- 10 -
möglich ist. Für die Verteilung des ehelichen Vermögens gilt nach der Rechtsprechung grundsätzlich der Maßstab der gleichen Teilhabe beider Ehegatten
(Yardstick of equal Division; vgl. House of Lords vom 26. Oktober 2000 White
v. White - 2 FLR 981 - veröffentlicht unter: www.publications.parliament.uk). Der
Verteilungsmaßstab gilt auch in den Fällen, in denen das Vermögen für einen
"clean break approach" durch Einmalzahlung nicht ausreicht und deswegen die
laufende Unterhaltssicherung durch Verteilung der Einkünfte im Vordergrund
steht. Abweichungen von diesem Halbteilungsgrundsatz können auch mit dem
besonderen Wohnbedarf des Ehegatten begründet werden, bei dem die minderjährigen Kinder leben (Woelke/Rieck Ausländisches Familienrecht Stand
August 2008 England und Wales Rdn. 41; vgl. auch Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis § 9 Rdn. 48 d).
15
b) Weil der High Court hier neben regelmäßig fälligen Unterhaltsleistungen auch Pauschalbeträge mit dem Ziel eines abschließenden Vermögensausgleichs zugesprochen hat, hat das Oberlandesgericht im Rahmen der Vollstreckbarerklärung nach der Brüssel I-VO oder dem HUVÜ 73 zu Recht die
Frage aufgeworfen, welche der ausgesprochenen Scheidungsfolgen unterhaltsrechtlich einzustufen sind und ob die Entscheidung daneben auch güterrechtliche Folgen regelt. Denn zutreffend hat es die Notwendigkeit gesehen, zwischen
güterrechtlichen Aspekten der Entscheidung und solchen zu unterscheiden, die
sich auf die Unterhaltspflichten beziehen.
16
Dabei ist in der Brüssel I-VO weder der Begriff der Unterhaltspflicht noch
der Begriff der ehelichen Güterstände ausdrücklich definiert. Bei der Abgrenzung der Scheidungsfolgen ist deswegen vorrangig auf den Zweck der Entscheidung abzustellen, der aus ihrer Begründung herzuleiten ist. Wenn sich
daraus ergibt, dass eine Leistung dazu bestimmt ist, den Unterhalt eines bedürftigen Ehegatten zu sichern, oder wenn die Bedürfnisse und die Mittel beider
- 11 -
Ehegatten bei der Festsetzung berücksichtigt werden, hat die Entscheidung
eine Unterhaltspflicht zum Gegenstand. Bezweckt die Leistung hingegen nur
die Aufteilung der Güter zwischen den Ehegatten, betrifft die Entscheidung die
ehelichen Güterstände und kann deswegen nicht nach der Brüssel I-VO vollstreckt werden. Eine Entscheidung, die beidem zugleich dient, kann nach
Art. 42 Brüssel I-VO teilweise vollstreckt werden, wenn klar aus ihr hervorgeht,
welchem der beiden Zwecke die verschiedenen Teile der angeordneten Leistung jeweils zuzuordnen sind (EuGH IPRax 1999, 35). Allerdings wird der Charakter der zu vollstreckenden Entscheidung als Unterhaltsentscheidung nicht
dadurch in Frage gestellt, dass sie zugleich die Übertragung des Eigentums an
bestimmten Gegenständen zwischen den früheren Ehegatten anordnet, denn
es kann sich auch insoweit um Bildung eines Kapitals handeln, durch das der
Unterhalt eines von ihnen gesichert werden soll. Eine im Rahmen eines Scheidungsverfahrens ergangene Entscheidung, durch die die Zahlung eines Pauschalbetrags oder die Übertragung des Eigentums an bestimmten Gegenständen von einem ehemaligen Ehegatten auf den anderen angeordnet werden,
betrifft daher Unterhaltspflichten im Sinne der Brüssel I-VO, soweit durch sie
der Unterhalt des begünstigten ehemaligen Ehegatten gesichert werden soll
(EuGH IPRax 1999, 35).
17
c) Weil mit diesen Grundsätzen der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs die Unterscheidung zwischen unterhaltsrechtlichen Scheidungsfolgen und dem nachehelichen Vermögensausgleich hinreichend geklärt ist,
fehlt es der Rechtsbeschwerde der Antragstellerin entgegen ihrer Rechtsauffassung an dem Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 15 Abs. 1
AVAG i.V. mit § 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO). Aber auch die Einheitlichkeit der
Rechtsprechung kann eine Zulassung der Rechtsbeschwerde der Antragstellerin nicht rechtfertigen. Denn das Oberlandesgericht hat den zugesprochenen
Pauschalbetrag hier - entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin - auf
- 12 -
der hinreichend geklärten Rechtsgrundlage zu Recht nicht als Unterhaltsleistung angesehen.
18
Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt der Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, wonach die Pflicht zur Zahlung eines Pauschalbetrages für sich
genommen nicht notwendig gegen die Einordnung als Unterhaltszahlung
spricht. Hier hat das britische Gericht neben dem Pauschalbetrag allerdings
weitere pauschale und regelmäßige Verpflichtungen des Antragsgegners ausgesprochen, die im Ergebnis über die Unterhaltssicherung hinaus auch zu einer
endgültigen Regelung aller finanziellen Angelegenheiten (sog. clean break approach) führen. Entsprechend hatte die Erblasserin auch die Anordnung finanzieller Versorgung und Vermögensauseinandersetzung gemäß Secs. 23 und 24
MCA beantragt. Dies wiederum spricht dafür, dass die zu vollstreckende Entscheidung über eine abschließende Entscheidung zum Unterhalt hinaus auch
einen vollständigen Vermögensausgleich enthält.
19
Dagegen spricht auch nicht die Tatsache, dass der Pauschalbetrag im
Entscheidungstenor "als Unterhalt (einschließlich Wohnungskosten) für die Beklagte und die unmündigen Kinder der Familie" zugesprochen wurde. Denn im
Gegensatz dazu unterscheiden die Gründe eindeutig zwischen dem nach dem
Einkommen des Antragsgegners bemessenen Unterhaltsbedarf und dem Ausgleich der vorhandenen Vermögensmassen. Für die Unterhaltsbedürftigkeit der
Erblasserin und ihrer drei minderjährigen Kinder ist das Gericht von den (fiktiv
fortgeschriebenen) Einkünften des Antragsgegners ausgegangen und hat daraus im Wege der Halbteilung den laufenden Unterhaltsbedarf der Erblasserin
und der Kinder ermittelt. Der insoweit geschuldete regelmäßige Unterhalt von
(24.600 + 9.000 =) 33.600 £ orientiert sich mithin an den Einkünften, die der
Familie auch zuvor zum laufenden Unterhalt zur Verfügung standen. Auf dieser
Grundlage sind die unterhaltsrechtlichen Fragen (question of maintenance) in
- 13 -
Textziffer 54 ff. des zu vollstreckenden Urteils behandelt. Die abschließende
Aufteilung der Vermögenswerte (assets; Ziff. 44 ff. des zu vollstreckenden Urteils) zielt demgegenüber auch auf eine endgültige Regelung der finanziellen
Angelegenheiten unter Einschluss einer Aufteilung des vorhandenen Vermögens. Selbst wenn das Vermögen auch dem laufenden Unterhalt dient, zumal
es in Form von Wohneigentum die Mietkosten entfallen lässt (vgl. insoweit zum
deutschen Recht Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 – FamRZ 2009,
1300) oder als Geldbetrag Zinsen abwirft, kann die zugesprochene Pauschalsumme in Höhe von 213.055 £ nicht eindeutig dem Unterhalt zugeordnet werden, wie es die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verlangt. Denn
der im Verhältnis 70/30 zu Gunsten der Erblasserin durchgeführte Vermögensausgleich verschaffte ihr nicht nur - wie etwa im Falle eines Nießbrauchs - den
Nutzungsvorteil, sondern zugleich den Vermögenswert selbst, was eher dem
güterrechtlichen Ausgleich zuzuordnen ist (vgl. BGHZ 175, 207, 212 = FamRZ
2008, 761, 762). Dies geht eindeutig über den laufenden Unterhaltsbedarf hinaus. Zu Recht hat das Oberlandesgericht deswegen auf der Grundlage der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und unter Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles eine eindeutige Zuordnung dieses Pauschalbetrages zum Unterhalt und damit eine Vollstreckbarkeit nach der Brüssel
I-VO abgelehnt.
20
3. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hat im Wesentlichen keinen Erfolg; sie führt lediglich wegen des Todes der Erblasserin zu einer zeitlich begrenzten Vollstreckbarkeit der laufenden Unterhaltszahlungen
durch die Testamentsvollstreckerin.
21
a) Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Antragsgegners stehen der
Vollstreckbarkeit - soweit sie das Oberlandesgericht für zulässig erachtet hat grundsätzlich keine Vollstreckungshindernisse entgegen.
- 14 -
22
Nach Art. 45 Abs. 2 der Brüssel I-VO darf eine ausländische Entscheidung im Rahmen der Vollstreckbarerklärung nicht in der Sache selbst nachgeprüft werden. Eine in erster Instanz nach Art. 41 der Brüssel I-VO angeordnete
Vollstreckbarerklärung darf im Rechtsmittelverfahren nach Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO lediglich auf Vollstreckungshindernisse nach den Artt. 34 und 35 Brüssel I-VO überprüft werden. Solche Vollstreckungshindernisse liegen hier nicht
vor. Insbesondere verstößt die zu vollstreckende Entscheidung - entgegen der
Auffassung des Antragsgegners - nicht gegen den deutschen ordre public
(Art. 34 Nr. 1 Brüssel I-VO).
23
Soweit der High Court der Erblasserin zu ihrem Unterhalt und dem der
Kinder regelmäßige Zahlungen zugesprochen hat, ist er in Kenntnis des Berufswechsels des Antragsgegners von einem fiktiv erzielbaren Einkommen ausgegangen. Insoweit entspricht die Entscheidung dem deutschen Unterhaltsrecht, das im Falle einer eigenmächtigen erheblichen Reduzierung des Erwerbseinkommens aus Gründen unterhaltsrechtlicher Solidarität ebenfalls auf
das fiktiv erzielbare Einkommen abstellt (Senatsurteil vom 20. Februar 2008
- XII ZR 101/05 - FamRZ 2008, 872). Allein die Berücksichtigung eines fiktiv
erzielbaren Einkommens kann einen Verstoß gegen den deutschen ordre public
also nicht rechtfertigen. Wenn der Antragsgegner meint, das vom britischen
Gericht zugrunde gelegte Einkommen nicht erzielen zu können, ist er auf eine
Abänderung der Entscheidung angewiesen, die im Hinblick auf die regelmäßige
Auskunftsverpflichtung der geschiedenen Ehegatten ohnehin möglich war. Auch
soweit das britische Gericht zur Sicherheit der laufenden Unterhaltsverpflichtungen die Anrechte aus einer Lebensversicherung des Antragsgegners übertragen hat, verstößt dies nicht gegen den deutschen ordre public. Einerseits
sieht auch das deutsche Recht Kapitalabfindungen zur Unterhaltssicherung vor
(§§ 1585 Abs. 2, 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB). Andererseits dient dieses Anrecht
- 15 -
lediglich dazu, den regelmäßigen Unterhaltsanspruch der Erblasserin abzusichern.
24
Schließlich ist die Kostenentscheidung des britischen Gerichts eine Folge
der Entscheidung zur Hauptsache, was einem Verstoß gegen den deutschen
ordre public entgegensteht. Auch die Höhe der Abschlagszahlung von 40.000 £
ist unter Berücksichtigung der vorhandenen Einkünfte und Vermögenswerte
nicht derart außergewöhnlich, dass die Vollstreckung dem deutschen ordre
public widersprechen würde (vgl. insoweit BVerfG IPRax 2009, 249).
25
b) Infolge des Todes der Erblasserin hat die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners aber insoweit Erfolg, als die Vollstreckbarkeit der regelmäßigen
Zahlungen auf das Monatsende nach ihrem Todestag am 19. Juli 2007 zu begrenzen ist. Denn für die Zeit danach sind Ansprüche der Erblasserin entfallen.
26
Zwar ist es dem Schuldner nach ständiger Rechtsprechung des Senats
im Vollstreckbarkeitsverfahren verwehrt, sachliche Einwendungen gegen den
titulierten Unterhaltsanspruch zu erheben, die im Wege einer Abänderungsklage geltend zu machen wären (Senatsbeschluss BGHZ 171, 310, 318 f. =
FamRZ 2007, 989, 991 und Senatsurteil vom 31. Januar 1990 - XII ZR 38/89 FamRZ 1990, 504, 505 f.). Demgegenüber kann der Schuldner gemäß Artt. 43,
44 Brüssel I-VO in Verbindung mit § 12 Abs. 1 AVAG mit dem Rechtsmittel, das
sich gegen die Entscheidung der Zwangsvollstreckung aus einer ausländischen
Entscheidung richtet, auch rechtsvernichtende und rechtshemmende Einwendungen im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO gegen den titulierten Anspruch geltend
machen, sofern die Rechtskraft des ausländischen Urteils unberührt bleibt und
die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach Erlass der ausländischen Entscheidung entstanden sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Einwendungen
- 16 -
unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind (Senatsbeschluss vom 25. Februar
2009 - XII ZB 224/06 - FamRZ 2009, 858, 860).
27
Der Tod der Erblasserin schafft hier eine solche Einwendung gegen den
Anspruch der unterhaltsberechtigten Erblasserin, die auch im Verfahren der
Vollstreckbarerklärung berücksichtigt werden kann. Ihr Anspruch auf regelmäßige Unterhaltszahlungen ist mit ihrem - urkundlich nachgewiesenen - Tod am
19. Juli 2007 entfallen, was zu einer rechtsvernichtenden Einwendung im Sinne
des § 767 Abs. 1 ZPO führt. Gleiches gilt allerdings auch für den Anspruch der
Erblasserin auf Unterhalt zugunsten der bei ihr lebenden Kinder. Auch insoweit
hatte der High Court nicht etwa den Kindern persönlich nach den Vorschriften
des Children Act 1989 (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich Großbritannien Seite 91),
sondern der Erblasserin als ihrer erziehungsberechtigten Mutter nach den Secs.
23 ff. MCA Unterhalt zugesprochen, der ebenfalls mit dem Monatsende nach
ihrem Tod am 19. Juli 2007 entfallen ist. Entsprechend ist die Vollstreckungsklausel nach dem Tod der Erblasserin auch nur von der Testamentsvollstreckerin und nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AVAG von den Kindern als eventuelle
Rechtsnachfolger beantragt worden. Für die Testamentsvollstreckerin der
- 17 -
Erblasserin kann die Vollstreckungsklausel aber nur erteilt werden, soweit die
Forderung in der Person der Erblasserin entstanden war.
Hahne
Wagenitz
Dose
Vézina
Klinkhammer
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 28.05.2004 - 11 O 38/04 OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 20.12.2004 - 9 W 61/04 -