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BUNDESGERICHTSHOF
Beschluss
V ZB 121/10
vom
7. Mai 2010
in der Abschiebehaftsache
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Mai 2010 durch den Vorsitzenden
Richter
Prof. Dr. Krüger,
den
Richter
Dr. Klein,
die
Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
beschlossen:
Dem Betroffenen wird für die Rechtsbeschwerde gegen den
Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 23. April 2010 Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihm
wird Rechtsanwalt Wassermann beigeordnet.
Die Vollziehung der durch Beschluss des Amtsgerichts IdarOberstein vom 25. Februar 2010 angeordneten und mit Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach
vom 23. April 2010 aufrechterhaltenen Abschiebungshaft
wird einstweilen ausgesetzt.
Gründe:
I.
1
Der Betroffene, ein georgischer Staatsangehöriger, reiste mithilfe einer
Schleuserorganisation im Jahr 2000 in das Bundesgebiet ein. Er gab vor, irakischer Staatsangehöriger zu sein und stellte unter Angabe falscher Personalien
einen Antrag auf Asyl. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge (nachfolgend Bundesamt) lehnte den Asylantrag am 29. November
2000 als offensichtlich unbegründet ab und drohte die Abschiebung in den
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"Herkunftsstaat" an. In dem Bescheid weist das Bundesamt darauf hin, dass die
Abschiebung auch in einen Staat erfolgen könne, in den der Betroffene einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Der Betroffene
kam dem nicht freiwillig nach und war über einen längeren Zeitraum unbekannten Aufenthalts im Bundesgebiet.
2
Auf Antrag des Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht am 25. Februar 2010
die Haft zur Sicherung der Abschiebung gegen den Betroffenen bis zum 19. Mai
2010 angeordnet. Hiergegen hat sich der Betroffene mit der sofortigen Beschwerde gewandt. Eine für den 13. April 2010 geplante Abschiebung hat das
Verwaltungsgericht vorläufig nach § 123 VwGO untersagt und zur Begründung
ausgeführt, dass es an einer hinreichend bestimmten Abschiebungsandrohung
fehle. Die in dem Bescheid des Bundesamts vom 29. November 2000 enthaltene Abschiebungsandrohung sei zu unbestimmt, weil ein konkreter Zielstaat
nicht genannt werde und die Ausländerbehörde eine Abschiebungsandrohung
unter Bestimmung eines konkreten Zielstaats bislang nicht erlassen habe. Daraufhin erließ der Beteiligte zu 2 am 13. April 2010 eine Abschiebungsandrohung
und bestimmte Georgien zum Zielstaat. Die Abschiebung des Betroffenen ist
nunmehr für den 18. Mai 2010 vorgesehen.
3
Die gegen die Haftanordnung gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne
Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er beantragt, die Aussetzung des Vollzugs der Haftentscheidung bis
zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde anzuordnen.
II.
4
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung u.a. damit begründet,
dass der Beteiligte zu 2 zwischenzeitlich wirksam den Zielstaat der Abschie-
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bung bestimmt habe. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot liege nicht
vor. Zwar sei es dem Beteiligten möglich gewesen, die erforderliche Abschiebungsandrohung so rechtzeitig nachzuholen, dass die für den 13. April 2010
geplante Abschiebung hätte durchgeführt werden können. Dass der Betroffene
nunmehr erst am 18. Mai 2010 abgeschoben werden könne, sei mit dem Allgemeininteresse an einer tatsächlichen Abschiebung noch zu rechtfertigen, zudem bleibe die Verlängerung der Freiheitsentziehung noch in einem vertretbaren Rahmen, zumal der Betroffene jahrelang über seine Identität getäuscht und
so die umfangreichen Nachforschungen verursacht habe.
III.
5
1. Der Aussetzungsantrag ist in entsprechender Anwendung von § 64
Abs. 3 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschl. v. 21. Januar 2010, V ZB 14/10
Rdn. 3 - juris; Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, Rdn. 3 - juris).
6
2. Er ist auch begründet.
7
Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Betroffenen gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung, die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird
danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht
auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (Senat, Beschl. v.
21. Januar 2010, V ZB 14/10, Rdn. 5 - juris; Beschl. v. 30. März 2010, V ZB
79/10, Rdn. 5 - juris; ferner Senat, Beschl. v. 31. Oktober 2007, V ZB 114/07,
WuM 2008, 95, 96). Die Rechtsbeschwerde bietet jedenfalls insoweit Aussicht
auf Erfolg, als sie sich gegen die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft richtet.
-5-
8
a) Die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass die Fortdauer der Haft
noch dem im Rahmen der Prüfung des Haftgrundes zu beachtenden verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken.
9
Nach der gesetzlichen Wertung, wie sie in § 62 Abs. 2 Satz 5 AufenthG
zum Ausdruck kommt (vgl. Entwurf v. 23. April 2007 eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU, BT-Drucks.
16/5065, S. 188), verliert die Haftanordnung ihre Wirksamkeit mit der konkreten
Abschiebungsmaßnahme (vgl. OLG Frankfurt FGPrax 2009, 188, 189; OLG
München OLGR 2006, 674). Dies gilt auch im Falle eines von dem Ausländer
nicht zu vertretenden Scheiterns der Abschiebung (vgl. OLG Frankfurt, aaO;
Hailbronner, AusIR, Stand: 68. Aktualisierung April 2010, § 62 AufenthG
Rdn. 67). Schlägt diese ausschließlich wegen eines Fehlers der Ausländerbehörde fehl, ist die weitere Inhaftierung des Ausländers auf der Grundlage der
ursprünglichen Haftanordnung nicht zu rechtfertigen (vgl. OLG Hamm OLGR
2009, 639 f.).
10
Davon dürfte hier auszugehen sein. Das Verwaltungsgericht hat die für
den 13. April 2010 geplante Abschiebung einstweilen untersagt und dies mit
dem Fehlen einer wirksamen Abschiebungsandrohung begründet. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist der Nachprüfung durch die Zivilgerichte
entzogen und daher als Tatsache zu berücksichtigen und nicht auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen (vgl. BGH, Urt. v. 15. Juni 2007, I ZR 125/04, NVwZ-RR
1008, 154, 155). Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts hätte die
Freiheitsentziehung mit der am 13. April 2010 durchzuführenden Abschiebung
enden können, wenn der Beteiligte zu 2 rechtzeitig dem Betroffenen die Abschiebung nach Georgien angedroht hätte. Dies wäre dem Beteiligten zu 2
nach sorgfältiger Prüfung der Voraussetzungen der Abschiebung auch möglich
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gewesen. Keinesfalls ist die Untersagung der Abschiebung durch das Verwaltungsgericht dem Betroffenen anzulasten.
11
Der neue Sachvortrag des Beteiligten zu 2, dass er dem Betroffenen bereits am 25. Februar 2010 mündlich mitgeteilt habe, nach Georgien abgeschoben zu werden, kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden (vgl. Keidel/Meyer-Holtz, FamFG, 16. Aufl., § 74 Rdn. 35 m.w.N.).
12
b) Die Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung durfte das Beschwerdegericht schließlich nicht mit dem Allgemeininteresse an einer wirksamen Abschiebung oder damit rechtfertigen, dass die Verlängerung sich in einem "vertretbaren Rahmen" halte. Dem Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG)
kommt - je länger eine Haft andauert - ein immer größeres Gewicht gegenüber
dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Durchsetzung ausländerrechtlicher Vorschriften zu (BVerfG, NVwZ 1996, Beilage 3, S. 17 f.). Zudem muss die
Behörde, schon wenn vorhersehbar ist, dass die Abschiebung erforderlich wird,
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alle notwendigen Anstrengungen unternehmen, damit der Vollzug der Haft auf
eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (vgl. Senat, BGHZ 133, 235,
239; Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, Rdn. 22 - juris).
Krüger
Klein
Czub
Stresemann
Roth
Vorinstanzen:
AG Idar-Oberstein, Entscheidung vom 25.02.2010 - 9 XIV 9/10 B LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 23.04.2010 - 1 T 74/10 -