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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZB 81/04
vom
15. September 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 418 Abs. 2
Zum im Wege des Freibeweises zu führenden Nachweis, dass die Prozesshandlung
- entgegen dem Eingangsstempel des angegangenen Gerichts - rechtzeitig erfolgt
ist.
BGH, Beschluss vom 15. September 2005 - III ZB 81/04 - LG Essen
AG Essen
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr
und Galke
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der
10. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 26. November 2004
- 10 S 284/04 - wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerderechtszuges
zu tragen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.197,12 €.
Gründe:
I.
Das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts ist der Klägerin am
15. Juni 2004 zugestellt worden. Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Die an sich am 16. August 2004 endende Frist zur Begründung
der Berufung ist antragsgemäß bis zum 16. September 2004 verlängert worden. Die Klägerin hat die Berufung mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtig-
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ten vom 16. September 2004 begründet; dieser Schriftsatz trägt den Eingangsstempel
"Landgericht Essen <= Berufungsgericht>
Eing 17. SEP. 2004 N …"
Das Berufungsgericht hat den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am
20. September 2004 darauf hingewiesen, die Berufungsbegründung sei am
17. September 2004, "mithin nach Fristablauf, eingegangen". Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat daraufhin vorgetragen und an Eides Statt versichert, der am 16. September 2004 ausgefertigte Berufungsbegründungsschriftsatz sei von ihm unter dem gleichen Datum auf dem Nachhauseweg in der Zeit
zwischen 18.00 und 19.00 Uhr in den Notfristbriefkasten des Berufungsgerichts
geworfen worden. Zugleich hat er - aus denselben Gründen - hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Das Berufungsgericht hat eine dienstliche
Äußerung der Wachtmeisterei eingeholt. Es hat diese und einen Abdruck der
mit dem Eingangsstempel versehenen ersten Seite der Berufungsbegründung
dem Vertreter der Klägerin zugeleitet und darauf hingewiesen, der Eingangsstempel weise den Zusatz "N" auf. Die eingehende Post werde dergestalt präsentiert, dass die bis mittags vorgelegte Post einen Eingangsstempel mit dem
Zusatz "V" erhalte. Ab Mittag werde der Stempel umgestellt; dann erscheine
neben dem Datum der Zusatz "N" als Symbol dafür, dass die Post erst nachmittags eingegangen sei. Der Anwalt der Klägerin hat daraufhin im Wesentlichen
wiederholt, er habe den Schriftsatz vom 16. September 2004 noch an diesem
Tag in den Fristbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen.
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Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet
sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Zwar ist die in förmlicher Hinsicht
nicht zu beanstandende Rechtsbeschwerde statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist aber nicht im Übrigen zulässig, weil
Zulassungsgründe nicht vorliegen (§ 574 Abs. 2 i.V.m. § 577 Abs. 1 Satz 2
ZPO analog; vgl. Zöller/Gummer, ZPO 25. Aufl. 2005 § 574 Rn. 11).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert im Streitfall
die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht die Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts. Weder hat das Berufungsgericht Verfahrensgrundrechte der Klägerin verletzt noch grundlegend die Möglichkeit verkannt, den
Gegenbeweis im Sinne des § 418 Abs. 2 ZPO und der dazu ergangenen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu führen.
Die rechtzeitige Vornahme einer Prozesshandlung - hier die Rechtzeitigkeit der Berufungsbegründung - wird im Regelfall durch den Eingangsstempel
des angegangenen Gerichts auf dem entsprechenden Schriftsatz nachgewiesen (§ 418 Abs. 1 ZPO). Der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis ist aber zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Er erfordert mehr als bloße
Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO). Notwendig ist die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang, wobei allerdings die Anforderungen wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge
nicht überspannt werden dürfen (st. Rspr., z.B. Senatsbeschluss vom 14. Juli
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1987 - III ZB 20/87 - BGHR ZPO § 418 Abs. 2 Eingangsstempel 1; BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 1992 - XII ZB 100/92 - FamRZ 1993, 313, 314, vom
27. November 2002 - VIII ZB 45/02 - NJOZ 2003, 329, 330 und vom
14. Oktober 2004 - VII ZR 33/04 - NJW-RR 2005, 75).
Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, durch den Eingangsstempel sei nachgewiesen, dass die Berufungsbegründungsschrift am
Nachmittag des 17. September 2004, mithin nach Ablauf der am Donnerstag,
dem 16. September 2004 endenden Frist zur Berufungsbegründung, eingegangen
sei.
Dem
hat
es
die
eidesstattliche
Versicherung
des
Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenübergestellt, wonach er den
Schriftsatz in den frühen Abendstunden des 16. September 2004 in den
Notfristbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen habe, dies aber nicht für
glaubhaft - geschweige denn für erwiesen - erachtet. Nicht auszuschließen sei
zwar, dass bis 24.00 Uhr eingehende Post - hier die nach dem Vortrag der Klägerin am 16. September 2004 zwischen 18.00 und 19.00 Uhr eingeworfene
Berufungsbegründung - aus Versehen den "Vormittagsstempel" des folgenden
Tages ("17. September 2004 V") erhalte; wenig wahrscheinlich sei aber, dass
sie - wie im Streitfall - erst den "Nachmittagsstempel" des folgenden Tages
("17. September 2004 N"), also die übernächste Einstellung des Stempels, erhalten haben könnte.
Gegen die Würdigung des Berufungsgerichts kann nicht angeführt werden, es habe über die - allerdings karge - dienstliche Äußerung der Wachtmeisterei hinaus möglichen Gründen für eine fehlerhafte Stempelung nachgehen
müssen. Dafür bot der Sachverhalt - anders als in den von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Entscheidungen (BGH, Beschlüsse vom 14. Okto-
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ber 2004 aaO, vom 5. Oktober 2000 - X ZB 13/00 - NJW-RR 2001, 571 und
vom 7. Oktober 1992 aaO) - keinen hinreichenden Anhalt. Die Klägerin hat,
nachdem ihr die dienstliche Stellungnahme zur Kenntnis gebracht worden war,
selbst nicht geltend gemacht, dass der Nachtbriefkasten aus technischen
Gründen nicht richtig funktioniert habe oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen sein könnten. Ihr Vorbringen erschöpfte sich im Grunde in der (eidesstattlich versicherten) Behauptung, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründungsschrift am 16. September 2004 in den Notfristbriefkasten des
Berufungsgerichts eingeworfen. Trotz gerichtlichen Hinweises auf die Ausgestaltung der Präsentation mittels Vor- und Nachmittagsstempel erhärtete sie
ihren Vortrag und die eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten nicht, z.B. durch einen Vermerk ihres Prozessbevollmächtigten über die
erfolgte "Zustellung" der Berufungsbegründung in dessen Handakten (vgl.
BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2004 aaO) oder durch einen entsprechenden
Nachweis
in
dessen
Postausgangsbuch
(vgl.
BGH,
Beschluss
vom
27. November 2002 aaO S. 330 f).
Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich, dass das Berufungsgericht zu Recht die Berufung als unzulässig verworfen hat. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich.
Schlick
Wurm
Dörr
Kapsa
Galke