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Nachschlagewerk: ja
BGHSt
: ja
Veröffentlichung: ja
StGB § 266 Abs. 1; StPO § 147 Abs. 2, § 344 Abs. 2 Satz 2;
AO § 370 Abs. 1; EStG § 11 Abs. 1 Satz 1; IRG § 72
1. Zulässigkeit der Verwertung von Unterlagen, die im Wege der
Rechtshilfe in der Schweiz beschlagnahmt wurden, für ein Strafverfahren wegen Untreue und Steuerhinterziehung.
2. Revisionsrechtliche Beanstandung unterbliebener Beiziehung
von Akten eines weiteren gegen den Angeklagten geführten Ermittlungsverfahrens, deren Einsicht in jenem Verfahren von der
Staatsanwaltschaft wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks
versagt wird.
3. Ein Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB kann auch dann
vorliegen, wenn der Vermögensbetreuungspflichtige Provisionen
erhält, die zwar vom Vertragspartner seines Geschäftsherrn
stammen, aber über den Geschäftsherrn an einen Dritten ausbezahlt und von dort an den Treupflichtigen weitergeleitet werden
4. Einkommensteuerrechtliche Relevanz eines nicht offengelegten
Treuhandverhältnisses.
BGH, Beschluß vom 11. November 2004
- 5 StR 299/03
LG Augsburg -
5 StR 299/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 11. November 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u. a.
-2-
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2004
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Augsburg vom 23. Juli 2002 gemäß § 349
Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) hinsichtlich des Angeklagten M
im gesamten
Strafausspruch,
b) hinsichtlich des Angeklagten H
, soweit dieser
wegen Steuerhinterziehung für das Jahr 1993 verurteilt wurde, sowie im Einzelstrafausspruch bezüglich
der Verurteilung wegen Untreue und im Ausspruch
über die Gesamtstrafe.
Aufrechterhalten bleiben – nach näherer Maßgabe der
Beschlußgründe (B II 2 c, 3) – die Feststellungen über
die den Angeklagten gewährten tatsächlichen Zuwendungen, mit Ausnahme der Feststellungen im Zusammenhang mit den Barabhebungen
S
s
vom Rubrikkonto „Winter“ im Jahre 1993.
2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349
Abs. 2 StPO verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
-3-
Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten M
wegen Untreue und
Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf
Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten H
hat es wegen Untreue
und Steuerhinterziehung in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren und vier Monaten verhängt. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben
jeweils mit der Sachrüge in dem sich aus dem Beschlußtenor ergebenden
Umfang Erfolg. Im übrigen sind ihre Rechtsmittel unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.
A.
Das Landgericht hat die Verurteilung der Angeklagten darauf gestützt, daß sie als Manager des T
-Konzerns aus dem Verkauf von
Panzern Provisionen erhalten und diese in ihren Jahressteuererklärungen
verschwiegen haben.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte
M
T
seit Oktober 1988 Mitglied des Geschäftsbereichsvorstands der
H
(künftig: T
-H
) in Kassel und
für den Bereich Wehrtechnik zuständig. Der Angeklagte H
April 1984 Mitglied des übergeordneten Gesamtvorstands der T
war seit
I
-4-
AG Essen und dort als Arbeitsdirektor tätig; ab Anfang 1992 war er Vorstandsvorsitzender von T
-H
.
Im Vorfeld des Golfkrieges hatte das Königreich Saudi-Arabien starkes Interesse an dem Erwerb von Panzern, die von T
-H
gelie-
fert werden sollten. Innerhalb des Gesamtkonzerns war der Angeklagte
M
für die Vorbereitung des Geschäftsabschlusses zuständig, der für
den T
-Konzern von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung war, weil
man sich dadurch auch im Blick auf eventuelle spätere Verkäufe von Rüstungsgütern in den Nahen Osten Vorteile versprach. Am 17. Januar 1991
kam es zum Abschluß eines Liefer- und Leistungsvertrages über 36 Panzerfahrzeuge Typ Fuchs (26 Transport- und 10 Spürpanzer) zwischen T
H
und dem Ministerium für Verteidigung und Luftfahrt der Regierung
Saudi-Arabiens zu einem Gesamtpreis von 446 Mio. DM. Für T
H
-
zeichneten der Angeklagte M
bene Zeuge
B
-
und der mittlerweile verstor-
den Vertrag. Die Bundesregierung erteilte kurze
Zeit später die erforderlichen Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontroll- und dem Außenwirtschaftsgesetz. Da T
-H
die benötig-
ten Panzer nicht so schnell liefern konnte, wurden diese auf der Grundlage
eines Sachdarlehens aus Bundeswehrbeständen nach Saudi-Arabien exportiert.
Als Preis für die Panzer, für die nach dem Sachdarlehensvertrag lediglich ein Wert von etwa 30 Mio. DM veranschlagt war, wurde ein Betrag
von 227 Mio. DM vereinbart. Gleichzeitig veräußerte T
-H
ein
sogenanntes „Logistikpaket“. Unter dieser Bezeichnung verbargen sich fast
ausschließlich Vermittlungsprovisionen, die an verschiedene Adressaten gezahlt wurden, welche an der Ermöglichung des Geschäfts mitgewirkt hatten.
Die Umschreibung wurde auch deshalb gewählt, weil nach Artikel 13.2 des
Vertrages mit Saudi-Arabien solche Vermittlungsprovisionen verboten waren;
-5-
der Käufer war nach dieser Regelung – sollten dennoch Provisionen gezahlt
werden – berechtigt, den Kaufpreis um den Provisionsbetrag zu reduzieren.
Zur Kalkulation der vom „Logistikpaket“ erfaßten Kosten wurden in einem
Projektleitblatt vom Angeklagten M
am 12. Dezember 1990 die hier-
für erforderlichen Beträge zusammengestellt. Nach dieser Aufstellung, die
per Fax auch an den Angeklagten H
übermittelt wurde, belief sich die
Gesamtsumme der zu leistenden Provisionen auf 205 Mio. DM. Bis zum
Abschluß des Vertrages erhöhten sich die in dem „Logistikpaket“ zusammengefaßten Aufwendungen auf 219 Mio. DM.
Ausweislich einer von T
-H
erstellten Provisionsliste
aus dem Juli 1991 erhielten einzelne Firmengruppen, ohne daß deren Hintermänner
O
aufgeklärt
67,5 Mio. DM, L
wurden,
folgende
116,5 Mio. DM und G
Provisionszahlungen:
A
8,9 Mio. DM.
Weiterhin vereinnahmten Firmen des anderweitig verfolgten Kaufmanns
S
S
ca. 28 Mio. DM an Provisionszahlungen.
, ein enger Freund beider Angeklagter, war in die Vermittlung des
Verkaufs der Panzer einbezogen worden, weil er maßgeblich den Kontakt zu
saudischen Regierungsstellen hatte herstellen können. Er beherrschte mehrere ausländische Gesellschaften, die lediglich für die Abwicklung entsprechender Provisionsgeschäfte vorgehalten wurden. Zu einer solchen Gesellschaft zählte die A.
delsgesellschaft K
, eine Tochtergesellschaft der Liechtensteiner Han. Diese wurde als bloße Briefkastenfirma von
einem Verwaltungsrat geleitet; wirtschaftlich gehörte sie
S
.
Um im Hinblick auf die Anrechnungsklausel nach Artikel 13.2 des
Liefer- und Leistungsvertrages die Aufdeckung zu erschweren, wurden mit
den Empfängern der Provisionen – zeitlich nach dem Hauptvertrag mit Saudi-Arabien – sogenannte Marketingverträge abgeschlossen. Dabei war nicht
T
-H
, sondern die T
I
AG Essen Vertragspartne-
-6-
rin. Für diese zeichnend, schloß der Angeklagte H
mit der A.
am 24. Juli 1991
einen Marketingvertrag, der den entsprechenden Deckmantel
für den Großteil der S
zugedachten Provisionszahlungen darstellen
sollte. Dabei war den beiden Angeklagten, die maßgeblich in die Vertragsverhandlungen einbezogen waren, nach den Feststellungen des Landgerichts klar, daß ein Teil der an die A.
geleisteten Provisionszahlungen an
sie persönlich zurückfließen sollte.
Die T
I
AG überwies – jeweils nach Eingang der Zah-
lungen der saudischen Vertragspartner – auf ein für die A.
Rubrikkonto des
S
eingerichtetes
beim Schweizer Bankenverein in Zürich
zwischen dem 13. August 1991 und Jahresende 1991 insgesamt
20 Mio. DM, am 1. Dezember 1992 nochmals 3 Mio. DM und am 30. November 1993 1,4 Mio. DM.
S
hatte dieses Rubrikkonto als Un-
terkonto für sein dort geführtes Konto (PO 47252) einrichten lassen. Für ein
zweites Konto, das
S
beim Schweizer Bankenverein unter-
hielt (PO 18679), ließ er weitere Rubrikkonten einrichten, die er teilweise mit
Decknamen bezeichnete, wie etwa: Mark, Master/Maxwell, Waldherr, Holgart
oder Britan. Zugunsten des Angeklagten
S
H
legte
im September 1991 das Rubrikkonto „Winter“ an, zugunsten des
Angeklagten
M
hatte er bereits im Januar 1991 das Rubrik-
konto „Jürglund“ eingerichtet.
Nach Erhalt der ersten Teilzahlung des T
von 11 Mio. DM überwies
S
-Konzerns in Höhe
auf das Rubrikkonto „Winter“
am 2. September 1991 1,2 Mio. DM, auf das Rubrikkonto „Jürglund“ am selben Tag 4,125 Mio. DM. Am 25. Oktober 1991 wies S
– nach Erhalt
weiterer 5 Mio. DM – nochmals 2,375 Mio. DM auf das Rubrikkonto
„Jürglund“ an. Nach einer weiteren Überweisung des T
-Konzerns in
Höhe von 4 Mio. DM erfolgte im Dezember 1991 eine Überweisung auf das
-7-
Konto „Jürglund“ in Höhe von 2 Mio. DM. Zum 21. Dezember 1992 veranlaßte
S
eine erneute Gutschrift auf das Konto „Jürglund“ in Höhe
von 1,42 Mio. DM. Am 5. Januar 1993 kam es zu einer weiteren Überweisung in Höhe von 250.000 DM auf das Konto „Jürglund“ und am 1. Februar
1993 zu einer Überweisung von 170.000 DM auf das Konto „Winter“. Nach
der letzten Zahlung durch den T
überwies
S
-Konzern auf das Rubrikkonto A.
am 10. Dezember 1993 auf das Konto „Jürglund“
700.000 DM und am 28. Dezember 1993 auf das Konto „Winter“ 120.000
DM.
Nach den Feststellungen des Landgerichts erhielt der Angeklagte
H
noch im Jahre 1991 den auf das Rubrikkonto „Winter“ überwiese-
nen Provisionsanteil von 1,2 Mio. DM in voller Höhe von
S
bar ausgezahlt. Nach Überzeugung des Landgerichts gingen ihm auch im
Jahr 1993 seine weiteren Provisionsanteile von insgesamt 290.000 DM nach
zwei Barabhebungen durch
S
Der Angeklagte M
gen S
hatte bis Juli 1991 aus drei Barabhebun-
s vom bereits vor der ersten Provisionsrate des T
Konzerns an die A.
schon zuvor an eine andere Firma
s Provisionszahlungen des T
-Konzerns in Höhe von über
2 Mio. DM veranlaßt hatte. Danach erhielt M
bungen S
-
bestehenden Rubrikkonto „Jürglund“ insgesamt
200.000 DM erhalten, nachdem M
S
umfassend persönlich zu.
aus weiteren Barabhe-
s im Jahre 1991 nochmals 100.000 DM, 1992 115.000 DM
sowie 1994 mehr als 90.000 DM, in diesem Jahr zudem eine vom Rubrikkonto „Jürglund“ herrührende Scheckzahlung über 50.000 SFr. Im Dezember
1992 überwies
S
von dem Konto einen Betrag von 1,225
Mio. SFr für den Erwerb einer Ferienwohnung in der Schweiz durch
M
, zudem für Einrichtung und Ausbau dieser Wohnung 1993 insge-
samt mehr als 540.000 DM und 1994 insgesamt mehr als 360.000 DM.
-8-
Schließlich wendete
S
dem Angeklagten M
aus
dem Guthaben des Kontos im Jahre 1992 über 35.000 DM für den Sohn des
Angeklagten betreffende Internatskosten in Kanada zu. Insgesamt sind damit
tatsächliche Zuwendungen an den Angeklagten M
vom Rubrikkonto
„Jürglund“ in einer Gesamthöhe von deutlich mehr als 2,7 Mio. DM festgestellt.
Auf der Basis eines Zuflusses in den Jahren 1991 bis 1993 von
10,875 Mio. DM auf das Konto „Jürglund“ und von 1,49 Mio. DM auf das
Konto „Winter“ lastet das Landgericht den Angeklagten an, diese ihnen zuzurechnenden Gelder in den Jahressteuererklärungen 1991 bis 1993 verschwiegen zu haben. Dadurch stellt das Landgericht bei dem Angeklagten
M
für das Jahr 1991 eine Verkürzung der Einkommensteuer in Höhe
von 4,5 Mio. DM fest, beim Angeklagten H
eine solche in Höhe von
635.000 DM; im Jahre 1992 verkürzte der Angeklagte M
entspre-
chend seine Steuer um 755.000 DM, und für 1993 wurde die Einkommensteuer beim Angeklagten H
M
um 153.000 DM und beim Angeklagten
um 500.000 DM zu niedrig festgesetzt.
II.
Das Landgericht hat das Verhalten der Angeklagten jeweils als einheitliches Vergehen der Untreue im Sinne des § 266 StGB gewertet. Beide
Angeklagten hätten aufgrund ihrer organschaftlichen oder – wie der Angeklagte M
– jedenfalls herausgehobenen Stellung eine Treuepflicht
gegenüber dem Vermögen des T
-Konzerns gehabt. Durch die spätes-
tens im Dezember 1990 fest vereinbarte Annahme der Gelder sei das Vermögen des T
des T
-Konzerns geschmälert worden. Hätte man innerhalb
-Konzerns gewußt, daß die Beträge an die Angeklagten zurück-
-9-
flössen, wären diese Gelder nicht in die Provisionssummen eingestellt worden.
Zudem lagen nach Auffassung des Landgerichts mehrere rechtlich
selbständige Steuerhinterziehungen vor. Schon die Gutschrift auf den Rubrikkonten begründe bei den Angeklagten einen Zufluß dieses Vermögenswertes. Beide Angeklagten hätten – wie ihnen auch bewußt war – diese ihnen zugewandten Gelder in ihren Steuererklärungen offenlegen müssen, weil
diese Zahlungen sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG gewesen
seien. Durch die unvollständige Erklärung sei es zu den jeweiligen Steuerverkürzungen gekommen.
B.
Die Revisionen haben teilweise Erfolg. Die Begründung, mit der das
Landgericht den Geldzufluß auf den beiden den Angeklagten zugerechneten
Rubrikkonten diesen vollständig anlastet, ist sachlichrechtlich nicht tragfähig.
Damit hat das Landgericht jeweils einen – bei dem Angeklagten M
beträchtlichen – Teil des Schuldumfangs der Untreue, bei M
auch
der drei Steuerhinterziehungen, nicht ausreichend belegt; bei dem Angeklagten H
bleibt eine Einkommensteuerhinterziehung für 1993 gänzlich
unbelegt. Dies führt – unter Teilaufhebung der von dem Rechtsfehler betroffenen Feststellungen – hinsichtlich des Angeklagten M
zur Aufhe-
bung des landgerichtlichen Urteils im gesamten Strafausspruch. Bezüglich
des Angeklagten H
sind der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung
im Jahre 1993 und der Einzelstrafausspruch aus der Verurteilung wegen Untreue sowie die Gesamtstrafe aufzuheben.
I.
- 10 -
Soweit die Revisionen mit Aufklärungsrügen die Feststellungen des
Landgerichts zum Abfluß von 9 Mio. DM vom Rubrikkonto „Jürglund“ angreifen, bedarf es, weil die Revisionen insoweit mit der Sachrüge durchdringen,
keiner Entscheidung über diese nicht weitergehenden Verfahrensrügen. Die
übrigen Verfahrensrügen zeigen keinen Rechtsfehler auf. Ergänzend zu den
Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinem Verwerfungsantrag ist
folgendes zu erörtern.
1. Ohne Erfolg rügen die Revisionen die Verwertung von Unterlagen,
die in der Schweiz im Wege der Rechtshilfe beschlagnahmt worden sind.
a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Seit
dem Jahre 1995 ermittelte die Staatsanwaltschaft Augsburg gegen die Angeklagten wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und der Untreue. Im
Rahmen der Ermittlungen, die sich auch gegen
tere
Verdächtige
richteten,
erwirkte
S
die
sowie wei-
Staatsanwaltschaft
am
24. Mai 1996 Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse der Ermittlungsrichterin am Amtsgericht Augsburg. Danach wurden die Durchsuchung
der in der Schweiz gelegenen Wohnungen der Angeklagten und von
S
sowie die Beschlagnahme von konkret bezeichneten Konten
bei Schweizer Banken angeordnet. Mit Schreiben vom 5. Juni 1996 ersuchte
der Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Augsburg das hierfür zuständige
Schweizer Bundesamt für Polizeiwesen um Rechtshilfe zum Zwecke des
Vollzugs der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse. Der zuständige Richter am Untersuchungsrichteramt Chur gab am 30. August 1996 hinsichtlich der Angeklagten sowie der Mitbeschuldigten S
P
und
dem Rechtshilfeersuchen statt, hinsichtlich zweier Mitbeschuldig-
ter wurde die Rechtshilfe abgelehnt. Nach dem Vollzug der Rechtshilfemaßnahmen legten die Angeklagten sowie
S
Beschwerde ein.
Durch Entscheide der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Grau-
- 11 -
bünden vom 27. August 1997 wurde „auf die Beschwerden nicht eingetreten“. Maßgeblicher Grund war, daß über die Zulässigkeit der Rechtshilfe im
Beschwerdeverfahren erst dann befunden werden dürfe, wenn die Schlußverfügung vorliege. Am 2. März 1998 hat der Untersuchungsrichter in Chur
eine Schlußverfügung erlassen und angeordnet, aufgefundenen Schriftwechsel aus der Wohnung von
S
in Pontresina sowie bestimmt
bezeichnete Kontounterlagen an die Staatsanwaltschaft Augsburg zu übermitteln. Im Jahre 1999 wurden weitere Kontounterlagen von
S
im Wege der Rechtshilfe beschlagnahmt und der Staatsanwalt-
schaft Augsburg übermittelt. S
s Beschwerden blieben im wesentli-
chen erfolglos.
Das Rechtshilfeverfahren gegen die Angeklagten wurde als erledigt
angesehen, weil die Durchsuchungen im Vollzug der Rechtshilfe bei ihnen
nicht zum Auffinden verfahrensrelevanter Unterlagen geführt hatten. Da im
Blick auf die Angeklagten – wie das Schweizerische Bundesgericht in seinem
Urteil vom 13. Januar 1999 (vgl. dort S. 6) ausgeführt hat – keine Beschlagnahme von Schriftstücken aus ihrem Rechtskreis stattgefunden hätte, seien
die Angeklagten nicht beschwert. Deshalb habe es auch bezüglich ihrer Person keiner Schlußverfügung im Rechtshilfeverfahren mehr bedurft.
b) Die Verwertung der im Wege der Rechtshilfe erlangten Unterlagen
erweist sich hier – in Übereinstimmung mit der Bewertung durch das Tatgericht und den Generalbundesanwalt – unter maßgeblicher Berücksichtigung
der im Zusammenhang mit dieser Rechtshilfeangelegenheit in der Schweiz
getroffenen Entscheidungen und von dortigen Behörden erfolgten Verlautbarungen als zulässig. Entgegen der Auffassung der Revisionen war die Verwertung der im Wege der Rechtshilfe aus der Schweiz erlangten Unterlagen
weder unzulässig, noch hätte vorher die Zustimmung des Schweizer Bundesamtes eingeholt werden müssen.
- 12 -
aa) Bei der Prüfung der Rechtshilfe bestimmt sich die Frage der Zulässigkeit der Verwertung, insbesondere das Erfordernis einer vorgängigen
Zustimmung durch das Bundesamt allein nach dem von den Schweizer Institutionen ausgesprochenen Spezialitätsvorbehalt, der die deutschen Strafverfolgungsbehörden gemäß § 72 IRG bindet, ohne daß es auf eine Vereinbarkeit des Spezialitätsvorbehalts mit dem zugrundeliegenden Schweizer Recht,
insbesondere mit Art. 67 des Schweizer Bundesgesetzes über internationale
Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG), unmittelbar ankäme. Da insoweit jeweils
in Auslegung des Schweizer Rechts der Spezialitätsvorbehalt für den hier zu
beurteilenden Fall von den zuständigen Schweizer Gerichten und Behörden
verbindlich festgelegt wurde, bildet der so umrissene Spezialitätsvorbehalt für
die deutschen Gerichte den ausschließlichen Prüfungsmaßstab. Ein eigener
Rekurs der deutschen Gerichte auf das zugrundeliegende Schweizer Recht
ist damit unzulässig. Dessen Auslegung ist ausschließlich den zuständigen
Schweizer Institutionen vorbehalten.
bb) Eine vorgängige Zustimmung des Schweizerischen Bundesamtes zur Verwertung der im Wege der Rechtshilfe übermittelten Unterlagen
gegen die Angeklagten war hier nicht erforderlich. Dies ergibt sich schon aus
der Formulierung der Spezialitätsvorbehalte der vom Schweizerischen Bundesgericht bestätigten Entscheidung des Kantonsgerichts Graubünden vom
24. Juni 1998 (insbesondere S. 24 der Entscheidungsgründe) sowie – ungeachtet geringfügiger und hier nicht bedeutsamer Abweichungen im Wortlaut –
aus dem Schreiben des Bundesamtes für Polizeiwesen vom 24. März 1999.
Danach durften die Unterlagen gegen die Angeklagten verwertet werden,
soweit Gegenstand der Aburteilung eine rechtshilfefähige Tat ist. Beide Angeklagte waren nämlich in das einheitliche gegen mehrere Beschuldigte geführte Verfahren einbezogen, und die Schweizer Gerichte haben gegen beide Angeklagte auch die Rechtshilfe bewilligt (Entscheidung des Untersu-
- 13 -
chungsrichteramts Chur vom 30. August 1996). Eine anderweitige Verwendung der Unterlagen, die allein nach den insoweit ausformulierten Spezialitätsvorbehalten eine Zustimmungspflichtigkeit ausgelöst hätte, ist ersichtlich
nicht gegeben. Keiner abschließenden Beurteilung bedarf die Frage, ob eine
solche Zustimmung hier sogar konkludent als erteilt anzusehen wäre, was
angesichts des erfolgten Informationsflusses über die Verwertung der aus
der Rechtshilfe gewonnenen Erkenntnisse auch gegen die Angeklagten jedenfalls nicht als fernliegend erschiene.
cc) Hier konnten die Unterlagen sowohl hinsichtlich des Tatkomplexes der Untreue als auch in Bezug auf die Steuerhinterziehungen verwertet
werden.
(1) Der Straftatbestand der Untreue nach § 266 StGB ist rechtshilfefähig. Er entsprach der zur Tatzeit geltenden Norm der „ungetreuen Geschäftsführung“ gemäß Art. 159 des Schweizer Strafgesetzbuches (vgl. Entscheid der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden vom
15. Dezember 1999 auf die Beschwerde des früheren Mitangeschuldigten
S
, S. 16 der Entscheidungsgründe). Da die Untreue nicht
den Ausschlußklauseln für die Rechtshilfe (militärische, politische oder fiskalische Delikte) unterfällt, konnten die Unterlagen insoweit auch verwertet
werden.
(2) Gleiches gilt aber auch für die Verurteilungen wegen Steuerhinterziehungen. Zwar zählt die Steuerhinterziehung zu den sogenannten fiskalischen Delikten, die grundsätzlich nicht rechtshilfefähig sind. Eine Ausnahme
(Art. 3 Abs. 3 IRSG) gilt nach dem Spezialitätsvorbehalt jedoch dann, wenn
sich die Tat als Abgabebetrug gemäß Art. 14 Abs. 2 des Schweizer Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht darstellt. Danach ist ein Abgabebetrug – u. a. – gegeben, wenn der Täter durch sein arglistiges Verhalten be-
- 14 -
wirkt, daß dem Gemeinwesen unrechtmäßig in einem erheblichen Betrage
eine Leistung vorenthalten wird. Der Täter muß dabei nicht notwendig unter
Verwendung falscher oder gefälschter Urkunden handeln. Denkbar sind auch
andere Fälle der Arglist, soweit der Täter durch „besondere Machenschaften,
Kniffe“ oder die Schaffung „ganzer Lügengebäude“ die Verkürzung bewirkt
(so das Schreiben des Bundesamts für Polizei vom 14. April 2000 unter Bezug auf die ständige Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts).
An dem Vorliegen dieser qualifizierten Voraussetzungen kann – gerade auch unter maßgeblicher Heranziehung der Rechtsauslegung durch die
Schweizer Gerichte und Behörden – hier nicht gezweifelt werden. Die Steuerverkürzung ist erst dadurch ermöglicht worden, daß Provisionsansprüche
ausländischer getarnter Domizilgesellschaften – jedenfalls wirtschaftlich betrachtet – zum Schein begründet wurden. Die Geldbeträge, die den Angeklagten zufließen sollten, wurden zunächst auf gezielt getarnte Konten transferiert. Die Angeklagten erlangten durch Barauszahlungen oder den verdeckten Kauf einer Wohnung einen steuerlich nur schwer nachvollziehbaren Vermögenszufluß im Ausland. Jedenfalls in der Gesamtschau ist das Verhalten
der Angeklagten jeweils als betrügerische Machenschaft – mit dem erreichten Ziel der Steuerhinterziehung in beträchtlichem Umfang – zu werten.
Dementsprechend hat auch das Schweizerische Bundesgericht in seinem
Urteil vom 13. Januar 1999 hinsichtlich des Verhaltens von
S
einen Tatverdacht für das Vorliegen eines Abgabebetrugs bejaht.
Das Vorgehen der Angeklagten, denen das Verhalten von
S
, das sie weitgehend zu ihren Gunsten ausnutzten, bekannt war und die
ihrerseits die Gelder über
S
als eine noch zusätzliche
Schaltstelle erlangt haben, kann deshalb nicht anders beurteilt werden.
2. Die Beanstandungen der Angeklagten, sie seien in einem wesentlichen Punkt in ihrer Verteidigung beschränkt worden (§ 338 Nr. 8 StPO), weil
- 15 -
ihnen die Einsichtnahme in die Akten eines Parallelverfahrens versagt und
die Beweisaufnahme ohne Rücksicht auf ihre mangelnde Kenntnis hiervon
durchgeführt und abgeschlossen worden sei, greifen nicht durch.
a) Gegen leitende Manager des T
auch gegen die Angeklagten H
-Konzerns – unter anderem
und M
– führt die Staatsan-
waltschaft Düsseldorf ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der
Körperschaftsteuerhinterziehung. Gegenstand dieses Verfahrens ist der
Vorwurf, daß für den Verkauf der Panzer gezahlte Provisionen zwar als sogenannte nützliche Aufwendungen von der Finanzverwaltung als steuerlich
abzugsfähig anerkannt wurden, sie tatsächlich jedoch auf Schwarzgeldkonten vom T
-Konzern „geparkt“ worden sein sollen.
Das Landgericht hatte die Beiziehung dieser Akten zunächst angeordnet. Die zuständige Staatsanwaltschaft Düsseldorf, die festgestellt hatte,
daß die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen waren, war dann zwar bereit,
dem Landgericht die Akten zu übersenden, aber nur unter der Auflage, die
Akten mit Rücksicht auf eine angenommene Gefährdung des Untersuchungszwecks (§ 147 Abs. 2 StPO) nicht den Verteidigern der Angeklagten
zur Verfügung zu stellen. Daraufhin hat das Landgericht von einer Beiziehung der Akten abgesehen.
b) Soweit die Beschwerdeführer geltend machen wollen, bereits mit
der Anordnung der Aktenbeiziehung seien die Akten des anderen Ermittlungsverfahrens zu Beiakten geworden, deren uneingeschränkte Einsicht
den Verteidigern nach § 147 Abs. 1 StPO zu gewähren gewesen wäre, trifft
dies nicht zu. Der Anspruch auf Akteneinsicht bezieht sich nur auf die dem
Gericht tatsächlich vorliegenden Akten (BGHSt 30, 131, 138; 42, 71; BGH
NStZ 1999, 371). Insoweit ist der Akteneinsichtsanspruch freilich uneingeschränkt und auch nicht etwa im Wege eines „in camera“-Verfahrens beschränkbar (vgl. BGHR StPO § 96 Sperrerklärung 5; BGH NStZ 1998, 97).
- 16 -
Hier hat die Strafkammer hingegen von einer Beiziehung der Akten in mindestens schlüssiger Korrektur ihrer ursprünglich abweichenden Beiziehungsentscheidung abgesehen. Mit der Revision kann danach lediglich zur Prüfung
gestellt werden, ob die Strafkammer – nach Maßgabe der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) oder zur Wahrung effektiver Verteidigung – zur unterbliebenen Aktenbeiziehung und zur damit einhergehenden
anschließenden Gewährung von Akteneinsicht verpflichtet war.
aa) Insoweit bestehen durchgreifende Bedenken gegen die ausreichende Begründung der Verfahrensrügen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Für
die Annahme, die Verteidigung sei in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden, genügt nicht, daß die Beschränkung nur generell (abstrakt) geeignet ist, die gerichtliche Entscheidung zu beeinflussen.
Vielmehr ist § 338 Nr. 8 StPO nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines
kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil
konkret besteht (BGHR StPO § 338 Nr. 8 Beschränkung 6 m. w. N.). Dies hat
auch Auswirkungen auf die Vortragspflicht, weil die Revision dartun muß,
welcher konkrete Zusammenhang zwischen dem geltend gemachten Verfahrensfehler und einem für die Entscheidung bedeutsamen Punkt besteht. Damit korrespondiert das Erfordernis möglichst konkreten Vortrages bei einer
Rüge wegen unterlassener Beiziehung von Akten unter dem Aspekt der Verletzung der Aufklärungspflicht (vgl. BGHSt 30, 131, 136 ff.; BVerfGE 63, 45,
69 ff.).
Bedenken bestehen hier schon insoweit, als die Revisionen eine hinreichende Dokumentation vermissen lassen, inwieweit ihnen im Laufe des
Verfahrens Einsicht in die begehrten Akten zuteil geworden ist – namentlich
hat das Landgericht im Laufe der Hauptverhandlung bestimmte Teile aus den
fraglichen Akten auf besonderen Wunsch der Verteidigung doch noch erfolgreich angefordert – und welche konkreten Hinweise sich aus den vorhande-
- 17 -
nen Akten oder dem Ablauf der Beweisaufnahme auf für die Verteidigung
wesentliches vorenthaltenes Aktenmaterial geboten haben (vgl. BGH wistra
2004, 63). Im übrigen wird das Erfordernis der konkreten Bezeichnung wesentlichen vorenthaltenen Aktenmaterials dem Verteidiger nicht ohne weiteres möglich sein, wenn ihm die Akten, in die er Einsicht nehmen will, verschlossen geblieben sind. Er muß jedoch zumindest dann, sobald er Akteneinsicht erlangt hat, ein entsprechendes konkretes Ergebnis für den Fall vorheriger vollständiger Akteneinsicht vortragen (vgl. auch BGH NStZ-RR 2004,
50). Dies bedeutet, daß er sich grundsätzlich – jedenfalls bis zum Ablauf der
Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge – weiter um die bislang versagte Akteneinsicht bemühen und die entsprechenden Anstrengungen gegenüber
dem Revisionsgericht auch dartun muß (vgl. auch BVerfGE 63, 45, 66 f.,
70 ff.).
Hieran fehlt es in beiden Revisionsbegründungen. In der Revisionsbegründung des Angeklagten M
werden im wesentlichen lediglich
auf theoretischer Grundlage Schlüsse auf einen möglicherweise relevanten
Inhalt der vorenthaltenen Akten gezogen. Die Revision des Angeklagten
H
weist zwar tatsächlich auf ein konkretes Ergebnis aus einer seiner
Verteidigung vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist noch gewährten Einsicht in jene Akten hin. Dieser Vortrag ist indes offensichtlich unvollständig,
da er sich auf ganz begrenzte Auszüge aus einer dort dokumentierten früheren Zeugenaussage beschränkt, ohne jene Erkenntnisse, wie es zur Beurteilung der tatsächlichen Relevanz unerläßlich gewesen wäre, vollständig darzulegen.
bb) Im übrigen wäre aber auch ein Erfolg der Rügen in der Sache
höchst zweifelhaft.
- 18 -
Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, die Akteneinsicht nach § 147 Abs. 2 StPO bis zum Abschluß der Ermittlungen zu versagen, entfaltet auch für das hiesige Verfahren Bindungswirkung. Schon daher
kam eine Beschlagnahme dieser Ermittlungsakten durch das erkennende
Gericht nicht in Betracht, deren Zulässigkeit bei Behördenakten, namentlich
aber bei anderen Strafakten ohnehin grundsätzlich zweifelhaft erscheint (vgl.
G. Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 96 Rdn. 8). Entgegen der
Auffassung der Revisionen hätte das Landgericht nicht bei der obersten
Dienstbehörde um eine Freigabe der Ermittlungsakte gemäß § 96 StPO
nachsuchen müssen. Jedenfalls in dem vorliegenden Sonderfall, in dem sich
staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten auf ein laufendes Ermittlungsverfahren beziehen, in dem Beschuldigtenidentität besteht, ist die Regelung des
§ 147 Abs. 2 StPO – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – lex
specialis gegenüber den allgemeinen Herausgabe- und Beschlagnahmegrundsätzen (vgl. zudem § 477 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Während des Laufs der Ermittlungen kann letztlich nur die ermittlungsführende Staatsanwaltschaft entscheiden, wann die Ermittlungen abgeschlossen sind und der Untersuchungszweck nicht mehr gefährdet ist. Eine
solche Beurteilung hat allein aus dem Gesamtzusammenhang des Ermittlungsverfahrens zu erfolgen. Dabei begründet die Regelung des § 147 Abs. 2
StPO nur ein zeitweiliges Hindernis für die Akteneinsicht des Verteidigers.
Der Beschuldigte soll erst dann uneingeschränkt Akteneinsicht verlangen
dürfen, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind. Allein der Umstand, daß
der Beschuldigte in einem anderen Verfahren bereits angeklagt ist, rechtfertigt nicht, ihm unter Gefährdung des Untersuchungszwecks in diesem Verfahren Akteneinsicht zu gewähren. Dies gilt auch, wenn zwischen den beiden
Verfahren ein Zusammenhang besteht. Die Entscheidung, ob zugunsten des
Angeklagten eine Gefährdung des Untersuchungszwecks in dem noch bei
der Staatsanwaltschaft anhängigen Ermittlungsverfahren in Kauf genommen
- 19 -
werden kann, muß der ermittlungsführenden Staatsanwaltschaft nach § 147
Abs. 2 StPO vorbehalten bleiben und kann grundsätzlich nur von ihr getroffen werden, weil allein sie aufgrund ihrer Verfahrenskenntnis potentielle Beeinträchtigungen des Untersuchungszwecks abschätzen kann (vgl. auch
§ 478 Abs. 1 Satz 1 StPO). Eine Sachverhaltskonstellation, wie sie der – eine
staatspolitische Abwägung erlaubenden – Vorschrift des § 96 StPO zugrunde
liegt, wonach bestimmte Beweismittel aus übergeordnetem staatlichen Interesse für die Verwertung im Strafprozeß gesperrt werden sollen, beurteilt
sich demgegenüber nach anderen allgemeineren Abwägungskriterien. Einen
interjustiziellen Konflikt wie im vorliegenden Spezialfall erfaßt die Vorschrift
– da hierfür eine ausreichend sachgerechte spezielle Regelung zur Verfügung steht – nicht.
Freilich wird die Staatsanwaltschaft bei ihrer nicht delegierbaren Entscheidung die Verteidigungsinteressen des Beschuldigten als Angeklagten
des Parallelverfahrens, für das sein Verteidiger Akteneinsicht begehrt, zu
beachten haben. Gegebenenfalls wird sie die Geheimhaltungsbedürfnisse im
Rahmen des Ermittlungsfortgangs im Sinne einer – möglicherweise auch
eingeschränkt zu gewährenden – Akteneinsicht (bzw. Aktenherausgabe an
das Gericht der laufenden Hauptverhandlung mit der Konsequenz dort zu
gewährender Akteneinsicht) ganz oder teilweise zurückzustellen, widrigenfalls die gebotene Geheimhaltung, die nicht etwa der Regelfall in nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahren ist, auch näher zu begründen haben. Der
Senat hielte es zudem für erwägenswert, die Versagung der Akteneinsicht
durch die Staatsanwaltschaft in dem vorliegenden ganz speziell und außergewöhnlich gelagerten Fall in erweiterter Auslegung des § 147 Abs. 5 Satz 2
StPO (bzw. nach § 478 Abs. 3 Satz 1 StPO; vgl. auch § 406e Abs. 4 Satz 2
StPO) oder gemäß § 23 EGGVG (vgl. BGHSt 46, 261; BVerfGE 63, 45, 66)
sofortiger gerichtlicher Überprüfbarkeit zu unterwerfen.
- 20 -
Das die Hauptverhandlung im Parallelverfahren durchführende Gericht wird seinerseits je nach der Nähe des Sachbezugs und nach der Ersichtlichkeit der Relevanz der Geheimhaltung der Ermittlungsakten deren
Freigabe weiter zu erstreben haben. Maßstab für das Gericht ist dabei die
gerichtliche Aufklärungspflicht und das eine effektive Verteidigung erfordernde Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren. Dessen Bedeutung und
die Anliegen der Wahrheitsermittlung auch in anderen Strafverfahren sind
ihrerseits Richtschnur für die Entscheidung der aktenführenden Staatsanwaltschaft in dem parallelen Ermittlungsverfahren. Die Revisionen haben
nicht verschwiegen, daß es – ersichtlich aus derartigen Erwägungen – auch
im vorliegenden Verfahren während des Laufs der Hauptverhandlung zur
Freigabe von besonders begehrten Teilen aus den geheimgehaltenen anderen Ermittlungsakten gekommen ist.
Es mag zudem Einzelfälle geben, in denen der Grundsatz des fairen
Verfahrens ausnahmsweise eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Freigabe der geheimgehaltenen Ermittlungsakten gebieten kann. Umstände, die
das Landgericht zu einem solchen Vorgehen hätten anhalten können, sind
hier nicht ersichtlich und auch nicht dargetan. Für eine offensichtlich fehlerhafte Annahme einer Gefährdung des Untersuchungszwecks in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf und eine unvertretbare
Hinnahme der darauf gegründeten Akteneinsichtsversagung durch das
Landgericht fehlen ausreichende Anhaltspunkte.
Allgemein nimmt die Strafprozeßordnung abstrakt hin, daß die
Wahrheitsermittlung durch die Anhängigkeit anderer Verfahren beeinträchtigt
werden kann (z. B. durch die Gewährung eines Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 StPO). Die Gefahr, möglicherweise nicht alle Tatsachen
oder Beweismittel in den Strafprozeß einbeziehen zu können, wird ganz wesentlich durch die Regelungen über die Wiederaufnahme ausgeglichen. Sol-
- 21 -
che, sich aus dem zum Zeitpunkt des Urteilserlasses noch im Ermittlungsstadium befindlichen Verfahren ergebenden Tatsachen und Beweismittel
sind regelmäßig neu im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO und rechtfertigen, soweit
sie erheblich sind, die Wiederaufnahme des Verfahrens.
3. Zu den weiteren Verfahrensrügen beschränkt sich der Senat auf
folgende Hinweise.
a) Die auf Verletzung der Vorschriften über die Gewährung des letzten Wortes gestützten Verfahrensrügen scheitern – unabhängig von BGHR
StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 14 – daran, daß sich mit dem Generalbundesanwalt sicher ausschließen läßt, daß das Urteil auf dem geltend gemachten Verstoß beruhen kann. Irgendwelche Anhaltspunkte, daß die Angeklagten, die sich in der mehr als acht Monate andauernden Hauptverhandlung –
auch bei früherer Erteilung des letzten Wortes – nur schweigend verteidigt
haben, ihr Schweigen bei erneuter Erteilung des letzten Wortes nach der
Stellung weiterer Hilfsbeweisanträge gebrochen und urteilsrelevante Bekundungen gemacht hätten, sind weder dargetan noch ersichtlich. Auf ausschließlich theoretisch-abstrakte Möglichkeiten muß sich das Revisionsgericht auch bei diesem relativen Revisionsgrund – ungeachtet seiner Bedeutung – nicht verweisen lassen.
b) Daß der in Kanada gegen seine Auslieferung kämpfende frühere
Mitangeschuldigte und Zeuge
S
ungeachtet einer einem Ver-
teidiger erteilten Zustellungsvollmacht ein Zeuge ist, dessen Ladung im Sinne des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO im Ausland zu bewirken wäre – so daß
nach dieser Vorschrift ein gegenüber § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO erweiterter
Eignungsmaßstab Anwendung finden kann –, steht nach dem mit dem Wortlaut („bewirken“) im Einklang stehenden Sinn der Sondervorschrift außer Frage.
- 22 -
c) Im Rahmen der Entscheidung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO
über den Hilfsbeweisantrag auf Vernehmung des Zeugen J
durfte das
Landgericht ergänzend auch auf den späten Zeitpunkt der Beweisantragstellung Bedacht nehmen.
II.
Mit ihren Sachrügen haben die Angeklagten teilweise Erfolg.
1. Ohne Rechtsverstoß geht das Landgericht allerdings davon aus,
daß sich die Angeklagten jeweils der Untreue gemäß § 266 StGB strafbar
gemacht haben (vgl. jedoch zum Schuldumfang unten 3).
a) Mit der Vereinnahmung der „Kick-back“-Zahlungen haben die Angeklagten die gegenüber ihrem Dienstherrn bestehende Vermögensbetreuungspflicht verletzt und ihrem Dienstherrn einen Nachteil im Sinne des § 266
StGB zugefügt.
aa) Allerdings kann – und insoweit sind die Urteilsgründe mißverständlich – der Nachteil noch nicht darin gesehen werden, daß die Angeklagten die später an sie zurückfließenden Gelder vorher in die Provisionssummen eingestellt haben. Die Provisionen, die vom T
-Konzern ge-
zahlt werden sollten, wurden nämlich in einer Provisionsliste zusammengefaßt, die dann die Grundlage für den Preis des an die saudische Regierung
verkauften „Logistikpakets“ bildete. Insoweit waren aber die einzelnen zu
zahlenden Provisionen lediglich eine interne Kalkulationsgrundlage für den
festzulegenden Preis des „Logistikpakets“. Allein hierdurch ist dem Dienstherrn der Angeklagten kein unmittelbarer Nachteil entstanden, weil die Gelder für die zu zahlenden Provisionen von dem saudischen Vertragspartner
getragen wurden. Hätten die an die Angeklagten zurückgeflossenen Gelder
schon hierbei keine Berücksichtigung gefunden, hätte sich dadurch nur der
- 23 -
Preis des „Logistikpakets“ reduziert; der Gewinn für den T
-Konzern
wäre hingegen unverändert geblieben.
(1) Zwar hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel einen Nachteil im Sinne des § 266 StGB bei Provisions- oder Schmiergeldzahlungen angenommen (vgl. BGHSt 47, 295, 299; BGHR StGB § 266
Abs. 1 Nachteil 49; vgl. zur identischen Problematik beim Ausschreibungsbetrug auch BGHSt 47, 83, 89). Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung
zugrunde, daß jedenfalls mindestens der Betrag, den der Vertragspartner für
Schmiergelder aufwendet, auch in Form eines Preisnachlasses – oder eines
Preisaufschlages in der vorliegenden Fallkonstellation – dem Geschäftsherrn
des Empfängers hätte gewährt werden können (vgl. Raum in Wabnitz/Janovski, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 2. Aufl.
S. 304 m. w. N.). Der Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Nicht jede
Schmiergeldzahlung muß sich zwangsläufig bei dem Geschäftsherrn des
Empfängers als Schaden auswirken. Eine Ausnahme gilt insbesondere dann,
wenn Umstände erkennbar sind, die es nicht unbedingt nahelegen, daß die
Leistungen in die Kalkulation zu Lasten des Geschäftsherrn eingestellt wurden (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 49; BGH NStZ 1995, 233, 234).
(2) Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Das „Logistikpaket“, das
einen in sich abgeschlossenen Teil der Preisvereinbarung betraf, sollte nahezu ausschließlich die aufzuwendenden Provisionszahlungen abdecken.
Trotz einer Vertragsgestaltung, durch die Provisionszahlungen nach außen
hin verdeckt wurden, liegt hier tatsächlich nahe, daß an einer solchen Preisgestaltung insbesondere auch die für die Käuferseite handelnden Personen
ein erhebliches Interesse hatten. Eine gewollte Aufspaltung bei der Preisfestlegung in einerseits den eigentlichen Verkauf und andererseits das sich aus
Provisionen zusammensetzende „Logistikpaket“ legt nahe, daß eine Redu-
- 24 -
zierung des Aufwands für das „Logistikpaket“ nicht zwangsläufig zu einer
Erhöhung des Verkaufspreises der Panzer geführt hätte.
bb) Eine Untreuehandlung der Angeklagten liegt aber jedenfalls darin, daß mit ihrer Kenntnis und Billigung die an den T
ten Gelder an die von
S
-Konzern gezahl-
beherrschte Firma A.
weiter-
gereicht wurden, soweit die Angeklagten hieraus zeitnah Zahlungen erlangten. Insoweit hat eine Vermögenseinbuße auf Seiten des T
-Konzerns
stattgefunden, die einen Nachteil im Sinne des § 266 StGB darstellt.
(1) Die Annahme eines Nachteils ist hier auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der T
-Konzern mit der Zahlung eine entsprechende
Verbindlichkeit gegenüber der A.
zum Erlöschen bringt. Zwar ist aner-
kannt, daß ein Nachteil dann entfällt, wenn das zu betreuende Vermögen von
einer Verbindlichkeit in gleicher Höhe befreit wird (BGHR StGB § 266 Abs. 1
Nachteil 55), weil in diesem Falle zugleich ein den Verlust aufwiegender
Vermögenszuwachs begründet wird (BGHSt 15, 342, 343 f.; BGHR StGB
§ 266 Abs. 1 Nachteil 14). Selbst wenn im vorliegenden Fall aufgrund des
Marketingvertrages eine vertragliche Verpflichtung des T
gegenüber der von
S
beherrschten A.
-Konzerns
bestanden ha-
ben sollte, wäre eine entsprechende Vereinbarung jedenfalls teilweise nichtig
(§ 139 BGB), soweit sie Gelder umfaßte, die an die Angeklagten weitergegeben werden sollten. Eine solche Vereinbarung würde nämlich nach ihrem
wirtschaftlichen Sinngehalt bedeuten, daß die Angeklagten aus ihrer Tätigkeit
für ihren Dienstherrn zu Lasten des Vermögens des T
-Konzerns wei-
tere Vergütungen erhielten. Dies widerspricht den Regelungen des Aktiengesetzes, das die Bestimmung der Vergütung der Vorstandsmitglieder dem
Aufsichtsrat überträgt (§§ 84, 87, 112 AktG). Diese zwingenden gesetzlichen
Regelungen, die eine ausschließliche Personalkompetenz des Aufsichtsrats
festlegen (Hüffer, AktG 4. Aufl. § 84 Rdn. 1), dienen dem Schutz der Gesell-
- 25 -
schaft und sind insoweit auch Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB. Umgeht das einzelne Vorstandsmitglied diese zwingenden Regelungen zur Bestimmung seiner Vergütung durch eine – hier gegebene – „Kick-back“Abrede, dann verstößt die Vereinbarung, nach der die „Kick-back“-Zahlung
geleistet werden soll, gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134
BGB.
Das Landgericht läßt in den Urteilsgründen letztlich offen, ob der Angeklagte M
als Bereichsvorstand eine organschaftliche Stellung in-
nehatte oder lediglich ein herausgehobener leitender Angestellter war. Für
die hier zu entscheidende Frage kann dies ebenfalls offenbleiben, weil es
auch dem Arbeitnehmer verwehrt ist, seinen Arbeitslohn durch den Abschluß
entsprechender „Kick-back“-Vereinbarungen zu Lasten seines Arbeitgebers
in zudem verdeckter Weise zu erhöhen.
(2) Entgegen der Auffassung der Revisionen sind die Provisionszahlungen, die vom T
-Konzern aus dem „Logistikpaket“ geleistet wurden,
nicht lediglich durchlaufende Posten. Vielmehr liegen ungeachtet des kalkulatorischen Zusammenhangs jeweils unterschiedliche Vertragsverhältnisse
zugrunde, die auch rechtlich unterschiedlich zu beurteilen waren. Das „Logistikpaket“ war Bestandteil des Leistungs- und Lieferungsvertrages, aus dem T
-H
als Vertragspartner grundsätzlich der Gesamtkaufpreis zustand.
Mit dem Zufluß des Gesamtkaufpreises ist deshalb bei T
Vermögensmehrung eingetreten. Inwieweit der T
-H
eine
-Konzern aus seinem
Vermögen dann verpflichtet war, aufgrund der Marketingvereinbarung mit A.
an diese zu leisten, ist davon unabhängig auf der Grundlage dieses Vertragsverhältnisses zu prüfen und aus den vorgenannten Gründen insoweit zu
verneinen, als die Gelder „Kick-back“-Zahlungen zugunsten der Angeklagten
sein sollten. Insoweit ist auch die Frage, ob die Provisionszahlungen direkt
über die saudische Regierung als Käuferin oder über T
-H
als
- 26 -
Verkäuferin abgewickelt wurden, nicht lediglich eine Frage der technischen
Ausgestaltung der Erfüllung der Provisionsversprechen. Vielmehr liegt der
Unterschied in dem jeweils andersartigen vertraglichen Konstrukt, das auch
den Bezugspunkt für die strafrechtliche Prüfung bilden muß.
(3) Das gefundene Ergebnis kollidiert nicht mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Nichtabführung von empfangenen Schmiergeldern oder Provisionen als solche nicht dem Untreuetatbestand des § 266 StGB unterfällt. In den von den Revisionen herangezogenen Entscheidungen führt der Bundesgerichtshof lediglich aus, daß die nach
§ 681 Satz 2, § 687 Abs. 2 i.V.m. § 667 BGB bestehende zivilrechtliche
Pflicht des Schmiergeldempfängers zur Herausgabe der empfangenen Leistungen an seinen Geschäftsherrn keine Vermögensbetreuungspflicht im
Sinne des § 266 StGB begründet (BGHSt 47, 295, 298; BGHR StGB § 266
Abs. 1 Nachteil 49; jeweils m. w. N.). Dies schließt aber nicht aus, daß eine
Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht von dem Schmiergeldempfänger
durch eine andere Handlung bewirkt wird. Daß die Angeklagten aufgrund
ihrer herausgehobenen Positionen eine Vermögensbetreuungspflicht zugunsten des Vermögens des T
-Konzerns hatten, unterliegt keinen
Zweifeln. Diese Pflicht haben sie verletzt, indem sie mit
S
aus den versprochenen Provisionen „Kick-back“-Zahlungen vereinbarten und
an dessen Firmen die Zahlung aus dem Vermögen des T
-Konzerns
veranlaßten. Diesen mehraktigen Geschehensablauf setzten die Angeklagten in Gang, um sich letztlich aus dem Vermögen des T
-Konzerns in
Form der „Kick-back“-Zahlungen zu bereichern.
b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen
gleichfalls nicht zu beanstanden, jedenfalls soweit nur die Schuldsprüche
wegen Untreue betroffen sind. Das Landgericht hat aus einer Vielzahl von
Indizien rechtsfehlerfrei geschlossen, daß die Angeklagten mit
- 27 -
S
übereingekommen waren, einen Teil der an A.
gezahlten Pro-
visionen an sie zurückfließen zu lassen.
Hinsichtlich des Angeklagten M
hat sich das Landgericht auf
dessen maßgeblichen Einfluß bei der Aushandlung des Gesamtvertragspakets gestützt, was auch die Festlegung der im einzelnen zu zahlenden Provisionen umfaßte. Schon diese Einwirkungsmöglichkeit legt nahe, daß der Angeklagte M
bereits bei der Bemessung der
S
zu-
gestandenen Provision eine später an ihn zu leistende „Kick-back“-Zahlung
mitberücksichtigt hat, zumal zwischen dem Angeklagten M
S
und
ein – durch die persönliche Korrespondenz belegtes –
freundschaftliches Verhältnis bestand. Soweit das Landgericht auf das Rubrikkonto „Jürglund“ eingezahlte Gelder dem Angeklagten M
zurechnet,
stützt es sich gleichfalls grundsätzlich auf eine ausreichende Tatsachengrundlage. Neben der offensichtlichen Anlehnung der Kontenbezeichnung an
den Vornamen des Angeklagten M
onyme Verwendung der Namen „Jü
S
sind hier noch die teilweise syn“ und „Jürglund“ im Kalender von
aussagekräftig sowie der Umstand, daß sich hiernach in
vertretbarer, naheliegender Auslegung einzelner Kalendereintragungen in
Telefonaten mit „J
“ ausgehandelte Summen kurze Zeit später in Bezie-
hung zur Bezeichnung „Jürglund“ wiederfinden. Hinzu kommt der nahe zeitliche Zusammenhang zwischen den Überweisungen des T
an A.
-Konzerns
und den Einzahlungen auf den Rubrikkonten „Jürglund“ und „Win-
ter“. Einen Barzufluß eines Teils der Gelder an den Angeklagten M
folgert das Landgericht aus der auffallenden zeitlichen Koinzidenz von Barabhebungen und belegten Treffen zwischen
Angeklagten M
S
und dem
.
Hinsichtlich des Angeklagten H
schließt das Landgericht
rechtsfehlerfrei dessen Einbeziehung in die „Kick-back“-Vereinbarung aus
seiner – wiederum auf die persönliche Korrespondenz gestützten – freund-
- 28 -
schaftlichen Beziehung zu
S
. Er war auch frühzeitig in die
Provisionsverhandlungen eingeweiht. Dies hat das Landgericht – entgegen
der Auffassung der Revision – rechtsfehlerfrei nicht allein aus der Zusendung
des Projektleitblatts per Telefax geschlossen, sondern hat es auch aus weitergehenden Überlegungen und Beweiserhebungen, namentlich der Aussage
des Zeugen
Kl
hergeleitet. Zumal da der Angeklagte H
nach
den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts
schon einmal anläßlich eines anderen Geschäfts von
S
ei-
ne Provisionszahlung in Höhe von 500.000 Kanada-Dollar erhalten hatte,
konnte das Landgericht rechtsfehlerfrei davon ausgehen, daß der Angeklagte
H
in die Vereinbarungen mit
Provision an A.
S
über die Höhe der
– und den an ihn hieraus zurückzuführenden Anteil –
einbezogen war, obwohl das Panzergeschäft seinen unmittelbaren Geschäftsbereich nicht betraf. Ebenso wie bei dem Angeklagten M
konnte sich das Landgericht bei seiner Überzeugungsbildung auch auf die
Kalendereintragungen
S
s und auf die Duplizität der Rub-
rikkontenbezeichnungen stützen, die auch beim Angeklagten H
mit
der Benennung „Winter“ in Anlehnung an seinen Vornamen „W
“ er-
folgte. Gleiches gilt für die vom Landgericht angenommene Geldübergabe
am 6. November 1991 in Zürich, die durch Bank- und Reiseunterlagen sowohl von
S
als auch vom Angeklagten H
rechtsfehler-
frei belegt ist.
2. Die Verurteilungen wegen Steuerhinterziehung begegnen aufgrund des vom Landgericht gewählten Begründungsansatzes durchgreifenden Bedenken, weil das Landgericht den Zeitpunkt des Zuflusses im Sinne
des § 11 Abs. 1 EStG für die den Angeklagten zugewandten Vermögenswerte nicht rechtsfehlerfrei bestimmt hat.
- 29 -
a) Zutreffend ist zwar der Ansatz des Landgerichts, daß die den Angeklagten zugewendeten „Kick-Back“-Zahlungen als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG der Einkommensteuer unterliegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Bestechungsgelder, die einem Arbeitnehmer von Dritten gezahlt werden, sonstige Einkünfte im Sinne von § 22
Nr. 3 EStG (BFH BStBl II 2000, 396 ff. m. w. N.; BFH/NV 2001, 25 f.); dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof für Schmiergeldzahlungen
oder Bestechungsgelder angenommen, daß sie der Besteuerung unterliegen
(vgl. zuletzt BGHR AO § 393 Abs. 1 Erklärungspflicht 4 m. w. N.). Für solche
Provisionszahlungen, die nachträglich als „Kick-back“-Zahlungen an die
Empfänger geleistet werden, gilt nichts anderes.
Entgegen der Auffassung der Revisionen ist insoweit auch das erforderliche Gegenseitigkeitsverhältnis gegeben. Die Leistung des Empfängers
besteht zum einen darin, daß er den Geschäftsabschluß – mithin also den
Erhalt von 28 Mio. DM Provisionsleistungen für
S
– ermög-
licht hat. Zum anderen erfolgten die „Kick-back“-Zahlungen ersichtlich in der
begründeten Erwartung, den Empfänger der Gelder auch im Blick auf zukünftige Geschäftsabschlüsse für sich zu verpflichten.
Die Angeklagten waren auch verpflichtet, die ihnen als „Kick-back“Zahlungen zugeflossenen Vermögenswerte der Finanzbehörde zu erklären.
Dies folgt aus der ihnen obliegenden Pflicht zur Offenlegung der für die Besteuerung erheblichen Tatsachen (§ 90 Abs. 1 Satz 2 AO). Dem steht nicht
entgegen, daß die Angeklagten mit der wahrheitsgemäßen Angabe dieser
Einkünfte zugleich die Begehung eigener Straftaten aufdecken müßten. Der
Senat kann dabei dahinstehen lassen, ob die Angeklagten durch das in § 30
AO niedergelegte Steuergeheimnis vor der Weitergabe entsprechender Informationen durch die Finanzbehörde an die Strafverfolgungsbehörden geschützt wären oder ob der Ausnahmetatbestand des § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b
- 30 -
AO hier eine Weitergabe der Informationen ermöglichen würde. Selbst wenn
nämlich ein entsprechender Schutz durch das Steuergeheimnis nicht bestünde, würde dem Steuerpflichtigen – freilich gegebenenfalls mit einem
niedrigeren Konkretisierungsgrad – zugemutet, die Einkünfte zu offenbaren
(BGHR aaO).
b) Nicht gefolgt werden kann allerdings dem Landgericht, soweit es
die auf den Rubrikkonten „Jürglund“ und „Winter“ eingezahlten Gelder den
Angeklagten als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG zurechnet.
Allein durch die Umbuchungen auf die Rubrikkonten sind die dort ausgewiesenen Guthaben den Angeklagten noch nicht als Einnahmen gemäß § 11
Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen.
aa) Eine Einnahme, die auch in einem geldwerten Vorteil bestehen
kann, ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen, sobald der Empfänger
wirtschaftlich über sie verfügen kann oder über sie verfügt hat (BFHE 195,
221, 223 f.; BFH/NV 2002, 643; jeweils m. w. N.). Die bloße Umbuchung auf
ein Rubrikkonto, für welches die Angeklagten keinerlei Zeichnungsrechte
hatten, genügt diesem Erfordernis nicht. Die Angeklagten waren nämlich
wirtschaftlich nicht in der Lage, über die Gutschriften auf den Rubrikkonten
zu verfügen.
bb) Nicht ausreichend belegt ist, wovon das Landgericht – ohne die
entsprechenden Rechtsgrundlagen ausdrücklich zu nennen – allerdings auszugehen scheint, daß zwischen
S
und den Angeklagten
eine treuhänderische Abrede im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO bestanden hat. In einem solchen Falle könnte in der Vereinbarung über das
Treuhandverhältnis zugleich ein Zufluß im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1
EStG zu sehen sein, weil das treuhänderisch gebundene Wirtschaftsgut
(hier: die Guthaben auf den Rubrikkonten) dann mit dem Abschluß einer ent-
- 31 -
sprechenden Treuhandvereinbarung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO den
Angeklagten auch zuzuordnen wäre.
Eine solche Vereinbarungstreuhand ist allerdings grundsätzlich möglich. Sie muß auf ernstgemeinten und klar nachweisbaren Vereinbarungen
zwischen Treugeber und Treuhänder beruhen und tatsächlich durchgeführt
werden. Das Handeln des Treuhänders im fremden Interesse muß wegen
der vom zivilrechtlichen Eigentum abweichenden Zurechnungsfolge eindeutig
erkennbar sein (BFH BStBl II 1998, 152, 156 und 2001, 468, 470). Wesentliches Kriterium für die Annahme eines Treuhandverhältnisses ist die Weisungsbefugnis des Treugebers gegenüber dem Treuhänder und damit korrespondierend die Weisungsgebundenheit des Treuhänders gegenüber dem
Treugeber sowie – im Grundsatz – dessen Verpflichtung zur jederzeitigen
Rückgabe des Treuguts. Der Treugeber muß demnach das Treuhandverhältnis beherrschen. Kann er dies aufgrund der getroffenen Absprachen
nicht, so besteht kein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis im
Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO (BFH BStBl II 1999, 514, 516).
Schließlich muß das Treuhandverhältnis aber auch tatsächlich vollzogen
worden sein (BFH BStBl II 1998, 152, 156 f.).
In dem hier in der Anlage eines Rubrikkontos liegenden Akt kann
zwar eine entsprechende Absonderung der auf das Rubrikkonto transferierten Gelder gesehen werden. Eine klar nachweisbare Vereinbarung, wie der
für diese Rubrikkonten weiterhin allein zeichnungsberechtigte
S
mit den Geldern hätte verfahren sollen, läßt sich jedoch nicht er-
kennen. Ebensowenig ist den Urteilsgründen zu entnehmen, wie der jeweilige Begünstigte auf der Grundlage entsprechender Absprachen das Treuhandverhältnis hätte beherrschen können. Eine solche Beherrschung ist
schon deshalb zweifelhaft, weil bei derart kriminellen Absprachen eine rechtlich durchsetzbare Beherrschung ohnehin nicht in Betracht kommen wird.
- 32 -
Dennoch mag es in besonders gelagerten Ausnahmefällen Fallgestaltungen
geben, die aufgrund der Gesamtumstände, namentlich im Hinblick auf wirtschaftliche Abhängigkeiten oder anderweitiges Druckpotential, dem „Treugeber“ ein solches Maß an Beherrschungsmöglichkeit vermitteln, daß faktisch
von einem Weisungsrecht ausgegangen werden kann. Der Besteuerung eine
solche rechtlich zwar unwirksame, aber praktisch durchgesetzte Treuhandbeziehung zugrunde zu legen, ist nach § 41 Abs.1 Satz 1 AO grundsätzlich
möglich. An den tatsächlichen Vollzug einer solchen Abrede sind jedoch
dann gesteigerte Anforderungen zu stellen.
cc) Das Landgericht geht wohl von einer Treuhandabrede zwischen
S
und den Angeklagten deshalb aus, weil die Rubrikkonten
tatsächlich treuhänderisch geführt worden seien. Diese Wertung hält jedoch
schon aufgrund von Beweiswürdigungsmängeln rechtlicher Überprüfung
nicht stand. Das Landgericht belegt zwar rechtsfehlerfrei in einer erheblichen
Anzahl von Fällen, in denen Gelder von den Rubrikkonten in bar abgehoben
und an die Angeklagten weitergegeben oder aus dem Guthaben in sonstiger
Weise in das Vermögen der Angeklagten überführt wurden, daß die auf dem
Rubrikkonto vorhandenen Gelder zugunsten der Angeklagten verwandt wurden. Insbesondere hinsichtlich einer nach ihrer Größenordnung ganz bedeutenden Transaktion ist die Beweiswürdigung des Landgerichts aber – wie die
Revisionen zutreffend aufzeigen – lückenhaft und widersprüchlich.
(1) Nach den landgerichtlichen Feststellungen erfolgte am 13. Januar 1994 ein Abfluß in Höhe von 9 Mio. DM vom Konto „Jürglund“ zugunsten
eines anderen Kontos von
S
. Dieser Betrag diente zur
Deckung eines auf jenem Konto belasteten Schecks, den
am 30. Juni 1992 ausgestellt und an den Zeugen Le
nanzierung eines Rußlandgeschäfts übergeben hatte.
S
zur Anschubfi-
- 33 -
Das Landgericht geht davon aus, daß dieser Betrag durch den Übertrag einer Festgeldanlage am 18. Januar 1994 alsbald wieder ausgeglichen
worden sei. Woher die Festgeldanlage stammte, ist den Urteilsgründen nicht
zu entnehmen. Die naheliegende Möglichkeit, daß – weil Gelder auf dem
Rubrikkonto „Jürglund“ durchgehend als Festgelder angelegt waren – es sich
um genau solche Gelder gehandelt hatte, läßt das Landgericht unerörtert.
Hierfür hätte aber insbesondere auch die vom Landgericht festgestellte Höhe
des Schlußsaldos gesprochen, der sich auf nur noch 389.000 DM belief; dies
ist jedenfalls der Betrag, den
S
auf das Konto seiner Ehe-
frau vom Rubrikkonto „Jürglund“ überwies. Daß der Betrag von 9 Mio. DM
aus festgelegten Teilbeträgen des Guthabens des Rubrikkontos „Jürglund“
stammt, drängt sich im übrigen auch auf, wenn man die Gesamtbeträge vergleicht. Insgesamt sind auf dieses Konto 10,875 Mio. DM geflossen, die
weitgehend zwischenzeitlich als Festgeldanlagen verzinst wurden. Abgeflossen sind nach den Feststellungen des Landgerichts zugunsten des Angeklagten M
höchstens etwa 3 Mio. DM. Berücksichtigt man die angefal-
lenen Zinsen, liegt nahe, daß die auf das Konto von
S
über-
führten 9 Mio. DM genau demjenigen Betrag entsprechen, dessen Verbleib
nach den Urteilsfeststellungen ungeklärt ist.
Widersprüchlich sind zudem die weiteren Feststellungen des Landgerichts im Zusammenhang mit dem Abfluß der 9 Mio. DM. Das Landgericht
stellt nämlich einerseits fest, daß die entsprechenden Investitionen S
s ohne Risiko gewesen seien, da die Firma Li
eine Bürgschaft ge-
stellt habe. Andererseits seien für diesen Betrag keine Rückzahlungen geleistet worden, mithin müßte also das Darlehen für die Anschubfinanzierung
weiter offen geblieben sein. Ob die Bürgschaft in Anspruch genommen wurde und vor allem an wen gegebenenfalls die Gelder hieraus geflossen sind,
läßt das Landgericht unerörtert. Gerade dieser Gesichtspunkt hätte aber dar-
- 34 -
über Aufschluß geben können, wer wirtschaftlich hinter der Darlehensgewährung gestanden hat.
(2) Gleichfalls läßt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, inwieweit der Mittelabfluß etwa im Interesse des Angeklagten M
gestan-
den haben könnte. Das Landgericht hat insoweit lediglich festgestellt, daß
der Zeuge Bä , der seit 1990/1991 Geschäftsführer bei Li
Angeklagten M
geklagte M
war, den
einige Male getroffen habe. Inwiefern gerade der Anan diesem Geschäft eigene Interessen hatte, vermochte
der Zeuge nicht anzugeben. Wäre dies der Fall gewesen, hätte es im übrigen
nahe gelegen, daß der Scheck sogleich auf das Rubrikkonto „Jürglund“ gezogen worden wäre, wenn
geklagten M
S
insoweit im Interesse des An-
zu Lasten eines treuhänderisch geführten Kontos die-
ses Geschäft hätte durchführen wollen.
cc) Selbst wenn man hinsichtlich des ungeklärten Differenzbetrages
von 9 Mio. DM keine Verfügung im alleinigen Interesse von
S
annähme, bliebe die Verwendung von ca. 70 % des auf dem Konto „Jürglund“ eingegangenen Geldes offen. Dann fehlt aber die zentrale Voraussetzung für die Annahme eines Treuhandverhältnisses. Allein die festgestellten
Zuwendungen belegen kein Treuhandverhältnis. Dies gilt umso mehr, als
diese Abflüsse in der Summe nicht einmal annähernd der Höhe des Betrages
entsprechen, hinsichtlich dessen überhaupt keine Beziehung zu dem
Angeklagten M
aufgezeigt ist.
Das muß sich auch auf die Beurteilung der Rechtslage hinsichtlich
des Kontos „Winter“ auswirken, zumal insoweit ein vollständiger Zufluß der
auf dieses Konto gelangten Zahlungsbeträge an den Angeklagten H
ebenfalls nicht mit umfassend rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung festgestellt
- 35 -
ist – ohne daß freilich hier ein derart krasses Mißverhältnis wie bei dem Angeklagten M
vorläge.
Letztlich ist danach bei beiden Konten weder eine ausdrückliche
Treuhandabrede belegt, noch läßt sich aus den Verfügungen über die Kontenguthaben auf eine solche Treuhandabrede rückschließen.
c) Dieser Begründungsmangel nötigt jedoch hinsichtlich der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung nicht generell zu einer Aufhebung der
Schuldsprüche. Maßgebend sind die vom Landgericht im übrigen rechtsfehlerfrei festgestellten Zuflüsse. Daraus ergibt sich folgendes:
aa) Hinsichtlich des Angeklagten M
sind für die Jahre 1991,
1992 und 1993, die als Veranlagungszeiträume den Verurteilungen zugrunde
liegen, jeweils Vermögenszuflüsse festgestellt. Diese rechtsfehlerfreien Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben. Danach ergeben sich folgende
als sicher zugrunde zu legende Vermögenszuflüsse hinsichtlich des Angeklagten M
:
(1) Für das Jahr 1991 bleiben die Feststellungen über die Geldübergaben im Zusammenhang mit den Barabhebungen vom 11. Juni 1991 (50.000 DM – UA S. 177 ff.), vom 1. Juli 1991
(50.000 DM – UA S. 183), vom 24. Juli 1991 (100.000 DM – UA
S. 186) und vom 6. November 1991 (100.000 DM – UA S. 189)
bestehen, die Beträge in Höhe von insgesamt 300.000 DM umfassen.
(2) Hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 1992 sind die aufrecht
erhaltenen Feststellungen über die als Darlehenshingabe getarnte Kaufpreiszahlung in Höhe von 1,225 Mio. SFr (UA S. 133 bis
- 36 -
146), über die Bezahlung der Internatskosten (35.594 DM
– UA S. 171) sowie eine Geldübergabe nach der Barabhebung
vom 17. Dezember 1992 (115.000 DM – UA S. 194 f.) als Grundlage für einen Mindestzufluß im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1
EStG heranzuziehen.
(3) In Bezug auf den Veranlagungszeitraum 1993 bilden die Überweisungen an die Firma R
(9. Februar 1993
– 86.909,30 DM; 23. April 1993 – 55.617,35 DM; 18. Mai 1993
– 50.000 DM; 26. Oktober 1993 – 104.783,60 DM), an die Firma
I
S
W
I
– 55.126,80 DM) sowie an die I
(19.
I
April
1993
AG (26. Okto-
ber 1993 – 193.621,85 DM), die jeweils vom Rubrikkonto „Jürglund“ zugunsten des Angeklagten M
erfolgt sind (UA
S. 147), als jedenfalls rechtsfehlerfrei festgestellter Mindestzufluß
die Grundlage für den Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung.
Soweit das Landgericht weitere Bargeldabhebungen (10. Dezember 1991, 28. April 1992, 27. Juli 1993 und 4. Oktober 1994) keinen zeitnahen Geldübergaben zuordnen konnte, brauchten die Feststellungen hierzu
nicht aufrechterhalten werden. Insoweit läßt sich nämlich nicht hinreichend
sicher ein Zufluß im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG an den Angeklagten
M
erkennen. Gleiches gilt im übrigen auch für die Einkäufe in Kana-
da (UA S. 174 f.), weil auch hier die Urteilsgründe es letztlich offenlassen, ob
es zu den Zahlungen zugunsten des Angeklagten M
bb) Hinsichtlich des Angeklagten H
gekommen ist.
ist für den Veranlagungs-
zeitraum 1991 eine Überweisung auf das Konto „Winter“ festgestellt. Diese
entspricht dem Betrag, der am 6. November 1991 in Zürich abgehoben und
– wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat – an den Angeklagten
- 37 -
H
übergeben wurde, so daß sich bezüglich der im Jahre 1991 began-
genen Steuerhinterziehung auch im Schuldumfang nichts ändert. Insoweit ist
die Revision – da andere Rechtsfehler im Rechtsfolgenausspruch (Einzelund Einsatzstrafe: ein Jahr sechs Monate Freiheitsstrafe) nicht ersichtlich
sind – im vollen Umfang zu verwerfen.
Bezüglich der für das Jahr 1993 ausgeurteilten Steuerhinterziehung
finden sich allerdings keine tragfähigen Feststellungen, die eine Aufrechterhaltung des Schuldspruchs erlauben. Das Landgericht stellt zwar fest, daß
S
am 3. Februar 1993 in Buchs 170.000 DM und am
28. Dezember 1993 in Zürich 120.000 DM (insoweit sind die Urteilsfeststellungen zudem nicht ganz widerspruchsfrei, vgl. UA S. 91, 93) vom Konto
„Winter“ bar abgehoben hat. Hinsichtlich der ersten Abhebung hat sich kein
Nachweis für ein zeitnahes Treffen mit dem Angeklagten H
ergeben.
Im Anschluß an die Abhebung vom Dezember 1993 leitet das Landgericht
eine Geldübergabe daraus ab, daß der Angeklagte H
sich in seinem
Weihnachtsurlaub in Pontresina aufgehalten hat. Ob
S
al-
lerdings selbst in Pontresina war, hat das Landgericht nicht mehr aufklären
können. Allein die Abhebung in Zürich und der Urlaubsaufenthalt des Angeklagten H
in Pontresina reichen als Tatsachengrundlage angesichts
der erheblichen Entfernung der Orte nicht aus, um einen Geldzufluß beim
Angeklagten H
sicher belegen zu können. Insoweit beschränken sich
die Urteilsgründe auf bloße Vermutungen, die letztlich nicht mehr als einen
Verdacht zu begründen vermögen (vgl. BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 26). Hinzu kommt, daß auch nicht erkennbar ist, ob die Übergabe noch
im Jahre 1993 stattgefunden hat oder erst im Jahre 1994, weil der Urlaub
des Angeklagten H
bis 2. Januar 1994 angedauert hat. Der Veranla-
gungszeitraum 1994 lag aber der Verurteilung nicht zugrunde. Deshalb muß
die Verurteilung hinsichtlich der Steuerhinterziehung 1993 beim Angeklagten
- 38 -
H
auch im Schuldspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer
tatrichterlichen Aufklärung an das Landgericht zurückverwiesen werden.
d) Die Einzelstrafaussprüche wegen Steuerhinterziehung können
dagegen keinen Bestand haben, soweit das Urteil den Angeklagten M
betrifft. Der Fehler bei der Bestimmung des Zuflusses wirkt sich insoweit bei der Bestimmung des Schuldumfangs der jeweiligen Taten unmittelbar aus.
3. Gleichfalls aufzuheben waren die Einzelstrafen, die das Landgericht gegen die Angeklagten wegen Untreue verhängt hat. Zwar kommt es für
die Verwirklichung des Tatbestands der Untreue nicht darauf an, in welchem
Umfang sich die Angeklagten persönlich bereichert haben. Maßgeblich ist
insoweit nur der dem Dienstherrn zugefügte Nachteil im Sinne des
§ 266 StGB. Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, daß die
Vermögenseinbuße T
s sich aus den vereinbarten „Kick-back“-
Zahlungen ergibt. Hier geht das Landgericht rechtlich bedenkenfrei davon
aus, daß die später gezahlten Gelder den vorher vereinbarten Provisionsleistungen in der Höhe entsprachen. Insoweit bilden die tatsächlich an die Angeklagten geflossenen Zuwendungen auch den Mindestschuldumfang für die
Untreue.
Das Landgericht lastet hinsichtlich der Untreue ebenfalls den Angeklagten alle auf die Rubrikkonten umgebuchten Gelder an. Dies begegnet
den bereits oben dargestellten durchgreifenden Bedenken, weil das Landgericht nicht hinreichend belegt hat, daß die auf die Rubrikkonten eingezahlten
Gelder tatsächlich im vollen Umfang den Angeklagten zugute kamen oder
zumindest zugute kommen sollten. Da das Landgericht den Umfang der den
Angeklagten zugewandten Vermögenswerte nicht rechtsfehlerfrei ermittelt
- 39 -
hat, setzt sich dieser Mangel auch in der Bestimmung des Schuldumfangs
der Untreue fort.
Im Blick auf die Bestimmung des Schuldumfangs hinsichtlich der Untreue hält der Senat bezüglich des Angeklagten M
zusätzlich die
Feststellungen zu den Geldübergaben im Anschluß an die Barabhebungen
vom 23. Juni 1994 (50.000 DM – UA S. 195 f.) und vom 18. August 1994
(39.300 SFr – UA S. 197 f.) aufrecht, ferner zur Zuwendung eines Schecks
am 8./10. Januar 1994 über 50.000 SFr (UA S. 167). Gleiches gilt für die zugunsten des Angeklagten M
vorgenommenen Überweisungen vom
Rubrikkonto „Jürglund“, die am 7. April 1994 (285.714,30 DM) und am
22. August 1994 (35.971,20 DM) an die Firma R
Hinblick auf die beiden Überweisungen an die I
erfolgten, sowie im
I
GmbH vom
7. April 1994 (35.547,60 DM) und vom 6. Juni 1994 (12.920,35 DM), mit denen nach der insoweit rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung des Landgerichts
Leistungen des Angeklagten M
an die Empfänger der Gelder er-
bracht werden sollten (UA S. 147 ff.).
III.
Der neue Tatrichter wird – sofern er das Verfahren nicht auch im
Blick auf den Zeitablauf auf der Grundlage der aufrechterhaltenen Feststellungen nach §§ 154, 154a StPO beschränkt – zu prüfen haben, ob zwischen
S
und den Angeklagten eine entsprechende faktische
Treuhandabrede bestanden hat. Dabei wird insbesondere zu klären sein,
welche Einflußmöglichkeiten die Angeklagten hinsichtlich der Verwendung
der auf den Rubrikkonten eingezahlten Gelder hatten und ob diese die Annahme eines jedenfalls tatsächlichen Beherrschungsverhältnisses rechtfertigen können. Dabei werden auch hinsichtlich des bislang unzulänglich erörterten Differenzbetrages von 9 Mio. DM auf dem Rubrikkonto „Jürglund“ nä-
- 40 -
here Feststellungen zu treffen sein. Sollte sich eine Treuhandabrede nicht
nachweisen lassen, werden nur jeweils weitere konkret ermittelte Zuwendungen für die Bestimmung eines weitergehenden Schuldumfangs zugrundezulegen sein. Zur Strafzumessung weist der Senat auf die in seinem Urteil vom
5. Mai 2004 (BGHR AO § 393 Abs. 1 Erklärungspflicht 4) genannten Grundsätze hin. Danach gebietet der enge zeitliche und sachliche Zusammenhang
zwischen dem Vermögensdelikt und der Steuerhinterziehung wegen Nichterklärung der Einnahmen hieraus eine straffe Zusammenziehung der zu verhängenden Einzelstrafen.
Harms
Häger
Gerhardt
Basdorf
Raum