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5 StR 241/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 22. Juli 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei u. a.
-2-
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2004
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Augsburg vom 18. November 2003 – unter
Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO in
den Fällen II.4 Nrn. 8, 9, 10, 11, 19 und 24 der Urteilsgründe – gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über
die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Soweit der Angeklagte in zwei Fällen wegen Steuerhehlerei in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis und mit
Kennzeichenmißbrauch (Fälle II.1.c und d der Urteilsgründe) verurteilt worden ist, wird das Verfahren abgetrennt.
3. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2
StPO als unbegründet verworfen.
4. Soweit das Verfahren eingestellt wird, trägt die Staatskasse die insoweit entstandenen Kosten des Verfahrens
und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
5. Zu neuer Gesamtstrafbildung aus den rechtskräftigen
Einzelstrafen und zur Entscheidung über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels wird die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Der verbleibende Schuldspruch wird – teilweise unter Abänderung – wie folgt neu gefaßt:
-3-
Der Angeklagte ist schuldig
-
der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gewerbsmäßigem
Schmuggel sowie mit Fahren ohne Fahrerlaubnis,
-
der Hehlerei,
-
der Steuerhinterziehung und
-
des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 93 Fällen.
6. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Augsburg vom 17. Juli 2000 in Gestalt der Haftfortdauerentscheidung des
Landgerichts Augsburg vom 18. November 2003 wird auf
die Taten, die Gegenstand des rechtskräftigen Schuldspruchs (oben 5) sind, beschränkt. Im übrigen wird der
Haftbefehl – soweit die Fälle II.1.c und d der Urteilsgründe betroffen sind – aufgehoben.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis,
in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit Steuerhinterziehung und in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit Kennzeichenmißbrauch, und ferner wegen
Hehlerei, wegen Steuerhinterziehung und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 99 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des
Amtsgerichts Memmingen vom 26. Januar 2001 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
-4-
I.
Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
1. Der Angeklagte war seit Jahren nicht mehr im Besitz einer gültigen
Fahrerlaubnis und bereits vielfach wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bestraft. Er beförderte im Auftrag seiner Hinterleute in zwei Fällen von Dritten
nach Griechenland eingeschmuggelte Zigaretten per Lkw von dort über
Deutschland mit Ziel Großbritannien. Die Zigaretten waren dabei unter Tarnladungen verborgen. Bei der Einfuhr nach Deutschland gestellte der Angeklagte die Zigaretten nicht.
In zwei weiteren Fällen wurde der Angeklagte bei den von ihm durchgeführten Zigarettentransporten in Italien aufgegriffen. Bei diesen Fahrten
hatte der Angeklagte teils nur an der Zugmaschine, teils auch am Auflieger
Kennzeichen angebracht, die nicht für diese jeweiligen Fahrzeuge ausgegeben worden waren.
Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der Angeklagte wegen einer dieser Fahrten vom Berufungsgericht Venedig am 22. Februar 2002 in Abwesenheit rechtskräftig unter Strafaussetzung zur Bewährung
zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Wegen
der anderen Fahrt verurteilte ihn ein Gericht in Ancona – ebenfalls in Abwesenheit – am 25. Januar 2001 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Welche Taten im
prozessualen Sinne im einzelnen Gegenstand der Verurteilungen in Italien
waren und nach welchem Verfahren die Abwesenheitsurteile ergangen sind,
ist dem angefochtenen Urteil und den bisher eingeholten Rechtshilfeauskünften nicht zu entnehmen.
-5-
2. Daneben verdieselte der Angeklagte 17.000 l Heizöl, erwarb eine
gestohlene Lkw-Zugmaschine und fuhr in 99 Fällen mit seinem Lkw Touren
durch Europa, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein.
II.
Soweit der Angeklagte in zwei Fällen wegen Steuerhehlerei in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie Kennzeichenmißbrauch (Fälle
II.1.c und d der Urteilsgründe) verurteilt worden ist, wird das Verfahren abgetrennt. Insoweit kommt eine Einstellung des Verfahrens wegen Strafklageverbrauchs gemäß Art. 54 SDÜ in Betracht.
Indes sind vor einer Entscheidung des Senats weitere detaillierte Auskünfte durch Vermittlung von EUROJUST zu den gegen den Angeklagten in
Italien durchgeführten Strafverfahren einzuholen, da die bisherigen Feststellungen und die vorliegenden Rechtshilfeauskünfte keine hinreichende Klärung des möglichen Verfahrenshindernisses erlauben.
Es wird sodann zu prüfen sein, ob zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale von Art. 54 SDÜ und korrespondierender Bestimmungen im Rahmenbeschluß des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 über
den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190/1 vom 18. Juli 2002), namentlich zur Frage der Tatidentität und der prozessualen Anforderungen an ein Abwesenheitsurteil, ein
Vorabentscheidungsverfahren beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 35 EU durchzuführen ist.
Das Gebot einer einheitlichen, den Verfahrensstoff umfassend erschöpfenden Entscheidung durch das Revisionsgericht (vgl. BGH, Urt. vom 6. Juli 2004 – 4 StR 85/03 – zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen) steht der
„vertikalen“ Abtrennung einzelner selbständiger Taten des vollumfänglich
angefochtenen einheitlichen Urteils hier nicht entgegen. Der zur Beurteilung
-6-
des Vorliegens eines aus Art. 54 SDÜ folgenden Verfahrenshindernisses
erforderliche weitere tatsächliche Aufklärungsbedarf sowie die nicht fernliegende Notwendigkeit einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften werden eine unvorhersehbar lange Verzögerung des Verfahrens mit sich bringen. Die aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK und dem Rechtstaatsgebot folgende Pflicht zur Beschleunigung des Verfahrens, zumal in
einer Haftsache, gebietet es hier – ungeachtet der einer Abtrennung entgegenstehenden prozeßökonomischen Erwägungen – über die bereits entscheidungsreifen Teile vorab zu entscheiden (vgl. BGH wistra 2000, 219,
226 f.).
III.
Die Schuldsprüche halten sachlichrechtlicher Überprüfung nicht in
vollem Umfang stand.
1. Soweit die Fälle des Fahrens ohne Fahrerlaubnis bloßen Auslandsbezug aufweisen (vgl. dazu Hentschel, Straßenverkehrsrecht 37. Aufl. § 21
StVG Rdn. 2 m.w.N.), hat der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
2. Im übrigen hat die Revision keinen durchgreifenden Erfolg.
a) Soweit der Tatrichter in der Nichtgestellung der Zigaretten bei der
Durchfuhr durch Deutschland (Fälle II.1.a und b der Urteilsgründe) eine
Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO im Hinblick auf die deutsche Tabaksteuer gesehen hat, stellt der Senat den Schuldspruch auf gewerbsmäßigen Schmuggel gemäß § 373 Abs. 1 AO um. Entsteht die Tabaksteuer – wie
vorliegend – bei der Ein- oder Durchfuhr (vgl. insoweit BGHSt 48, 108,
111 ff.), ist § 373 Abs. 1 AO als spezielleres Delikt anzuwenden. Dies beruht
darauf, daß die geschmuggelten Zigaretten zu keinem Zeitpunkt legal in den
freien Verkehr anderer Mitgliedstaaten gelangten und daher nicht § 19
-7-
TabStG, sondern § 21 TabStG mit seinem Verweis auf die Vorschriften für
Zölle (insbesondere Art. 40 ZK) anzuwenden ist. § 265 StPO steht einer Umstellung des Schuldspruchs nicht entgegen. Gegen diesen Schuldvorwurf
hätte sich der Angeklagte nicht anders als geschehen verteidigen können.
b) Soweit der Tatrichter bei der Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen
unter sechs Monaten für die tatmehrheitlich begangenen Fälle des Fahrens
ohne Fahrerlaubnis nicht die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB erörtert
hat, erweist sich dies im Hinblick auf die Vielzahl der Vorverurteilungen nach
§ 21 StVG nicht als durchgreifend rechtsfehlerhaft.
3. Die Abtrennung und die Teileinstellung des Verfahrens führen zum
Wegfall der Gesamtstrafe. Der neue Tatrichter wird im Hinblick auf die entfallenen Einzelstrafen zunächst nur noch eine neue Gesamtstrafe bezüglich
der rechtskräftigen Schuldsprüche zu bilden haben. Er darf ergänzende
Feststellungen treffen, sofern diese nicht den bisherigen Feststellungen widersprechen.
IV.
Der Senat hat den gegen den Angeklagten bestehenden Haftbefehl
entsprechend § 126 Abs. 3 StPO auf die Vorwürfe beschränkt, die im
Schuldspruch rechtskräftig geworden sind. Hinsichtlich der abgetrennten
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Vorwürfe, die absehbar auf längere Zeit hin noch nicht entscheidungsreif
werden, wäre der Vollzug der Untersuchungshaft nicht mehr verhältnismäßig
im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO.
Harms
Häger
Gerhardt
Basdorf
Raum