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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
5 StR 228/18
vom
1. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:010818B5STR228.18.0
-2-
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. August 2018 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 6. Oktober 2017 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
1. Soweit die fehlende Aufklärung der Erkennbarkeit von Turnschuhen beanstandet wird, ist die Rüge bereits unzulässig, weil der Revisionsführer den
Auswertungsbericht Bl. 8 f. des Sonderheftes „Bildermappe“ nicht mitteilt, dessen Kenntnis für die Beurteilung der Frage erforderlich gewesen wäre, ob sich
das Landgericht zur vermissten Beweiserhebung gedrängt sehen musste.
2. Der Umstand, dass nach dem Inhalt eines eingeführten Telefonats auch
A.
Turnschuhe der Marke Y.
besessen hat, bedurfte
nach dem Gesamtzusammenhang keiner weiteren Erörterung (vgl. auch Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, 61. Aufl., § 267 Rn. 12).
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3. Gleiches gilt für die Verwendung des Begriffs „Vergewaltigung“ in anderen
abgehörten Telefonaten des Angeklagten mit der Nebenklägerin, auf die das
Landgericht nicht näher eingegangen ist.
4. Die Rüge einer unzulässigen Beschränkung der Verteidigung (§ 338 Nr. 8
StPO) ist unbegründet.
a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
Am zweiten Verhandlungstag der 45-tägigen Hauptverhandlung wurde mit der
Vernehmung der Nebenklägerin als zentraler Belastungszeugin begonnen; sie
wurde zudem an zwölf weiteren Hauptverhandlungstagen gehört. Der Angeklagte beantragte über seinen Verteidiger, „die Sitzordnung dergestalt zu ändern, dass er das Gesicht der Zeugin ununterbrochen sehen kann, bzw. dass
die Zeugin den Platz mit der Nebenklägerin tauscht“. Der Vorsitzende lehnte
dieses Begehren mit der Begründung ab, das Gesicht der Zeugin sei für die
Verfahrensbeteiligten erkennbar. Auf Beanstandung des Verteidigers bestätigte
das Gericht die Anordnung des Vorsitzenden mit der Begründung, jedenfalls
diejenigen Verteidiger, die es wünschten, hätten die Möglichkeit, die Mimik der
Zeugin zu beobachten. Ein weitergehendes Recht, die Zeugin mit eigenen Augen frontal zu sehen, habe der Angeklagte nicht. Bei aus den konkreten Gegebenheiten des Sitzungssaals folgenden Sichteinschränkungen für den Angeklagten genüge es, wenn ihm der Verteidiger die Kenntnis der relevanten Mimik
vermittle.
Nach den von der Verteidigung eingereichten Skizzen der Sitzungssäle konnte
der inhaftierte und hinter einer besonderen Schranke sitzende Angeklagte die
während der Vernehmung direkt vor dem Richtertisch positionierte Zeugin von
leicht schräg hinten sehen. Die Revision rügt als unzulässige Beschränkung der
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Verteidigung, dass es dem Angeklagten bei keiner der Vernehmungen möglich
gewesen sei, das Gesicht der Zeugin frontal zu sehen und dabei deren Mimik
zu verfolgen.
b) Die zulässige Rüge hat keinen Erfolg (vgl. zu den Rügeanforderungen BGH,
Beschluss vom 16. April 2015 – 1 StR 490/14, StV 2015, 754 m. Anm. Wollschläger). Der Vortrag der Revision deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten auf.
aa) Die Bestimmung der Sitzordnung im Hauptverhandlungssaal ist eine Maßnahme, die zwar einerseits die rein äußerliche Gestaltung des Hauptverhandlungsablaufs betrifft, andererseits aber auch in die Rechte von Verfahrensbeteiligten eingreifen und deshalb nach § 238 Abs. 2 StPO beanstandet werden
kann (vgl. Becker in Löwe/Rosenberg, 26. Aufl., § 238 Rn. 21 mwN). Von dieser Beanstandungsobliegenheit bei Fragen der Sitzordnung (vgl. bereits OLG
Köln NJW 1961, 1127) hat der Angeklagte Gebrauch gemacht.
bb) Durch den Gerichtsbeschluss ist der Angeklagte aber nicht in seiner Verteidigung in entscheidungserheblicher Weise unzulässig beschränkt worden
(§ 338 Nr. 8 StPO). Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die Rüge nach
§ 338 Nr. 8 StPO die Verletzung einer besonderen Verfahrensnorm voraussetzt
(vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 1981 – 1 StR 48/81, BGHSt 30, 131, 137 mwN)
oder gerade in Fällen wie dem vorliegenden eine Art „Auffangtatbestand“ darstellt, auf den unmittelbar zurückgegriffen werden kann (vgl. nur OLG Köln,
NJW 1980, 302; Dahs, Die Revision im Strafprozess, 9. Aufl. 2017, Rn. 216;
umfassend Franke in Löwe/Rosenberg, 26. Aufl., § 338 Rn. 125 ff. mwN). Denn
die Sitzanordnung hat weder das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren, noch sein Konfrontationsrecht (Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK) oder sein
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Recht auf effektive Verteidigung verletzt noch im Übrigen seine Verteidigung
unzulässig beschränkt.
Die Entscheidung, wie bei einer Zeugenvernehmung die Sitzanordnung konkret
gestaltet wird, hängt von einer Vielzahl von Umständen des Einzelfalls ab, die
in der konkreten Situation vor Ort bewertet und gegeneinander abgewogen
werden müssen. Derartige Entscheidungen, die zudem gefahrenspezifisch
prognostische Elemente beinhalten, kann das Revisionsgericht nur auf grobe
Ermessensfehler überprüfen (vgl. Mosbacher, FS Seebode, S. 227, 229 f.
mwN). Nur wenn die Entscheidung des Gerichts zur Sitzordnung erkennen
lässt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht oder grundlegend die
Rechtspositionen der Verfahrensbeteiligten verkennt und hierdurch tatsächlich
die Mitwirkungsmöglichkeiten des Angeklagten oder seines Verteidigers entscheidungserheblich eingeschränkt wurden, kann eine Rüge nach § 338 Nr. 8
StPO bei Beanstandung der Sitzanordnung Erfolg haben.
(1) Die Sitzanordnung im Gericht muss sich zunächst an den baulichen Gegebenheiten des Hauptverhandlungssaals orientieren, die dem Gericht vorgegeben sind. Der Angeklagte kann dabei auf eine umfriedete oder besonders gesicherte Anklagebank verwiesen werden, wenn ansonsten seine Flucht oder eine
Störung des Verhandlungsablaufs drohen (vgl. § 176 GVG, Nr. 125 Abs. 2
RiStBV). Von seinem Platz aus muss der Angeklagte der Hauptverhandlung
folgen und seine Verteidigung führen können (vgl. OLG Köln aaO). Ihm ist
grundsätzlich zu ermöglichen, sich während der Hauptverhandlung mit seinem
Verteidiger zu besprechen (vgl. hierzu BayObLG StraFo 1996, 47; OLG Köln
aaO;
OLG
Köln,
NJW
1961,
1127;
Molketin,
AnwBl
1982,
469;
Thomas/Kämpfer, MüKo-StPO, § 137 Rn. 21; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom
10. Juli 1996 – 1 BvR 873/94, NJW 1996, 3268, 3269); anderenfalls kann es
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notwendig sein, zu diesem Zweck die Hauptverhandlung auf Antrag zu unterbrechen (vgl. Münchhalffen, StraFo 1996, 18, 19).
(2) Bei der Vernehmung von Zeugen (und Sachverständigen) ist zunächst entscheidend, dass das den Urteilsspruch verantwortende erkennende Gericht
den Zeugen so gut sieht, wie es dies selbst unter Aufklärungsgesichtspunkten
für notwendig erachtet (vgl. zur Amtsaufklärungspflicht als beherrschender Prozessmaxime unter der Geltung des Schuldprinzips BVerfG, Urteil vom
19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168). Zudem kann erforderlich sein, berechtigten Sorgen von Zeugen im Hinblick auf den Angeklagten
oder andere Verfahrensbeteiligte durch eine besondere Sitzanordnung Sorge
zu tragen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. April 1999 – 5 StR 715/98,
NStZ 1999, 419, und vom 24. Juni 2014 – 3 StR 194/14, NStZ 2015, 103). Soweit danach – sowie im Rahmen der baulichen Gegebenheiten – möglich und
mit der Sicherheit und Ordnung im Hauptverhandlungssaal vereinbar, ist den
übrigen Verfahrensbeteiligten die optische Teilhabe an der Zeugenvernehmung
zu gewähren. Kann dies nicht für alle gleichermaßen geschehen, reicht zur
Wahrung der Teilhaberechte des Angeklagten auch aus, einem Verteidiger
– wie hier von der Revision vorgetragen – eine weitergehende Sicht auf den
Zeugen zu ermöglichen.
Zur Wahrung des Konfrontationsrechts aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK genügt es grundsätzlich, dass vor Verurteilung eines Angeklagten alle ihn belastenden Beweismittel in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und in seiner
Gegenwart erörtert werden, um eine kontradiktorische Prüfung zu ermöglichen.
Dem Angeklagten muss angemessen und hinreichend Gelegenheit gegeben
werden, einem Belastungszeugen bei seiner Aussage oder zu einem späteren
Zeitpunkt des Verfahrens entgegenzutreten, ihn zu befragen bzw. befragen zu
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lassen (vgl. EGMR, NJW 2013, 3225, 3226). Dies wird nicht dadurch in Frage
gestellt, dass dem Angeklagten keine frontale Sicht auf einen Zeugen gewährt
wird.
Gerade bei Umfangsverfahren wird es häufig schon aufgrund der baulichen
Verhältnisse unmöglich sein, allen Angeklagten und allen sonstigen Verfahrensbeteiligten einen Blick auf das Gesicht eines Zeugen während dessen Vernehmung zu ermöglichen (vgl. Fromm, NJW 2013, 982, 983). Führt dies zu einer deutlich eingeschränkten Teilhabe an der Zeugenvernehmung, etwa weil
auch die Sicht des Verteidigers auf den Zeugen gravierend behindert ist, kann
das Gericht bei vorheriger Beanstandung der Sitzanordnung oder Offensichtlichkeit der Behinderung sein Urteil auf besondere Beobachtungen der Mimik
und Gestik eines Zeugen nur stützen, wenn es zuvor den übrigen Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung davon Mitteilung und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Geschieht dies, liegt die Verletzung der Grundsätze
des fairen Verfahrens oder des Rechts auf eine effektive Verteidigung durch
eine Sitzanordnung des Gerichts regelmäßig fern.
(3) Nach diesen Maßstäben liegt hier keine Rechtsverletzung vor. Der inhaftierte Angeklagte hatte von seinem Platz einen seitlichen Blick auf die Zeugin. Entgegen der Auffassung der Revision gibt es keinen Anspruch des Angeklagten,
das Gesicht eines Zeugen frontal zu sehen. Die Entscheidung des Landge-
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richts, dem Angeklagten unter all diesen Umständen keinen anderen Platz zuzuweisen, weist keinen Rechtsfehler, schon gar nicht einen groben Ermessensfehler, auf.
Mutzbauer
RiBGH Prof. Dr. König
ist infolge Urlaubs an der
Unterschriftsleistung gehindert.
Schneider
Mutzbauer
Mosbacher
Köhler