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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 87/09
vom
19. November 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Geiselnahme u. a.
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
24. September 2009 in der Sitzung am 19. November 2009, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K.
,
- nur in der Verhandlung vom 24. September 2009 - ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Kl.
,
- nur in der Verhandlung vom 24. September 2009 - ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin T.
,
- nur in der Verhandlung vom 24. September 2009 - ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-3-
1. Auf die Revision des Angeklagten Kl.
wird das Urteil des
Landgerichts Verden vom 2. Juli 2008, soweit es ihn betrifft, im
Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel, mit besonders schwerer Vergewaltigung, mit schwerer Vergewaltigung in acht rechtlich zusammentreffenden Fällen, mit Vergewaltigung in sechs rechtlich zusammentreffenden Fällen, mit
sexueller Nötigung in neun rechtlich zusammentreffenden Fällen und mit Nötigung, der Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel und mit sexueller Nötigung in 24 rechtlich
zusammentreffenden Fällen, des schweren Menschenhandels
sowie der Verabredung zum schweren Menschenhandel und
zur sexuellen Nötigung schuldig ist.
Die weitergehende Revision des Angeklagten Kl.
Revision des Angeklagten K.
und die
werden verworfen.
2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
-4-
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten Kl.
1
wegen Geiselnahme in
Tateinheit mit schwerem Menschenhandel, mit besonders schwerer Vergewaltigung, mit schwerer Vergewaltigung in acht rechtlich zusammentreffenden Fällen, mit Vergewaltigung in sechs rechtlich zusammentreffenden Fällen und sexueller Nötigung in zehn rechtlich zusammentreffenden Fällen (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin T.
), wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwe-
rem Menschenhandel und mit sexueller Nötigung in 24 rechtlich zusammentreffenden Fällen (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin E.
), wegen schweren
Menschenhandels (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Eg. ) und wegen Verabredung zum schweren Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung (Tat zum
Nachteil der Zeugin F.
) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verur-
teilt und gegen ihn die Sicherungsverwahrung angeordnet. Den Angeklagten
K.
hat es wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel
(Tat zum Nachteil der Nebenklägerin T.
), wegen Geiselnahme in Tatein-
heit mit schwerem Menschenhandel, mit Vergewaltigung in neun rechtlich zusammentreffenden Fällen und mit sexueller Nötigung in 24 rechtlich zusammentreffenden Fällen (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin E.
), wegen schweren
Menschenhandels (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Eg. ) und wegen Verabredung zu schwerem Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung (Tat zum
Nachteil der Zeugin F.
) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren
und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es beide Angeklagte freigesprochen. Im Adhäsionsverfahren hat es die Angeklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an die Nebenklägerin E.
ein Schmerzensgeld in Höhe von
150.000 € nebst Zinsen und an die Nebenklägerin Eg.
ein Schmerzensgeld in
Höhe von 5.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Den Angeklagten Kl.
hat es
darüber hinaus zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 150.000 €
nebst Zinsen an die Nebenklägerin T.
verurteilt. Schließlich hat es die
-5-
Ersatzpflicht der Angeklagten bezüglich weiterer materieller und immaterieller
Schäden der Nebenklägerinnen festgestellt. Beide Angeklagten rügen mit ihren
Revisionen die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte Kl.
erhebt
darüber hinaus eine Verfahrensrüge und beanstandet die im Adhäsionsverfahren getroffene Kostenentscheidung. Sein Rechtsmittel führt auf die Sachrüge
zur geringfügigen Änderung des ihn betreffenden Schuldspruchs; im Übrigen
hat es keinen Erfolg. Die Revision des Angeklagten K.
ist insgesamt unbe-
gründet.
2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Die Angeklagten planten, in einem von dem Angeklagten K.
errichte-
ten Einfamilienhaus ein Bordell zu betreiben. Nachdem ihre Bemühungen, Prostituierte anzuwerben, fehlgeschlagen waren, kamen sie überein, jeweils unter
einem Vorwand junge Frauen in das Haus zu locken. Dort sollten sie von dem
Angeklagten Kl.
überwältigt, in das Schlafzimmer im Obergeschoss ge-
bracht und gefesselt werden. Unter Einsatz von Nötigungsmitteln, darunter
auch der Drohung mit dem Tode oder einer langandauernden Freiheitsentziehung, sollten sie sodann der Prostitution zugeführt werden.
4
In Ausführung dieses Plans nahmen sie zunächst unter Vorspiegelung
des Angebots einer Aushilfstätigkeit zu der Nebenklägerin T.
auf. Der Angeklagte K.
Kontakt
brachte sie in das Haus und entfernte sich. Dort
überwältigte der Angeklagte Kl.
sie unter Einsatz von Gewalt; in der Fol-
gezeit wurde sie gegen ihren Willen festgehalten. Der Angeklagte Kl.
wickelte u. a. den gesamten Körper der Nebenklägerin in Frischhaltefolie ein;
aufgrund dessen konnte diese sich nicht mehr bewegen, kaum noch atmen und
hatte Todesangst. Er schnitt die Folie erst wieder auf, nachdem die Nebenklägerin ihm zugesagt hatte, alles zu tun, was er verlange. Nach einigen Tagen
-6-
entschieden die Angeklagten, die Nebenklägerin doch nicht der Prostitution zuzuführen. Statt dessen wollte der Angeklagte Kl.
sie zur Freundin haben.
Er beging zahlreiche Sexualdelikte zu ihrem Nachteil und forderte sie auf, einen
Ersatz als Prostituierte zu finden. Außerdem veranlasste er sie durch den Einsatz massiver Drohungen, zukünftig als "Ausbilderin" der zu überwältigenden
Frauen tätig zu werden und diese dabei zu erniedrigen sowie zu fesseln.
Unter dem Eindruck der gegen sie eingesetzten zahlreichen Nötigungs-
5
mittel ermöglichte die Nebenklägerin den Angeklagten, mit der ihr bekannten
Zeugin F.
telefonisch Kontakt aufzunehmen. Die Angeklagten beabsichtig-
ten, auch diese Zeugin in das Haus zu locken, sie dort zu überwältigen und
durch den Einsatz von Gewalt und Drohungen der Prostitution zuzuführen. Die
Zeugin F.
wurde jedoch misstrauisch und lehnte schließlich die scheinbar
seriösen Angebote der Angeklagten ab. Diese erkannten, dass ihr Plan bezüglich dieser Zeugin gescheitert war, und verfolgten ihn deshalb nicht weiter.
Etwa einen Monat später nahmen sie Kontakt zu der Nebenklägerin
6
E.
auf. Der Angeklagte K.
noch die Nebenklägerin T.
die Nebenklägerin E.
aufhielt. Dort fesselte der Angeklagte Kl.
mit Handschellen und einem Seil. In der Folgezeit
schüchterte der Angeklagte Kl.
klagten K.
verbrachte diese in das Haus, in dem sich auch
sie gemäß der Absprache mit dem Ange-
durch Zwang und Drohungen weiter ein. Die Zeugin wurde unter
anderem in einen Metallkäfig gesperrt, musste gefesselt aus einem Hundenapf
essen und wurde mit ihrem sowie dem Tode ihrer besten Freundin bedroht. In
Einzelfällen kam die Nebenklägerin T.
Kl.
dem Ansinnen des Angeklagten
nach, Fesselungen oder ähnliche Handlungen gegenüber der Neben-
klägerin E.
vorzunehmen. Die Nebenklägerin E.
musste gegen ihren Wil-
len auch den Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten K.
ausführen, wann
immer dieser es wollte. Daneben wurde sie gezwungen, der Prostitution nach-
-7-
zugehen und gegenüber insgesamt 24 Freiern sexuelle Dienstleistungen vorzunehmen. Das Entgelt lieferte sie jeweils den Angeklagten ab.
Nach Aufforderung durch die Angeklagten benannte die Nebenklägerin
7
E.
mehrere Mädchen aus ihrem Bekanntenkreis als weitere potentielle Tat-
opfer, darunter auch die Nebenklägerin Eg. . Diese war den Angeklagten bereits bekannt, da sie über eine Anzeige im Internet eine Tätigkeit als Babysitterin gesucht und die Nebenklägerin T.
daraufhin anweisungsgemäß mit
ihr telefoniert hatte. Unter dem Eindruck der gegen sie eingesetzten Nötigungsmittel vereinbarte die Nebenklägerin E.
wand ein Treffen mit der Nebenklägerin Eg.
telefonisch unter einem Vor. Bei diesem veranlasste sie die
Nebenklägerin Eg. , gemeinsam mit ihr und dem Angeklagten K.
Haus zu fahren. Dort überwältigte der Angeklagte Kl.
in das
die Nebenklägerin
Eg. , fesselte und knebelte sie, zog ihr einen Leinenbeutel über den Kopf und
entkleidete sie. Auf seine Anweisung musste die Nebenklägerin T.
Nebenklägerin Eg.
die
kurze Zeit später in einer diese besonders erniedrigenden
Position auf einem Stuhl festbinden; sodann befragte der Angeklagte Kl.
die Nebenklägerin Eg.
geklagte Kl.
über ihre persönlichen Verhältnisse. Nachdem der An-
und die Nebenklägerin T.
den Raum verlassen hatten,
gelang es der Nebenklägerin Eg. , sich zu befreien, über das Hausdach zu
fliehen und mit Hilfe eines Passanten und von Nachbarn die Polizei zu alarmieren.
Noch vor deren Eintreffen flohen die Angeklagten mit den Nebenkläge-
8
rinnen T.
K.
T.
und E.
. Nach einigen Tagen stellte sich der Angeklagte
im Beisein der Nebenklägerin E.
der Polizei. Die Nebenklägerin
musste gegen ihren Willen auch noch während der Flucht mit dem An-
geklagten Kl.
sexuelle Handlungen vornehmen. So bedrohte er sie etwa
mit einer Schusswaffe und erzwang auf diese Weise die Ausübung des Ge-
-8-
schlechtsverkehrs. Erst nach mehreren Wochen konnte auch der Angeklagte
Kl.
festgenommen werden.
Der näheren Erörterung bedürfen über die Ausführungen des General-
9
bundesanwalts in dessen Antragsschriften hinaus lediglich die folgenden Gesichtspunkte:
10
A. Revision des Angeklagten Kl.
11
I. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts hält sachlichrechtlicher
Nachprüfung nicht stand, soweit die Strafkammer einen Vorfall zum Nachteil
der Nebenklägerin T.
als von dem Angeklagten Kl.
begangene
sexuelle Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB gewertet hat (Fall II. 6. 7 der Urteilsgründe). Nach den Feststellungen erklärte der Angeklagte der Neben-klägerin,
sie müsse die Sexualpraktik "Selbstbefriedigung" erlernen und veranlasste sie,
sich nackt auf den Rücken zu legen, mit ihren Händen ihre Geschlechtsteile zu
berühren und sich erotisch zu bewegen. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 177 Abs. 1 StGB nicht belegt; denn die Nebenklägerin wurde
nicht
genötigt,
sexuelle
Handlungen
des
Angeklagten
oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Angeklagten oder einem Dritten vorzunehmen. Dies erfordert einen sexualbezogenen Körperkontakt zwischen dem Täter oder dem Dritten einerseits und dem Opfer andererseits; das
Herbeiführen von sexuellen Handlungen, die das Opfer lediglich vor dem Täter
oder einem Dritten ausführt, wird demgegenüber von § 177 Abs. 1 StGB nicht
erfasst (Fischer, StGB 56. Aufl. § 177 Rdn. 48). Die Tat des Angeklagten ist
jedoch als Nötigung (§ 240 StGB) strafbar, wobei die Voraussetzungen eines
besonders schweren Falles nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB gegeben sind.
-9-
12
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die zu einer Verurteilung wegen sexueller Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB führen können; er ändert deshalb selbst den
Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265
StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte Kl.
gegen den ge-
änderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der Senat schließt ebenfalls aus, dass das Tatgericht bei zutreffender
rechtlicher Würdigung des tateinheitlich verwirklichten Delikts auf eine niedrigere Einzelstrafe bei der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin T.
oder auf
eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte.
13
II. Die tatrichterliche Bewertung der Konkurrenzverhältnisse zwischen
den einzelnen Taten ist frei von den Angeklagten nachteiligen Rechtsfehlern.
14
Die Strafkammer hat insoweit ausgeführt, die von den Angeklagten jeweils bezüglich eines Opfers verwirklichten Delikte seien als tateinheitlich im
Sinne des § 52 StGB begangen zu werten. Die Straftaten zum Nachteil der Nebenklägerinnen T.
, E.
und Eg.
sowie der Zeugin F.
stünden
zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB).
15
Hiergegen ist im Ergebnis nichts zu erinnern. Nach den - rechtsfehlerfrei
getroffenen - Feststellungen bilden die in einem Tatzeitraum von mehreren Monaten begangenen Handlungen zum Nachteil der vier verschiedenen Opfer,
durch welche die Angeklagten mehrere Dutzend einzelne Straftatbestände verwirklichten und jeweils mehrere höchstpersönliche Rechtsgüter der Nebenklägerinnen verletzten, keine insgesamt einheitliche materiellrechtliche Tat im Sinne des § 52 StGB; denn weder die Voraussetzungen für eine natürliche noch
für eine rechtliche Handlungseinheit sind gegeben.
- 10 -
16
1. Unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit liegt eine
Tat im sachlichrechtlichen Sinne vor, wenn mehrere, im Wesentlichen gleichartige Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund
ihres engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs so miteinander verbunden sind, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches Geschehen darstellt
(st. Rspr.; s. etwa BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss,
einheitlicher 9; § 52 Abs. 1 Entschluss, einheitlicher 1). Richten sich die Handlungen des Täters gegen höchstpersönliche Rechtsgüter der Opfer, wird die
Annahme einer natürlichen Handlungseinheit zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sie liegt jedoch bereits nicht nahe (Fischer aaO Vor § 52 Rdn. 7).
Denn höchstpersönliche Rechtsgüter sind einer additiven Betrachtungsweise
allenfalls in Ausnahmefällen zugänglich. Deshalb können Handlungen, die sich
nacheinander gegen höchstpersönliche Rechtsgüter mehrerer Personen richten, grundsätzlich weder durch ihre Aufeinanderfolge noch durch einen einheitlichen Plan oder Vorsatz zu einer natürlichen Handlungseinheit und damit einer
Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden. Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn die Aufspaltung des Tatgeschehens in Einzelhandlungen wegen
eines außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhanges,
etwa bei Messerstichen oder Schüssen innerhalb weniger Sekunden, willkürlich
und gekünstelt erschiene (BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit,
Entschluss, einheitlicher 9; BGH NStZ 2005, 262, 263; NStZ-RR 1998, 233;
Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. Vor § 52 Rdn. 14 m. w. N.).
17
Nach diesen Maßstäben können die Handlungen des Angeklagten Kl.
nicht zu einer einheitlichen Tat zusammengefasst werden. Das Tätigwerden der Angeklagten beruht zwar auf dem vor Beginn der ersten Tat gefassten, insoweit einheitlichen Entschluss, sich mehrerer Frauen zu bemächtigen
und diese durch Ausübung von Zwang der Prostitution zuzuführen. Gleichwohl
- 11 -
fehlt es mit Blick auf die konkreten Tatumstände an dem erforderlichen engen
Zusammenhang. Die Tathandlungen betrafen u. a. die Freiheit und das Recht
auf sexuelle Selbstbestimmung der Opfer und damit jeweils höchstpersönliche
Rechtsgüter der Geschädigten. Das Tatgeschehen zog sich insgesamt über
mehrere Monate hin. Zwischen den von den Angeklagten begangenen Tathandlungen lagen teilweise erhebliche Zeiträume, so dass es bereits an einer
ausreichenden Verknüpfung in zeitlicher Hinsicht fehlt. Im Übrigen erfolgten die
Angriffe - wenn auch dem Grunde nach dem abgesprochenen Tatplan folgend jeweils aufgrund eines in der konkreten Form neu und separat gefassten Vorsatzes, in einer veränderten Tatsituation und auf unterschiedliche Weise.
Der Umstand, dass der Angeklagte Kl.
18
auf einzelne Opfer einwirkte
mit dem Ziel, dass diese gegenüber weiteren Frauen tätig wurden, begründet
hier ebenfalls keine natürliche Handlungseinheit; denn es fehlt auch mit Blick
auf diesen Umstand an dem erforderlichen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang. Der Angeklagte Kl.
nötigte die Nebenklägerin T.
, als
"Ausbilderin" tätig zu werden, bereits unmittelbar nachdem die Angeklagten beschlossen hatten, diese Nebenklägerin selbst nicht der Prostitution zuzuführen.
Zu diesem Zeitpunkt war die Nebenklägerin T.
die einzige Frau, die sich
in dem Haus aufhielt. Spätere Einzelanweisungen an sie, die Nebenklägerin
E.
zu fesseln und zu erniedrigen, erteilte er ihr jeweils in deren Abwesenheit
bzw. nicht in einer Weise, die den Schluss zulassen würde, der Angeklagte habe bereits allein durch die Anweisung an die Nebenklägerin T.
nötigend auf die Nebenklägerin E.
zugleich
eingewirkt. Entsprechendes gilt schließ-
lich für die Aufforderung der Nebenklägerin T.
, die Nebenklägerin Eg.
auf dem Stuhl zu fesseln, nachdem diese durch den Angeklagten überwältigt
worden war. Mit all diesen Handlungen wirkte der Angeklagte deshalb nicht
gleichzeitig oder in einem derart engen Zusammenhang auf mehrere Opfer ein,
- 12 -
dass sich das Geschehen bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für
einen Dritten als insgesamt einheitlich darstellt.
19
2. Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen einer rechtlichen Handlungseinheit vorliegen, ist zwar zunächst ebenfalls zu berücksichtigen, dass zwischen den Tathandlungen zum Nachteil der jeweiligen Geschädigten - wie das
Landgericht zutreffend erkannt hat - gewisse zeitliche, räumliche und sachliche
Berührungspunkte bestehen. Allein die enge zeitliche und räumliche Verbundenheit verschiedener Handlungsabläufe sowie die gleiche Motivationslage
beim Täter genügen indes nicht, um die Handlungen der Angeklagten zu einer
materiellrechtlichen Tat im Sinne des § 52 StGB zu verbinden. Hierfür erforderlich ist vielmehr die zumindest teilweise Identität der objektiven Ausführungshandlungen. Diese ist gegeben, wenn die Ausführungshandlungen des Täters
in einem für alle Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind und so dazu beitragen, den Tatbestand aller in Betracht
kommender Strafgesetze zu erfüllen (Rissing-van Saan aaO § 52 Rdn. 20 m. w.
N.; vgl. etwa für die Tatbestände der Förderung der Prostitution, der Zuhälterei
und des Menschenhandels bei Handlungen zum Nachteil mehrerer Frauen
BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 1; BGH bei Pfister NStZ-RR 2004,
358; 2005, 366; BGH NStZ-RR 2007, 46, 47; StV 1987, 243; 2003, 617, 618;
Beschl. vom 25. August 1999 - 3 StR 290/99; BGH bei Pfister NStZ-RR 2002,
357 f.).
20
Nach diesen Maßstäben liegt hier keine Tateinheit vor. Im Einzelnen:
21
a) Die sich auf die Nebenklägerinnen T.
und E.
beziehenden
Tathandlungen sind nicht auch nur teilweise identisch. Das Landgericht hat diese Taten - neben den weiteren, jeweils tateinheitlich verwirklichten Delikten - als
Geiselnahme nach § 239 b Abs. 1 2. Halbs. StGB gewertet. Tathandlung ist
- 13 -
danach das Nötigen des Opfers mittels einer qualifizierten Drohung unter Ausnutzen einer von dem Täter durch ein Entführen oder Sichbemächtigen des Opfers ohne Nötigungsabsicht geschaffenen, fortdauernden Bemächtigungslage
aufgrund eines nachträglich gefassten Vorsatzes (Fischer aaO § 239 b Rdn. 5).
22
aa) Die jeweilige Bemächtigungslage wurde nicht durch eine zumindest
teilidentische Handlung der Angeklagten begründet. Die Nebenklägerin T.
wurde am 14. August 2006 überwältigt, die Nebenklägerin E.
am
12. September 2006.
23
bb) Auch die späteren Handlungen der Angeklagten (vgl. hierzu BGH,
Beschl. vom 23. Juli 1997 - 3 StR 36/97 zu § 239 a StGB) überschnitten sich
nicht in zumindest einem tatbestandlichen Ausführungsakt. Die Tat nach § 239
b Abs. 1 2. Halbs. StGB ist bereits mit dem Beginn der Nötigung vollendet; das
Erreichen des Nötigungsziels ist hierfür nicht erforderlich (BGHSt 26, 309, 310;
BGH StV 1987, 483; 1997, 302; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 239 b Rdn. 2,
§ 239 a Rdn. 6; Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. § 239 b Rdn. 11; aA Fischer
aaO § 239 b Rdn. 9; Renzikowski in MünchKomm-StGB § 239 b Rdn. 27). Zwar
ist Tateinheit anzunehmen, wenn eine Nötigung mehrerer Tatopfer durch dieselbe Drohung vorliegt (BGHR StGB § 52 Abs. 1 Rechtsgüter, höchstpersönliche 1; BGH NStZ-RR 1998, 103, 104; Beschl. vom 17. Juli 2007 - 4 StR 220/07;
zur Tateinheit bei Handlungen unter Ausnutzung einer einheitlichen, während
des gesamten Geschehens fortwirkenden Gewalt vgl. BGH NStZ 1999, 618,
619; zur Tateinheit aufgrund einer einheitlichen Täuschungshandlung gegenüber mehreren Geschädigten vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe
30; BGH bei Holtz MDR 1970, 381 f.). Die Nebenklägerinnen wurden jedoch
nicht durch eine einheitliche Handlung, sondern in getrennter Weise jeweils
durch individuell auf die einzelnen Opfer zugeschnittene qualifizierte Drohungen
genötigt. Der Einsatz der Nötigungsmittel diente während der zeitlichen Über-
- 14 -
schneidung des Tatgeschehens auch unterschiedlichen Zielen: Während die
Nebenklägerin T.
die Rolle der Freundin des Angeklagten Kl.
und
"Aufpasserin" bzw. "Ausbilderin" der weiteren Geschädigten übernehmen sollte,
bezweckten die Angeklagten mit der Einflussnahme auf die Nebenklägerin
E.
, dass diese als Freundin des Angeklagten K.
fungieren und der Pros-
titution nachgehen sollte. Selbst (teil-)identische Überwachungs- oder sonstige
zur Verhinderung der Flucht der Nebenklägerinnen geeignete Maßnahmen sind
nicht festgestellt. Mit Blick auf deren unterschiedliche Rolle und die daraus resultierende unterschiedliche Behandlung der Nebenklägerinnen durch die Angeklagten ist auch dem Zusammenhang der Urteilsgründe trotz des sich zeitlich
überschneidenden Festhaltens beider Geschädigter in einem Haus eine derartige Teilidentität nicht zu entnehmen.
24
cc) Auch der Umstand, dass die Handlungen der Angeklagten in der
Form miteinander verknüpft sind, dass die Nebenklägerin T.
zu Tätigkei-
ten genötigt wurde, die ihrerseits dazu dienten, die Nebenklägerin E.
zu nö-
tigen, führt nicht zur Annahme einer rechtlichen Handlungseinheit. Zwar ist
grundsätzlich Tateinheit möglich zwischen einer Nötigung und der Anstiftung zu
einer abgenötigten Handlung (BGH, Urt. vom 12. Mai 1953 - 1 StR 190/53; Träger/Schluckebier aaO § 240 Rdn. 127; Fischer aaO § 240 Rdn. 63 a). Auch
könnte in Betracht kommen, die der Nebenklägerin T.
abgepressten
Handlungen den Angeklagten nach den Grundsätzen der mittelbaren Täterschaft zuzurechnen, weil die Nebenklägerin T.
möglicherweise unter den
Voraussetzungen des entschuldigenden Notstands nach § 35 StGB handelte
und deshalb insoweit als Werkzeug der Angeklagten im Sinne des § 25 Abs. 1
2. Alt. StGB anzusehen sein könnte. All dies bedarf indes im Ergebnis keiner
näheren Betrachtung; denn es würde nicht zu der erforderlichen auch nur teilweisen Identität der Ausführungshandlungen bezüglich der jeweiligen Geiselnahme zum Nachteil der Nebenklägerinnen T.
und E.
führen, da wie
- 15 -
bereits dargelegt der Angeklagte Kl.
durch die Nötigungshandlungen
nicht gleichzeitig, sondern sukzessive auf die verschiedenen Opfer einwirkte.
25
b) Auch im Verhältnis zwischen der Tat zum Nachteil der Zeugin F.
(Verabredung zum schweren Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung) und
den Straftaten zum Nachteil der weiteren Geschädigten kommt die Annahme
einer rechtlichen Handlungseinheit nicht in Betracht; denn insoweit fehlt es ebenfalls an einer wenigstens teilidentischen Ausführungshandlung. Tathandlung
des § 30 Abs. 2 3. Alt. StGB ist die Verabredung, ein Verbrechen zu begehen
oder zu ihm anzustiften. Unter einer Verabredung ist die vom ernstlichen Willen
getragene Einigung von mindestens zwei Personen zu verstehen, an der Verwirklichung eines bestimmten Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken (Fischer aaO § 30 Rdn. 12). Diese nach den Feststellungen zwischen den Angeklagten getroffene Vereinbarung überschneidet sich weder mit den Tathandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin T.
teil der Nebenklägerinnen E.
26
, noch mit denjenigen zum Nach-
oder Eg. .
c) Für das Verhältnis der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Eg.
(schwerer Menschenhandel) zu den bezüglich der sonstigen Opfer verwirklichten Delikten gilt schließlich entsprechendes. Die jeweiligen tatbestandsmäßigen
Handlungen sind ebenfalls nicht auch nur teilweise identisch. Insbesondere
vermag der Umstand, dass die Angeklagten die Nebenklägerin E.
lassten, sich daran zu beteiligen, die Nebenklägerin Eg.
veran-
in das Haus zu lo-
cken, eine Tateinheit zwischen den Delikten zum Nachteil dieser Nebenklägerinnen zu begründen. Tathandlung des § 232 Abs. 4 Nr. 2 StGB ist das Sichbemächtigen einer anderen Person unter Einsatz von Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder List, wobei der Täter in der Absicht handeln
muss, das Opfer zur Aufnahme der Prostitution oder zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen im Sinne des § 232 Abs. 1 StGB zu veranlassen
- 16 -
(Eisele in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 232 Rdn. 34). Der Tatbestand ist
mit dem Erlangen der tatsächlichen Gewalt über die betroffene Person vollendet (Fischer aaO § 232 Rdn. 32). Die physische Herrschaft über die Nebenklägerin wurde in Ausführung des Tatplans der Angeklagten wie bei den Nebenklägerinnen T.
Kl.
27
und E.
erst dadurch begründet, dass der Angeklagte
sie in dem Haus überwältigte und fesselte.
3. Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Würdigung des Landge-
richts zutrifft, dass die von den Angeklagten begangenen einzelnen Delikte zum
Nachteil jeweils einer Geschädigten im Verhältnis der Tateinheit zueinander
stehen. Hieran könnten insbesondere bei den Straftaten zum Nachteil der Nebenklägerinnen T.
und E.
Bedenken bestehen: Den Feststellungen
ist nicht mit Sicherheit zu entnehmen, dass die Bemächtigungslage während
des gesamten Tatzeitraums ununterbrochen fortdauerte. In Betracht kommt
insbesondere, dass in den Zeiten, in denen sich die Angeklagten mit den Opfern außerhalb des Hauses aufhielten, ein physisches Gewaltverhältnis nicht
bestand und ein solches jeweils bei der Rückkehr in das Haus wieder neu begründet wurde. Dies könnte rechtlich als Zäsur zu werten sein mit der Folge,
dass zwischen den Taten vor und nach der Unterbrechung Tatmehrheit anzunehmen wäre. Entsprechendes gilt, soweit die Strafkammer die Delikte zum
Nachteil der Nebenklägerin T.
zusammengefasst hat, die während der
Zeit begangen wurden, in der diese in dem Haus festgehalten wurde, und diejenigen, die der Angeklagte auf der anschließenden Flucht verwirklichte. Durch
die rechtsfehlerhafte Annahme von Tateinheit wäre der Angeklagte indes nicht
beschwert.
- 17 -
28
III. Die auf § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB, jeweils i. V. m. § 66
Abs. 1 Nr. 3 StGB, gestützte Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den
Angeklagten Kl.
lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die formellen Vor-
aussetzungen der genannten Vorschriften liegen vor. Die Strafkammer hat auch
tragfähig belegt, dass der Angeklagte Kl.
infolge eines Hanges zu er-
heblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dabei hat sie wesentlich
auf eine Gemengelage zwischen einer triebhaften Neigung des Angeklagten zu
sadistischen sowie sexuell sadistischen Handlungen auf der einen Seite und
ausgeprägten kognitiven sowie manipulativen Fähigkeiten auf der anderen Seite abgestellt und ausdrücklich in den Blick genommen, dass der Angeklagte
strafrechtlich vergleichsweise geringfügig vorbelastet ist und der von dem
Sachverständigen diagnostizierte sexuelle und allgemeine Sadismus des Angeklagten bisher nicht zu Auffälligkeiten geführt hat.
29
IV. Soweit der Angeklagte Kl.
sich gegen die im Adhäsionsverfah-
ren vom Landgericht getroffene Kostenentscheidung wendet, kommt als statthaftes Rechtsmittel nach § 406 a Abs. 2 Satz 1, § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht
die Revision, sondern die sofortige Beschwerde in Betracht (Gieg in KK 6. Aufl.
§ 472 a Rdn. 2). Eine solche hat der Angeklagte innerhalb der Frist des § 311
Abs. 2 StPO nicht erhoben.
30
V. Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision des Angeklagten Kl.
ist es nicht unbillig, auch diesen Beschwerdeführer mit den
gesamten durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
31
B. Revision des Angeklagten K.
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I. Zur Frage der konkurrenzrechtlichen Würdigung der Taten gelten die
Ausführungen zur Revision des Angeklagten Kl.
entsprechend; ein
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nachteiliger Rechtsfehler liegt aus den dort dargelegten Gründen insoweit auch
bezüglich des Angeklagten K.
nicht vor.
II. Ein Anlass, bei dem Angeklagten K.
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das Vorliegen der Vorausset-
zungen einer Unterbringung nach § 64 StGB zu erörtern, bestand entgegen der
Ansicht der Revision bereits deshalb nicht, weil nach den Feststellungen ein
symptomatischer Zusammenhang zwischen einem eventuell vorliegenden Hang
des Angeklagten, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im
Übermaß zu sich zu nehmen, und den von ihm begangenen Straftaten fern
liegt.
Becker
Pfister
Hubert
Sost-Scheible
Schäfer