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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 3/10
vom
4. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
-2-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Februar 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 18. August 2009, soweit es ihn betrifft,
im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
1
1. Das Landgericht München I hat den umfassend geständigen Angeklagten wegen insgesamt 61 Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten ist gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Sie führt jedoch
aufgrund einer Verfahrensrüge zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
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2. Mit dieser macht die Revision einen Verstoß gegen § 258 Abs. 2 StPO
geltend, weil dem Angeklagten das letzte Wort nicht gewährt worden sei. Nach
ihrem - den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden - Vortrag war die Beweisaufnahme geschlossen und die Gelegenheit zum Schluss-
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vortrag des Verteidigers sowie zum letzten Wort des Angeklagten gegeben
worden. Hieran anschließend wurde erneut in die Beweisaufnahme eingetreten
und die Frage der Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel und weiterer
Gegenstände erörtert. Diesbezüglich erklärten sich der Angeklagte und sein
Verteidiger mit deren formloser Einziehung einverstanden. Nach der erneuten
Schließung der Beweisaufnahme wiederholten lediglich die Staatsanwaltschaft
und der Verteidiger ihre zuvor gestellten Anträge, während dem Angeklagten
keine Gelegenheit gegeben wurde, sich zu äußern.
3. a) Diese Verfahrensweise entsprach nicht dem Gesetz. Denn nach der
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Rechtsprechung ist dem Angeklagten gemäß § 258 Abs. 2 StPO erneut das
letzte Wort zu gewähren, wenn nach dem Schluss der Beweisaufnahme nochmals in die Verhandlung eingetreten worden ist, weil jeder Wiedereintritt den
vorausgegangenen Ausführungen des Angeklagten die rechtliche Bedeutung
als Schlussvortrag und letztes Wort nimmt und die erneute Beachtung des
§ 258 StPO erforderlich macht (BGHSt 22, 278, 279/280; BGH NStZ-RR 1998,
15).
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Wann von einem Wiedereintritt auszugehen ist, ist anhand der konkreten
Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Insbesondere liegt ein Wiedereintritt
vor, wenn der Wille des Gerichts zum Ausdruck kommt, im Zusammenwirken
mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fortzufahren oder wenn Anträge mit den Verfahrensbeteiligten erörtert werden (BGH NStZ 2004, 505, 507
m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung liegt hier vor. Zum einen wird im Protokoll
selbst das prozessuale Geschehen dahingehend bewertet, dass „nochmals in
die Beweisaufnahme eingetreten“ und diese „erneut geschlossen“ wurde. Zum
anderen kam der Erklärung des Angeklagten, er sei mit der formlosen Einzie-
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hung sichergestellter Gegenstände einverstanden, potentielle Bedeutung für die
tatgerichtliche Sachentscheidung zu.
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b) Der geltend gemachte Verfahrensverstoß ist auch bewiesen. Der für
den Nachweis der in Rede stehenden wesentlichen Förmlichkeit (§ 274 Abs. 1
StPO) allein maßgeblichen Sitzungsniederschrift (vgl. BGHSt 22, 278, 280)
lässt sich nach Ansicht des Senats nicht entnehmen, dass dem Angeklagten
nach dem erneuten Schluss der Beweisaufnahme (nochmals) das letzte Wort
gewährt worden ist. Es kommt daher nicht darauf an, dass die an dem Urteil
beteiligten Berufsrichter, der staatsanwaltschaftliche Sitzungsvertreter und die
Protokollführerin in ihren jeweiligen dienstlichen Stellungnahmen erklärt haben,
sich an den konkreten Verfahrensgang nicht mehr zu erinnern.
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4. a) Auf dem dargelegten Verfahrensfehler kann jedoch der Schuldspruch nicht beruhen. Der Senat kann im vorliegenden Fall ausschließen, dass
der Angeklagte in einem - erneuten - letzten Wort etwas insofern Erhebliches
hätte bekunden können. Denn er war zuvor umfassend und für das Tatgericht,
das seine Überzeugung zudem auf weitere Beweismittel gestützt hat, glaubhaft
geständig gewesen.
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b) Dagegen kann der Ausspruch über die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe auf dem Verfahrensfehler beruhen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der
Angeklagte, wäre ihm das letzte Wort erneut erteilt worden, Ausführungen gemacht hätte, die die Strafzumessung zu seinen Gunsten beeinflusst hätten.
Dies gilt umso mehr, als sein nach dem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme
erklärtes Einverständnis mit der außergerichtlichen Einziehung sichergestellter
Gegenstände jedenfalls unter dem Gesichtspunkt gezeigter Reue als mildernder Umstand hätte gewertet werden dürfen.
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Dem steht nicht entgegen, dass sich die Verfahrensbeteiligten ausweis-
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lich der Urteilsgründe bereits am ersten der beiden Hauptverhandlungstage
hinsichtlich der Gesamtstrafe verständigt hatten. Denn der am 4. August 2009
und damit sechs Tage vor Beginn der Hauptverhandlung in Kraft getretene
§ 257c StPO sieht in seinem Absatz 3 Satz 2 die Benennung einer Ober- und
einer Untergrenze und in seinem Absatz 4 Satz 1 ein Entfallen der Bindung des
Gerichts an die Verständigung vor, wenn der in Aussicht gestellte Strafrahmen
nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist.
Nack
Wahl
Jäger
Elf
Sander