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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 120/02
Verkündet am:
3. November 2004
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 1573 Abs. 2, 1578 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 323 Abs. 1
Die Abweisung einer Klage auf künftigen Unterhalt wegen fehlender Bedürftigkeit für die Zeit ab der letzten mündlichen Verhandlung entfaltet auch dann keine materielle Rechtskraft für die Zukunft, wenn zugleich rückständiger Unterhalt
zugesprochen wurde. Deswegen ist künftiger Unterhalt, der im Hinblick auf die
geänderte Rechtsprechung des Senats zur Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse bei Hausfrauenehen begehrt wird, mit der Leistungsklage und nicht
mit der Abänderungsklage nach § 323 Abs. 1 ZPO geltend zu machen (Fortführung der Senatsurteile vom 13. Dezember 1989 - IVb ZR 22/89 - FamRZ 1990,
863 und vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 63/83 - FamRZ 1985, 376; Abgrenzung
zu dem Senatsurteil vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 347/81 - FamRZ 1984, 353).
BGH, Urteil vom 3. November 2004 - XII ZR 120/02 - OLG Düsseldorf
AG Duisburg
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. November 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Senats für
Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Mai
2002 unter Zurückweisung der weitergehenden Revision aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts
Duisburg vom 13. Dezember 2001 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und insgesamt wie
folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Ehegattenunterhalt für die Zeit von Oktober 2001 bis Dezember 2001
in Höhe von monatlich 1.267 DM und für die Zeit ab Januar 2002
in Höhe von monatlich 648 € zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
-3-
Tatbestand:
Die Parteien streiten um nachehelichen Ehegattenunterhalt.
Die Parteien sind seit dem 11. Januar 1997 rechtskräftig geschieden. Mit
Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 13. März 2001 wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 1. Juli bis zum 21. Dezember 2000 monatlichen nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 975 DM zu zahlen. Für
die Folgezeit wies das Amtsgericht die Klage rechtskräftig ab, weil die Klägerin
über anrechenbare Einkünfte verfügte, die ihren nach der Anrechnungsmethode
ermittelten Unterhaltsbedarf deckten. Dabei ging das Gericht von eheprägenden Einkünften des Beklagten in Höhe von 5.231,42 DM und einem Unterhaltsbedarf der Klägerin in Höhe von 2.242,04 DM aus. Darauf rechnete es für die
Zeit bis zum 21. Dezember 2000 Einkünfte der Klägerin in Höhe von 1.240 DM
und für die Zeit danach solche in bedarfsdeckender Höhe an.
Mit der am 4. Oktober 2001 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin
unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum
Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen innerhalb einer
Hausfrauenehe die Abänderung des Urteils vom 13. März 2001. Hilfsweise verfolgt sie ihren Antrag auf nachehelichen Ehegattenunterhalt für die Zeit ab Oktober 2001 auch im Wege der Leistungsklage.
Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß in Abänderung des
Urteils vom 13. März 2001 verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 1.320 DM für die Zeit von Oktober bis Dezember 2001 und in Höhe von 660 € für die Zeit ab Januar 2002 zu zahlen. Auf die
Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil nur geringfügig
abgeändert und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Ehegattenunterhalt für die Zeit von Oktober bis Dezember 2001 in Höhe von monat-
-4-
lich 1.267 DM und für die Zeit ab Januar 2002 in Höhe von monatlich 648 € zu
zahlen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision
des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist im wesentlichen unbegründet und führt lediglich aus prozessualen Gründen, nicht aber in der Sache zu einer Änderung des Urteilstenors.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2002, 1574 veröffentlicht ist, hat die Revision wegen der Rechtsfrage zugelassen, ob die Abänderung eines Unterhaltsurteils nach § 323 ZPO trotz gleich gebliebener Einkommensverhältnisse allein wegen der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse in einer
Hausfrauenehe (vgl. Senatsurteil vom 13. Juni 2001 - XII ZR 343/99 – BGHZ
148, 105 = FamRZ 2001, 986) zulässig ist. Auf diese Rechtsfrage, die der Senat inzwischen mit Urteil vom 5. Februar 2003 (- XII ZR 29/00 - BGHZ 153, 372
= FamRZ 2003, 848) im Sinne des angefochtenen Urteils entschieden hat,
kommt es indes nicht an. Denn das Begehren der Klägerin ist nicht im Wege
der Abänderungsklage, sondern entsprechend ihrem Hilfsantrag nur in der
Form einer neuen Leistungsklage nach § 258 ZPO zulässig.
-5-
II.
Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, daß die Klage als Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO zulässig ist. Es hat den Beklagten deswegen auf
den Hauptantrag der Klägerin unter Abänderung des Urteils vom 13. März 2001
zu Unterhaltszahlungen ab Oktober 2001 verurteilt. Dem ist das Oberlandesgericht im Grundsatz gefolgt. Insoweit hält die rechtliche Beurteilung den Angriffen
der Revision nicht stand.
1. Der Senat hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß ein Unterhaltsverlangen, das wegen fehlender Bedürftigkeit des Klägers rechtskräftig abgewiesen worden ist, nach Eintritt der vormals fehlenden Anspruchsvoraussetzungen im Wege einer neuen Leistungsklage, die nicht an die Voraussetzungen
des § 323 ZPO gebunden ist, geltend zu machen ist (Senatsurteile vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 63/83 - FamRZ 1985, 376, 377 und vom 13. Dezember
1989 - IVb ZR 22/89 - FamRZ 1990, 863, 864). Denn die Abänderung eines
Urteils nach § 323 ZPO setzt schon nach dem Wortlaut eine Verurteilung zu
künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen voraus. Nur ein der Unterhaltsklage für die Zukunft wenigstens teilweise stattgebendes Urteil wirkt
über den Zeitpunkt der Entscheidung hinaus, indem seine Rechtskraft auch die
erst künftig zu entrichtenden Unterhaltsleistungen erfasst, deren Festsetzung
auf einer Prognose der künftigen Entwicklung beruht. Weicht die tatsächliche
Entwicklung von dieser Prognose ab, handelt es sich deswegen nicht um eine
neue Tatsachenlage, sondern um einen Angriff gegen die Richtigkeit des früheren Urteils, das mit Hilfe von § 323 ZPO unter Durchbrechung seiner Rechtskraft den veränderten Urteilsgrundlagen angepaßt werden kann.
Ist die Klage hingegen abgewiesen worden, weil der geltend gemachte
Unterhaltsanspruch nicht bestand, so liegt der Abweisung für die Zukunft keine
-6-
sachliche Beurteilung nach den voraussichtlich in der Zukunft bestehenden
Verhältnissen zugrunde. Deswegen kommt einem solchen klagabweisenden
Urteil auch keine in die Zukunft reichende Rechtskraftwirkung zu, für deren
Durchbrechung es der Vorschrift des § 323 ZPO bedürfte. Tritt in diesen Fällen
die vormals fehlende Anspruchsvoraussetzung später ein, steht die Rechtskraft
des klagabweisenden Urteils einer neuen Leistungsklage ebensowenig im Wege wie in sonstigen Klagabweisungsfällen, in denen eine neue Tatsache eintritt,
die einen anderen, vom rechtskräftigen Urteil nicht erfaßten Lebensvorgang
schafft (Senatsurteil vom 30. Januar 1985 aaO; so auch Wendl/ Thalmann Das
Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 8 Rdn. 142 a ff.;
Graba, Die Abänderung von Unterhaltstiteln 3. Aufl. Rdn. 78; Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozeß 3. Aufl. Rdn. 5316; Thomas/Putzo
ZPO 23. Aufl. § 323 Rdn. 42).
Die gegen diese Rechtsprechung angeführten Argumente (vgl. Göppinger/Vogel, Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 2386 m.w.N.) überzeugen nicht. Zwar
ist der Ausgang des Vorprozesses letztlich ausschlaggebend dafür, ob eine
neue Forderung im Wege der Abänderungsklage oder der Leistungsklage geltend zu machen ist. Das ist jedoch zwingend durch den Umfang der Rechtskraft
der abzuändernden Entscheidung vorgegeben. Einer Urteilsabänderung nach
§ 323 ZPO als Durchbrechung der materiellen Rechtskraft bedarf es nur, wenn
die frühere Entscheidung tatsächlich eine der Rechtskraft fähige Entscheidung
für die Zukunft enthält. Umgekehrt steht die frühere Entscheidung einer neuen
Leistungsklage nicht entgegen, wenn ihre Rechtskraft sich auf die Vergangenheit beschränkt. Ob dieses der Fall ist, kann sich nur aus dem Inhalt der Entscheidung ergeben, nämlich daraus, ob sich die frühere Entscheidung im Wege
einer Prognose der künftigen Verhältnisse mit den Voraussetzungen des künftigen Unterhaltsanspruchs befaßt hat. Das ist bei Abweisung der Klage schon
auf der Grundlage der gegenwärtigen Verhältnisse nicht der Fall.
-7-
Die Rechtsprechung des Senats führt auch nicht zu der Konsequenz,
daß im Falle eines der Klage auf laufenden Unterhalt nur teilweise stattgebenden Ersturteils hinsichtlich des abgewiesenen Teils eine neue Klage und im übrigen eine Abänderungsklage zulässig ist (so aber Göppinger/Vogel, Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 2386 unter Hinweis auf Wax FamRZ 1982, 347, 348). Solche
Ausgangsurteile beruhen, auch wenn sie der Klage nur teilweise stattgegeben
haben, stets auf einer Prognose für die Zukunft und erwachsen damit auch für
diese Zeit in Rechtskraft. Auch sie können deswegen insgesamt nur unter
Durchbrechung dieser Rechtskraft nach § 323 ZPO abgeändert werden. Diese
Auffassung steht auch im Einklang mit dem Senatsurteil vom 30. Januar 1985
(a.a.O.), in dem der Senat eine Abänderungsklage gegen ein klagabweisendes
Urteil für zulässig erachtet hat. Das abzuändernde Urteil beruhte dort nämlich
trotz der Klagabweisung auf einer Zukunftsprognose, weil es seinerseits ein
früheres (stattgebendes) Urteil auf künftige Unterhaltszahlungen abgeändert
hatte.
2. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist das Begehren der Klägerin nicht als Abänderungsklage, sondern als neue Leistungsklage zulässig.
Das Amtsgericht hatte den Beklagten am 13. März 2001 zu (rückständigem) nachehelichem Ehegattenunterhalt für die Zeit vom 1. Juli bis zum 21. Dezember 2000 verurteilt und die Klage für die Folgezeit abgewiesen, weil der Unterhaltsbedarf gedeckt war. Schon im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
bestand deswegen auf der Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse kein Unterhaltsanspruch mehr. Die Klagabweisung für die Zukunft beruhte deswegen
nicht auf einer Prognose der künftigen Entwicklung für die Zeit ab der letzten
mündlichen Verhandlung, sondern auf den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung. Die Rechtskraft dieses Urteils erstreckt sich deswegen auch nicht
auf künftige Unterhaltsansprüche der Klägerin. Darin unterscheidet sich der vor-
-8-
liegende Fall von dem Sachverhalt im Senatsurteil vom 26. Januar 1983
(- IVb ZR 347/81 - FamRZ 1984, 353). Dort hatte das Ausgangsgericht einen
Unterhalt über den Entscheidungszeitpunkt hinaus zugesprochen, der erst in
der Zukunft entfallen sollte. Jene Entscheidung beruhte deswegen auf einer
Zukunftsprognose, ist somit auch insoweit in Rechtskraft erwachsen und konnte
nur unter Durchbrechung der Rechtskraft nach § 323 ZPO abgeändert werden.
Die Rechtskraft des hier vorliegenden Urteils vom 13. März 2001 erfasst hingegen künftige Unterhaltsansprüche nicht und steht deswegen einer neuen Leistungsklage auch nicht entgegen. Das Urteil kann somit mangels Rechtskraft
für die Zukunft auch nicht im Wege des § 323 ZPO abgeändert werden. Weil
die Klägerin ihr Begehren allerdings hilfsweise auch im Wege der Leistungsklage verfolgt hat, kann der Senat den Entscheidungstenor auf der Grundlage des
feststehenden Sachverhalts ändern.
III.
Soweit das Berufungsgericht den nach § 1573 Abs. 2 BGB geschuldeten nachehelichen Ehegattenunterhalt im Wege der Differenzmethode ermittelt hat, entspricht dieses der Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Senatsurteile vom
13. Juni 2001 - XII ZR 343/99 - BGHZ 148, 105 = FamRZ 2001, 986 und vom
-9-
5. Mai 2004 - XII ZR 132/02 - FamRZ 2004, 1173) und wird auch von der Revision nicht angegriffen. Die Unterhaltsberechnung beruht auch nicht auf den Besonderheiten der Abänderungsklage nach § 323 ZPO und ist deswegen auf die
Unterhaltsbemessung im Wege der Leistungsklage übertragbar.
Hahne
Sprick
Wagenitz
Weber-Monecke
Dose