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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XI ZR 90/04
vom
31. Mai 2005
in dem Rechtsstreit
-2-
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die
Richter Dr. Ellenberger und Prof. Dr. Schmitt
am 31. Mai 2005
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten
wird das Urteil des Einzelrichters des 5. Zivilsenats
des Kammergerichts in Berlin vom 30. Januar 2004
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 389.230,68 €
Gründe:
I.
Der Kläger ist Verwalter in dem Gesamtvollstreckungsverfahren
über das Vermögen der E.
GmbH i.G. (nachfol-
gend: Gemeinschuldnerin). Die Beklagte gewährte der Gemeinschuldne-
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rin und deren in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossenen Geschäftsführern Darlehen, die durch eine Grundschuld an
einem Grundstück der Gemeinschuldnerin in A.
gesichert wur-
den. Nach Kündigung der Geschäftsverbindung und Gutschrift eines Betrages von 1,57 Millionen DM aus der Verwertung eines mit einer Grundschuld der Beklagten belasteten Grundstücks der Gemeinschuldnerin in
F.
wies deren Konto ein Debet von 5.071.830,07 DM auf.
Am 24./25. Juni 1997 trafen die Parteien eine Vereinbarung über
den freihändigen Verkauf des Grundstücks in A.
durch den
Kläger. Danach sollte der über den festgelegten und nach einem bestimmten Schlüssel zu verteilende Mindestpreis von 5.825.000 DM erzielte Erlös zwischen den Parteien hälftig geteilt werden. Weitergehende
Ansprüche der Beklagten gegen die Masse sollten ausgeschlossen sein.
Am 29. Juli 1997 veräußerte der Kläger das Grundstück zu einem Preis
von 7.150.000 DM. Der erzielte Erlös wurde gemäß der Verwertungsvereinbarung vom 24./25. Juni 1997 verteilt. Den auf die Beklagte entfallenden Betrag schrieb sie dem Konto der Gemeinschuldnerin gut, so daß
sich rechnerisch ein Guthabenbetrag in Höhe von 897.677,78 DM ergab.
Davon buchte die Beklagte ohne Anweisung des Klägers insgesamt
761.269,04 DM auf ein für die ehemaligen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin (GbR) geführtes Konto zur teilweisen Tilgung eines erheblichen Schuldsaldos.
Der Kläger begehrt die Herausgabe der umgebuchten Beträge in
Höhe von 389.230,68 Euro an die Masse. Das Landgericht hat der Klage
in vollem Umfang stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung
der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Zur
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Begründung seiner von der Beklagten mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch aus § 812 BGB
(Eingriffskondiktion) zu. Der Eingriff der Beklagten in das Konto der Gemeinschuldnerin sei ohne Rechtsgrund erfolgt. Auf das Kontoguthaben
habe die Beklagte nur zugreifen dürfen, wenn die umgebuchten Guthabenbeträge aus der Verwertung des Grundstücks in A.
herrühr-
ten. Dies könne jedoch nicht festgestellt werden. In dem von der Beklagten errechneten Saldo sei nämlich auch der Erlös von 1,57 Millionen DM
eingerechnet worden, auf den sich die Verwertungsvereinbarung vom
24./25. Juni 1997 nicht beziehe. Diesen Betrag habe die Beklagte nicht
einfach zur Tilgung des aus ihrer Sicht bestehenden Debets der Gemeinschuldnerin verwenden dürfen. Denn nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens habe sie für die Gemeinschuldnerin eingehende
Zahlungen nicht mehr mit dem Schuldsaldo auf deren Konto verrechnen
dürfen.
II.
Das angefochtene Urteil ist gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben
und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen, da das angegriffene Urteil den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt und deshalb die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen wäre (vgl. Senatsbeschluß vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, WM 2004, 1407, 1408 f.,
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zur Veröffentlichung in BGHZ 159, 135 bestimmt; siehe auch BGH, Beschluß vom 5. April 2005 - VIII ZR 160/04, Umdr. S. 2 f.).
1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der
Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 60, 247, 249; 70, 288, 293; 83, 24, 35; BVerfG
NJW-RR 2001, 1006, 1007). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt
dabei eine gewisse Evidenz der Gehörsverweigerung voraus, das heißt
im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, daß das Vorbringen der Beteiligten entweder überhaupt nicht zur
Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen
worden ist (BVerfGE 22, 267, 274; 79, 51, 61; 86, 133, 146; 96, 205,
216 f.; BVerfG NJW 2000, 131).
a) So liegt der Fall, wie die Beklagte zu Recht geltend macht, hier.
Nach dem von der Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen des Klägers
resultiert die Gutschrift von 1.570.000 DM auf dem Konto der Gemeinschuldnerin aus dem Erlös aus dem Verkauf des mit einer Grundschuld
der Beklagten belasteten Grundstücks der Gemeinschuldnerin in F.
. Dieser Erlös diente nach dem unstreitigen Vorbringen des Klägers "in vollem Umfange zur Tilgung der Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin und ist so von der Beklagten auch verbucht worden" mit der
Folge, daß sich der Debetsaldo auf dem Konto der Gemeinschuldnerin
vor der Gutschrift aus dem weiteren Erlös aus dem Verkauf des belasteten
Grundstücks
der
Gemeinschuldnerin
5.071.830,07 DM ermäßigte.
in
A.
auf
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Angesichts dieses Vorbringens entbehren die Ausführungen des
Berufungsgerichts, der Erlös von 1.570.000 DM habe von der Beklagten
nicht einfach zur Tilgung des Sollsaldos der Gemeinschuldnerin verwendet werden dürfen, einer Grundlage. Sie sind nur dadurch zu erklären,
daß das Berufungsgericht unstreitiges Vorbringen der Parteien nicht zur
Kenntnis genommen hat. Dafür spricht auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. Mai 1979
(BGHZ 74, 253, 255) über die Unzulässigkeit der Verrechnung eines für
die Gemeinschuldnerin eingehenden Überweisungsbetrages im Kontokorrent nach Eröffnung des Konkursverfahrens. Auch dieser Hinweis offenbart, daß das Berufungsgericht weder die Anlage K 12 noch das Gutachten des Klägers (Anlage B 5 Seite 19 ff.) noch dessen Vorbringen in
den Schriftsätzen vom 17. April 2003 und 5. Januar 2004 zur Kenntnis
genommen und bei seiner Entscheidung in Erwägung gezogen hat.
b) Läßt sich das Berufungsurteil danach mit der gegebenen Begründung nicht halten, kann die Kausalität der Verletzung des Art. 103
Abs. 1 GG für das Entscheidungsergebnis nicht verneint werden. Das
Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar
(§ 561 ZPO). Der Auslegung der Verwertungsvereinbarung durch das
Landgericht, der für die Befriedigung der Ansprüche der Beklagten gegen
die Gemeinschuldnerin nicht benötigte Erlösanteil aus dem Verkauf des
belasteten Grundstücks der Gemeinschuldnerin in A.
habe oh-
ne Rücksicht auf die Abrede vom 3. August 1993 über die Absicherung
von Darlehensansprüchen der Beklagten gegen die GbR der Gemeinschuldnerin zustehen sollen, ist das Berufungsgericht zu Recht nicht gefolgt. Nichts spricht dafür, daß die Beklagte auf ihre Rechte aus der Sicherungsabrede verzichten wollte. Der Ausschluß weitergehender An-
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sprüche
gegen
die
Masse
in
der
Verwertungsvereinbarung
vom
24./25. Juni 1997 bezieht sich ersichtlich nicht auf die Sicherungsabrede
vom 3. August 1993, sondern auf etwaige weitere Ansprüche der Beklagten aus der Verwertung des Vermögens der Gemeinschuldnerin.
Ob die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung des streitigen Betrages auf die Verbindlichkeiten der Gesellschafter den §§ 30, 31
GmbHG zuwiderläuft und im Verhältnis zum Kläger unwirksam ist, kann
der Senat nicht entscheiden, da das Berufungsgericht insoweit nicht die
erforderlichen Feststellungen getroffen hat.
2. Die Verletzung der Beklagten in ihrem Anspruch auf rechtliches
Gehör führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Dabei hat der Senat von der auch und gerade im Anwendungsbereich des § 544 Abs. 7 ZPO bestehenden Möglichkeit des § 563 Abs. 1
Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Nobbe
Joeres
Ellenberger
Mayen
Schmitt