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Nachschlagewerk:
BGHZ:
BGHR:
ja
ja
ja
BGB §§ 495, 355 (Fassung bis zum 10. Juni 2010), § 242 Cc
EGBGB Art. 245 Nr. 1 (Fassung bis zum 10. Juni 2010)
BGB-InfoV § 14 Abs. 1, 3 und 4, Anlage 2 (Fassung bis zum 10. Juni 2010)
a) Die Angabe einer Postfachanschrift als Widerrufsanschrift genügte auch nach Einführung des § 14 Abs. 4 BGB-InfoV in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung den gesetzlichen Anforderungen an eine Belehrung des Verbrauchers über
sein Widerrufsrecht (Fortführung BGH, Urteil vom 11. April 2002 - I ZR 306/99,
WM 2002, 1352, 1353 f.).
b) Zu einer Fußnote mit dem Fußnotentext "Bitte Frist im Einzelfall prüfen" nach der
Angabe "zwei Wochen".
c) Zu den Grenzen der Bearbeitung des Musters für die Widerrufsbelehrung im Hinblick auf den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der bis
zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung.
d) Zur rechtsmissbräuchlichen Ausübung und zur Verwirkung des Widerrufsrechts
bei laufenden Verbraucherdarlehensverträgen.
BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 564/15
Verkündet am:
12. Juli 2016
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:120716UXIZR564.15.0
-2-
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juli 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ellenberger, die Richter
Dr. Joeres und Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Dauber
für Recht erkannt:
Auf die Anschlussrevision der Klägerin wird das Urteil des
14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 11. November 2015 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im
Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des früheren Klägers zu 1 und der Klägerin hinsichtlich weiterer 289,62 €
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2014 zurückgewiesen worden ist.
Auf die Berufung des früheren Klägers zu 1 und der Klägerin wird
das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth
vom 22. September 2014 unter Zurückweisung des Rechtsmittels
im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.305,17 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2014 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zwei Fünftel und die Klägerin drei Fünftel.
Von Rechts wegen
-3-
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrags.
2
Der inzwischen verstorbene frühere Kläger zu 1 und die Klägerin, seine
Alleinerbin, (künftig einheitlich: die Kläger) schlossen aufgrund ihrer Vertragserklärung vom 9. April 2008 mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über einen
Nennbetrag in Höhe von 50.000 € und einen Zinssatz von 6% p.a. Als Sicherheit der Beklagten dienten Grundpfandrechte. Die Beklagte belehrte die Kläger
am 9. April 2008 über ihr Widerrufsrecht wie folgt:
1
Widerrufsbelehrung zu zum Darlehensvertrag Nr. …
über 50.000,-- €
Widerrufsrecht
2
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen
ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:
(Name, Firma und ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts, ggf. Fax-Nr., E-Mail-Adresse
und/oder, wenn der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung erhält, auch eine Internet-Adresse).
Sparkasse …
E-Mail: …
Fax:
Widerrufsfolgen
Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Dies kann dazu führen, dass Sie die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müssen. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen Sie innerhalb von 30 Tagen nach Absendung Ihrer Widerrufserklärung erfüllen.
Finanzierte Geschäfte
Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus einem anderen
Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich
auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind, oder wenn wir uns bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen.
Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des
anderen Vertrages sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus Ihr
Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen
Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen machen, bei der Planung, Werbung oder
Durchführung des Projektes Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen.
-4-
Können Sie auch den anderen Vertrag widerrufen, so müssen Sie den Widerruf gegenüber Ihrem
diesbezüglichen Vertragspartner erklären.
Wird mit diesem Darlehensvertrag die Überlassung einer Sache finanziert, gilt Folgendes: Wenn
Sie diese Sache im Falle des Widerrufs ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem
Zustand zurückgeben können, haben Sie dafür ggf. Wertersatz zu leisten. Dies gilt nicht, wenn
die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung – wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt. Paketversandfähige Sachen sind auf Kosten und Gefahr Ihres Vertragspartners zurückzusenden. Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen
abgeholt. Wenn Ihrem Vertragspartner das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der
Rückgabe bereits zugeflossen ist, können Sie sich wegen der Rückabwicklung nicht nur an diesen, sondern auch an uns halten.
Ort, Datum
Unterschrift des Verbrauchers
H.
, 09.04.2008
F.
Ihre
Sparkasse
Hinweis: Jeder Verbraucher erhält ein Exemplar der Widerrufsbelehrung.
3
4
Exemplar(e) heute
an
Verbraucher
ausgehändigt
Datum, Unterschrift des Sachbearbeiters (mit Pers.-Nr.)
[Unterschrift] 25.4.08
1
Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts.
z.B. Darlehensvertrag vom …
2
Bitte Frist im Einzelfall prüfen.
Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Unter dem 24. Juni
2013 widerriefen sie ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung. Sie leisteten an die Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht weitere 40.625,33 €.
5
Ihrer Klage auf Zahlung der Differenz zwischen diesem Betrag und dem
von ihnen als der Beklagten bei Wirksamwerden des Widerrufs noch geschuldet
berechneten Betrag von 34.809,73 €, folglich auf Zahlung von 5.815,60 €, hat
das Landgericht abgewiesen. Auf ihre Berufung hat das Berufungsgericht ihnen
einen Teil der Klageforderung in Höhe von 2.015,55 € zuerkannt und das
Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen.
6
Mit der zu ihren Gunsten vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
Mit der Anschlussrevision macht die Klägerin - zugleich als Rechtsnachfolgerin
des früheren Klägers zu 1 - die Entscheidung des Berufungsgerichts zu den
-5-
Rechtsfolgen zum Gegenstand des Revisionsverfahrens, soweit das Berufungsgericht hinter den Klageanträgen zurückgeblieben ist.
Entscheidungsgründe:
A. Revision der Beklagten
7
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
I.
8
Das
Berufungsgericht
hat
zur
Begründung
seiner
Entscheidung
(BKR 2016, 205 ff.), soweit im Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
9
Die Kläger hätten in Höhe des zugesprochenen Teilbetrags eine Leistung
ohne rechtlichen Grund an die Beklagte erbracht. Der Darlehensvertrag zwischen den Parteien habe sich aufgrund des Widerrufs der Kläger in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Auf die resultierende Forderung der Beklagten aus dem Rückgewährschuldverhältnis hätten die Kläger zu viel bezahlt.
10
Die Kläger hätten ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete
Willenserklärung im Juni 2013 noch widerrufen können, weil die Widerrufsfrist
mangels deutlicher Belehrung der Beklagten nicht angelaufen sei. Eine Belehrung, die sich - wie im konkreten Fall - hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist auf die Aussage beschränke, die Frist beginne "frühestens mit Erhalt
-6-
dieser Belehrung", sei nicht in der erforderlichen Weise eindeutig und umfassend. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung
gemäß der BGB-Informationspflichten-Verordnung - hier nach Maßgabe der
Überleitungsregelung für an der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung des
Musters orientierte Belehrungen - könne sich die Beklagte nicht berufen, weil
die von ihr verwandte Widerrufsbelehrung dem Muster nicht vollständig entsprochen habe. Die Beklagte habe nach der die Länge der Widerrufsfrist kennzeichnenden Passage - "innerhalb von zwei Wochen" - eine hochgestellte "2"
eingefügt, die zu einer nach der Unterschrift des Verbrauchers am unteren Seitenrand des Formulars abgedruckten Fußnote geführt habe. Mittels des in dieser Fußnote abgedruckten Textes "Bitte Frist im Einzelfall prüfen" sei die Beklagte von der Musterwiderrufsbelehrung abgewichen. Überdies sei die mit dieser Fußnote versehene Widerrufsbelehrung geeignet gewesen, beim Verbraucher den (unzutreffenden) Eindruck hervorzurufen, eine (von ihm vorzunehmende) Prüfung seines Einzelfalls könne - abhängig von ihm in der Widerrufsbelehrung nicht aufgezeigten Umständen - zur Bestimmung einer Widerrufsfrist
von weniger oder von mehr als zwei Wochen führen.
11
Die Kläger hätten das Widerrufsrecht nicht verwirkt. Genügende Umstände, die das Vertrauen der Beklagten darauf gerechtfertigt hätten, die Kläger
würden von ihrem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen, lägen nicht
vor.
12
Die Beklagte habe den Klägern aufgrund des nach Widerruf zwischen
den Parteien entstandenen Rückabwicklungsverhältnisses unter anderem auch
Herausgabe der von ihr aus Tilgungsleistungen gezogenen Nutzungen geschuldet.
-7-
II.
13
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
14
1. Das Berufungsgericht hat zunächst zutreffend erkannt, den Klägern
sei gemäß § 495 Abs. 1 BGB in der hier nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2,
§ 22 Abs. 2, §§ 32, 38 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem
1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: aF) das
Recht zugekommen, ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen nach näherer Maßgabe des § 355 Abs. 1 und 2 BGB in der
zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: aF) zu widerrufen. Es hat weiter richtig angenommen, das Anlaufen der
Zweiwochenfrist für den Widerruf habe eine Unterrichtung der Kläger über ihr
Widerrufsrecht vorausgesetzt.
15
2. Bei Ausübung des Widerrufsrechts am 24. Juni 2013 war die Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen. Die dem Darlehensvertrag beigegebene Widerrufsbelehrung entsprach, was der Senat nach den Grundsätzen der objektiven
Auslegung selbst bestimmen kann (Senatsurteil vom 6. Dezember 2011 - XI ZR
401/10, WM 2012, 262 Rn. 22 f.; BGH, Beschluss vom 10. Februar 2015 - II ZR
163/14, juris Rn. 15), nicht den gesetzlichen Vorgaben.
16
a) Allerdings war die Widerrufsbelehrung nicht deshalb gesetzeswidrig,
weil sie als Anschrift der Beklagten eine Postfachanschrift nannte. Unter dem
Begriff der "Anschrift" im Sinne des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF war nicht die
Hausanschrift, sondern die Postanschrift und dementsprechend auch die Postfachanschrift zu verstehen (BGH, Urteil vom 11. April 2002 - I ZR 306/99,
WM 2002, 1352, 1353 f.). Die Mitteilung einer Postfachanschrift des Widerrufsadressaten setzte den Verbraucher in gleicher Weise wie die Mitteilung der
Hausanschrift in die Lage, seine Widerrufserklärung auf den Postweg zu brin-
-8-
gen (vgl. BGH, Urteile vom 11. April 2002 aaO und vom 25. Januar 2012
- VIII ZR 95/11, WM 2012, 561 Rn. 13). Soweit § 14 Abs. 4 BGB-InfoV aF im
hier maßgeblichen Zeitraum festhielt, der Unternehmer müsse, sofern er den
Verbraucher ohne Verwendung des Musters der Anlage 2 oder 3 über sein Widerrufs- oder Rückgaberecht belehre, in der Belehrung seine "ladungsfähige
Anschrift" angeben, konnte der Verordnungsgeber wirksam keine dem Gesetzeswortlaut widerstreitenden Anforderungen festlegen.
17
b) Die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung entsprach aber
nicht dem inhaltlichen Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF.
18
aa) Zum einen informierte die Widerrufsbelehrung mittels des Einschubs
des Worts "frühestens" unzureichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, WM 2011, 1799
Rn. 34; BGH, Urteile vom 19. Juli 2012 - III ZR 252/11, BGHZ 194, 150 Rn. 13,
vom 15. August 2012 - VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 Rn. 9, vom 1. März
2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 15, vom 25. September 2014 - III ZR
440/13, WM 2015, 193 Rn. 18 und vom 12. November 2015 - I ZR 168/14,
WM 2016, 968 Rn. 15; Beschluss vom 10. Februar 2015 - II ZR 163/14, juris
Rn. 14; aA Schmidt-Kessel/Gläser, WM 2014, 965, 970 f.).
19
bb) Zum anderen unterrichtete die Widerrufsbelehrung in ihrer konkreten
Gestalt undeutlich über die Länge der Widerrufsfrist. Zwar gab sie die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 BGB aF grundsätzlich richtig
mit "zwei Wochen" an. Durch den Zusatz einer Fußnote mit dem Fußnotentext
"Bitte Frist im Einzelfall prüfen" vermittelte die Belehrung indessen hier den
Eindruck, die Länge der Frist könne je nach den nicht mitgeteilten Umständen
des Einzelfalls variieren und es sei Aufgabe des Verbrauchers, die in seinem
Fall geltende Frist selbst festzustellen (ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom
-9-
21. Januar 2016 - I-6 U 296/14, juris Rn. 19; OLG Köln, Beschluss vom 13. April
2016 - 13 U 241/15, juris Rn. 6; OLG München, Urteil vom 21. Oktober 2013
- 19 U 1208/13, juris Rn. 37; aA OLG Bamberg, Beschluss vom 1. Juni 2015
- 6 U 13/15, juris Rn. 82 ff.; OLG Frankfurt, ZIP 2016, 409, 411; OLG Schleswig,
Urteil vom 26. Februar 2015 - 5 U 175/14, juris Rn. 23). Dieses Fehlverständnis
verhinderte weder der Umstand, dass sich der Zusatz in einer Fußnote befand,
noch die Tatsache, dass der Fußnotentext neben dem Unterschriftsfeld des
"Sachbearbeiters" der Beklagten angebracht war. Vorformulierte Widerrufsbelehrungen der in Rede stehenden Art sind Allgemeine Geschäftsbedingungen
im Sinne des § 305 BGB (Senatsurteil vom 6. Dezember 2011 - XI ZR 401/10,
WM 2012, 262 Rn. 22). Fußnoten zu vorformulierten Vertragsklauseln sind Teil
der vom Verwender an den Kunden gerichteten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (BGH, Urteile vom 15. März 2006 - VIII ZR 134/05, NJW 2006, 1867
Rn. 12 ff. sowie vom 10. März 2004 - VIII ZR 34/03, WuM 2004, 275, 276 und
- VIII ZR 64/03, NJW 2004, 1447, 1448). Die Stellung des Fußnotentextes neben dem Unterschriftsfeld für den "Sachbearbeiter" ändert daran nichts. Zum
einen war dieses Unterschriftsfeld durch eine Trennlinie deutlich vom Fußnotentext geschieden. Zum anderen war der Fußnotentext über die hochgestellte "2"
in den Belehrungstext einbezogen, so dass er sich erkennbar an den Gegner
des Verwenders und nicht an dessen Mitarbeiter richtete (vgl. auch OLG
Düsseldorf, Urteile vom 21. Januar 2016 aaO und vom 13. Mai 2016 - I-17 U
182/15, juris Rn. 20; OLG München, Urteil vom 21. Oktober 2013 aaO).
20
c) Der Beklagten kommt die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die
Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV aF nicht zugute.
21
aa) Mittels der Einführung des Art. 245 EGBGB aF hat der Gesetzgeber
den Verordnungsgeber der BGB-Informationspflichten-Verordnung ermächtigt,
das vom Verordnungsgeber geschaffene Muster für die Widerrufsbelehrung
- 10 -
einem Streit über seine Gesetzmäßigkeit zu entziehen (BGH, Urteil vom
15. August 2012 - VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 Rn. 15 f. unter Verweis auf
BT-Drucks. 14/7052, S. 208; vgl. zuvor schon Bodendiek, MDR 2003, 1, 3;
Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 14 BGB-InfoV Rn. 6). Die Reichweite der
Gesetzlichkeitsfiktion ist mithin § 14 BGB-InfoV aF - im konkreten Fall in Verbindung mit § 16 BGB-InfoV - zu entnehmen.
22
bb) § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF knüpft die Gesetzlichkeitsfiktion an die
Bedingung, dass "das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird". Nach
§ 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF darf der Unternehmer allerdings, sofern er das vom
Verordnungsgeber geschaffene Muster für die Widerrufsbelehrung verwendet,
"in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen und Zusätze wie die
Firma oder ein Kennzeichen des Unternehmers anbringen". Damit definiert § 14
Abs. 3 BGB-InfoV aF in den Grenzen der Verordnungsermächtigung die Grenze
der für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädlichen Abweichungen (so
auch ausdrücklich BT-Drucks. 17/1394, S. 22, zu Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 4
EGBGB in der Fassung des Gesetzes zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften
über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung
des Darlehensvermittlungsrechts vom 24. Juli 2010 [BGBl. I S. 977]). Entsprechend kann sich der Unternehmer auf die Schutzwirkungen des § 14 Abs. 1
BGB-InfoV aF berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet, das dem Muster für die Widerrufsbelehrung in der jeweils maßgeblichen Fassung in den Grenzen des § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF sowohl inhaltlich
als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. Senatsurteile
vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rn. 13, vom 23. Juni 2009
- XI ZR 156/08, WM 2009, 1497 Rn. 15 und vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10,
WM 2011, 1799 Rn. 36 ff.; BGH, Urteile vom 12. April 2007 - VII ZR 122/06,
BGHZ 172, 58 Rn. 12, vom 19. Juli 2012 - III ZR 252/11, BGHZ 194, 150
- 11 -
Rn. 15, vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rn. 20, vom
1. März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17, vom 18. März 2014 - II ZR
109/13, WM 2014, 887 Rn. 15, vom 25. September 2014 - III ZR 440/13,
WM 2015, 193 Rn. 18 und vom 12. November 2015 - I ZR 168/14, WM 2016,
968 Rn. 18; Beschluss vom 10. Februar 2015 - II ZR 163/14, juris Rn. 8). Unterzieht der Unternehmer dagegen das vom Verordnungsgeber entworfene Muster
einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung, die über das nach § 14 Abs. 3 BGBInfoV aF Erlaubte hinausgeht, verliert er die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1
BGB-InfoV aF.
23
Entsprechend der durch § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF gesetzten Grenze
lassen Anpassungen, die den vom Gesetzgeber selbst nach Art. 245 EGBGB,
§ 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF als unschädlich anerkannten Abweichungen ihrer
Qualität nach entsprechen, ohne die Deutlichkeit der Belehrung zu schmälern,
die Gesetzlichkeitsfiktion unberührt. Zu solchen unbedenklichen Anpassungen
rechnen zum Beispiel das Einrücken oder Zentrieren von Überschriften, der
Verzicht auf eine Einrahmung oder deren individuelle Gestaltung. Ebenfalls
bleibt die Gesetzlichkeitsfiktion erhalten, wenn der Unternehmer die Widerrufsbelehrung im Text einem konkreten Verbrauchervertrag zuordnet oder ohne
Abstriche bei der Verständlichkeit des Textes Begriffe des Musters durch Synonyme ersetzt. Ebenso geht die Gesetzlichkeitsfiktion nicht verloren, wenn der
Unternehmer von sich selbst nicht in wörtlicher Übereinstimmung mit dem Muster in der dritten Person Singular, sondern in der ersten Person Plural spricht.
24
Greift der Unternehmer dagegen in das Muster in einem Umfang ein, der
den beispielhaft in § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF aufgelisteten Abweichungen nicht
mehr entspricht, geht die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF
verloren. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Unternehmer Gestaltungshinweise des Musters oder sonstige Bearbeitungshinweise - auch in Form von
- 12 -
Fußnoten - in den Belehrungstext übernimmt oder auf die Angabe der vom Verordnungsgeber - insofern ohne Verstoß gegen höherrangiges Gesetzesrecht für das Muster im Gestaltungshinweis 3 verbindlich vorgegebenen ladungsfähigen Anschrift verzichtet. Aus dem Beschluss des II. Zivilsenats vom 20. November 2012 (II ZR 264/10, GuT 2013, 133), der eine Anpassung des Musters an
§ 187 Abs. 1 BGB zum Gegenstand hatte, folgt insofern nichts anderes.
25
cc) Nach diesen Maßgaben hat die Beklagte das Muster für die Widerrufsbelehrung, was der Senat durch einen Vergleich selbst feststellen kann
(Senatsurteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, WM 2011, 1799 Rn. 40; BGH,
Urteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 23; Beschluss
vom 10. Februar 2015 - II ZR 163/14, juris Rn. 9), einer inhaltlichen Bearbeitung
unterzogen, die über das nach § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF für den Erhalt der
Gesetzlichkeitsfiktion Erlaubte hinausgeht. Sie hat zwei Fußnoten eingefügt, die
das Muster für die Widerrufsbelehrung nicht vorsah. Sie hat unter der Überschrift "Widerrufsrecht" den Gestaltungshinweis 3 kursiv gesetzt in den Text
übernommen. Das anschließende Feld enthält entgegen den Vorgaben des
Gestaltungshinweises 3 nicht ihre ladungsfähige Anschrift. Unter der Überschrift
"Finanzierte Geschäfte" hat die Beklagte den Gestaltungshinweis 9 nicht vollständig umgesetzt.
26
d) Auf die Kausalität der unter b) aufgeführten Belehrungsfehler für das
Unterbleiben des Widerrufs kommt es nicht an. Entscheidend ist nur, ob die
Belehrung durch ihre missverständliche Fassung objektiv geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 2009 - XI ZR 156/08, WM 2009, 1497 Rn. 25; vgl. auch
Domke, BB 2005, 1582, 1583). Dem war hier so.
- 13 -
27
e) Mangels einer gesetzeskonformen Belehrung stand den Klägern, wovon das Berufungsgericht richtig ausgegangen ist, ein sogenanntes "ewiges"
Widerrufsrecht zu, das sie noch im Juni 2013 ausüben konnten.
28
aa) Für den hier maßgeblichen Zeitraum und die hier maßgebliche Vertragssituation, in der die Kläger den Widerruf im Jahr 2013 erklärt haben, hat
der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich dahin optiert, eine automatische zeitliche Begrenzung für das Widerrufsrecht im Falle einer unzureichenden Belehrung des Verbrauchers nicht vorzusehen. Nach § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB in der
Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) sollten ursprünglich sämtliche Verbraucherwiderrufsrechte ohne Rücksicht auf ihren Entstehungsgrund spätestens sechs Monate
nach Vertragsschluss erlöschen. Der Gesetzgeber erstrebte damit eine Vereinheitlichung der bis dahin in § 3 Abs. 1 Satz 3 FernAbsG, § 7 Abs. 2 VerbrKrG,
§ 2 HWiG und § 5 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 TzWrG uneinheitlich gestalteten Regelungen zum Erlöschen der nebengesetzlich normierten Widerrufsrechte
(BT-Drucks. 14/6040, S. 198). Von diesem Konzept hat sich der Gesetzgeber
mit der Einführung des § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB in der Fassung des OLGVertretungsänderungsgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2850) schon wenige Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts wieder verabschiedet. Nach § 355 Abs. 3 BGB in der hier maßgeblichen
Fassung des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes erlosch das Recht des Verbrauchers, seine auf Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung zu
widerrufen, unabhängig vom Vertragsinhalt oder den Modalitäten seines Zustandekommens nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein
Widerrufsrecht belehrt wurde.
29
bb) Mit seiner Korrektur des § 355 Abs. 3 BGB im Sinne einer (zeitlich
gestaffelten, Art. 229 § 9 Abs. 1 EGBGB) Rücknahme des dem Gesetz zur Mo-
- 14 -
dernisierung des Schuldrechts zugrunde liegenden Gedankens durch das OLGVertretungsänderungsgesetz ging der deutsche Gesetzgeber einer Empfehlung
des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages folgend im Interesse der
Übersichtlichkeit der gesetzlichen Regelungen geflissentlich über die Vorgaben
hinaus, die man aus dem allein Haustürgeschäfte betreffenden Urteil des
Gerichtshofs der Europäischen Union (künftig: Gerichtshof) vom 13. Dezember
2001
(EuGH,
Slg. 2001,
I-9945
Rn. 44 ff.)
herauslesen
konnte
(BT-Drucks. 14/9266, S. 45). Befürchtete Härten für die Unternehmer, die dem
den Ansatz einer einheitlichen Regelung "aus systematischen Gründen" grundsätzlich billigenden Bundesrat mit Anlass waren, den Vermittlungsausschuss
anzurufen (BT-Drucks. 14/9531, S. 2 f.), hat der Gesetzgeber neben der Einführung eines Musters für die Widerrufsbelehrung mittels einer Präzisierung der
Modalitäten einer Nachbelehrung kompensiert (vgl. Lechner, WM 2015, 2165,
2166 f.; zur Nachbelehrung früher schon BGH, Urteile vom 20. Dezember 1989
- VIII ZR 145/88, WM 1990, 315, 318 und vom 8. Oktober 1992 - IX ZR 98/91,
WM 1993, 420, 423; Münstermann/Hannes, VerbrKrG, 1991, § 7 VerbrKrG
Rn. 357; Seibert, Handbuch zum Gesetz über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozessordnung und anderer Gesetze, 1991, § 7 VerbrKrG Rn. 12;
Soergel/Häuser, BGB, 12. Aufl., § 7 VerbrKrG Rn. 50; Staudinger/Kessal-Wulf,
BGB, Neubearb. 2001, § 7 VerbrKrG Rn. 39).
30
cc) Selbst nach Bekanntwerden des Urteils des Gerichtshofs vom
10. April 2008 (EuGH, Slg. 2008, I-2383 Rn. 47 ff.) zur unionsrechtlichen Zulässigkeit einer Befristung des Widerrufsrechts wie in § 2 HWiG vorgesehen hat
der Gesetzgeber die mit dem OLG-Vertretungsänderungsgesetz getroffene
Grundentscheidung nicht aufgegeben (vgl. Lechner, WM 2015, 2165, 2168).
Für den hier konkret zur Entscheidung gestellten Fall hat er nach Abschluss des
Verbraucherdarlehensvertrags, aber vor Ausübung des Widerrufsrechts anderes auch nicht mit dem Gesetz zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation
- 15 -
für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts bestimmt. Insbesondere hat er mittels des § 495 Abs. 2
Satz 2 BGB in der zwischen dem 30. Juli 2010 und dem 12. Juni 2014 geltenden Fassung nicht zum Nachteil der Beklagten die Möglichkeit einer Nachbelehrung beseitigt. Mangels besonderer anderer Anordnung im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche gelten für die Anwendung der Vorschriften
des Gesetzes vom 24. Juli 2010 die allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Rechts. Mithin blieb es für den am 9. April 2008 geschlossenen Darlehensvertrag bei dem Grundsatz, dass er nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seinen Wirkungen und damit auch in Bezug auf die Regeln über die
Nachbelehrung dem Recht untersteht, das zur Zeit seiner Entstehung galt (vgl.
BGH, Urteile vom 26. Januar 2009 - II ZR 260/07, BGHZ 179, 249 Rn. 20 und
vom 6. März 2012 - II ZR 56/10, BGHZ 192, 341 Rn. 30). Eine Nachbelehrung
hat die Beklagte nicht erteilt, so dass es bei dem "ewigen Widerrufsrecht" der
Kläger blieb.
31
3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Kläger hätten ihr Widerrufsrecht weder verwirkt noch sonst unzulässig ausgeübt, lässt Rechtsfehler nicht
erkennen.
32
a) Das Berufungsgericht ist im Ergebnis richtig davon ausgegangen,
Unionsrecht stehe der Anwendung des § 242 BGB nicht entgegen. Für den
zwischen den Parteien geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrag fehlen von
vornherein unionsrechtliche Vorgaben, die hinderten, die Ausübung des Widerrufsrechts anhand des § 242 BGB zu überprüfen. Die Richtlinie 87/102/EWG
des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. L 42
vom 12. Februar 1987, S. 48), die gemäß Art. 29 der Richtlinie 2008/48/EG des
- 16 -
Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates
(ABl. L 133 vom 22. Mai 2008, S. 66) in ihrer berichtigten Fassung (ABl. L 207
vom 11. August 2009, S. 14) bis zum 10. Juni 2010 galt, war gemäß ihrem
Art. 2 Abs. 1 Buchst. a nicht nur nicht auf Immobiliarkredite anwendbar. Sie sah
auch zugunsten des Verbrauchers ein Widerrufsrecht nicht vor (vgl.
BT-Drucks. 18/7584, S. 146; Habersack/Schürnbrand, ZIP 2014, 749, 751).
33
b) Die Auffassung des Berufungsgerichts, eine Verwirkung des Widerrufsrechts liege nicht vor, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
34
aa) Das Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB aF kann verwirkt werden
(vgl. zum Widerruf nach dem Abzahlungsgesetz BGH, Urteile vom 19. Februar
1986 - VIII ZR 113/85, BGHZ 97, 127, 134 f. und vom 14. Juni 1989
- VIII ZR 176/88, WM 1989, 1387, 1388; zum Widerruf nach dem Haustürwiderrufsgesetz Senatsurteile vom 17. Oktober 2006 - XI ZR 205/05, WM 2007, 114
Rn. 26, vom 10. November 2009 - XI ZR 232/08, juris Rn. 14 und - XI ZR
163/09, juris Rn. 18 sowie vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23
Rn. 36; BGH, Urteile vom 18. Oktober 2004 - II ZR 352/02, WM 2004, 2491,
2494, vom 15. November 2004 - II ZR 375/02, WM 2005, 124, 126 und vom
6. Dezember 2004 - II ZR 394/02, WM 2005, 295, 297; außerdem Armbrüster,
VersR 2012, 513, 517 ff.; Borowski, BKR 2014, 361, 364 f.; Braunschmidt,
NJW 2014, 1558, 1560; Bülow, WM 2015, 1829 ff.; Domke, BB 2005, 1582,
1584 f.; Duchstein, NJW 2015, 1409; Ebnet, NJW 2011, 1029, 1035; Edelmann/
Krümmel, BKR 2003, 99, 102; Edelmann/Hölldampf, KSzW 2015, 148, 150 f.;
Gansel/Huth/Knorr, BKR 2014, 353, 357 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl.,
§ 242 Rn. 107; Habersack/Schürnbrand, ZIP 2014, 749 ff.; Henning, CRP 2015,
80, 83 f.; Hölldampf/Suchowerskyj, WM 2015, 999 mit Fn. 7; Homberger,
EWiR 2014, 537, 538; Kropf, WM 2013, 2250, 2254; Lang/Schulz, ZBB 2014,
- 17 -
273, 280 ff.; Lechner, WM 2015, 2165, 2171 f.; Lippe/Voigt, NZG 2010, 1258,
1259; Maihold in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 2. Aufl., § 355 Rn. 84 ff.;
Müggenborg/Horbach, NJW 2015, 2145 ff.; Müller-Christmann, jurisPR-BKR
12/2015 Anm. 5; Ott/Schäfer, FS Lwowski, 2014, S. 103, 134 f.; Peters, WM
2014, 2145, 2152 f.; Rehmke/Tiffe, VuR 2014, 135, 141; Rohlfing, MDR 2010,
552, 554; Scholz/Schmidt/Ditté, ZIP 2015, 605, 614 ff.; Wahlers, WM 2015,
1043 ff.; aA OLG Karlsruhe, WM 2006, 676, 678). Einen gesetzlichen Ausschluss des Instituts der Verwirkung hat der Gesetzgeber auch mit dem Gesetz
zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften nicht eingeführt und damit zugleich zu erkennen gegeben, diesem Institut grundsätzlich schon immer Relevanz im Bereich der Verbraucherwiderrufsrechte
zuzuerkennen
(vgl.
BT-Drucks. 18/7584,
S. 147;
Omlor, NJW 2016, 1265, 1268).
35
Die Unverzichtbarkeit des Widerrufsrechts nach § 506 Satz 1 BGB in der
zwischen dem 1. Juli 2005 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung hindert
die Anwendung des Instituts der Verwirkung nicht. Die Verwirkung knüpft nicht
an eine ausdrückliche oder stillschweigende Willenserklärung an, sondern an
eine gesetzliche Wertung anderweitiger Umstände (BGH, Urteil vom 16. Juni
1982 - IVb ZR 709/80, BGHZ 84, 280, 282; Habersack/Schürnbrand, ZIP 2014,
749, 751; Maihold in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 2. Aufl., § 355 Rn. 86
aE; zweifelnd Rehmke/Tiffe, VuR 2014, 135, 141).
36
bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, das Widerrufsrecht sei im konkreten Fall nicht verwirkt, hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
37
(1) Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten (BGH, Urteil vom
27. Juni 1957 - II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, 51 f.; Palandt/Grüneberg, BGB,
- 18 -
75. Aufl., § 242 Rn. 87) setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt,
ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner
wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei
objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde
sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die
das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein
Recht nicht mehr geltend machen (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 28. März
2006 - XI ZR 425/04, BGHZ 167, 25 Rn. 35, vom 13. Juli 2004 - XI ZR 12/03,
WM 2004, 1680, 1682 und vom 25. November 2008 - XI ZR 426/07, juris
Rn. 22; BGH, Urteile vom 27. Juni 1957 aaO, vom 16. Juni 1982 - IVb ZR
709/80, BGHZ 84, 280, 281, vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101
Rn. 39, vom 14. Juni 2004 - II ZR 392/01, WM 2004, 1518, 1520, vom
18. Oktober 2004 - II ZR 352/02, WM 2004, 2491, 2494 und vom 23. Januar
2014 - VII ZR 177/13, WM 2014, 905 Rn. 13). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden
Umständen des Einzelfalles (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2013 - XII ZR 59/12,
WM 2014, 82 Rn. 7 mwN).
38
(2) Nach diesen Maßstäben lässt die Einschätzung des Berufungsgerichts, das Umstandsmoment der Verwirkung sei nicht erfüllt, Rechtsfehler nicht
erkennen.
39
(aa) Allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers kann der Unternehmer ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der
Verbraucher werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen, nicht bilden (BGH, Urteile vom
- 19 -
19. Februar 1986 - VIII ZR 113/85, BGHZ 97, 127, 134 f., vom 16. April 1986
- VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351, 359, vom 3. Juli 1991 - VIII ZR 201/90, WM
1991, 1675, 1677, vom 22. Januar 1992 - VIII ZR 374/89, WM 1992, 951, 955 f.
und vom 12. Dezember 2005 - II ZR 327/04, WM 2006, 220, 222; Borowski,
BKR 2014, 361, 365; Braunschmidt, NJW 2014, 1558, 1560; Domke, BB 2005,
1582, 1584; Gansel/Huth/Knorr, BKR 2014, 353, 360; Homberger, EWiR 2014,
537, 538; Müggenborg/Horbach, NJW 2015, 2145, 2149; weniger eindeutig
Duchstein, NJW 2015, 1409, 1410; aA Dawirs, NJW 2016, 439, 441; Hölldampf,
WM 2014, 1659, 1665; Lang/Schulz, ZBB 2014, 273, 285 f.; Scholz/Schmidt/
Ditté, ZIP 2015, 605, 612).
40
(bb) Es kommt für das Umstandsmoment auch nicht darauf an, wie gewichtig der Fehler ist, der zur Wirkungslosigkeit der Widerrufsbelehrung führt.
Der Verbraucher ist entweder ordnungsgemäß belehrt oder nicht (vgl. schon
EuGH, Slg. 2008, I-2383 Rn. 35; außerdem Bülow, WM 2015, 1829, 1830;
Müggenborg/Horbach, NJW 2015, 2145, 2148; aA Braunschmidt, NJW 2014,
1558, 1560; Domke, BB 2005, 1582, 1585; Duchstein, NJW 2015, 1409, 1413;
Edelmann/Hölldampf, KSzW 2015, 148, 149 f.; Habersack/Schürnbrand, ZIP
2014, 749, 754 f.; OLG Düsseldorf, NJW 2014, 1599; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 10. März 2014 - 17 W 11/14, juris Rn. 14 ff.; OLG Köln, WM 2012,
1532, 1534). Den Vorschlag des Zentralen Kreditausschusses zum Entwurf der
Bundesregierung für ein "Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen" vom 28. Januar 2004 (dort unter IV 3
S. 8 f.), innerhalb des § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB in der dann zum 8. Dezember
2004 in Kraft gesetzten Fassung zwischen wesentlichen und unwesentlichen
Belehrungsmängeln zu unterscheiden und das "ewige" Widerrufsrecht bei unwesentlichen Belehrungsmängeln einzuschränken, hat der Gesetzgeber nicht
übernommen (vgl. Domke, BB 2005, 1582, 1583 f.). Das Risiko, dass ein Fehler
der Widerrufsbelehrung erst nachträglich aufgedeckt wird, trägt nicht der Ver-
- 20 -
braucher, sondern die Bank. Im Gegenteil wird es dem Verbraucher aus der
maßgeblichen Sicht der Bank schwerer fallen, das Fortbestehen des Widerrufsrechts zu erkennen, wenn die Widerrufsbelehrung den Anschein der Richtigkeit
und Vollständigkeit erweckt (Borowski, BKR 2014, 361, 365). Daher spielt es für
die Bildung schutzwürdigen Vertrauens der Bank keine Rolle, dass sie den Verbraucher überhaupt belehrt hat (für eine Differenzierung zwischen fehlender,
erheblich fehlerhafter und bloß geringfügig fehlerhafter Widerrufsbelehrung dagegen Braunschmidt, NJW 2014, 1558, 1560; Edelmann/Hölldampf, KSzW
2015, 148, 150; Henning, CRP 2015, 80, 84; Homberger, EWiR 2014, 537, 538;
Lang/Schulz, ZBB 2014, 273, 281, 285 ff.; Scholz/Schmidt/Ditté, ZIP 2015, 605,
615; Ott/Schäfer, FS Lwowski, 2014, S. 103, 134 f.; Wahlers, WM 2015, 1043,
1047, 1049).
41
Die Bank wird dadurch nicht unbillig belastet. Es ist ihr während der
Schwebezeit bei laufenden Vertragsbeziehungen jederzeit möglich und zumutbar, durch eine Nachbelehrung des Verbrauchers - hier: gemäß § 355 Abs. 2
Satz 2 BGB aF in Verbindung mit Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB - die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (Bülow, WM 2015, 1829, 1831; Domke, BB 2005,
1582, 1584). Die für Fälle wie den hier dem Senat zur Entscheidung unterbreiteten unvermindert gültige Entscheidung des Gesetzgebers, gegen das unbefristete Widerrufsrecht die Nachbelehrung zu setzen, ist auch bei der Prüfung
der Voraussetzungen der Verwirkung eines vor Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags ausgeübten Widerrufsrechts beachtlich (vgl. Borowski, BKR
2014, 361, 364; Duchstein, NJW 2015, 1409, 1410; Gansel/Huth/Knorr, BKR
2014, 353, 359; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 242 Rn. 107; Habersack/
Schürnbrand, ZIP 2014, 749, 751, 756; Maihold in Nobbe, Kommentar zum
Kreditrecht, 2. Aufl., § 355 Rn. 88; Rohlfing, MDR 2010, 552, 554; aA
Edelmann/Hölldampf, KSzW 2015, 148, 151; Hölldampf, WM 2014, 1659,
- 21 -
1665 f.; Peters, WM 2014, 2145, 2152 f.; Scholz/Schmidt/Ditté, ZIP 2015, 605,
613, 616).
42
c) Die vom Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung
geprüften Umstände können auch nicht als unzulässige Rechtsausübung gewertet werden.
43
aa) Die Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts kann im Einzelfall
eine unzulässige Rechtsausübung aus sonstigen Gründen darstellen und in
Widerspruch zu § 242 BGB stehen, obwohl die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2009 - VIII ZR 318/08,
BGHZ 183, 235 Rn. 20). Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und
Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung (BGH, Urteil
vom 16. Februar 2005 - IV ZR 18/04, NJW-RR 2005, 619, 620). Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf
eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit
Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden
werden, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 7. Mai 1997 - IV ZR 179/96,
BGHZ 135, 333, 337; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 242 Rn. 7). Diese
Bewertung vorzunehmen ist Sache des Tatrichters und demgemäß in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht
gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen
Wertungsmaßstab ausgeht (BGH, Urteile vom 16. Februar 2005 aaO und vom
1. Dezember 2010 - VIII ZR 310/09, WM 2011, 470 Rn. 17 mwN).
- 22 -
44
bb) Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Kläger müssten sich den
Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nicht gefallen lassen, ist auch nach
diesen Maßgaben rechtsfehlerfrei.
45
(1) Die Ausübung des Widerrufsrechts ist entgegen der Auffassung der
Revision nicht allein deshalb rechtsmissbräuchlich, weil sie nicht durch den
Schutzzweck des Verbraucherwiderrufsrechts motiviert ist.
46
Schon zu § 1b AbzG war anerkannt (BGH, Urteile vom 19. Februar 1986
- VIII ZR 113/85, BGHZ 97, 127, 135, vom 29. Januar 1986 - VIII ZR 49/85, WM
1986, 480, 483 und vom 21. Oktober 1992 - VIII ZR 143/91, WM 1993, 416,
417; Beschluss vom 13. Januar 1983 - III ZR 30/82, WM 1983, 317, 318), dass
das Wirksamwerden der Willenserklärung des Käufers mangels fristgemäßen
Widerrufs von seinem freien Willen abhängen sollte, also der Widerruf nach
dieser Vorschrift einer Rechtfertigung nicht bedurfte. Auch der Gesetzgeber des
Verbraucherkreditgesetzes stellte sich auf diesen Standpunkt. Zwar sollte das
Verbraucherkreditgesetz den Verbraucher in erster Linie "vor unüberlegten Vertragsentschließungen" bewahren (BT-Drucks. 11/5462, S. 12). Weder § 7
VerbrKrG noch später § 495 BGB aF ließ sich indessen entnehmen, andere
Gesichtspunkte dürften bei der Entscheidung für oder gegen die Ausübung des
Widerrufsrechts keine Berücksichtigung finden. Vielmehr legte der Gesetzgeber
des Verbraucherkreditgesetzes fest, "[d]er Verbraucher […] [könne] sein Gestaltungsrecht nach freiem Belieben und ohne Angabe von Gründen ausüben", sofern
nicht
das
Gesetz
selbst
einschränkende
Regelungen
enthalte
(BT-Drucks. 11/5462, S. 22). An diesen Grundsätzen sollte sich durch die Einführung des § 361a BGB und später des § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB nichts ändern. Im Gegenteil bestätigte der Gesetzgeber, indem er den Verzicht auf ein
Begründungserfordernis in das Bürgerliche Gesetzbuch übernahm, die bis dahin gültigen Grundsätze.
- 23 -
47
Aus der Entscheidung des Gesetzgebers, den Widerruf von jedem Begründungserfordernis freizuhalten, folgt zugleich, dass ein Verstoß gegen § 242
BGB nicht daraus hergeleitet werden kann, der vom Gesetzgeber mit der Einräumung des Widerrufsrechts intendierte Schutzzweck sei für die Ausübung
des Widerrufsrechts nicht leitend gewesen. Überlässt das Gesetz - wie das
Fehlen einer Begründungspflicht zeigt - dem freien Willen des Verbrauchers, ob
und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft, kann aus dem
Schutzzweck der das Widerrufsrecht gewährenden gesetzlichen Regelung
grundsätzlich nicht auf eine Einschränkung des Widerrufsrechts nach § 242
BGB geschlossen werden (vgl. BGH, Urteile vom 19. Februar 1986 - VIII ZR
113/85, BGHZ 97, 127, 134 f., vom 12. Juni 1991 - VIII ZR 256/90, BGHZ 114,
393, 399 f. und vom 16. März 2016 - VIII ZR 146/15, WM 2016, 1103 Rn. 19 f.;
Duchstein, NJW 2015, 1409; Engelhardt, Europäisches Verbrauchervertragsrecht im BGB, Diss. 2001, S. 164 f.; Gansel/Huth/Knorr, BKR 2014, 353, 356;
Habersack/Schürnbrand, ZIP 2014, 749, 756; Müggenborg/Horbach, NJW
2015, 2145, 2148; Rehmke/Tiffe, VuR 2014, 135, 141; aA Edelmann/Hölldampf,
KSzW 2015, 148, 149 f., 153; Henning, CRP 2015, 80, 84; Hölldampf, WM
2014, 1659, 1660, 1662 ff.; Hölldampf/Suchowerskyj, WM 2015, 999 mit Fn. 7;
Kropf, WM 2013, 2250, 2254; Scholz/Schmidt/Ditté, ZIP 2015, 605, 614 f.;
Wahlers, WM 2015, 1043, 1049; wohl auch Ott/Schäfer, FS Lwowski, 2014,
S. 103, 135). Gerade weil das Ziel, "sich von langfristen Verträgen mit aus gegenwärtiger Sicht hohen Zinsen zu lösen", der Ausübung des Widerrufsrechts
für sich nicht entgegensteht, sah sich der Gesetzgeber zur Schaffung des
Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB veranlasst (vgl. BT-Drucks. 18/7584, S. 146).
48
(2) Dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer nach Maßgabe der
§ 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung
(künftig: aF), § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB zur Herausgabe von Nutzungsersatz
verpflichtet sein kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. September 2015 - XI ZR
- 24 -
116/15, ZIP 2016, 109 Rn. 7 und vom 12. Januar 2016 - XI ZR 366/15,
WM 2016, 454 Rn. 18 ff.), ist, soweit sich - wie hier - nach Maßgabe des
Art. 229 § 32 EGBGB die Rechtsfolgen des Widerrufs noch nach den §§ 346 ff.
BGB bestimmen, regelmäßige gesetzliche Konsequenz des Widerrufs. Dass
der Widerruf diese Rechtsfolgen zeitigt, macht ihn nicht rechtsmissbräuchlich.
49
(3) Gleiches gilt für die gesamtwirtschaftlichen Folgen der vermehrten
Ausübung von Verbraucherwiderrufsrechten. Dass sich die Kreditwirtschaft aufgrund der gegenwärtigen Niedrigzinsphase oder des gehäuften wirtschaftlichen
Scheiterns darlehensfinanzierter Beteiligungskonzepte - immerhin aufgrund eigener Belehrungsfehler - der massenhaften Ausübung von Widerrufsrechten
gegenüber sieht, ist - unbeschadet der Frage, ob dies die Rechtsposition der
Kläger im konkreten Fall überhaupt beeinflussen könnte - generell kein Kriterium, das bei der Anwendung des § 242 BGB auf das Widerrufsrecht von Verbrauchern Berücksichtigung finden kann. Dass Widerrufsrechte wie das der
Kläger in einer Vielzahl von Fällen zeitlich unbefristet geltend gemacht werden
konnten, beruht - wie oben ausgeführt - auf einer bewussten Entscheidung des
deutschen Gesetzgebers. Sie kann nicht durch eine extensive Anwendung des
§ 242 BGB unterlaufen werden, um so empfundene vermeintliche Defizite bei
einem sachgerechten Ausgleich der Interessen der Vertragsparteien aufzuwägen (vgl. Lechner, WM 2015, 2165, 2171).
50
4. Schließlich lässt die Entscheidung des Berufungsgerichts zu den
Rechtsfolgen Rechtsfehler zulasten der Beklagten nicht erkennen. Das gilt entgegen den Angriffen der Revision, die sich darauf beschränkt, das Ergebnis in
Frage zu stellen, ohne sich mit den Argumenten des Senats im Einzelnen auseinander zu setzen, auch, soweit das Berufungsgericht die Beklagte zur Herausgabe widerleglich vermutet gezogener Nutzungen auf die von den Klägern
erbrachten Tilgungsleistungen für verpflichtet erachtet hat. Dies entspricht den
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Grundsätzen, die der Senat mit Beschluss vom 12. Januar 2016 (XI ZR 366/15,
WM 2016, 454 Rn. 18 ff.) nochmals ausführlich verdeutlicht hat. Erwägungen,
die den Senat zu einer Änderung seiner Rechtsprechung veranlassen könnten,
stellt die Revision nicht an.
B. Anschlussrevision der Klägerin
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Die Anschlussrevision der Klägerin hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.
I.
52
Das Berufungsgericht hat - soweit für die Anschlussrevision von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
53
Nach Umwandlung des Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis hätten die Kläger Herausgabe der Darlehensvaluta nebst
Wertersatz für die Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen
Teil der Darlehensvaluta geschuldet, bei deren Bemessung eine bei Ausreichung des Darlehens im April 2008 marktübliche Verzinsung von 5,71% p.a.
- nicht wie von den Klägern eingeführt von 5,25% p.a. - zugrunde zu legen sei.
Dies ergebe einen Gesamtbetrag von 63.423,38 €. Die Kläger hätten von der
Beklagten Rückerstattung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe
von 22.625 € verlangen können. Außerdem habe ihnen ein Anspruch auf Herausgabe der von der Beklagten aus den Zins- und Tilgungsleistungen gezogenen Nutzungen zugestanden. Widerleglich sei zu vermuten, dass die Beklagte
aus Zins- und Tilgungsleistungen, die sie aus dem grundpfandrechtlich gesicherten und zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Darlehensverträge übli-
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chen Bedingungen ausgegebenen Darlehen erlangt habe, Nutzungen in Höhe
von zweieinhalb Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz - nicht, wie
von den Klägern geltend gemacht, von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz - gezogen habe. Die Kläger hätten zu höheren und die Beklagte zu geringeren Nutzungen nicht vorgetragen. Zu erstatten habe die Beklagte schließlich eine vereinnahmte "Schätzgebühr" samt hieraus gezogener
Nutzungen. Mit der sich daraus ergebenden Gesamtforderung in Höhe von
24.813,60 € hätten die Kläger gegen die Forderung der Beklagten aus dem
Rückgewährschuldverhältnis aufgerechnet, so dass sich zugunsten der Beklagten noch ein Saldo von 38.609,78 € ergeben habe. Da die Kläger weitere
40.625,33 € an die Beklagte gezahlt hätten, sei die Beklagte in Höhe von
2.015,55 € ungerechtfertigt bereichert.
II.
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Die Anschlussrevision ist erfolgreich, soweit sie sich dagegen wendet,
dass das Berufungsgericht die unstreitige Zahlung einer "volle[n] Annuität" zum
30. April 2008 bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hat. Im Übrigen hält
das Berufungsurteil den Angriffen der Anschlussrevision stand.
55
1. Soweit das Berufungsgericht zugunsten der Kläger zum 30. April 2008
lediglich eine Zahlung in Höhe von 125 € statt von 375 € veranschlagt hat, hat
es, was die Anschlussrevision mit einer hinreichend ausgeführten Verfahrensrüge geltend macht, unter Verstoß gegen § 286 ZPO die Anforderungen an die
Substantiierung des klägerischen Vortrags überspannt. Die Kläger haben in den
Vorinstanzen hinreichend substantiiert zur Zahlung von nicht nur 125 €, sondern von 375 € zum 30. April 2008 vorgetragen. Mehr als den Umstand als solchen, der unstreitig geblieben ist, konnten und mussten sie nicht geltend ma-
- 27 -
chen. Da die Kläger mit dem Angebot einer vollständigen Rate zum 30. April
2008 und die Beklagte mit deren Annahme eine ursprünglich etwa anders lautende vertragliche Vereinbarung abbedungen haben, war es rechtsfehlerhaft,
wenn das Berufungsgericht aufgrund des von den Klägern vorgelegten Vertragstextes von einem widersprüchlichen Vortrag der Kläger ausging.
56
2. Im Übrigen ist das Berufungsurteil, soweit das Berufungsgericht zum
Nachteil der Kläger entschieden hat, rechtsfehlerfrei.
57
a) Soweit die Anschlussrevision mit einer Verfahrensrüge die Behandlung von unstreitigem als streitiges Vorbringen beanstandet, hätte eine etwaige
Unrichtigkeit der tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil nur in einem Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO behoben werden können. Einen
Berichtigungsantrag haben die Kläger nicht gestellt. Eine Verfahrensrüge nach
§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO kommt ohne Rücksicht darauf, ob sie
hier hinreichend ausgeführt ist, zur Korrektur der tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Betracht (vgl. Senatsurteile vom 1. März
2011 - XI ZR 48/10, BGHZ 188, 373 Rn. 12, vom 18. September 2012 - XI ZR
344/11, BGHZ 195, 1 Rn. 40, vom 28. Mai 2013 - XI ZR 6/12, WM 2013, 1314
Rn. 18, vom 1. Oktober 2013 - XI ZR 28/12, WM 2013, 2121 Rn. 44 und vom
15. März 2016 - XI ZR 122/14, WM 2016, 780 Rn. 24).
58
b) Die Anschlussrevision scheitert auch, soweit sie geltend macht, das
Berufungsgericht sei verfehlt davon ausgegangen, es sei widerleglich zu vermuten, dass die Beklagte aus ihr von den Klägern überlassenen Zins- und Tilgungsraten Nutzungen lediglich in Höhe von zweieinhalb Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz und nicht von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
gezogen habe. Die in beide Richtungen widerlegliche Vermutung knüpft normativ spiegelbildlich an die Regelungen an, die die von den Banken beanspruch-
- 28 -
baren Verzugszinsen normieren. Sie ist unabhängig von der tatsächlichen Entwicklung am Zinsmarkt und wirkt sowohl zugunsten als auch zulasten beider
Vertragsparteien. Die hier maßgebliche Regelung war nach Art. 229 § 22
Abs. 2, § 32 Abs. 1, § 38 Abs. 1 EGBGB im ausschlaggebenden Zeitpunkt des
Vertragsschlusses § 497 Abs. 1 Satz 2 BGB in der zwischen dem 1. August
2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung, da das Berufungsgericht von
der Anschlussrevision nicht angegriffen das Zustandekommen eines Immobiliardarlehensvertrags im Sinne des § 492 Abs. 1a Satz 2 Halbsatz 1 BGB in der
zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung festgestellt hat (vgl. Senatsurteile vom 12. Mai 1998 - XI ZR 79/97, WM 1998,
1325, 1327 und vom 18. Februar 1992 - XI ZR 134/91, WM 1992, 566, 567;
außerdem Senatsurteil vom 19. September 2006 - XI ZR 242/05, WM 2006,
2303 Rn. 14; Wallner, BKR 2016, 177, 178). Gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Kläger hätten konkret zu höheren Nutzungen der Beklagten
nicht vorgetragen, erinnert die Anschlussrevision nichts.
III.
59
Das Berufungsurteil unterliegt demgemäß unter Zurückweisung des
Rechtsmittels im Übrigen der Aufhebung, soweit das Berufungsgericht eine
Zahlung von weiteren 250 € zum 30. April 2008 außer Acht gelassen hat. Da
keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat in der Sache
selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Die Beklagte hatte gegen die Kläger aus
§ 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB einen Zahlungsanspruch in Höhe von 63.423,38 €. Die Kläger konnten von der Beklagten die
Erstattung geleisteter Zins- und Tilgungsraten in Höhe von richtig 22.875 €
- nicht nur 22.625 € -, Herausgabe hieraus bis zum 24. Juni 2013 gezogener
- 29 -
Nutzungen in Höhe von richtig 1.646,64 € - nicht nur 1.607,02 € -, Erstattung
der vereinnahmten Schätzgebühr in Höhe von 500 € und Herausgabe hieraus
gezogener Nutzungen in Höhe von 81,58 €, mithin insgesamt 25.103,22 €, verlangen. Unter Berücksichtigung der von den Klägern geleisteten Zahlung in Höhe von 40.625,33 € und der vom Berufungsgericht festgestellten Aufrechnung
der Kläger ergibt sich eine Überzahlung der Beklagten in Höhe von 2.305,17 €,
um die die Beklagte ungerechtfertigt bereichert ist und die sie nach § 812
Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB herauszugeben hat.
Ellenberger
Joeres
Menges
Matthias
Dauber
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 27.10.2014 - 10 O 3952/14 OLG Nürnberg, Entscheidung vom 11.11.2015 - 14 U 2439/14 -
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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XI ZR 564/15
vom
19. September 2016
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:190916BXIZR564.15.0
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Joeres und Dr. Matthias sowie die
Richterinnen Dr. Menges und Dr. Dauber
am 19. September 2016
beschlossen:
Das Urteil vom 12. Juli 2016 wird gemäß § 319 Abs. 1 ZPO wegen
offenbarer Unrichtigkeit dahin berichtigt, dass es im Tenor hinter
den Worten "Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts
Nürnberg-Fürth vom" statt
"22. September 2014"
richtig heißen muss:
"27. Oktober 2014 in der Fassung des Beschlusses vom
1. Dezember 2014".
Ellenberger
Joeres
Menges
Matthias
Dauber
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 27.10.2014 - 10 O 3952/14 OLG Nürnberg, Entscheidung vom 11.11.2015 - 14 U 2439/14 -