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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 442/16
Verkündet am:
14. März 2017
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 51
Gibt der Kläger, der nicht Organ der beklagten Genossenschaft ist, in der
Klageschrift den gesetzlichen Vertreter der Genossenschaft erkennbar irrtümlich fehlerhaft an und wird die Klage an den richtigen gesetzlichen Vertreter zugestellt, ist sie ordnungsgemäß erhoben (Abgrenzung zu BGH, Urteile
vom 26. Juni 1995 - II ZR 122/94, BGHZ 130, 108, 110 ff., vom 9. Oktober
1986 - II ZR 284/85, WM 1986, 1411, 1412 und vom 16. Februar 2009
- II ZR 282/07, WM 2009, 702 Rn. 10).
ZPO § 256 Abs. 1
Zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage, mit der der Verbraucher nach Widerruf seiner auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten
Willenserklärung die Umwandlung des Verbraucherdarlehensvertrags in ein
Rückgewährschuldverhältnis geltend macht.
ECLI:DE:BGH:2017:140317UXIZR442.16.0
-2-
BGB § 355 Abs. 2 Satz 2 (Fassung vom 23. Juli 2002)
Mittels der erkennbar an den Verbraucher gerichteten Fußnote "Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Monat, wenn die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss in Textform dem Kunden mitgeteilt wird bzw. werden kann" im Anschluss an die Angabe "zwei Wochen (einem Monat)" macht der Verwender einer Widerrufsbelehrung hinreichend
deutlich, von welchen Voraussetzungen die Geltung einer der beiden im Text
alternativ genannten Fristlängen abhängt.
BGH, Urteil vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16 - OLG Koblenz
LG Mainz
-3-
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. März 2017 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und
Dr. Derstadt
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Koblenz vom 19. August 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten
erkannt worden ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des
Landgerichts Mainz vom 24. Februar 2016 wird zurückgewiesen,
soweit der Kläger beantragt hat, die Beklagte zur Zahlung weiterer
928,80 € (vorgerichtlich verauslagte Anwaltskosten) zu verurteilen.
Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des vom Kläger, einem Bankkaufmann, erklärten Widerrufs seiner auf den Abschluss von vier Verbraucherdarlehensverträgen gerichteten Willenserklärungen.
-4-
2
Die Parteien schlossen im Jahr 2007 vier Immobiliardarlehensverträge,
denen jeweils folgende, bis auf die Vertragsdaten gleichlautende Widerrufsbelehrung beigegeben war:
-5-
-6-
3
Der Kläger löste sämtliche Darlehen auf eigenen Wunsch gegen Zahlung
einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.853,72 € zum 2. Mai 2012 ab.
Unter dem 30. Oktober 2014 widerrief er seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen, wobei er darauf hinwies, er habe "im Vorfeld rechtlichen Rat" unter anderem bei seinem Rechtsanwalt eingeholt.
4
In der von ihm bei dem Landgericht anhängig gemachten Klage hat er
die Beklagte als "
sitzende[n]
bank eG, vertreten durch den AufsichtsratsvorH.
", bezeichnet. Die Klage ist an die "
bank eG, v.d.d. Vorstand", zugestellt und dort an einen Prokuristen als Leiter
des Bereichs "Sonderaufgaben Kredit und Recht" weitergegeben worden. Dieser Prokurist und eine Mitarbeiterin, die zusammen zur Erteilung von Prozessvollmachten für die Beklagte ermächtigt sind, haben unter dem Betreff "Neues
Mandat:
S.
./.
bank eG" den vorinstanzlichen Pro-
zessbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 30. Juli 2015 "um
Übernahme des im Betreff genannten Mandates" gebeten. Der vorinstanzliche
Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat mit Schriftsatz vom 31. Juli 2015 "die
Vertretung und Verteidigungsbereitschaft der Beklagten" angezeigt.
5
Das Landgericht hat die Angabe des Klägers zum gesetzlichen Vertreter
der Beklagten in das Rubrum übernommen und die Klage abgewiesen. Auf die
Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht unter Beibehaltung des
Rubrums antragsgemäß festgestellt, dass die vier näher bezeichneten Darlehensverträge "durch wirksamen Widerruf […] in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt" worden seien. Außerdem hat es die Beklagte zur Erstattung der
Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.853,72 € nebst Zinsen und vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten in Höhe von 928,80 € verurteilt. Im Übrigen
hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
-7-
6
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, die der durch den
vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten bestellte drittinstanzliche Prozessbevollmächtigte in Übernahme des Rubrums der Vorinstanzen eingelegt und begründet hat, erstrebt die Beklagte unter Verweis auf einen Mangel
ihrer gesetzlichen Vertretung bei Klageerhebung in erster Linie eine Abweisung
der Klage als unzulässig. In zweiter Linie begehrt sie die vollständige Zurückweisung der Berufung, weil das Berufungsgericht zu Unrecht eine Verwirkung
des Widerrufsrechts verneint habe.
Entscheidungsgründe:
A.
7
Die Revision ist zulässig. Die Prozessführung in dritter Instanz ist dem
gemäß § 24 Abs. 1 GenG zur gerichtlichen Vertretung der Beklagten berufenen
Vorstand zuzurechnen. Der drittinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten ist gemäß § 81 ZPO wirksam durch deren zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, den wiederum ein Prokurist im Verein mit einer Mitarbeiterin
aufgrund seiner vom Vorstand abgeleiteten Vertretungsmacht (Pöhlmann/
Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 42 Rn. 2) mandatiert hat, bestellt worden
(vgl. BGH, Urteile vom 1. Dezember 2003 - II ZR 161/02, BGHZ 157, 151, 156
und vom 15. März 2006 - XII ZR 138/01, NJW 2006, 2334 Rn. 14).
B.
8
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
-8-
I.
9
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
10
Die Feststellungsklage sei zulässig. Zwar genieße eine Leistungsklage
grundsätzlich Vorrang. Bei einer Bank sei indessen ohne weiteres davon auszugehen, dass sie auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil leisten werde.
11
Der Kläger habe seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten
Willenserklärungen Ende 2014 widerrufen können, weil mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist nicht an- und abgelaufen sei. So
hätten die Widerrufsbelehrungen der Beklagten zu der Fehlvorstellung verleitet,
die Widerrufsfrist beginne bereits mit der Aushändigung einer Vertragserklärung
der Beklagten ohne Rücksicht auf die Vertragserklärung des Klägers. Darauf,
ob wegen der konkreten Situation des Vertragsschlusses dieses Missverständnis ausgeräumt gewesen sei, komme es nicht an, weil auch bei einem Präsenzgeschäft über die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung allein anhand
der objektiven Auslegung zu entscheiden sei. Da die Beklagte das Muster für
die Widerrufsbelehrung des Verordnungsgebers nicht verwendet habe, könne
sie sich auch nicht auf dessen Gesetzlichkeitsfiktion berufen. An der Widerruflichkeit der auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen habe sich durch deren vorzeitige Abwicklung nichts geändert.
12
Die Grundsätze von Treu und Glauben stünden der Ausübung des Widerrufsrechts nicht entgegen. Das Widerrufsrecht sei nicht verwirkt, da das Umstandsmoment nicht erfüllt sei. Der Kläger habe die Darlehen zwar mehrere
Jahre ordnungsgemäß bedient und sie dann im Jahr 2012 auf eigenen Wunsch
vorzeitig abgelöst. Es lasse sich jedoch nicht feststellen, dass er dies alles in
Kenntnis seines fortbestehenden Widerrufsrechts getan habe. Jedenfalls ge-
-9-
nügten diese Aspekte nicht, um das Vertrauen der Beklagten darauf zu begründen, der Kläger werde sein Widerrufsrecht nicht mehr ausüben. Berufliches
Sonderwissen des Klägers vermöge ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten ebenfalls nicht zu begründen, zumal nicht mit der erforderlichen Sicherheit
habe festgestellt werden können, dass ihm die rechtliche Problematik des "ewigen" Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehensverträgen vor Abgabe seiner
Willenserklärungen bekannt gewesen sei. Darauf, ob der Kläger mit dem Widerruf "ein berechtigtes Interesse" verfolge, komme es nicht an. Für ein arglistiges
Verhalten sei nichts ersichtlich. Es bestünden ferner keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die schutzwürdig auf das Unterbleiben des Widerrufs vertrauende Beklagte tatsächlich so disponiert habe, dass der Widerruf
für sie eine unzumutbare Belastung darstelle. Auch im Übrigen liege in der
Ausübung des Widerrufsrechts keine unzulässige Rechtsausübung. Dass der
Kläger überhaupt - wenn auch fehlerhaft - über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei, sei ohne Belang. Gleichfalls unerheblich sei, dass der Widerruf für den
Kläger wirtschaftlich vorteilhaft sei, während die Beklagte aufgrund des erheblich gesunkenen Zinsniveaus finanzielle Einbußen erleide.
13
Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung zu. Herausgabe vermutlich gezogener Nutzungen könne
er indessen nur in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und
nicht wie beantragt in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
verlangen. Schließlich könne der Kläger als Verzugsschaden den Ersatz vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten beanspruchen.
- 10 -
II.
14
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
15
1. Allerdings ist das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, die Klage sei in Gänze zulässig gegen die Beklagte erhoben worden.
16
Zwar ist die Klage in Fällen, in denen ein Kläger, der selbst zu einem Organ einer Gesellschaft gehört, den gesetzlichen Vertreter der beklagten Gesellschaft - im Falle einer Genossenschaft: das nach § 24 Abs. 1, § 39 GenG zu
ihrer gerichtlichen Vertretung berufene Organ - nicht nur irrtümlich falsch bezeichnet hat (dazu BGH, Urteile vom 9. Oktober 1986 - II ZR 284/85, WM 1986,
1411, 1412 und vom 16. Februar 2009 - II ZR 282/07, WM 2009, 702 Rn. 10)
und in denen an diesen vermeintlichen gesetzlichen Vertreter mit Willen des
Klägers zugestellt worden ist, unzulässig (BGH, Urteile vom 26. Juni 1995
- II ZR 122/94, BGHZ 130, 108, 110 ff., vom 1. Dezember 2003 - II ZR 161/02,
BGHZ 157, 151, 154 und vom 16. Februar 2009 aaO Rn. 4; vgl. auch Beuthien,
GenG, 15. Aufl., § 39 Rn. 6 a.E.; Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG,
4. Aufl., § 39 Rn. 10; Hopt/Roth in GroßKomm AktG, 4. Aufl., § 112 Rn. 112;
Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 112 Rn. 13; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl.,
§ 112 Rn. 13; MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 112 Rn. 33; Grigoleit/
Tomasic, AktG, 2013, § 112 Rn. 17).
17
Anderes gilt aber, wenn in der Klageschrift der gesetzliche Vertreter lediglich irrtümlich fehlerhaft angegeben wird, sich - auch durch das Revisionsgericht (BGH, Urteile vom 24. Januar 1952 - III ZR 196/50, BGHZ 4, 328, 335,
vom 24. November 1980 - VIII ZR 208/79, WM 1981, 46, 47 und vom
16. Dezember 1997 - VI ZR 279/96, NJW 1998, 1496, 1497) - das Gemeinte
- 11 -
ermitteln lässt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1986 - II ZR 284/85, WM 1986,
1411, 1412; Gehle, MDR 2011, 957 f.; auch Musielak/Voit/Weth, ZPO, 13. Aufl.,
§ 51 Rn. 3; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 37. Aufl., § 51 Rn. 7) und die Zustellung der Klageschrift tatsächlich an den richtigen gesetzlichen Vertreter bewirkt
wird. In diesem Fall ist die Klage zulässig erhoben und entsteht das Prozessrechtsverhältnis zu dem ordnungsgemäß gesetzlich vertretenen Beklagten.
18
So verhält es sich hier. Bei der Angabe des Aufsichtsratsvorsitzenden
der Beklagten als ihres gesetzlichen Vertreters in der Klageschrift handelte es
sich offensichtlich um eine versehentliche Falschbezeichnung, mit der keine
positive Aussage über die gesellschaftsrechtlichen Vertretungsverhältnisse und
insbesondere über die Reichweite des § 39 Abs. 1 Satz 1 GenG getroffen werden sollte. Entsprechend hat die Geschäftsstelle des Landgerichts, die die Zustellung der Klageschrift nach § 166 Abs. 2, §§ 168, 170 ZPO zu bewirken hatte, die Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters ausgelegt und die Zustellung
an den (nicht notwendig namentlich zu benennenden, vgl. BGH, Urteil vom
29. Juni 1993 - X ZR 6/93, WM 1993, 1818, 1821) Vorstand der Beklagten als
deren gesetzlichen Vertreter bewirkt, so dass das Prozessrechtsverhältnis zur
Beklagten wirksam zustande gekommen ist. Dass die unrichtige, aber offenbar
fehlerhafte Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters sowohl in die Berufungsschrift als auch in die Entscheidungen der Vorinstanzen übergegangen ist, ändert daran nichts.
19
2. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht aber davon ausgegangen, die
Feststellungsklage sei zulässig, weil das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche
Feststellungsinteresse gegeben sei. Das trifft nicht zu. Der Kläger kann und
muss vielmehr vorrangig insgesamt (und nicht nur die Vorfälligkeitsentschädigung betreffend) mit der Leistungsklage gegen die Beklagte vorgehen (vgl. im
Einzelnen Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 13 ff.).
- 12 -
Da nicht feststeht, die Parteien seien sich - die Wirksamkeit des Widerrufs unterstellt - über die aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche einig, das Berufungsgericht vielmehr im Gegenteil den Standpunkt des Klägers zu dem von ihm geforderten Nutzungsersatz als streitig referiert und die
Revision unter anderem mit dem Hinweis darauf zugelassen hat, es bedürfe
grundsätzlicher Ausführungen "zur Höhe des von der Bank geschuldeten Nutzungsersatzes bei Immobiliardarlehen", liegt eine Ausnahme vom Vorrang der
Leistungsklage, wie sie Gegenstand des Senatsurteils vom 24. Januar 2017
(XI ZR 183/15, n.n.v. Rn. 16) war, nicht vor.
20
3. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung überdies nicht stand,
soweit das Berufungsgericht die Beklagte zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.853,72 € nebst Zinsen verurteilt hat. Das Berufungsgericht hat die rechtlichen Maßgaben verkannt, unter denen nach den Senatsurteilen vom 12. Juli 2016 (XI ZR 501/15, WM 2016, 1835 Rn. 38 ff. und
XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 33 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in
BGHZ) sowie vom 11. Oktober 2016 (XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rn. 29 ff.,
zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ) die Verwirkung des Widerrufsrechts
steht.
21
a) Richtig hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt angenommen,
dem Kläger habe ursprünglich ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB zugestanden, über das die Beklagte ihn gemäß § 355 BGB in der zwischen dem
8. Dezember 2004 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.)
habe belehren müssen.
22
b) Weiter zutreffend hat das Berufungsgericht gesehen, die Widerrufsbelehrungen der Beklagten hätten den Kläger nicht hinreichend deutlich über die
Voraussetzungen seines Widerrufsrechts unterrichtet.
- 13 -
23
aa) Allerdings belehrte die Beklagte, was das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, hinreichend deutlich über die Länge der Widerrufsfrist. Mittels
der hier erkennbar an den Verbraucher gerichteten (vgl. Senatsurteil vom
12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 19) Fußnote im Anschluss an
die Angabe "zwei Wochen (einem Monat)" machte die Beklagte ausreichend
klar, von welchen Voraussetzungen die Geltung einer der beiden im Text alternativ genannten Fristlängen abhing. Dabei orientierte sie sich zulässig am Wortlaut des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. Zugleich machte sie das Gemeinte durch
die ausdrückliche Benennung der Vorschrift deutlich (Senatsurteil vom
22. November 2016 - XI ZR 434/15, WM 2017, 427 Rn. 19). Der Zusatz in der
Fußnote "bzw. werden kann" war nicht geeignet, den Hinweis zu verunklaren
(a.A. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Mai 2016 - 17 U 175/15, juris Rn. 16;
OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 21. Dezember 2016 - 24 U 151/15, juris Rn. 42;
OLG Hamm,
Urteil
vom
18. Juli
2016
- 31 U 284/15,
juris
Rn. 40 ff.;
OLG Zweibrücken, Urteile vom 16. Dezember 2016 - 7 U 119/15, juris Rn. 91 ff.
und - 7 U 133/15, juris Rn. 85 ff.). Eine so gestaltete Sammelbelehrung - hier:
für die ursprüngliche und die Nachbelehrung - ist nach allgemeinen Grundsätzen zulässig (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, n.n.v.
Rn. 51 f.; Senatsbeschluss vom 24. Januar 2017 - XI ZR 66/16, juris Rn. 11).
24
bb) Das Berufungsgericht hat indessen zutreffend erkannt, dass die Beklagte mittels der Wendung "der schriftliche Vertragsantrag" nicht hinreichend
deutlich zum Ausdruck brachte, dass Bedingung für das Anlaufen der Widerrufsfrist die Vertragserklärung des Klägers war (Senatsurteil vom 21. Februar
2017 - XI ZR 381/16, n.n.v. Rn. 13 ff. mwN). Auf die Umstände der Erteilung der
Belehrung kommt es, wie der Senat zuletzt mit Senatsurteil vom 21. Februar
2017 (aaO Rn. 16 ff.) klargestellt hat, nicht an. Die Gesetzlichkeitsfiktion des
Musters für die Widerrufsbelehrung kommt der Beklagten nicht zugute. Die Abweichungen der Belehrungen gegenüber der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3
- 14 -
BGB-InfoV in der hier maßgeblichen, zwischen dem 8. Dezember 2004 und
dem 31. März 2008 geltenden Fassung gingen über das Maß hinaus, das der
Senat als für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädlich angesehen hat
(Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 20 ff.).
25
c) Schließlich hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15,
WM 2016, 2295 Rn. 28) erkannt, dass die auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung auch noch nach dessen vorzeitiger Beendigung widerrufen werden kann.
26
d) Einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand halten dagegen die
Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage der Verwirkung des Widerrufsrechts.
27
Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen
der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist
verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers
über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten
darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen,
so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu
dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ob eine
Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles (Senatsurteile vom
12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, WM 2016, 1835 Rn. 40 und - XI ZR 564/15,
- 15 -
WM 2016, 1930 Rn. 37, jeweils mwN). Die Bewertung des Tatrichters kann in
der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt
und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem
falschen Wertungsmaßstab ausgeht (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 2016
- XI ZR 501/15, aaO Rn. 18 und - XI ZR 564/15, aaO Rn. 43 mwN). Nach diesen Maßstäben liegt hier ein revisionsrechtlich relevanter Rechtsfehler vor.
28
Wie der Senat mit Urteilen vom 12. Juli 2016 (XI ZR 501/15, WM 2016,
1835 Rn. 41) und vom 11. Oktober 2016 (XI ZR 482/15, WM 2016, 2295
Rn. 30) ausgeführt hat, ist bei beendeten Verträgen bei der Bewertung, ob der
Verbraucher das Widerrufsrecht verwirkt hat, mit zu berücksichtigen, ob die
Parteien auf Wunsch des Verbrauchers den Darlehensvertrag einverständlich
beendet haben. Diesen rechtlichen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht bei
seiner Würdigung der für und gegen eine Verwirkung des Widerrufsrechts sprechenden Umstände zwar erwähnt, aber als unmaßgeblich außer Acht gelassen.
29
4. Das Berufungsurteil unterliegt schließlich der Aufhebung, soweit das
Berufungsgericht dem Kläger auf seine Berufung vorgerichtlich verauslagte
Anwaltskosten zuerkannt hat. Wie der Senat mit Senatsurteil vom 21. Februar
2017 (XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 27 ff.) näher ausgeführt hat, setzt eine Erstattung solcher Kosten unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens voraus,
dass der Kläger seinerseits die von ihm nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der
bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB
geschuldete Leistung in einer den Annahmeverzug der Beklagten begründenden Weise angeboten hat. Das war hier nicht der Fall.
- 16 -
III.
30
Soweit das Berufungsgericht Anwaltskosten zuerkannt hat, kann der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und die Berufung
zurückweisen, weil dem Kläger auch unter keinem sonstigen Gesichtspunkt,
insbesondere nicht dem des Schadensersatzes wegen einer Verletzung der
Pflicht zur richtigen Belehrung über sein Widerrufsrecht, ein Anspruch zusteht.
Der Zahlungsantrag ist daher abweisungsreif (Senatsurteil vom 21. Februar
2017 - XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 37 mwN). Im Übrigen ist dem Senat eine eigene
Sachentscheidung verwehrt.
31
1. Nicht abweisungsreif ist der Feststellungsantrag.
32
a) Der Senat kann auf die Revision der Beklagten die Feststellungsklage
nicht als unzulässig abweisen. Denn das Berufungsgericht hätte, wenn es die
Unzulässigkeit des Feststellungsantrags erkannt hätte, auf diese Tatsache hinweisen müssen. In solchen Fällen muss, sofern dies - wie hier - noch möglich
ist, dem Kläger durch Zurückverweisung der Sache Gelegenheit gegeben werden, eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Umstellung vorzunehmen (Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 39).
33
b) Der Senat kann aber auch nicht auf die Unbegründetheit der Feststellungsklage erkennen. Freilich ist das Feststellungsinteresse gemäß § 256
Abs. 1 ZPO nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung. Ein
Feststellungsbegehren, das das Berufungsgericht für zulässig erachtet hat,
kann bei tatsächlich fehlendem Feststellungsinteresse in der Revisionsinstanz
aus sachlichen Gründen abgewiesen werden (Senatsurteil vom 21. Februar
2017 - XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 41 mwN). Aufgrund der vom Berufungsgericht
getroffenen Feststellungen ist die Klage indessen nicht in der Sache abweisungsreif, weil nicht feststeht, dass der Kläger sein Widerrufsrecht verwirkt hat.
- 17 -
34
2. Aus denselben Gründen ist die Klage auf Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht abweisungsreif, weil nicht feststeht, ob sich aufgrund des
Widerrufs des Klägers die Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse
umgewandelt haben.
IV.
35
Der Senat weist deshalb die Sache in dem aus der Entscheidungsformel
ersichtlichen Umfang an das Berufungsgericht zurück, § 563 Abs. 1 ZPO, damit
es dem Kläger Gelegenheit zur Anpassung seiner Klageanträge gibt und die zur
Frage der Verwirkung des Widerrufsrechts erforderlichen Feststellungen nachholt.
Ellenberger
Grüneberg
Menges
Maihold
Derstadt
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 24.02.2016 - 5 O 122/15 OLG Koblenz, Entscheidung vom 19.08.2016 - 8 U 369/16 -