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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X ZR 14/15
vom
12. September 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Mähroboter
ZPO § 719 Abs. 1
Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Patentverletzungsurteil des Berufungsgerichts im Revisionsverfahren oder im Verfahren der
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kommt regelmäßig nicht in
Betracht, wenn das Klagepatent in einem nachfolgenden Urteil des Patentgerichts nur teilweise durch die Aufnahme beschränkender Merkmale in einen
oder mehrere Patentansprüche für nichtig erklärt worden ist, das Urteil des Berufungsgerichts tatrichterliche Feststellungen enthält, aus denen sich eine Verwirklichung der Patentansprüche auch in der Fassung des patentgerichtlichen
Urteils ergibt und die Beklagte nicht aufzeigt, dass diese tatrichterlichen Feststellungen im Berufungsurteil verfahrensfehlerhaft getroffen worden sind.
BGH, Beschluss vom 12. September 2016 - X ZR 14/15 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
ECLI:DE:BGH:2016:120916BXZR14.15.0
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski,
Hoffmann, die Richterin Schuster und den Richter Dr. Deichfuß
beschlossen:
Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der
Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts
Düsseldorf vom 29. Januar 2015 wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren wird bis zum rechtskräftigen Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens betreffend das europäische
Patent 1 512 053 ausgesetzt.
Gründe:
1
I. Auf die Berufung der Klägerin gegen ein klageabweisendes Urteil
des Landgerichts hat das Berufungsgericht die Beklagte wegen Verletzung des
mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 512 053 (Klagepatents) betreffend ein Verfahren zum Betreiben einer
automatischen Vorrichtung mittels eines elektronischen Leitsystems (Patentanspruch 1) sowie ein elektronisches Leitsystem zum Betreiben einer automatischen Vorrichtung (Patentanspruch 40) durch den Vertrieb von Mährobotern in
drei Ausführungsformen zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Rückruf verurteilt sowie die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt. Die Revision hat es nicht zugelassen. Dagegen hat die
Beklagte Beschwerde mit dem Ziel der Zulassung der Revision erhoben, über
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die der Senat noch nicht entschieden hat. Unterdessen hat das Patentgericht
auf die während des landgerichtlichen Verfahrens erhobene Nichtigkeitsklage
der Beklagten (5 Ni 19/13) das Klagepatent mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass in die unabhängigen Patentansprüche 1 und 40 jeweils gegenüber der erteilten Fassung folgende beschränkende Merkmale aufgenommen wurden
"said sensing system (11, 12, 13) detects when the magnetic field, which
is being generated from the first current pulse (2), changes direction
and, since the magnetic field on the opposite sides of the cable (1) has
an opposite direction,
recognizes when the automatic device (2) or a receiver (11) for detecting
the magnetic field comprised by the sensing system (11, 12, 13) crosses
the electrical cable (1) or
detects on which side of the electrical cable (1) the automatic device (2)
or a receiver (11) for detecting the magnetic field comprised by the sensing system (11, 12, 13) is positioned",
und sich die Unteransprüche 2, 3, 21, 22, 32 und 33 auf diese Fassung des Patentanspruchs 1 unmittelbar oder mittelbar rückbeziehen.
2
Das Landgericht hat gegen die Beklagte Zwangsgelder in Höhe von jeweils 5.000 € festgesetzt, um diese zur Vornahme der Auskunftserteilung und
Rechnungslegung sowie zum Rückruf entsprechend dem Urteil des Berufungsgerichts anzuhalten. Nachdem die Beklagte zur Abwendung der weiteren
Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 250.000 € geleistet und beim
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Landgericht Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gestellt hat, hat die
Klägerin der Beklagten eine Bürgschaftserklärung in gleicher Höhe zustellen
lassen und die Fortsetzung der Vollstreckung aus dem Urteil des Berufungsgerichts angekündigt.
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Die Beklagte beantragt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Berufungsgerichts. Zudem hat sie mit Einlegung der
Nichtzulassungsbeschwerde beantragt, das Beschwerdeverfahren bis zur
rechtskräftigen Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren auszusetzen. Die Klägerin ist beiden Anträgen entgegengetreten.
4
II. Der zulässige Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht begründet.
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1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Zwangsvollstreckung in entsprechender Anwendung von § 719 Abs. 1 ZPO auch im
Revisionsverfahren und im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision grundsätzlich gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen, wenn das Klagepatent im Patentnichtigkeitsverfahren durch das Patentgericht für nichtig erklärt worden ist. Dies wird durch die Erwägung getragen,
dass der dem angefochtenen Berufungsurteil zu Grunde liegenden Einschätzung, die Nichtigkeitsklage werde voraussichtlich erfolglos bleiben, mit dem Urteil des Patentgerichts die Grundlage entzogen ist, es sei denn, es ergeben sich
im Einzelfall gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass das Urteil des Patentgerichts
im Berufungsverfahren aller Voraussicht nach nicht standhalten wird (BGH, Beschluss vom 16. September 2014 - X ZR 61/13, BGHZ 202, 288 Rn. 7 ff.
- Kurznachrichten).
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Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt allerdings
regelmäßig nicht in Betracht, wenn das Klagepatent im Urteil des Patentgerichts
nur teilweise durch die Aufnahme beschränkender Merkmale in einen oder
mehrere Patentansprüche für nichtig erklärt worden ist, das Urteil des Berufungsgerichts tatrichterliche Feststellungen enthält, aus denen sich eine Verwirklichung der Patentansprüche auch in der Fassung des patentgerichtlichen
Urteils ergibt und die Beklagte nicht aufzeigt, dass diese tatrichterlichen Feststellungen im Berufungsurteil verfahrensfehlerhaft getroffen worden sind. Denn
die Einschätzung des Berufungsurteils, die Nichtigkeitsklage werde erfolglos
bleiben, ist unter diesen Voraussetzungen durch das Urteil des Patentgerichts
nicht in entscheidungserheblichem Umfang erschüttert worden.
7
Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach es
zur Wahrung des Rechts auf rechtliches Gehör auch dann, wenn das Berufungsgericht den Patentverletzungsstreit auf der Grundlage der erteilten Patentansprüche entschieden hat und das Patent nachfolgend durch ein Patentnichtigkeitsurteil dadurch teilweise für nichtig erklärt wird, dass beschränkende
Merkmale in einen oder mehrere Patentansprüche aufgenommen werden, nicht
erforderlich ist, die Revision zuzulassen, wenn es angesichts der Feststellungen
des Tatrichters nicht erheblich ist, ob das Patent die eine oder andere Fassung
hat (BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - X ZR 11/06, GRUR 2010, 272
- Produktionsrückstandsentsorgung).
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2. Im vorliegenden Fall ist dem Tatbestand des Urteils des Berufungsgerichts zu entnehmen, dass sämtliche angegriffene Ausführungsformen einen
Mähroboter und ein elektronisches Leitsystem zur Abgrenzung des Arbeitsbereichs umfassen. Der Mähroboter arbeitet innerhalb einer Fläche, die durch ein
unter der Erdoberfläche verlegtes Stromkabel begrenzt wird. Dieses Begren-
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zungskabel ist über die Andockstation mit dem Stromnetz verbunden. Ein Signalgeber innerhalb der Andockstation leitet in bestimmten Zeitabständen Stromimpulse durch das Kabel. Diese Stromimpulse erzeugen magnetische Felder,
die ein auf dem Mähroboter angebrachter Sensor detektiert und an die Steuereinheit des Mähroboters weiterleitet. Da die Richtung des magnetischen Feldes
auf beiden Seiten des Stromkabels entgegengesetzt ist, erkennt die Steuereinheit anhand dieser Information, ob sich der Mähroboter innerhalb des abgegrenzten Arbeitsbereichs befindet oder das Begrenzungskabel schon überschritten hat.
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Daraus folgt, dass das Sensorsystem des elektronischen Leitsystems detektiert, wenn das magnetische Feld seine Richtung ändert, wobei das magnetische Feld von ersten Stromimpulsen generiert wird. Zudem erkennt das Sensorsystem gemäß der ersten Alternative der gegenüber der erteilten Fassung
hinzugekommenen Merkmale, wenn der Mähroboter (die automatische Vorrichtung) oder der Receiver des Sensorsystems zum Detektieren des Magnetfeldes
das elektrische Kabel überquert, wobei das magnetische Feld auf der anderen
Seite des Kabels eine entgegengesetzte Richtung hat.
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Die Klägerin hat darauf, dass sich die Verwirklichung dieser in der Fassung des patentgerichtlichen Urteils in die Patentansprüche 1 und 40 aufgenommenen Merkmale aus dem Tatbestand des Berufungsurteils ergibt, bereits
in ihrer Erwiderung auf die Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen. Die Beklagte zeigt in ihrem nachfolgenden Einstellungsantrag nicht auf, weshalb es
unter diesen Umständen an tatrichterlichen Feststellungen zum Vorliegen der
im Urteil des Patentgerichts neu aufgenommenen Merkmale fehlen sollte.
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3. Soweit sich die Beklagte darüber hinaus auf ihre Berufung gegen das
Urteil des Patentgerichts stützt, in der sie dargelegt habe, dass das Klagepatent
im angegriffenen Umfang uneingeschränkt für nichtig zu erklären sei, ergeben
sich daraus keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beurteilung des Patentgerichts
einer Überprüfung im Berufungsverfahren aller Voraussicht nach nicht standhalten wird.
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III. Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens betreffend das Klagepatent ist hingegen
begründet.
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Ist ein Patentnichtigkeitsverfahren anhängig, kann im Patentverletzungsverfahren das Verfahren der Beschwerde gegen eine Nichtzulassung der Revision bis zur Entscheidung in dem Patentnichtigkeitsverfahren ausgesetzt werden (BGH, Beschluss vom 6. April 2004 - X ZR 272/02, BGHZ 158, 372
- Druckmaschinen-Temperierungssystem). Bei der insoweit zu treffenden Ermessensentscheidung sind alle für die Entscheidung relevanten Umstände einzubeziehen (BGH, Beschluss vom 28. September 2011 - X ZR 68/10, GRUR
2012, 93 - Klimaschrank). Im Streitfall hat die Verletzungsbeklagte die Nichtigkeitsklage etwa ein Jahr nach ihrer Erwiderung im Verletzungsverfahren vor
dem Landgericht eingereicht. In dieser Konstellation überwiegt grundsätzlich
noch das Interesse des Verletzungsbeklagten an widerspruchsfreien Entscheidungen gegenüber dem Interesse des Verletzungsklägers an einem zeitnahen
Abschluss des Verletzungsverfahrens. Das Interesse der Verletzungsbeklagten
wird auch nicht dadurch verringert, dass das Berufungsgericht - wie ausgeführt - tatsächliche Feststellungen auch zu den im Urteil des Patentgericht in die
Patentansprüche 1 und 40 neu aufgenommenen Merkmalen getroffen hat.
Denn sollte die Berufung der Verletzungsbeklagten Erfolg haben, wäre das Kla-
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gepatent im angegriffenen Umfang uneingeschränkt für nichtig zu erklären und
entstünde damit ein Widerspruch zur Grundlage des Urteils des Berufungsgerichts.
Meier-Beck
Grabinski
Schuster
Hoffmann
Deichfuß
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 02.07.2013 - 4a O 4/12 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 29.01.2015 - I-15 U 22/14 -