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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X ZB 4/02
vom
13. März 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
PatG § 59 Abs. 1 Sätze 2 und 4
Automatisches Fahrzeuggetriebe
Die Zulässigkeit eines Einspruchs, mit dem der Widerruf eines mehrere Nebenansprüche umfassenden Patents begehrt wird, erfordert nicht, daß der Einsprechende
Widerrufsgründe gegen sämtliche Nebenansprüche vorträgt. Vielmehr kann der Einsprechende bei mehreren Nebenansprüchen die Patentfähigkeit nur eines Nebenanspruchs angreifen.
BGH, Beschl. v. 13. März 2003 - X ZB 4/02 - Bundespatentgericht
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis, die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck
am 13. März 2003
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Einsprechenden wird der Beschluß
des 8. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 27. November 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf
50.000,--
    
Gründe:
I. Das Verfahren betrifft das deutsche Patent 34 36 190 mit der Bezeichnung "Einrichtung zur elektronischen Steuerung eines automatischen Fahrzeuggetriebes" mit elf Patentansprüchen, darunter vier Nebenansprüche. Ge-
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gen das Patent, dessen Erteilung am 22. Juni 1995 veröffentlicht wurde, hat die
Einsprechende mit am 22. September 1995 eingegangenem Schriftsatz Einspruch erhoben und beantragt, das Patent wegen mangelnder Neuheit oder jedenfalls mangelnder erfinderischer Tätigkeit nach § 21 PatG zu widerrufen. In
der Begründung hat sie angegeben, aus der Druckschrift "D1" sei eine Einrichtung mit den Merkmalen des Oberbegriffs von Anspruch 1 des Streitpatents
bekannt. Aus ihr seien darüber hinaus für den Fachmann zumindest auch Anregungen zum Auffinden der Lösung nach dem Anspruch 1 entnehmbar, so
daß der Gegenstand von Anspruch 1 des strittigen Patents auf jeden Fall keinerlei erfinderischer Tätigkeit bedurft habe. Auch die übrigen Ansprüche, insbesondere die Ansprüche 2 und 3, seien im Hinblick auf die Offenbarung der
Druckschrift "D1" nicht neu und ließen keinen erfinderischen Gehalt erkennen.
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat den Einspruch als zulässig,
aber nicht begründet angesehen und das Patent mit Beschluß vom 26. Februar
1999 aufrechterhalten. Das Bundespatentgericht hat den Beschluß aufgehoben
und unter Zurückweisung der Beschwerde den Einspruch als unzulässig verworfen. Das Einspruchsvorbringen enthalte keine hinreichend substantiierten
Angaben zu dem Nebenanspruch 4 des angegriffenen Patents, so daß der Einspruch insgesamt unzulässig sei. Dagegen richtet sich die - zugelassene Rechtsbeschwerde der Einsprechenden, mit der sie ihren Einspruch weiterverfolgt.
II. Das aufgrund der Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Bundespatentgericht statthafte, zulässig eingelegte Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an
das Beschwerdegericht.
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1. Mit Recht hat das Bundespatentgericht die vom Deutschen Patentund Markenamt bejahte Zulässigkeit des Einspruchs eigener Prüfung unterzogen. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von Amts wegen in jedem Stadium des
Verfahrens und damit auch im Beschwerdeverfahren zu prüfen. Hält das Beschwerdegericht den Einspruch für unzulässig, darf eine sachliche Entscheidung nicht ergehen; vielmehr muß der Beschluß zum Ausdruck bringen, daß
der Einspruch wegen Unzulässigkeit keinen Erfolg hat (Sen.Beschl. v.
29.4.1997 - X ZB 13/96, GRUR 1997, 740 - Tabakdose, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung.
2. Ohne Rechtsfehler ist das Bundespatentgericht ferner davon ausgegangen, daß die zwischen den Beteiligten streitige Frage, welche Anforderungen an die Darlegung von Einspruchsgründen bei einem Einspruch gegen
mehrere Ansprüche eines Patents zu stellen sind, zunächst die Zulässigkeit
des Einspruchs betrifft. Nach § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG gehört das Erfordernis,
die Tatsachen im einzelnen anzugeben, die den Einspruch rechtfertigen, zu
den förmlichen Voraussetzungen eines Einspruchs (BGHZ 93, 171, 174
- Sicherheitsvorrichtung).
3. Mit ihrem Rechtsmittel rügt die Einsprechende, das Bundespatentgericht habe zu Unrecht angenommen, der Einspruch sei hinsichtlich
Patentanspruch 4 - selbst bei nur isolierter Betrachtung - nicht ausreichend begründet worden. Alles das, was die Einsprechende gegen die Neuheit und eine
ausreichende erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 vorgebracht habe, gelte unmittelbar auch für den Gegenstand des Anspruchs 4,
der im kennzeichnenden Teil nur geringfügig von Anspruch 1 abweiche. Hier-
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von abgesehen, sei der Einspruch auch dann zulässig, wenn mit der Begründung nur die Ansprüche 1 bis 3 hinreichend substantiiert angegriffen seien.
Die Rüge hat Erfolg.
a) Eine Einspruchsbegründung genügt der formalen gesetzlichen Anforderung, wenn sie die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe
maßgeblichen Umstände im einzelnen so darlegt, daß der Patentinhaber und
insbesondere das Deutsche Patent- und Markenamt daraus abschließende
Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes
ziehen können (Sen.Beschl. v. 30.3.1993 - X ZB 13/90, GRUR 1993, 651, 653
- Tetraploide Kamille, m.w.N.). Der Vortrag des Einsprechenden muß erkennen
lassen, daß ein bestimmter Tatbestand behauptet werden soll, der auf seine
Richtigkeit nachgeprüft werden kann. Da der Einspruch nur auf die Behauptung
gestützt werden kann, einer oder mehrere der in § 21 PatG genannten Widerrufsgründe liege vor (§ 59 Abs. 1 Satz 3 PatG), muß die überprüfbare Tatsachenangabe sich außerdem auf den geltend gemachten Widerrufsgrund beziehen
(BGHZ
100,
243,
246
- Streichgarn;
Sen.Beschl.
v.
29.4.1997
- X ZB 13/96, GRUR 1997, 740 - Tabakdose). Beruft sich der Einsprechende
auf fehlende Patentfähigkeit des patentierten Gegenstandes infolge fehlender
Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit, sind Angaben zum Stand der Technik
und dazu erforderlich, ob und gegebenenfalls inwieweit dieser den patentgemäßen Gegenstand vorwegnimmt oder nahelegt, damit die Voraussetzungen
der §§ 3 Abs. 1 und 4 PatG überprüft werden können.
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts folgt hieraus jedoch nicht, daß der Einsprechende bei mehreren angefochtenen Ansprüchen
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zu jedem einzelnen Widerrufsgründe substantiiert vortragen muß, die nach seiner Einschätzung geeignet sind, die Schutzfähigkeit des jeweiligen Anspruchs
in Zweifel zu ziehen. Nach § 59 Abs. 1 Satz 3 und 4 PatG setzt die Zulässigkeit
eines Einspruchs lediglich die Behauptung voraus, daß einer der in § 21 PatG
genannten Widerrufsgründe vorliegt und daß entsprechende Tatsachen vorgetragen werden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht Voraussetzung der
Zulässigkeit, daß der Einsprechende Widerrufsgründe gegen sämtliche Hauptund Nebenansprüche eines Patents geltend macht. Bereits die substantiierte
Darlegung von Umständen, die einen Widerrufsgrund für einen Teil des erteilten Patents stützen, rechtfertigt den (Teil-)Widerruf nach § 21 Abs. 1 Nr. 2
PatG. Dem Einsprechenden bleibt es deshalb unbenommen, von mehreren
Widerrufsgründen nur einen geltend zu machen oder bei mehreren Nebenansprüchen die Patentfähigkeit nur eines Anspruchs anzugreifen. Durch diese
Beschränkung des Einsprechenden wird das Patentamt nicht gebunden (§ 61
Abs. 1 Satz 1 PatG). Das durch den fristgerechten Einspruch eröffnete Verfahren ist ein einheitliches Verfahren, in dem unter Berücksichtigung sämtlicher
Einsprüche und sämtlicher Widerrufsgründe einheitlich über die Aufrechterhaltung des Patents zu entscheiden ist. Ebenso wie das Verfahren nicht auf das
rechtzeitige Einspruchsvorbringen des einzelnen Einsprechenden beschränkt
werden kann, ist der Einsprechende auch nicht gezwungen, alle Hauptansprüche gleichermaßen anzugreifen, auch wenn er sich hiervon keinen Erfolg verspricht. Das Patentamt ist nicht an Anträge des Einsprechenden gebunden (vgl.
Sen.Beschl. v. 14.2.1989 - X ZB 8/87, GRUR 1989, 494 - Schrägliegeeinrichtung).
c) Auch die weiteren Überlegungen des Bundespatentgerichts, bei einem substantiierten Tatsachenvortrag hinsichtlich nur einiger, aber nicht aller
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Ansprüche fehle dem Einspruch die erforderliche umfassende Auseinandersetzung mit dem erteilten Patent, verfangen nicht. Mit den Teilen des Patents, bei
denen nach Meinung des Einsprechenden oder tatsächlich keine einspruchsbegründenden Tatsachen vorliegen, braucht sich der Einspruch, soweit sie
nicht für die angegriffenen Teile von Bedeutung sind, nicht zu befassen. Das
Gebot, daß das Vorbringen des Einsprechenden sich mit dem Patent, wie es
erteilt ist, auseinanderzusetzen hat (BGHZ 102, 53 - Alkyldiarylphosphin), wird
dadurch nicht in Frage gestellt. Nicht anders ist auch die Entscheidung des Senats vom 10. Februar 1987 (X ZR 28/86, GRUR 1988, 346, 366 - EpoxidationsVerfahren) zu verstehen. Vor allem kann ihr nicht entnommen werden, daß die
Einspruchsbegründung sich auch gegen solche (selbständigen) Teile des Patents wenden muß, hinsichtlich derer substantiierte Einwendungen nicht vorgebracht werden können oder sollen (vgl. EPA ABl. 1997, S. 447 ff.; EPA Sonderausgabe zum ABl. 1998, S. 100 f.).
d) Nach diesen Grundsätzen ist der Einspruch vom 21. September 1995,
mit dem die Einsprechende beantragt hat, das angegriffene Patent nach § 21
PatG zu widerrufen, zulässig, und zwar unabhängig davon, ob sich die geltendgemachten Widerrufsgründe nur auf die Ansprüche 1 bis 3 oder auch auf
Anspruch 4 beziehen. Es kann dahinstehen, ob entsprechend der Auffassung
der Einsprechenden der Gesamtzusammenhang der Einspruchsschrift erkennen läßt, daß sich die gegen die Neuheit und erfinderische Tätigkeit der Ansprüche 1 bis 3 vorgetragenen Gründe in gleicher Weise auch gegen Anspruch 4 richten. Der vom Bundespatentgericht festgestellte Vortrag der Einsprechenden ermöglicht Patentamt und Patentinhaberin die Überprüfung der
geltend gemachten Widerrufsgründe. Die Einsprechende hat sich zur Begründung ihres Einspruchs insbesondere auf die Druckschrift "D1" gestützt. Auf
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Seite 2 der Einspruchsschrift ist jeweils unter Verweisung auf den Inhalt dieser
Druckschrift im einzelnen ausgeführt, warum der Gegenstand von Anspruch 1
nicht neu sei und es jedenfalls keiner erfinderischen Tätigkeit bedurft habe, um
von der Druckschrift D1 zu ihm zu gelangen. Nach weiteren Ausführungen zu
den "Unteransprüchen" 2 und 3 heißt es abschließend auf Seite 3 der Einspruchsschrift: "Schließlich sind auch die Merkmale der weiteren Unteransprüche ganz überwiegend schon aus der Druckschrift D1 bekannt."
4. Von einer mündlichen Verhandlung hat der Senat gemäß § 107
Abs. 1 PatG abgesehen.
Melullis
Jestaedt
Mühlens
Scharen
Meier-Beck