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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 218/99
Verkündet am:
14. Juni 2000
Mayer,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGB § 826 Gi
Zur vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung durch Erteilung einer fingierten Rechnung, die auf einer kollusiven Absprache des Schädigers mit einem Mitarbeiter des
Geschädigten beruht.
BGH, Urteil vom 14. Juni 2000 - VIII ZR 218/99 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
-2-
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Juni 2000 durch die Richter Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Ball, Wiechers und
Dr. Wolst
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. August 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin
erkannt worden ist, und insgesamt neu gefaßt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 12. Zivilkammer
des Landgerichts Stuttgart vom 18. September 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin stand in den Jahren 1991 bis 1993 - damals noch unter ihrer Bezeichnung D.
B.
T.
- mit der Beklagten in Geschäftsbezie-
hungen, in deren Rahmen die Beklagte für die Klägerin Messen organisierte.
Im Zeitraum von Mai 1991 bis August 1993 gewährte die Beklagte bzw.
deren Geschäftsführer O. , zum Teil auch über andere, ihm ebenfalls gehören-
-3-
de Unternehmen der sogenannten "T -Gruppe" einzelnen, in der Marketingabteilung der Klägerin beschäftigten Mitarbeitern private Zuwendungen und Geschenke in erheblichem Umfang, um bei der Vergabe von Aufträgen berücksichtigt zu werden, da die Klägerin eine wichtige Auftragsgeberin der Beklagten
sowie der "T -Gruppe" war. Die Zuwendungen der Beklagten umfaßten unter
anderem eine Irlandreise für zwei Personen, Küchenmaschinen, Stereoanlagen, eine Containerküche sowie Hostessenkurse für Mitarbeiterinnen der Klägerin.
Kurz vor dem 14. April 1993 führte der Geschäftsführer der Beklagten
mit dem bei der Klägerin damals beschäftigen Zeugen S.
ein Telefonat mit
dem Ziel, von der Klägerin eine Vergütung für die von der Beklagten an die
Mitarbeiter der Klägerin gemachten Zuwendungen zu erreichen. Bei diesem
Telefonat diktierte der Zeuge S.
dem Geschäftsführer der Beklagten ver-
schiedene, sich überwiegend auf Lederwaren beziehende Einzelposten, um
hierüber von der Beklagten eine fingierte Rechnung erstellen zu lassen; dabei
waren sich sowohl der Zeuge S.
wie auch der Geschäftsführer der Beklag-
ten bewußt, daß diese Waren weder von der Klägerin bestellt noch an sie geliefert worden waren. Der Geschäftsführer der Beklagten legte anschließend
der Klägerin eine Rechnung vom 14. April 1993 über 154.592,20 DM zur Zahlung vor, welche die ihm genannten Einzelposten umfaßte; die Rechnung wurde von der Klägerin am 4. Juni 1993 bezahlt.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der frühere Mitarbeiter der
Klägerin R.
I.
unter Einschaltung der Beklagten Lederwaren der Firma P. /
als Werbegeschenke bestellt hatte, welche der Klägerin auch ausgeliefert
wurden.
-4-
Nachdem im Juni/Juli 1993 staatsanwaltliche Ermittlungen gegen die
beteiligten Mitarbeiter der Klägerin eingeleitet worden waren und am 19. Juli
1995 ein Strafbefehl gegen den Geschäftsführer der Beklagten wegen Vorteilsgewährung und Beihilfe zur Untreue ergangen war, zahlte die Beklagte am
14. Juni 1996 an die Klägerin einen Betrag von 42.097,80 DM zuzüglich Zinsen
(insgesamt 49.613,75 DM) mit der Begründung zurück, hierbei handele es sich
um einen Teilbetrag der Rechnung vom 14. April 1993, welcher der Beklagten
nicht zustehe, da diese insoweit keine Leistung an die Klägerin erbracht habe.
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Rückzahlung des
restlichen Rechnungsbetrages von 112.494,40 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch. Die Beklagte behauptet demgegenüber, die Klägerin habe, vertreten
durch ihre Mitarbeiter R.
und S.
, am 2. März 1992 bei ihr Lederwaren als
Werbegeschenke bestellt, die dann unter Einschaltung der Firma N.
W.
GmbH (im folgenden: Firma N.
) als Zwischenhändlerin bei der Fir-
ma P. erworben und an die Klägerin ausgeliefert worden seien; hierüber habe
die Firma N.
der Beklagten die Rechnung vom 8. Oktober 1992 über
112.494,40 DM erteilt, die von der Beklagten am 24. Februar 1993 bezahlt
worden sei. Im Rahmen des kurz vor dem 14. April 1993 geführten Telefongesprächs habe zwischen dem Zeugen S.
und dem Geschäftsführer der Be-
klagten Einverständnis darüber bestanden, daß die Forderung für die Lederwaren der Firma P.
und die Leistungen an die Mitarbeiter der Klägerin in die
Rechnung vom 14. April 1993 "hineingerechnet" werden sollten. Hilfsweise hat
die Beklagte die Aufrechnung mit der Forderung aus der Lederwarenlieferung
gegenüber der Klageforderung erklärt. Die Klägerin hat demgegenüber behauptet, sie habe die ihr gelieferten Lederwaren aufgrund der Rechnung der
Firma P. vom 19. Mai 1992 über 80.400 DM am 16. Juni 1992 unmittelbar bei
dieser bezahlt.
-5-
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Beklagte lediglich zur Zahlung eines
Betrages von 9.415,60 DM nebst Zinsen verurteilt und im übrigen die Klage
abgewiesen.
Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt:
Von der an die Beklagte geleisteten Zahlung von 154.592,20 DM könne
die
Klägerin
- über
die
von
der
Beklagten
bereits
zurückbezahlten
42.097,80 DM hinaus - lediglich einen Betrag von 9.415,60 DM als ungerechtfertigte Bereicherung zurückverlangen. Zwar sei die am 4. Juni 1993 geleistete
Zahlung der Klägerin an die Beklagte auf die - unstreitig - fingierte Rechnung
der Beklagten vom 14. April 1993 über 154.592,20 DM erfolgt; zwischen den
Parteien sei unstreitig, daß eine dieser Rechnung entsprechende Kaufpreisverbindlichkeit der Klägerin nicht bestanden habe. Die Beklagte berufe sich
jedoch als Rechtsgrund für die von der Klägerin geleistete Zahlung, soweit sie
den Betrag von 42.097,80 DM übersteige, auf eine Kaufpreisschuld der Klägerin gegenüber der Beklagten aufgrund der am 2. März 1992 erfolgten Bestellung und Lieferung der in der Rechnung der Firma N.
vom 8. Oktober 1992
bezeichneten Lederwaren. Diesen Rechtsgrund habe die - beweispflichtige Klägerin nicht ausgeräumt. Hinsichtlich eines Betrages von 9.415,60 DM für
-6-
Transport- und Frachtkosten etc. habe die Beklagte allerdings einen die Zahlung rechtfertigenden Rechtsgrund nicht geltend gemacht, so daß insoweit ein
Bereicherungsanspruch der Klägerin bestehe.
Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB stehe der Klägerin ebenfalls nicht zu. Zwar sei die Stellung einer Rechnung mit fingierten Positionen
sittenwidrig. Die Klägerin habe jedoch nicht den Nachweis geführt, daß ihr
durch die Bezahlung des Betrags, der auf die Lederwaren aus der Rechnung
der Firma N.
vom 8. Oktober 1992 entfalle, ein Schaden entstanden sei, da
- ausgehend von einer Kaufpreisverbindlichkeit der Klägerin gegenüber der
Beklagten in Höhe dieses Betrages - diese Verbindlichkeit durch die Zahlung
getilgt, der Vermögensstand der Klägerin also nicht gemindert worden sei. Jedenfalls lasse sich nicht feststellen, daß der Geschäftsführer der Beklagten mit
Schädigungsvorsatz gehandelt habe.
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung jedenfalls
insoweit nicht stand, als das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch
der Klägerin gemäß § 826 BGB (in Verbindung mit § 31 BGB) verneint hat.
1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem
Landgericht an, daß die Erteilung der Rechnung der Beklagten vom 14. April
1993, die lediglich fingierte Position enthielt und mit welcher die an die Mitarbeiter der Klägerin gemachten unerlaubten Zuwendungen zumindest teilweise
abgedeckt werden sollten, sittenwidrig war (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember
1998 - III ZR 208/97, NJW 1999, 1024 unter II 2 m.w.Nachw.).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es nicht deshalb an
dem Nachweis eines Schadens der Klägerin, weil - ausgehend von einer behaupteten Kaufpreisschuld der Klägerin aufgrund der Bestellung vom 2. März
-7-
1992 in gleicher Höhe - diese Verbindlichkeit durch die am 4. Juni 1993 erfolgte Zahlung getilgt worden sei. Kommen mehrere Schulden in Betracht, so
bestimmt nach § 366 BGB der Schuldner, welche von ihnen getilgt werden soll.
Hat dieser seinen Willen erklärt, kann das zwecks Erfüllung einer nicht bestehenden Verbindlichkeit Geleistete zurückgefordert werden, auch wenn eine
andere Schuld in gleicher Höhe bestand, die der Leistende nicht tilgen wollte;
der Gläubiger kann gegenüber dem Rückforderungsanspruch des Leistenden
(BGHZ 50, 227, 231 f; BGH, Urteil vom 18. April 1985 - VII ZR 309/84, NJW
1985, 2700 unter 2 m.w.Nachw.) lediglich mit der ihm zustehenden Forderung
aufrechnen, nicht aber eine andere Anrechnung verlangen (Heimann/Trosien in
RGRK-BGB, 12. Aufl., § 812 Rdn. 77; Soergel/Mühl, BGB, 11. Aufl., § 812
Rdn. 178 m.w.Nachw.; vgl. auch BGHZ 7, 123 ff).
Soweit nach der Behauptung der Beklagten zwischen deren Geschäftsführer und dem seinerzeit bei der Klägerin beschäftigten Zeugen S.
Einver-
ständnis bestanden haben soll, daß - neben der Vergütung für die Zuwendungen an die Mitarbeiter der Klägerin - die Forderung für die Lieferung von Lederwaren durch die Firma P. in die Rechnung vom 14. April 1993 "hineingerechnet" werden sollte, so daß die Zahlung der Klägerin auch der Tilgung einer
insoweit bestehenden Kaufpreisforderung der Beklagten gedient habe, braucht
die Klägerin sich diese Abrede nicht zurechnen zu lassen. Es entspricht anerkannter Rechtsprechung, daß Vereinbarungen, welche Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer Partei im Einverständnis mit dem Vertragsgegner hinter dem Rücken und zum Nachteil des von ihnen vertretenen
Geschäftsherrn treffen, gegen die guten Sitten verstoßen und nichtig sind (vgl.
RGZ 136, 359, 360; BGH, Urteil vom 17. Mai 1988 - VI ZR 233/87, NJW 1989,
26 unter II; MünchKomm-Schramm, BGB, 3. Aufl., § 164 Rdn. 99 m.w.Nachw.).
-8-
Lag aber eine wirksame Bestimmung der Klägerin, mit der am 4. Juni
1993 erfolgten Überweisung des sich aus der Rechnung vom 14. April 1993
ergebenden Rechnungsbetrages von 154.592,20 DM (teilweise) eine Kaufpreisforderung der Beklagten aus der Lieferung von Lederwaren begleichen zu
wollen, nicht vor, konnte insoweit auch keine Tilgungswirkung eintreten, so daß
das Vermögen der Klägerin durch die Zahlung an die Beklagte gemindert worden ist.
3. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, ein Schädigungsvorsatz
des Geschäftsführers der Beklagten, sei es auch nur in Form des bedingten
Vorsatzes, lasse sich nicht feststellen, hält den Rügen der Revision nicht
stand.
a) Für das Vorliegen des Schädigungsvorsatzes im Sinne des § 826
BGB ist das Bewußtsein erforderlich, daß das Handeln den schädigenden Erfolg haben wird. Der Vorsatz braucht sich zwar nicht auf den genauen Kausalverlauf und den Umfang des Schadens zu erstrecken, muß jedoch die gesamten Schadensfolgen sowie Richtung und Art des Schadens umfassen. Für die
Bejahung des Schädigungsvorsatzes reicht es aus, daß der Ersatzpflichtige
den dem Ersatzberechtigten entstandenen Schaden zumindest in der Form des
bedingten Vorsatzes zugefügt hat (BGH, Urteil vom 23. Juni 1987 - VI ZR
213/86, NJW 1987, 3205 unter III; BGH, Urteil vom 20. November 1990 - VI ZR
6/90, NJW 1991, 634 unter B II 4 b); die Feststellung der Schädigungsabsicht
ist nicht erforderlich (BGHZ 8, 387, 393; siehe auch Steffen in RGRK-BGB
§ 826 Rdn. 33 m.w.Nachw.).
b) Unter den hier gegebenen Umständen besteht kein Zweifel, daß der
Geschäftsführer der Beklagten mit der Erstellung der Rechnung vom 14. April
1993, die sämtlich fingierte Einzelposten enthielt, jedenfalls bedingt eine Schä-
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digung der Klägerin in Kauf genommen hat, selbst wenn nach der Behauptung
der Beklagten damit zugleich die Abrechnung am 2. März 1992 von der Klägerin bestellter Lederwaren erfolgen sollte. Durch die Erstellung dieser Rechnung, deren Bezahlung anschließend der Zeuge S.
veranlaßte, wurde ein-
mal, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, der Klägerin die Möglichkeit genommen, die Erfüllung einer der Rechnung tatsächlich zugrundeliegenden Forderung der Beklagten nachzuweisen, zumindest aber ein solcher
Nachweis der Klägerin erheblich erschwert. Darüber hinaus sollte eine Überprüfung der Berechtigung der fingierten Rechnung vom 14. April 1993 im Hause der Klägerin verhindert werden, da andernfalls mit einer Rückforderung der
Klägerin hätte gerechnet werden müssen; im übrigen konnte es mangels korrekter Rechnungsstellung zu Doppelzahlungen der Klägerin dann kommen,
wenn die Beklagte eine weitere Rechnung über nach ihrer Behauptung tatsächlich bestellte Waren erteilte. Diese Umstände rechtfertigen aufgrund der
allgemeinen Lebenserfahrung den Schluß, daß der Geschäftsführer der Beklagten jedenfalls vor der Möglichkeit einer Schädigung der Klägerin die Augen
nicht verschlossen hat, vielmehr mit einer solchen rechnete und diese billigend
in Kauf genommen hat.
4. Da der Klägerin somit ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter
Handlung zusteht, scheidet auch die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einer aus der Lederwarenlieferung der Firma P.
hergeleiteten
Kaufpreisforderung aus (§ 393 BGB).
5. Die Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil war da-
- 10 -
her unter Aufhebung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang zurückzuweisen.
Dr. Hübsch
Dr. Beyer
Wiechers
Ball
Dr. Wolst