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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 123/04
Verkündet am:
4. Mai 2005
Kirchgeßner
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO §§ 304, 318
Zur Bindungswirkung eines Zwischenurteils, das das Minderungsbegehren eines
Käufers dem Grunde nach für berechtigt erklärt.
BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - VIII ZR 123/04 - OLG Karlsruhe
LG Offenburg
-2-
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Mai 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
Dr. Beyer, Ball, Dr. Leimert und Dr. Frellesen
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 14. Zivilsenat in Freiburg - vom 2. April 2004
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat
des Oberlandesgerichts Karlsruhe zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte verkaufte der Klägerin im Jahr 1988 insgesamt 6 CNCHochleistungswerkzeugmaschinen zur Herstellung von Schaftfräsern mit den
Bezeichnungen J.
515-1 (Maschinen Nrn. 1175, 1266 und 1267), Q.
1001 (Nr. 1274), J.
310 (Nr. 1273) und N.
(Nr. 1254). Nachdem
die Klägerin im Rahmen der Vertragsverhandlungen genaue Informationen unter anderem zu Leistungskapazitäten, Taktzeiten und der Möglichkeit von bedienungs- und wartungsfreien sogenannten „Geisterschichten“ verlangt hatte,
übersandte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 18. Februar 1988 die gewünschten Daten. Nach der Lieferung rügte die Klägerin mit Schreiben vom 18. August
1989 Mängel der Maschinen, unter anderem die Nichteinhaltung der zugesagten Leistungswerte. Im Rahmen eines von der Klägerin beantragten Beweissi-
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cherungsverfahrens erstattete der Sachverständige Dipl. Ing. S.
am
28. Januar 1994 ein schriftliches Gutachten.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin Minderung des Gesamtkaufpreises,
hilfsweise Schadenersatz, in Höhe von 2.144.277,00 DM (1.096.351,40 €) verlangt. Durch Grundurteil vom 8. März 1995 hat das Landgericht der Klage dem
Grunde nach stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat
das Berufungsgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß ein Anspruch der
Klägerin auf Herabsetzung des Kaufpreises bezüglich der Maschine J.
515-
1 Nr. 1266 nicht gegeben sei. Die hiergegen eingelegte Revision der Beklagten
hat der Senat nicht zur Entscheidung angenommen.
Nach den vom Berufungsgericht im Grundurteil getroffenen Feststellungen wurden die im Schreiben vom 18. Februar 1988 genannten und Vertragsinhalt gewordenen Leistungsdaten von den Maschinen nicht erreicht. Nach der
Einholung weiterer Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W.
im
Betragsverfahren hat das Landgericht der Klage in Höhe von 506.719,40 €
nebst Zinsen - unter Abweisung im übrigen - stattgegeben. Es hat die Höhe der
Minderung wegen eingeschränkter Leistungsfähigkeit - nicht erreichter Taktzeiten und Unmöglichkeit, sogenannte Geisterschichten zu fahren - auf der Grundlage von Beobachtungszeiträumen von 4 ¾ bis 7 Stunden für die Maschinen
J.
515-1 Nr. 1267, Q.
1001 Nr. 1274, J.
310 Nr. 1273 und N.
Nr. 1254 auf 668.595,00 DM sowie wegen nutzloser Aufwendungen für Zusatzaggregate zur Durchführung von Geisterschichten auf 322.462,00 DM, insgesamt auf 991.057,00 DM (506.719,40 €) geschätzt; eine weitergehende Minderung wegen eingeschränkter Maschinenverfügbarkeit hat es verneint, weil
der von den Sachverständigen S.
und Prof. Dr. W.
dafür
übereinstimmend für erforderlich gehaltene Beobachtungszeitraum von 500
Stunden nicht eingehalten sei. Bezüglich der Maschine J.
515-1 Nr. 1175 hat
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es die Zubilligung einer Minderung mit der Begründung abgelehnt, nach den
Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. W.
der Sachverständige S.
sei es möglich, daß
die Taktzeiten unrichtig ermittelt habe, weil
ein zu geringer Vorschub gewählt worden sei.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Klägerin hat die Verurteilung der Beklagten in Höhe von insgesamt 876.373,20 €
nebst Zinsen, die Beklagte die Klageabweisung in vollem Umfang erstrebt. Das
Oberlandesgericht hat die Klage unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Antrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Klägerin stehe kein Recht auf Minderung des Kaufpreises für die
Maschinen zu, weil ihr ein Nachweis der Minderungshöhe nicht gelungen sei.
Die Bindung an das Grundurteil schließe nicht aus, daß die Klage im Betragsverfahren abgewiesen werde, da durch das Grundurteil nicht entschieden worden sei, in welchem Umfang der Wert der gelieferten Maschinen mangelbedingt
gemindert gewesen sei. Eine Schätzung der Minderung - auch eines Mindestbetrages - gemäß §§ 287 Abs. 2, 525 ZPO sei nicht möglich. Das vorliegende
Material reiche nicht aus, um ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Hinsichtlich der Maschinenverfügbarkeit fehle es an einer ausreichenden
Datenbasis für die Ermittlung eines Minderungsbetrages, da für eine Begutachtung nach den Aussagen des Sachverständigen S.
, die von dem
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Sachverständigen Prof. Dr. W.
gebilligt worden seien, eine Maschi-
nenlaufzeit von 500 Stunden erforderlich sei. Die für eine Schätzung nach § 287
Abs. 1 und 2 ZPO vorauszusetzende höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit dahin, daß die Maschinen in ihrer Leistungsfähigkeit in einem bestimmten Ausmaß hinter den an sie zu stellenden Anforderungen zurückblieben, ließe
sich unter diesen Umständen nicht gewinnen. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit gelte entsprechendes. Auch dazu habe der Sachverständige S.
ausgeführt, daß eine Beurteilung erst nach einer Laufzeit von 500 Stunden erfolgen könne. Nachdem sich das Berufungsgericht dieser Beurteilung des
Sachverständigen im Grundurteil angeschlossen habe, sei es daran gebunden
(§ 318 ZPO). Daran ändere nichts, daß die Annahmen des Sachverständigen
hinsichtlich des Prüfzeitraums von 500 Stunden seit den Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W.
zweifelhaft geworden seien. Dieser Sach-
verständige habe allerdings einen Zeitraum von 3 mal 8 Stunden als ausreichend angesehen, der aber auch bei weitem nicht eingehalten sei.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Die
Revision rügt mit Erfolg, daß das Berufungsgericht die Grundlagen für eine
Schätzung des Minderungsbetrages gemäß § 287 Abs. 2, 1 ZPO nicht ausreichend ermittelt und bewertet hat, weil es sich zu Unrecht an Feststellungen des
Grundurteils gebunden hält (§§ 304, 318 ZPO).
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen,
daß auf den vor dem 1. Januar 2002 geschlossenen Kaufvertrag das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden ist (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) und der Klägerin - wie bereits im
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Grundurteil festgestellt - dem Grunde nach ein Anspruch auf Minderung des für
die Maschinen gezahlten Kaufpreises zusteht (§§ 459, 462, 472 BGB a.F.).
2. Rechtsfehlerhaft sind die Erwägungen des Berufungsgerichts, die zu
der Annahme führen, der Klägerin sei der Nachweis der Höhe der Minderung
nicht gelungen. Zwar geht es zutreffend davon aus, daß die Höhe der Minderung durch das Gericht gemäß § 287 Abs. 2 in Verbindung mit Abs.1 ZPO unter
Würdigung aller maßgeblichen Umstände nach freier Überzeugung geschätzt
werden kann, wobei die Schätzung möglichst nahe an die Wirklichkeit heranführen soll (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1996 - X ZR 76/94, NJW-RR 1997, 688
unter II 2 d aa m.w.Nachw.). Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob die
Ermittlung des Minderwerts auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht und ob wesentliche, die Entscheidung bedingende
Tatsachen außer acht gelassen sind (vgl. BGH aaO unter II 2 d aa). Wie die
Revision zu Recht rügt, hat das Berufungsgericht jedoch wegen der von ihm
fälschlich angenommenen Bindungswirkung des Grundurteils die Schätzgrundlagen nicht ausreichend festgestellt und die Möglichkeit einer Schätzung auch
nur eines Mindestbetrages der Minderung von vornherein verfahrensfehlerhaft
abgelehnt. Das Berufungsgericht nimmt hinsichtlich der Minderung wegen verringerter Leistungsfähigkeit der Maschinen zu Unrecht eine Bindung an die
Feststellung im Grundurteil an, eine Beurteilung des Umfangs der Beeinträchtigungen könne erst nach 500 Stunden Maschinenlaufzeit erfolgen; ferner läßt es
wesentliche Beweisergebnisse außer acht.
a) Die Bindungswirkung eines Grundurteils erstreckt sich nur auf die in
ihm bejahte oder verneinte Rechtsfolge (§ 318 ZPO). Es ist daher darauf abzustellen, wie das Gericht in der Urteilsformel, die gegebenenfalls unter Heranziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen auszulegen ist, entschieden
hat (BGH, Urteil vom 26. September 1996 - VII ZR 142/95, NJW-RR 1997, 188
-7-
unter II 1). Ausführungen über die Höhe einer Forderung oder eines Schadens
nehmen an der Rechtskraft des Grundurteils nicht teil und sind für das weitere
Verfahren nicht bindend (BGHZ 10, 361, 362; BGH, Urteil vom 29. Oktober
1959 - III ZR 150/58, VersR 1960, 248 unter III; BGH, Urteil vom 12. Juli 1963
- IV ZR 314/62, MDR 1964, 214).
Das Berufungsgericht hat sich in seinem ersten Berufungsurteil, in dem
es die Berufung gegen das Grundurteil des Landgerichts zurückgewiesen hat,
ausschließlich mit der Frage befaßt, ob der Sachverständige S.
Mängel der Maschinen festgestellt hat. Soweit es sich den weiteren Ausführungen des Sachverständigen S.
angeschlossen hat, in welchem Um-
fang die von der Beklagten geschuldeten Leistungen nicht erbracht seien, könne erst nach einer Laufzeit von 500 Stunden gesagt werden, betreffen diese die
Höhe der Minderung, auf die sich die innere Rechtskraft des Urteils nach dem
oben Gesagten nicht erstreckt. Dies ist auch sachgerecht. Die der Klägerin
nachteiligen Darlegungen über die Art und Weise der Ermittlung der Minderungshöhe konnte sie nicht angreifen, weil sie durch die Urteilsformel des
Grundurteils nicht beschwert war. Es kann daher nicht richtig sein, daß das Berufungsgericht an diese Feststellungen im späteren Betragsverfahren gebunden
ist (vgl. auch Senatsurteil vom 22. Februar 1967 - VIII ZR 255/64, NJW 1967,
1231). Zu Unrecht hat das Berufungsgericht demgemäß gemeint, außer acht
lassen zu müssen, daß der Sachverständige Prof. Dr. W.
geren als den von dem Sachverständigen S.
einen gerin-
angegebenen Prüfzeit-
raum von 500 Stunden als ausreichend angesehen hat.
b) Nicht zu folgen ist daher den Erwägungen des Berufungsgerichts, der
Klägerin könne eine Minderung mangels Nachweises zur Höhe nicht zugebilligt
werden. Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die
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Klage trotz Vorliegens eines Grundurteils noch im Betragsverfahren abzuweisen ist, wenn die Höhe des Anspruchs nicht - auch nicht im Wege einer Mindestschätzung - ermittelt werden kann (vgl. BGH, Senatsurteil vom 30. Mai
2001 - VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542 unter II 3 m.w.Nachw.). Unter
Zugrundelegung der gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen
Prof. Dr. W.
hätte jedoch geprüft werden müssen, in welchem Umfang
der Sachverhalt eine hinreichende Grundlage für eine Schätzung bietet. Dies
hat das Berufungsgericht aufgrund seiner vermeintlichen Bindung an das
Grundurteil unterlassen.
c) Soweit das Berufungsgericht ferner ohne weitere Begründung ausführt, jedenfalls sei der vom Sachverständigen Prof. Dr. W.
für erfor-
derlich gehaltene Zeitraum für die Beobachtung der Maschinen von 3 mal
8 Stunden Laufzeit nicht eingehalten, widerspricht diese Aussage den Feststellungen des Landgerichts, wonach auch Beobachtungszeiträume von 5 Stunden
für eine Schätzung ausreichen. Dies ist - sofern es als Hilfsbegründung anzusehen sein sollte - verfahrensfehlerhaft und kann die Ablehnung der Schätzung
nicht tragen (§§ 286, 287 ZPO). Das Berufungsgericht hat dabei offensichtlich
übersehen, daß der Sachverständige, wie in den Entscheidungsgründen des
landgerichtlichen Urteils festgehalten, geäußert hat, jedenfalls sei ein Beobachtungszeitraum von fünf Stunden eine geeignete Grundlage für die Ermittlung
der Leistungsfähigkeit einer Maschine.
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III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben und ist
daher aufzuheben (§ 562 ZPO). Die Zurückverweisung, bei der der Senat von
der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht, gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sein Schätzermessen unter Beachtung der oben dargelegten Grundsätze und des bisher nicht gewürdigten Berufungsvorbringens
der Parteien auszuüben.
Dr. Deppert
Dr. Beyer
Dr. Leimert
Ball
Dr. Frellesen