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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 183/08
Verkündet am:
3. Februar 2009
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 843 Abs. 1, 2. Alt.; ZPO § 287
Bei der Schätzung des Haushaltsführungsschadens nach § 287 ZPO darf sich der
Tatrichter in Ermangelung abweichender konkreter Gesichtspunkte grundsätzlich an
dem Tabellenwerk von Schulz-Borck/Hofmann (Schadensersatz bei Ausfall von
Hausfrauen und Müttern im Haushalt) orientieren.
BGH, Urteil vom 3. Februar 2009 - VI ZR 183/08 - OLG Oldenburg
LG Oldenburg
-2-
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Februar 2009 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Oldenburg vom 20. Juni 2008 wird auf ihre
Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus
einem Verkehrsunfall vom 15. August 2003 geltend, bei dem sie schwer verletzt
wurde. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagten für die der Klägerin durch den Unfall entstandenen Schäden in vollem Umfang einzustehen
haben. Sie streiten nur noch um die Höhe des der Klägerin - einer allein stehenden erwerbstätigen Frau - entstandenen Haushaltsführungsschadens. Das
Landgericht hat der Klägerin hierfür unter Klageabweisung im Übrigen einen
Betrag von 9.649 € abzüglich vorgerichtlich gezahlter 3.500 €, insgesamt
6.149 € zuerkannt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das
erstinstanzliche Urteil teilweise unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und der Klägerin einen Haushaltsführungsschaden in Höhe
-3-
von insgesamt 11.243,26 € abzüglich 3.500 €, mithin insgesamt 7.743,26 € zugesprochen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die
Klägerin ihr Klagebegehren in Höhe eines Betrages von 2.590,95 € weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
2
Das Berufungsgericht hat der Berechnung des der Klägerin entstandenen Haushaltsführungsschadens das Tabellenwerk von Schulz-Borck/Hofmann
zugrunde gelegt und ist entsprechend der dortigen Tabelle 9 bei einer erwerbstätigen Frau mit einem Ein-Personen-Haushalt von einer durchschnittlichen Arbeitszeit im Haushalt von 21,7 Stunden pro Woche ausgegangen. Für die Zeit
der stationären Aufenthalte der Klägerin hat es die von einer (fiktiven) Ersatzkraft zu verrichtenden Tätigkeiten im Haushalt auf 15 % der üblicherweise anfallenden 21,7 Stunden, also auf ca. drei Stunden wöchentlich, geschätzt. Hinsichtlich der Höhe der fiktiven Vergütung einer Ersatzkraft hat das Berufungsgericht für die Zeit einer haushaltsspezifischen Einschränkung der Klägerin von
über 50 % eine Nettovergütung entsprechend der Vergütungsgruppe BAT VIII
und für die übrige Zeit BAT X zugrunde gelegt.
II.
3
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
4
1. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass auch
der Klägerin als allein stehender Person mit eigenem Haushalt ein Anspruch
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auf Ersatz ihres unfallbedingten Haushaltsführungsschadens unter dem Gesichtspunkt der vermehrten Bedürfnisse im Sinne des § 843 Abs. 1, 2. Alt. BGB
zusteht (vgl. Senatsurteile vom 25. September 1973 - VI ZR 49/72 - VersR
1974, 162, 163; vom 18. Februar 1992 - VI ZR 367/90 - VersR 1992, 618, 619
und vom 8. Oktober 1996 - VI ZR 247/95 - VersR 1996, 1565).
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2. Die Überprüfung der im Rahmen des Schätzungsermessens des Tatrichters nach § 287 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Bewertung der unfallbedingt
entgangenen Tätigkeit eines Verletzten im Haushalt durch das Revisionsgericht
ist darauf beschränkt, ob das Berufungsurteil auf grundsätzlich falschen Erwägungen beruht oder entscheidungserhebliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (vgl. z.B. Senatsurteil vom 10. April 1979 - VI ZR 151/75 - VersR
1979, 670, 671). Derartige Fehler sind hier nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat sich in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise an einem anerkannten Tabellenwerk (Schulz-Borck/Hofmann, Schadensersatz bei Ausfall
von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl.) orientiert. Dass sich der Tatrichter in Ermangelung konkreter Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung solcher Erfahrungswerte im Rahmen der Bemessung des Haushaltsführungsschadens bedient, hat der erkennende Senat bereits mehrfach gebilligt
(vgl. Senatsurteile BGHZ 104, 113, 117 f.; vom 10. April 1979 - VI ZR 151/75 aaO; vom 8. Juni 1982 - VI ZR 314/80 - VersR 1982, 951, 952; vom 11. Oktober
1983 - VI ZR 251/81 - VersR 1984, 79, 80 f.). Hieran ist auch für den vorliegenden Fall festzuhalten.
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3. Die Revision nimmt zwar hin, dass das Berufungsgericht auf dieser
Grundlage die durchschnittliche Arbeitsleistung der Klägerin im Haushalt auf
21,7 Wochenstunden geschätzt hat. Ohne Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Kürzung des Arbeits-
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zeitbedarfes für die Zeit der stationären Aufenthalte der Klägerin im Krankenhaus.
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Während der Zeit einer stationären Behandlung ist der Haushaltsführungsschaden in einem Ein-Personen-Haushalt naturgemäß deutlich reduziert
und beschränkt sich im Allgemeinen auf notwendige Erhaltungsmaßnahmen
(vgl. OLG Hamm NZV 2004, 631, 632; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, 3. Aufl., Kap. 7 A Rn. 12). Entgegen der Auffassung der Revision fallen die Positionen "Gartenarbeit", "Haushaltsführung und Organisation",
"häusliche Kleinarbeiten" und "Pflege und Betreuung von Personen" in einem
Zeitraum vollständiger Abwesenheit nicht in vollem Umfange an. Da viele
Haushaltsarbeiten bei vollständiger Abwesenheit nicht anfallen, ist insbesondere der Aufwand für "Haushaltsführung und Organisation" in dieser Zeit reduziert.
Auch zeigt die Revision keinen Sachvortrag der Klägerin auf, welcher die Position "Pflege und Betreuung von Personen" ausfüllen könnte. Entgegen der Auffassung der Revision entspricht es auch der Lebenserfahrung, dass während
der vollständigen Abwesenheit des alleinigen Bewohners der Reinigungsbedarf
auf ein Minimum reduziert ist. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht weiterhin den üblichen Zeitbedarf für die Position "Ernährung" während der Zeit der
stationären Krankenhausaufenthalte der Klägerin wegen der im Krankenhaus
bestehenden Vollverpflegung unberücksichtigt gelassen. Dies betrifft sowohl die
üblicherweise anfallende Zeit für Essenszubereitung und Geschirrspülen als
auch den Zeitaufwand für den Einkauf von Nahrungsmitteln und anderen Artikeln. Da die Revision insgesamt keinen konkreten Sachvortrag der Klägerin
aufzeigt, dass abweichend von diesen Erfahrungswerten Hausarbeiten in größerem Umfang als die vom Berufungsgericht geschätzten drei Wochenstunden
angefallen wären, war das Berufungsgericht aus Rechtsgründen nicht gehindert, den Zeitaufwand nach § 287 ZPO entsprechend zu reduzieren.
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4. Die Revision hat auch keinen Erfolg mit ihren Angriffen gegen die
Zugrundelegung des BAT X bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens durch das Berufungsgericht. Ein Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin
ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich.
9
Das Berufungsgericht durfte sich insoweit im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung nach § 287 ZPO in Ermangelung abweichender konkreter Anhaltspunkte an der Tabelle 3 von Schulz-Borck/Hofmann orientieren, die bei
teilweisem Ausfall des Haushaltsführenden in einem Durchschnittshaushalt ohne Kinder und Einstellung einer Ersatzkraft, die nicht die Leitung des Haushalts
zu übernehmen braucht, eine Eingruppierung der (fiktiven) Ersatzkraft nach
BAT X vorsieht. Entgegen der Auffassung der Revision ist es revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht für die Zeit des zeitweiligen
oder dauernden teilweisen Ausfalls des Haushaltsführenden mit verbleibender
Leitungsfunktion nicht die Vergütungsgruppe BAT IXb bzw. BAT VIII zugrunde
gelegt hat. Die Vergütungsgruppe BAT IXb wird nach Tabelle 3 von SchulzBorck/Hofmann Durchschnittshaushalten und gehobenen Haushalten ohne
Kinder oder mit bereits schulpflichtigen Kindern bei fortbestehender Leitungsfunktion des Haushaltsführenden zugeordnet. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Haushalt der Klägerin nur um einen einfachen Ein-Personen-Haushalt mit einfachen Wohnverhältnissen (65 m2), geringer technischer Ausstattung und einem unterdurchschnittlichen Haushaltseinkommen. Da es sich mithin um einen unterdurchschnittlichen Haushalt handelt, ist eine Nichtanwendung der Vergütungsgruppe
BAT IXb nicht rechtsfehlerhaft. Die Vergütungsgruppe BAT VIII ist für die Zeiten, in denen die Klägerin die Leitungsfunktion in ihrem Haushalt zumindest
überwiegend ausüben konnte, ebenfalls nicht einschlägig. Soweit die Revision
insoweit meint, der Klägerin sei nicht möglich bzw. zumutbar gewesen, im
Wechsel mit den Zeiten stationärer Behandlung abwechselnd Hilfskräfte nach
-7-
BAT VIII und BAT X einzustellen, wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass die
Klägerin tatsächlich keine Ersatzkraft eingestellt hat, sondern ihren Schaden
fiktiv berechnet. Darüber hinaus weist die Revisionserwiderung zutreffend darauf hin, dass unter den Umständen des Streitfalles während der stationären
Krankenhausaufenthalte der Klägerin mit stark reduziertem Haushaltsführungsbedarf die Einstellung einer qualifizierten Ersatzkraft im Sinne des BAT VIII
nicht erforderlich gewesen wäre. Insofern ist der Klägerin - entgegen der Auffassung der Revision - auch kein rechtlich relevanter Nachteil dadurch entstanden, dass das Berufungsgericht hinsichtlich eines stationären Krankenhausaufenthaltes im Jahre 2007 den Haushaltsführungsschaden - wohl irrtümlich - nicht
wie bei den anderen stationären Krankenhausaufenthalten nach BAT VIII, sondern nach BAT X berechnet hat.
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Letztlich vermag auch die Auffassung der Revision, die Einstufung nach
BAT X sei nicht mehr zeitgemäß, keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen, auch wenn dies von dem Mitautor Hofmann in einer Fußnote zur Tabelle 3
von Schulz-Borck/Hofmann vertreten wird. Denn diese (pauschale) Einschätzung ist nicht geeignet, einen Ermessensfehler des Tatrichters im Rahmen der
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Schätzung der Schadenshöhe nach § 287 ZPO zu begründen, wenn er sich in
Ermangelung abweichender Gesichtspunkte an der Einstufung des Tabellenwerks orientiert.
III.
11
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller
Zoll
Diederichsen
Wellner
Stöhr
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 08.01.2008 - 8 O 422/07 OLG Oldenburg, Entscheidung vom 20.06.2008 - 11 U 3/08 -