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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 111/09
Verkündet am:
13. Juli 2010
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
EGZPO § 15a; BadWürttSchlG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Wird der im Mahnverfahren nur gegen den KFZ-Haftpflichtversicherer geltend
gemachte Anspruch mit der Anspruchsbegründung im Klageverfahren auf den
Versicherungsnehmer erweitert, ist die gegen diesen erhobene Klage als unzulässig abzuweisen, wenn vor der Parteierweiterung das grundsätzlich erforderliche Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden ist.
BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 - VI ZR 111/09 - LG Karlsruhe
AG Karlsruhe
- 2 -
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren nach
Schriftsatzfrist bis zum 24. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die
Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der IX. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 28. November 2008 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, weil
die Beklagte zu 2 mit ihrem bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten PKW
am 14. August 2007 beim Einparken den ordnungsgemäß geparkten PKW des
Klägers beschädigt habe.
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Der Kläger hat am 15. Oktober 2007 gegen die Beklagte zu 1 den Erlass
eines Mahnbescheids über 387,30 € nebst Zinsen beantragt, der antragsgemäß
erlassen worden ist. In der Anspruchsbegründung vom 13. Dezember 2007 hat
der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 2 erweitert, ohne vorher ein
Schlichtungsverfahren durchzuführen.
- 3 -
Das Amtsgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 2 durch Teilurteil
3
als unzulässig abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Berufungsgericht
hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt dieser die Zurückverweisung an das Amtsgericht.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage gegen die Beklagte
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zu 2 unzulässig, weil vor Erhebung der Klage weder ein Streitschlichtungsverfahren zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 stattgefunden habe noch
ein Mahnverfahren vorausgegangen sei (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 5,
Abs. 3
des
baden-württembergischen
Gesetzes
zur
obligatorischen
außergerichtlichen Streitschlichtung vom 28. Juni 2000 - SchlG BW, GBl. 2000,
470).
5
Die Durchführung der Streitschlichtung sei nicht deshalb entbehrlich, weil
der Kläger zunächst ein Mahnverfahren gegen die mit der Beklagten zu 2 gesamtschuldnerisch haftende Beklagte zu 1 durchgeführt und die Klage gegen
die Beklagte zu 2 erst mit der Anspruchsbegründung im Wege der Klageerweiterung erhoben habe. Bei der vorliegenden einfachen Streitgenossenschaft
müssten die Prozessvoraussetzungen jeweils gegenüber jedem Streitgenossen
vorliegen. Dies sei bei der Beklagten zu 2 wegen der nicht durchgeführten obligatorischen Streitschlichtung nicht der Fall.
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Es bestehe keine Veranlassung, die im Rahmen eines Verkehrsunfalls
haftenden Parteien prozessual abweichend von anderen gesamtschuldnerisch
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haftenden Parteien zu behandeln. Weder der Gesichtspunkt der Regulierungsbefugnis der Beklagten zu 1 und deren Befugnis zur Prozessführung vor den
Gerichten noch der Umstand, dass die Beklagte zu 2 nicht befugt sei, im Verhältnis gegenüber dem Haftpflichtversicherer eigene Regulierungstätigkeiten
vorzunehmen oder für diesen rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben, rechtfertige eine abweichende Bewertung. Gerade bei kleineren Blechschäden sei
eine Einigung allein mit dem in Anspruch genommenen Halter nicht von vornherein aussichtslos.
II.
7
Die dagegen gerichtete Revision ist unbegründet. Die Klage ist zu Recht
als unzulässig abgewiesen worden, weil vor der Parteierweiterung auf die Beklagte zu 2 nicht das nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SchlG BW erforderliche
Schlichtungsverfahren durchgeführt worden ist. Der Senat kann die Anwendung
dieser Vorschrift durch die Vorinstanzen gemäß § 545 Abs. 1 ZPO überprüfen.
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1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SchlG BW ist die Erhebung der Klage vor
den Amtsgerichten in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten in vermögensrechtlichen
Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert bei
Einreichung der Klage 750 € nicht übersteigt, grundsätzlich erst zulässig, nachdem versucht worden ist, die Streitigkeit in einem Schlichtungsverfahren einvernehmlich beizulegen. Ein solcher Versuch ist nicht erfolgt. Die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 SchlG BW liegt im Verhältnis zur Beklagten zu 2
nicht vor, weil ihr gegenüber der Anspruch im Mahnverfahren nicht geltend gemacht worden ist. Auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 SchlG BW sind
erfüllt, weil alle Parteien im Zeitpunkt des Eingangs der Klagebegründung ihren
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Wohnsitz, ihren Sitz oder ihre Niederlassung in demselben Landgerichtsbezirk
hatten.
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2. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats muss, wenn
durch Landesrecht ein obligatorisches Güteverfahren vorgeschrieben ist, der
Einigungsversuch der Klageerhebung vorausgehen, so dass eine ohne den Einigungsversuch erhobene Klage als unzulässig abzuweisen ist (Senatsurteile
BGHZ 161, 145, 148 f.; vom 7. Juli 2009 - VI ZR 278/08 - VersR 2009, 1383
Rn. 7). Die Zielsetzung der Öffnungsklausel des § 15a EGZPO, angesichts des
ständig steigenden Geschäftsanfalls bei den Gerichten Institutionen zu fördern,
die im Vorfeld der Gerichte Konflikte beilegen, und neben der Entlastung der
Justiz durch eine Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen Konflikte rascher
und kostengünstiger zu bereinigen, kann nur erreicht werden, wenn die Verfahrensvorschrift des § 15a EGZPO konsequent derart ausgelegt wird, dass die
Rechtsuchenden und die Anwaltschaft in den durch Landesgesetz vorgegebenen Fällen vor Anrufung der Gerichte auch tatsächlich den Weg zu den Schlichtungsstellen beschreiten müssen (Senatsurteile BGHZ 161, 145, 149 f.; vom
7. Juli 2009 - VI ZR 278/08 - aaO). Im Hinblick darauf hat der Senat entschieden, dass die Schlichtungsbedürftigkeit eines Klageantrags nicht deshalb entfällt, weil er im Wege der objektiven Klagehäufung mit einem nicht schlichtungsbedürftigen Antrag verbunden wird. Ansonsten bestünde eine Möglichkeit
zur einfachen Umgehung des Einigungsversuchs, die der Zielsetzung des Gesetzgebers widerspräche, durch die Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen
die Gerichte zu entlasten und Konflikte rascher und kostengünstiger zu bereinigen (vgl. Senatsurteil vom 7. Juli 2009 - VI ZR 278/08 - aaO, Rn. 10 ff.).
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3. Diese Überlegungen sind auch bei der Frage maßgebend, ob das
Schlichtungserfordernis entfällt, wenn der im Mahnverfahren im Wege des Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer geltend gemachte Anspruch mit
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der Anspruchsbegründung im Klageverfahren auf den Versicherungsnehmer
erweitert wird. Eine solche subjektive Klagehäufung ist nicht anders zu behandeln als der bereits entschiedene Fall der objektiven Klagehäufung.
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a) Werden der Direktanspruch gegen den Versicherer und der Haftpflichtanspruch gegen den Versicherungsnehmer nicht in getrennten, nacheinander geführten Prozessen geltend gemacht, sondern - wie im Streitfall - Versicherer und Schädiger gemeinsam im selben Rechtsstreit in Anspruch genommen, liegt zwischen ihnen gemäß §§ 59, 60 ZPO eine einfache Streitgenossenschaft vor (vgl. BGHZ 63, 51, 53 ff.; Senatsurteil vom 15. Januar 2008 - VI ZR
131/07 - VersR 2008, 485 Rn. 6; MünchKommZPO/Schultes, 3. Aufl., § 59
Rn. 9; PG/Gehrlein, ZPO, 2. Aufl., §§ 59, 60 Rn. 6; Zöller/Vollkommer, ZPO,
28. Aufl., § 60 Rn. 5, § 62 Rn. 8a). In diesen Fällen der subjektiven Klagehäufung werden die mehreren Verfahren nur äußerlich verbunden und es besteht
zu jedem Streitgenossen ein gesondertes Prozessrechtsverhältnis. Es gilt der
Grundsatz, dass die Prozessvoraussetzungen für jeden einzelnen Antrag gesondert zu prüfen sind. Liegen diese bezüglich eines der Streitgenossen nicht
vor, so ist die Klage insoweit - ggf. wie hier durch Teilurteil - grundsätzlich als
unzulässig abzuweisen (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 2008 - VI ZR 221/07 VersR 2009, 1288 Rn. 15; BGH, Urteil vom 26. Mai 1994 - IX ZR 39/93 - NJW
1994, 3102, 3103; MünchKommZPO/Schultes, aaO, Rn. 11, 22; PG/Gehrlein,
aaO, Rn. 13; Zöller/Vollkommer, aaO, § 60 Rn. 9). Demgemäß muss die besondere Prozessvoraussetzung eines obligatorischen Streitschlichtungsverfahrens, das vor Erhebung der Klage gegen den Streitgenossen - hier gegen die
Beklagte zu 2 mit Zustellung der Anspruchsbegründung - durchgeführt werden
muss, hinsichtlich des einzelnen Streitgenossen vorliegen. Soweit der Bundesgerichtshof in Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO die Durchführung eines weiteren Einigungsversuchs für den nachträglich erweiterten oder beschränkten Anspruch
als grundsätzlich entbehrlich angesehen hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober
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2004 - V ZR 47/04 - NJW-RR 2005, 501, 503), ist schon deswegen keine vergleichbare Situation gegeben, weil im damaligen Fall vor Klageerhebung ein
Streitschlichtungsversuch erfolgte.
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b) Das vor Klageerhebung durchzuführende Schlichtungsverfahren war
entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb entbehrlich, weil der Versicherungsnehmer nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 AKB im Falle eines Rechtsstreits dessen Führung dem Versicherer zu überlassen und dem Rechtsanwalt, den der
Versicherer bestellt, Vollmacht zu erteilen hat. Diese Vorschrift regelt mit der
Übertragung der Prozessführungsmacht lediglich das Innenverhältnis zwischen
Versicherungsnehmer und Versicherer (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Januar
2004 - VI ZB 76/03 - VersR 2004, 622, 623; vom 19. Januar 2010 - VI ZB
36/08 - VersR 2010 Rn. 5; Feyock/Jacobsen/Lemor-Jacobsen, Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl., § 7 AKB Rn. 118; Stiefel/Hoffmann, Kraftfahrtversicherung,
17. Aufl., § 7 AKB Rn. 193 m.w.N.). Zudem ist der maßgebliche Zeitpunkt für
die Erfüllung der Obliegenheit, dem Versicherer die Prozessführung zu überlassen, regelmäßig die Zustellung der entsprechenden gerichtlichen Schriftstücke
an den Versicherungsnehmer seitens des Gerichts, mit der erst im Sinne der
Zivilprozessordnung die Rechtshängigkeit eintritt und somit von einem Rechtsstreit gesprochen werden kann (vgl. Feyock/Jacobsen/Lemor-Jacobsen, Kraftfahrtversicherung, aaO Rn. 120; Stiefel/Hoffmann, aaO). Im Streitfall ist eine
solche Zustellung an die Beklagte zu 2 und Begründung des Prozessrechtsverhältnisses ihr gegenüber erst mit der Zustellung der Anspruchsbegründung
nach dem vorher nur gegen die Beklagte zu 2 erlassenen Mahnbescheid erfolgt. Aus diesen Gründen steht § 7 Abs. 2 Nr. 5 AKB der Durchführung eines
Streitschlichtungsverfahrens vor Erhebung der Klage gegen den Versicherungsnehmer nicht entgegen. Insoweit weist das Berufungsgericht auch zu
Recht darauf hin, dass gerade bei dem hier vorliegenden niedrigen Streitwert
eine Einigung allein mit dem in Anspruch genommenen Halter nicht von vorn-
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herein aussichtslos ist, weil dieser im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens
durchaus auch ohne Zustimmung des Versicherers zu einer gütlichen Einigung
bereit sein kann, um durch eigene Regulierung das Risiko einer Prämienrückstufung zu vermeiden (vgl. auch LG Bielefeld, Urteil vom 17. April 2007 - 20 S
7/07 -, juris Rn. 15, 44). Im Schlichtungsverfahren können Tatsachen berücksichtigt werden, die für eine einverständliche Lösung des Konflikts der Parteien
von wesentlicher oder ausschlaggebender Bedeutung sein können, im nachfolgenden Prozess jedoch rechtlich irrelevant sind. In dem Verfahren tritt den Parteien der Schlichter als neutrale Person gegenüber, der sich um eine Einigung
bemüht und - insbesondere, wenn auch der Geschädigte etwas nachgibt - eine
Einigung erreichen kann. Ob von Seiten der Beklagten das Schlichtungsverfahren als aussichtslos erscheint, ist insoweit ohne Bedeutung (vgl. BVerfG
NJW-RR 2007, 1073, 1074 f.).
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4. Nach den vorstehenden Ausführungen wurde die Klage zu Recht als
unzulässig abgewiesen, weil der mit der Anspruchsbegründung erfolgten Klageerhebung gegenüber der Beklagten zu 2 nicht das nach § 1 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1, Abs. 3 SchlG BW erforderliche Schlichtungsverfahren vorausgegangen
ist. Hinsichtlich des weiteren Vorgehens weist der Senat den Kläger vorsorglich
auf die nach § 3 Nr. 8 PflVersG a.F., § 124 Abs. 1 VVG eintretende Rechtskrafterstreckung eines möglicherweise zwischenzeitlich im Prozess gegen die
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Beklagte zu 1 ergangenen klageabweisenden Urteils hin (vgl. Senatsurteil vom
15. Januar 2008 - VI ZR 131/07 - VersR 2008, 485 Rn. 6 f. m.w.N.).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Galke
Zoll
Diederichsen
Wellner
Stöhr
Vorinstanzen:
AG Karlsruhe, Entscheidung vom 29.05.2008 - 7 C 486/07 LG Karlsruhe, Entscheidung vom 28.11.2008 - 9 S 267/08 -