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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
RiZ(R) 8/10
Verkündet am:
15. Dezember 2011
Brigaldino,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
vom
15. Dezember 2011
in dem Prüfungsverfahren
des Staatsanwalts
Antragsteller und Revisionskläger,
- Prozessbevollmächtigter:
gegen
das Land
Antragsgegner und Revisionsbeklagter,
wegen Entlassung aus dem Richterverhältnis auf Probe
-2-
Der Bundesgerichtshof, Dienstgericht des Bundes, hat auf die mündliche
Verhandlung vom 15. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter
am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Bergmann, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Joeres und Prof. Dr. Fischer, die Richterin am Bundesgerichtshof Safari Chabestari und den Richter am Bundesgerichtshof Pamp
für Recht erkannt:
Die Revision des Antragstellers gegen den Beschluss
des Dienstgerichtshofes für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm - 2. Senat - vom 5. August 2010 wird
zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der am
geborene Antragsteller bestand am 27. April
2000 die erste juristische Staatsprüfung mit der Note "befriedigend" und
am 14. November 2002 die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note
"vollbefriedigend".
-3-
2
Der Generalstaatsanwalt in Köln ernannte ihn am 8. Januar 2003
unter Berufung in das Richterverhältnis auf Probe zum Staatsanwalt und
erteilte ihm einen Dienstleistungsauftrag im staatsanwaltschaftlichen
Dienst bei der Staatsanwaltschaft
. Der Leitende Oberstaatsanwalt
beurteilte seine Fähigkeiten und Leistungen in Personal- und Befähigungsnachweisungen vom 6. August 2003 und 17. August 2004 als
"durchschnittlich".
Nach Umsetzung in eine andere Abteilung am
2. November 2004 wurde dem Antragsteller vorgeworfen, eine Reihe von
Verfahren nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung bearbeitet sowie
seine Pflicht zur objektiven und unvoreingenommenen Beurteilung verletzt zu haben. In dem daraufhin eingeleiteten förmlichen Disziplinarverfahren wurde durch - inzwischen rechtskräftige - Disziplinarverfügung
vom 6. Oktober 2006 ein Verweis gegen den Antragsteller verhängt.
3
In einer Personal- und Befähigungsnachweisung vom 6. Juni 2006
beurteilte der Leitende Oberstaatsanwalt
den Antragsteller wie
folgt:
"I. Sach- und Fachkompetenz:
Der Beamte ist mit fundierten Kenntnissen des materiellen
und des formellen Strafrechts in die Behörde eingetreten. Die
einschlägigen Verwaltungsvorschriften sind ihm zumeist b ekannt. Er ist geistig rege und vielseitig interessiert. Herr H.
besitzt eine gute Auffassungsgabe; er weist auch Denkund Urteilsvermögen auf. Ferner ist er grundsätzlich in der
Lage, die wesentlichen, strafrechtlich relevanten Umstände zu
erkennen.
Der Beamte hat jedoch seine Rechtskenntnisse nicht - wie
erwartet und notwendig - anhand der praktischen Befassung
mit den ihm zugewiesenen Verfahren erweitern und vertiefen
können. Es fehlt ihm ferner vielfach die Fähigkeit, sein theor etisches Wissen praxisgerecht umzusetzen. Emotionalen Fak-
-4-
toren räumt er unangemessen und unvertretbar hohe Bede utung ein. Ein tragfähiges Judiz hat er deshalb nur eingeschränkt entwickeln können. Neben Verfügungen und Abschlussentscheidungen, die inhaltlich und rechtlich vertretbar
sind, war die Bearbeitung einer größeren Anzahl von Verfahren zu beanstanden. Seine Ermittlungsführung zeigte hier
Schwächen. Die Notwendigkeit von Anordnungen zur Sachaufklärung war nicht immer nachzuvollziehen. Teils wurden
von ihm polizeilich angeregte und nach dem Verfahrensstand
auch angezeigte gerichtliche Maßnahmen nicht beantragt,
was zu Gegenvorstellungen der Kriminalbeamten geführt hat.
Die Prüfung seiner Ermittlungstätigkeit hat auch ergeben,
dass er neben den von ihm ohne nennenswerten Verzug geförderten Sachen insbesondere eine erhebliche Anzahl von
Verfahren von größerer Bedeutung und größeren Umfangs
sowie von tatsächlich und rechtlich höherem Schwierigkeitsgrad gar nicht oder nur mit teils monatelanger Verzögerung
bearbeitet oder abgeschlossen hat. Durch diese Arbeitsweise
vermochte er zwar die Zahl der offenen Verfahren seines D ezernats im Rahmen zu halten. Jedoch geriet das Dezernat im
Hinblick auf die nicht bzw. nicht hinreichend bearbeiteten
komplizierteren bzw. umfänglichen Verfahren in Missstand,
welcher schließlich auch wegen der Bedeutung gerade dieser
Verfahren nicht mehr hinnehmbar war. Nach seiner letzten
Umsetzung, die deshalb aus Sicht der Behördenleitung u nvermeidbar geworden war, wurde ihm zunächst aufgegeben,
alle Einstellungen und ab dem 01.03.2006 Einstellungsverfügungen ohne Bescheid und die Ablehnung polizeilich angeregter gerichtlicher Maßnahmen dem Abteilungsleiter zur Bi lligung vorzulegen. Auch danach wurden jedoch wieder mehrere Verfahren von ihm über Monate nicht bearbeitet. Hierbei
handelte es sich unter anderem um eine nicht unerhebliche
Zahl einfach und zügig (in der Regel mit einer kurzen Einste llungsverfügung) abzuschließender Vorgänge. Außerdem wu rde festgestellt, dass er eine Vielzahl ihm schubweise und
über längere Zeit zur Bearbeitung übertragene UJs-Sachen
unerledigt hat liegen lassen.
Sein Amtsverständnis ist nicht frei von unbegründeter Vorei ngenommenheit. Wiederholt hat er sich bei der Beurteilung der
angezeigten Tat von nicht begründeten Vorurteilen gegen
Verfahrensbeteiligte beeinflusst gezeigt.
-5-
Seine Verfügungen und Abschlussentscheidungen
sprachlich verständlich abgefasst; sein Stil ist allerdings
unter unnötig schroff. Von den verfahrenserleichternden
verfahrensbeschleunigenden Bestimmungen macht er
brauch.
sind
mitund
Ge-
Sein Vortrag ist gut vorbereitet. Staatsanwalt (R.a.P.) H .
drückt sich verständlich aus. In der Hauptverhandlung tritt er
angemessen auf. Der Schlussvortrag gibt das Verhandlungsergebnis zutreffend wieder, seine Anträge finden Beachtung.
Die ihm zur Ausbildung zugewiesenen Referendarinnen und
Referendare bezieht er in die tägliche Dezernatsarbeit ein.
II. Persönliche Kompetenz:
Staatsanwalt (R.a.P.) H.
ist vielseitig interessiert. Er tritt
ruhig auf und bewahrt bei auftretenden Belastungen äußerlich
Gleichmut, kann jedoch auch sehr aufgebracht werden. Au seinandersetzungen scheut er nicht. Seine eigenen Schwächen
erkennt er nur bedingt. Die Planung seiner eigenen Arbeit hat
Mängel. Viele der beanstandeten Verfahren hat er entweder
gar nicht oder in nicht mehr vertretbaren Zeiträumen bearbeitet; er hat auf seinem Dienstzimmer wiederholt Akten über
Monate hinweg angesammelt. Erledigungsrückständen wirkt
er nachhaltig nur unter Aufsicht entgegen; mitunter verweigert
er auch die Erledigung aus Gründen der Voreingenommenheit. Größeren Belastungen ist er nur bei unverhältnismäßig
großem Zeitaufwand unter Verwendung von Freizeit und auch
teilweise seines Urlaubs als Arbeitszeit gewachsen. Hierunter
leiden seine Motivation, seine Entschlusskraft und seine Entscheidungsbereitschaft.
Von neuen technischen Arbeitsmitteln macht er Gebrauch.
Hinweise und Ratschläge nimmt er nur schwer an. Oft beharrt
er auch auf seiner Ansicht. Herr H.
hat Weisungen seiner Abteilungsleitung schriftlich - auch wiederholt - widersprochen. Gelegentlich wurden sie von ihm auch ganz ignoriert. Er
hat es auch teilweise abgelehnt, sein dienstliches Verhalten
-6-
überhaupt mit seiner vorgesetzten Abteilungsleiterin zu erö rtern.
III. Soziale Kompetenz:
Staatsanwalt (R.a.P.) H.
besitzt eine charakterlich nicht
zu beanstandende Persönlichkeit; er ist hilfsbereit. Er verhält
sich Behördenangehörigen gegenüber auch kollegial. Herr
H.
drückt sich im Allgemeinen klar aus und gibt seine
Kenntnisse weiter. Er neigt aber zum Widerspruch und will
Recht behalten. Um einen Ausgleich oder einen Kompromiss
ist er dann nicht bemüht.
IV. Führungs- und Leitungskompetenz:
Seine schriftlichen Ersuchen und sonstigen Anweisungen sind
hinreichend deutlich. Allerdings stoßen seine Anordnungen
bei den Ermittlungsbeamten teils auf Unverständnis. Es gelingt ihm ihnen gegenüber dann auch nicht, seinen eigenen
Standpunkt überzeugend zu vermitteln, zumal er bei telefon ischen Rückfragen weniger erläuternd als anweisend auftritt.
Der Beamte kann überhaupt nur unter strenger Dienst- und
Fachaufsicht seinen Aufgaben gerecht werden. Im Hinblick
auf die in seiner Stellung vorausgesetzte selbstverantwortl iche Arbeitsweise bietet er nach persönlicher und fachlicher
Eignung auf Dauer nicht die Gewähr, die an das Amt des
Staatsanwalts gestellten Anforderungen in der erforderlichen
Weise zu erfüllen. Herrn H.
ist seit seinem Amtsantritt
mehrfach durch Abteilungswechsel die Chance gegeben wo rden, seine Fähigkeiten - auch unter Anleitung und Hilfestellung anderer Abteilungsleiter - weiter zu entwickeln. Diese
Möglichkeit hat er letztlich nicht genutzt. Die notwendige En twicklung, aber auch das Abstellen von auftretenden Schwächen konnte nicht festgestellt werden.
Die Fähigkeiten und Leistungen des Dezernenten sind
unterdurchschnittlich."
-7-
4
Die gegen diese Beurteilung, der der Generalstaatsanwalt in Köln
in einer Zusatzbeurteilung vom 26. Juli 2006 nicht entgegen trat, erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Köln durch rechtskräftiges Urteil vom 13. Juli 2007 ab.
5
Der Antragsgegner entließ den Antragsteller durch Verfügung vom
9. November 2006 nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG mit Ablauf des Monats
Dezember 2006 aus dem Justizdienst des Landes Nordrhein-Westfalen.
Zur Begründung führte er aus: "Nach den Inhalten der Beurteilung des
Leitenden Oberstaatsanwalts
vom 06.06.2006 und der Zusatzbe-
urteilung des Generalstaatsanwalts in Köln vom 26.07.2006 haben Sie
sich innerhalb der seit dem 08.01.2003 andauernden Probezeit für das
Amt des Staatsanwalts nicht bewährt. Insbesondere Ihre fachlichen
Leistungen entsprechen nicht den Anforderungen und dem Berufsbild
des Staatsanwalts. Ich bin daher gehalten, Sie aus dem Justizdienst des
Landes Nordrhein-Westfalen zu entlassen."
6
Den Widerspruch des Antragstellers gegen die Entlassungsverfügung wies der Antragsgegner am 7. Dezember 2006 zurück. Zugleich
ordnete er die sofortige Vollziehbarkeit der Entlassungsverfügung an.
Auf Antrag des Antragstellers stellte das Dienstgericht die aufschiebende
Wirkung wieder her. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners wies der Dienstgerichtshof zurück.
7
Am 2. Januar 2007 hat der Antragsteller beim Dienstgericht den
Antrag gestellt, die Entlassungsverfügung vom 9. November 2006 und
den Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 aufzuheben. Zur Begründung hat er ausgeführt, da er am 8. Januar 2003 ernannt worden
-8-
sei, sehe § 22 Abs. 2 DRiG eine Entlassung mit Ablauf des Monats Dezember 2006 nicht vor. Die der Entlassung zugrunde liegende Personalund Befähigungsnachweisung vom 6. Juni 2006 sei rechtsfehlerhaft.
Auch die den Gegenstand der Disziplinarverfügung bildenden Vorwürfe,
die lediglich zur Verhängung eines Verweises geführt hätten, rechtfertigten die Entlassung nicht.
8
Das Dienstgericht hat durch Urteil vom 6. Dezember 2007 die Entlassungsverfügung vom 9. November 2006 und den Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Entlassung gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG setze voraus,
dass ein Richter auf Probe für das Richteramt nicht geeignet sei. Eine
dahingehende Entscheidung habe der Antragsgegner aber nicht getroffen. Er halte den Antragsteller nur als Staatsanwalt für ungeeignet. D arauf komme es angesichts des klaren Wortlauts des § 22 Abs. 2 Nr. 1
DRiG nicht an.
9
Auf die Berufung des Antragsgegners hat der Dienstgerichtshof
durch Beschluss vom 24. Juli 2008 das Urteil des Dienstgerichts aufgehoben und den Antrag des Antragstellers mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Entlassung zum 8. Januar 2007 wirksam werde.
10
Durch Verfügung vom 22. Mai 2009 entließ der Antragsgegner den
Antragsteller ein weiteres Mal, nunmehr gemäß § 22 Abs. 3 DRiG. Diese
Entlassungsverfügung und den diesbezüglichen Widerspruchsbescheid
hob das Dienstgericht durch Urteil vom 29. Juni 2010 auf. Über die hiergegen gerichtete Berufung des Antragsgegners ist noch nicht entschi eden.
-9-
11
Im vorliegenden Verfahren hat der erkennende Senat die En tscheidung des Dienstgerichtshofes vom 24. Juli 2008 durch Urteil vom
24. September 2009 wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und die
Sache an den Dienstgerichtshof zurückverwiesen.
12
Dieser hat durch Beschluss vom 5. August 2010 das Urteil des
Dienstgerichts abgeändert und den Antrag des Antragstellers mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass die Entlassung zum 8. Januar 2007
wirksam werde. Zur Begründung hat der Dienstgerichtshof ausgeführt,
die formellen Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG seien erfüllt.
Der gesetzlich nicht vorgesehene Entlassungszeitpunkt stehe dem nicht
entgegen, da eine Umdeutung der Entlassung zum nächst möglichen
Zeitpunkt, d.h. zum 8. Januar 2007, zulässig sei. Die Entlassungsverf ügung sei auch materiell rechtmäßig. Der Antragsgegner habe den Begriff
der Eignung nicht verkannt. Die von ihm angeführten Gründe trügen das
Urteil der "Nichteignung" für das Amt des Staatsanwalts und für das
Richteramt. Dafür sei maßgeblich, dass der Antragsteller dem Arbeitsa nfall nicht gewachsen sei, einfachere Verfahren vorziehe und komplizierte
Verfahren längere Zeit unbearbeitet lasse. Hinzu komme, dass er in seiner Arbeitsweise die erforderliche Objektivität vermissen lasse. Der Antragsgegner habe sich zwar in der Entlassungsverfügung und dem Widerspruchsbescheid nur zur Nichteignung des Antragstellers für das Amt
des Staatsanwalts und nicht zur Nichteignung für das Richteramt geä ußert. Er habe dies aber in der Berufungsbegründung nachgeholt. Dies sei
rechtlich nicht zu beanstanden, weil die Entlassungsverfügung nicht in
ihrem Wesen geändert worden sei und auch kein Begründungsmangel im
Sinne des § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW vorliege. Der An-
- 10 -
wendungsbereich dieser Vorschriften sei nicht eröffnet, weil die Entla ssungsverfügung den verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 39
VwVfG NRW genüge und lediglich materiell-rechtlich die Rechtsgründe,
die die getroffene Entscheidung sachlich rechtfertigten, verfehle. Dies sei
kein Begründungsmangel im Sinne des § 39 VwVfG NRW, sondern eine
objektiv unrichtige Begründung. Die gegebene Begründung trage aber
auch die Beurteilung der Nichteignung für das Richteramt. Diese in der
Berufungsbegründung zum Ausdruck gebrachte Beurteilung sei auch
keine rechtlich relevante Wesensänderung der Entlassungsverfügung.
Der Antragsgegner sei auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt
ausgegangen, sondern habe seiner Entscheidung die rechtskräftigen
dienstlichen Beurteilungen vom 6. Juni und 26. Juli 2006 zugrunde legen
dürfen. Ein Ermessensfehler liege nicht vor.
13
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Antragsteller sein B egehren weiter. Wegen seines Vorbringens wird auf seine Schriftsätze
vom 18. Oktober und 18. November 2010 verwiesen.
14
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem
Oberlandesgericht Hamm vom 5. August 2010 aufzuheben
und die Berufung des Antragsgegners zurückzuweisen, hilf sweise, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an den Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberla ndesgericht Hamm zurückzuverweisen.
15
Der Antragsgegner beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 11 -
16
Wegen
seines
Vorbringens
wird
auf
den
Schriftsatz
vom
4. November 2010 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
17
Die zulässige (§ 78 Nr. 4, § 79 Abs. 2, § 80 Abs. 2 DRiG) Revision
ist unbegründet.
I.
18
Die auf § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG gestützte Entlassung des Antragstellers aus dem Richterverhältnis auf Probe ist rechtlich nicht zu bea nstanden.
19
1. Die formellen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.
20
Die Entlassungsverfügung ist dem Antragsteller unter Beachtung
der Frist von sechs Wochen vor dem Entlassungstag (§ 22 Abs. 5 DRiG)
am 13. November 2006 ausgehändigt worden.
21
Die Entlassung erfolgte zum Ablauf des vierten Jahres nach seiner
Ernennung zum Richter auf Probe. Allerdings konnte der Antragsteller,
der am 8. Januar 2003 zum Richter auf Probe ernannt worden ist, nicht,
wie es in der Entlassungsverfügung heißt, mit Ablauf des Monats D ezember 2006, sondern erst zum 8. Januar 2007 entlassen werden. Insoweit hat das Berufungsgericht aber rechtsfehlerfrei eine Umdeutung v orgenommen. Eine Entlassung zu einem unzulässigen Termin kann als
- 12 -
Entlassung zum nächst zulässigen Termin angesehen werden, wenn ihr
der Wille der Entlassungsbehörde zugrunde liegt, das Richterverhältnis
zum
nächst
zulässigen
Termin
zu
beenden
(BGH,
Urteil
vom
14. September 1967 - RiZ(R) 2/67, BGHZ 48, 273, 278 f.). Ein solcher
Wille liegt hier vor, weil der Antragsgegner entgegen der Auffassung der
Revision nicht an dem unzulässigen Entlassungsdatum festgehalten,
sondern in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 20. April 2007 ausdrücklich erklärt hat, dass die Entlassung des Antragstellers auf jeden
Fall erfolgen sollte und deshalb im Wege der Auslegung oder Umdeutung
von einer Entlassung zum nächst möglichen Termin, also zum 8. Januar
2007, auszugehen sei.
22
2. Die Entlassungsverfügung ist auch materiell-rechtlich nicht zu
beanstanden.
23
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes
stellt die Entscheidung der Frage, ob ein Richter auf Probe für das Ric hteramt geeignet ist (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG), einen Akt wertender Erkenntnis dar. Dieser gewährt dem Dienstherrn einen Beurteilungsspielraum, dessen gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt ist, ob der B egriff der Eignung verkannt oder ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde g elegt worden ist, ob allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder
sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (BGH, Urteile vom
24. November 1970 - RiZ(R) 1/69, DRiZ 1971, 91 f., vom 25. August
1992 - RiZ(R) 2/92, Umdruck S. 8 und vom 22. September 1998 - RiZ(R)
2/97, DRiZ 1999, 141, 143; vgl. allgemein zu normativ eröffneten Beurteilungsspielräumen von Behörden: BVerfGE 88, 40, 56; 103, 142,
156 f.).
- 13 -
24
aa) Entgegen der Auffassung der Revision hat der Antragsgegner
den Begriff der Eignung nicht verkannt. Er setzt sich in der Entlassungsverfügung und dem Widerspruchsbescheid zwar nicht ausdrücklich mit
der Eignung des Antragstellers für das Richteramt, sondern nur mit der
für das Amt des Staatsanwalts auseinander. In der Rechtsprechung des
Dienstgerichts des Bundes ist aber anerkannt, dass die Ungeeignetheit
eines im staatsanwaltschaftlichen Dienst erprobten Richters auf Probe
allein aufgrund seiner Nichteignung als Staatsanwalt ohne zusätzliche
Erprobung in einem Richterdezernat festgestellt werden kann (B GH, Urteile vom 24. November 1970 - RiZ(R) 1/69, DRiZ 1971, 91, 92 und vom
26. August 1991 - RiZ(R) 7/90, Umdruck S. 8).
25
Das Berufungsgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei darauf abg estellt, dass die im staatsanwaltschaftlichen Dienst festgestellte se lektive
Arbeitsweise und die mangelnde Objektivität des Antragstellers ungeac htet des unterschiedlichen Statusrechts und der Weisungsgebundenheit
des Staatsanwalts die Ungeeignetheit auch für das Richteramt begrü nden. Eine funktionsfähige Rechtspflege, die der Staat zu gewährleisten
hat, erfordert Richter, die bereit und in der Lage sind, die ihnen übertr agenen Aufgaben eigenverantwortlich und unter Berücksichtigung der A rbeitsbelastung zügig zu erledigen (BGH, Urteile vom 1. März 1976
- RiZ(R) 2/75, DRiZ 1976, 317, 318 und vom 22. September 1998
- RiZ(R) 2/97, DRiZ 1999, 141, 143). An das Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein sowie an die Einsatzbereitschaft eines Richters sind
angesichts der richterlichen Unabhängigkeit, die die Einflussmöglichke iten des Dienstherrn erheblich einschränkt, hohe Anforderungen zu ste llen. Ein Richter, der vornehmlich einfache Verfahren fördert und Verfa h-
- 14 -
ren mit höherem Schwierigkeitsgrad, größerem Umfang und größerer
Bedeutung nur verzögert bearbeitet und außerdem nicht frei von Voreingenommenheit und Vorurteilen gegenüber Verfahrensbeteiligten ist, wird
diesen Anforderungen nicht gerecht und ist für die Ernennung zum Ric hter auf Lebenszeit nicht geeignet.
26
Diese Beurteilung hat der Antragsgegner selbst in Wahrnehmung
seines Beurteilungsspielraums vorgenommen. Er hat in der Entlassung sverfügung vom 9. November 2006 durch die Bezugnahme auf die dienstliche Beurteilung vom 6. Juni 2006 und im Widerspruchsbescheid vom
7. Dezember 2006 zum Ausdruck gebracht, dass die bezeichnet en Eignungsmängel, insbesondere die selektive Arbeitsweise und die mangel nde Objektivität des Antragstellers die entscheidenden Gründe für die von
ihm ausgesprochene Entlassung sind. Diese Begründung genügt, ung eachtet des Umstandes, dass der Antragsgegner in der Entlassungsverfügung und dem Widerspruchsbescheid zunächst nicht auf die Eignung für
das Richteramt, sondern auf die Eignung für das Amt des Staatsanwalts
abgestellt hat, den verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 39 VwVfG
NRW. Der Antragsgegner hat in der Entlassungsverfügung und dem W iderspruchsbescheid keinen falschen Beurteilungsmaßstab zugrunde g elegt. Vielmehr war bereits im Zeitpunkt dieser Bescheide offenkundig,
dass die fehlende Objektivität und die selektive Arbeitsweise des Antra gstellers die Ungeeignetheit auch für das Richteramt begründen. Die au sdrückliche Erwähnung der Ungeeignetheit für das Richteramt in der B erufungsbegründung stellt deshalb weder eine Wesensänderung noch e inen Neuerlass der Entlassungsverfügung dar, sondern bringt lediglich
die bereits aufgrund der in der Entlassungsverfügung und dem Wide r-
- 15 -
spruchsbescheid bezeichneten Eignungsmängel offen zutage liegende
Ungeeignetheit für das Richteramt erneut zum Ausdruck.
27
bb) Der Antragsgegner ist auch nicht von einem unrichtigen oder
unzureichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen. Er durfte der En tlassungsverfügung die dienstliche Beurteilung des Leitenden Oberstaatsanwalts
vom 6. Juni 2006 und die Zusatzbeurteilung des
Generalstaatsanwalts in Köln vom 26. Juli 2006 zugrunde legen (vgl.
BGH, Urteil vom 13. November 2002 - RiZ(R) 5/01, DRiZ 2004, 211,
212). Die gegen diese Beurteilungen erhobene verwaltungsgerichtliche
Klage des Antragstellers ist rechtskräftig abgewiesen worden. Die Rev ision erhebt gegen die Beurteilungen auch keine Einwände mehr.
28
b) Die Entlassung beruht, wie der Senat bereits in seinem in dieser
Sache ergangenen Urteil vom 24. September 2009 - RiZ(R) 6/08 - zum
Ausdruck gebracht hat, nicht auf einem Ermessensfehler.
29
3. Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Personalrat der Staatsanwälte bei der Generalstaatsanwaltschaft
an der Entlassung des
Antragstellers zu beteiligen war, wie die Revision meint. Seine Beteiligung hat, wie das Berufungsgericht ausdrücklich feststellt, jedenfalls
stattgefunden. Der Antragsgegner hat den Personalrat mit Schreiben
vom 2. November 2006 über die beabsichtigte Entlassung unterrichtet.
Der Personalrat hat durch seine Vorsitzende am 6. November 2006 mitgeteilt, dass er von einer Stellungnahme absehe.
30
4. Der Antragsgegner hat entgegen der Auffassung der Revision
die streitgegenständliche Entlassungsverfügung vom 9. November 2006
- 16 -
durch die weitere Entlassungsverfügung vom 22. Mai 2009 nicht konkludent aufgehoben. Für einen Willen des Antragsgegners, die Entlassungsverfügung vom 9. November 2006 aufzuheben, fehlt jeder Anhaltspunkt. Der Antragsgegner hat vielmehr dadurch, dass er den vorliege nden Rechtsstreit auch nach der weiteren Entlassungsverfügung vom
22. Mai 2009 weiter betrieben hat, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er an der Entlassungsverfügung vom 9. November 2006
festhält. Die Einwände der Revision gegen die Rechtsprechung des Bu ndesverwaltungsgerichts (Buchholz 232 § 30 BBG Nr. 7 und § 31 BBG
Nr. 18), nach der eine vorsorgliche zweite Entlassung für den Fall, dass
die erste Entlassung unwirksam sein oder aufgehoben werden sollte, z ulässig ist, sind nicht entscheidungserheblich, da sie die Wirksamkeit der
zweiten, nicht aber die der hier streitgegenständlichen ersten Entla ssungsverfügung betreffen.
- 17 -
II.
31
Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG,
§ 154 Abs. 2 VwGO. Der Wert des Streitgegenstandes ist für das Revis ionsverfahren entsprechend § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52
Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 32.779,63 € festgesetzt worden.
Bergmann
Safari Chabestari
Joeres
Fischer
Pamp
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.12.2007 - DG 1/07 OLG Hamm, Entscheidung vom 05.08.2010 - 2 DGH 1/09 -