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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 83/17
Verkündet am:
22. Februar 2018
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1; Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 29 Abs. 1, 3
Eine bei einem deutschen Gericht erhobene Klage ist von Anfang an unzulässig,
wenn wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien bereits eine Klage
bei einem international zuständigen Gericht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union anhängig ist.
ZPO § 91a, § 261 Abs. 3 Nr. 1; Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 29
Abs. 1, 3
Wird ein vor einem deutschen Gericht anhängiges Verfahren wegen einer in einem
anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien bereits anhängigen Klage ausgesetzt, bewirkt die Feststellung der Zuständigkeit des ausländischen Gerichts im inländischen Verfahren nicht
die Erledigung der Hauptsache.
BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - IX ZR 83/17 - LG Darmstadt
AG Groß-Gerau
ECLI:DE:BGH:2018:220218UIXZR83.17.0
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. November 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, Dr. Schoppmeyer und Meyberg
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer
des Landgerichts Darmstadt vom 10. März 2017 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts
Groß-Gerau vom 3. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Rechtsanwalt mit Niederlassung in Salzburg, Österreich.
Er vertrat im Jahr 2013 den Beklagten sowie dessen ebenfalls in Deutschland
wohnhafte Geschwister in einem Zivilprozess vor dem Bezirksgericht Hallein in
Österreich. Das für seine Tätigkeit angefallene Honorar in Höhe von 3.447,54 €
machte der Kläger nebst weiteren Kosten gegen den Beklagten und dessen
Geschwister als Auftraggeber in Österreich gerichtlich geltend. Seine im Juli
2014 beim Bezirksgericht Hallein erhobene, auf Zahlung von insgesamt
3.965,18 € gerichtete Klage wurde an das Bezirksgericht Salzburg verwiesen
und dort mangels internationaler Zuständigkeit mit Beschluss vom 27. Februar
-3-
2015 abgewiesen. Der Kläger legte hiergegen Rekurs zum Landesgericht Salzburg ein. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 20. August 2015 stellte dieses die
internationale Zuständigkeit des Bezirksgerichts Salzburg fest und verwies das
Verfahren im Übrigen an das Bezirksgericht zurück, wo sich die Parteien am
6. Oktober 2015 in Höhe der Klageforderung verglichen.
2
Im März 2015 hat der Kläger sein Honorar auch vor deutschen Gerichten
geltend gemacht, gegen den Beklagten beim Amtsgericht Groß-Gerau. Dieses
hat mit Beschluss vom 30. Juli 2015 das Verfahren bis zur Entscheidung der
österreichischen Gerichte über ihre Zuständigkeit ausgesetzt. Nach dem Abschluss des Verfahrens in Österreich hat der Kläger den Rechtsstreit vor dem
Amtsgericht Groß-Gerau für erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
3
Das Amtsgericht hat die nunmehr auf Feststellung der Erledigung gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht den
Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des
Amtsgerichts.
Entscheidungsgründe:
4
Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung des Klägers.
-4-
I.
5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die ursprüngliche Zahlungsklage
habe sich nach Rechtshängigkeit dadurch erledigt, dass sich die österreichischen Gerichte für international zuständig erklärt hätten, so dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gleichen Inhalts in Deutschland entfallen sei. Die
Klage vor dem Amtsgericht Groß-Gerau sei bei Einreichung nicht unzulässig
gewesen. Die Vorschrift des § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO gelte nicht für den Fall von
Klagen in unterschiedlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Gemäß
Art. 29 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. Nr. L 351/1, fortan "EuGVVO nF") sei das Verfahren bei dem später
angerufenen Gericht auszusetzen, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststehe. Solange dieses nicht über seine internationale Zuständigkeit entschieden habe, sei die Klage vor dem später angerufenen Gericht
schwebend zulässig. Art. 29 EuGVVO nF wolle es gerade ermöglichen, dass
bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen mit demselben Streitgegenstand anhängig gemacht werden. Diesem Regelungszweck liefe es zuwider,
müsste ein Kläger, wenn sich das von ihm berechtigterweise zuerst angerufene
Gericht tatsächlich für zuständig erklärt, die Kosten des zweiten Verfahrens tragen.
II.
6
Die Revision ist begründet. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht eine
Erledigung der Hauptsache festgestellt.
-5-
7
1. Wenn ein Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt, der Beklagte dem
aber widerspricht und Klageabweisung beantragt, hat das Gericht durch Urteil
zu entscheiden, ob Erledigung eingetreten ist oder nicht (BGH, Urteil vom
6. Dezember 1984 - VII ZR 64/84, NJW 1986, 588 f). Die Hauptsache ist erledigt, wenn die Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war und durch das behauptete
Ereignis unzulässig oder unbegründet wurde (BGH, Urteil vom 17. Juli 2003
- IX ZR 268/02, BGHZ 155, 392, 395; vom 27. Januar 2010 - VIII ZR 58/09,
BGHZ 184, 128 Rn. 18; jeweils mwN). Das Gericht muss die Klage abweisen,
wenn eine der beiden Voraussetzungen nicht vorlag (BGH, Urteil vom 17. April
1984 - IX ZR 153/83, BGHZ 91, 126, 127).
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2. Von diesem Maßstab ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat
aber zu Unrecht angenommen, dass die vor dem Amtsgericht erhobene Zahlungsklage bis zu der als maßgeblich angesehenen Entscheidung des Landesgerichts Salzburg über die internationale Zuständigkeit der österreichischen
Gerichte schwebend zulässig gewesen und erst infolge dieser Entscheidung
unzulässig geworden sei. Die vor dem Amtsgericht erhobene Klage war von
Anfang an unzulässig, weil der Kläger wegen desselben Anspruchs gegen den
Beklagten bereits vor einem international zuständigen Gericht in Österreich einen Rechtsstreit führte, der bis zu dessen vergleichsweiser Beendigung rechtshängig blieb.
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a) Die Rechtshängigkeit der Streitsache hat nach deutschem Zivilprozessrecht die Wirkung, dass während der Dauer der Rechtshängigkeit die
Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden kann
(§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Dadurch soll verhindert werden, dass der Beklagte
und die Gerichte sich in mehreren Verfahren mit derselben Sache befassen
-6-
müssen und dass einander widersprechende Urteile ergehen (vgl. BGH, Urteil
vom 17. Januar 1952 - IV ZR 106/51, BGHZ 4, 314, 322; vom 17. Mai 2001
- IX ZR 256/99, NJW 2001, 3713; vom 7. März 2002 - III ZR 73/01, NJW 2002,
1503 unter II. 1.). Das deutsche Prozessrecht behandelt die anderweitige
Rechtshängigkeit als negative Prozessvoraussetzung, die von Amts wegen zu
beachten ist (st. Rspr., grundlegend RGZ 160, 338, 344 f; BGH, Urteil vom 15.
Januar 1985 - X ZR 16/83, WM 1985, 673; vom 28. Mai 2008 - XII ZR 61/06,
BGHZ 176, 365 Rn. 19; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl., § 261
Rn. 5 und 42). Eine später gegen dieselbe Partei über denselben Streitgegenstand erhobene Klage ist während der Dauer der anderweitigen Rechtshängigkeit von Anfang an unzulässig (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 - XI ZB
17/13, WM 2015, 69 Rn. 15; BAG, NZA 2015, 124 Rn. 34; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, aaO § 261 Rn. 42).
10
b) § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO regelt unmittelbar nur die Wirkungen der
Rechtshängigkeit einer Streitsache vor einem deutschen Gericht. Die Rechtshängigkeit der Streitsache vor einem ausländischen Gericht steht nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Rechtshängigkeit vor
einem inländischen Gericht aber gleich, wenn das ausländische Urteil hier anzuerkennen sein wird (vgl. etwa BGH, Urteil vom 18. März 1987 - IVb ZR 24/86,
WM 1987, 826; vom 12. Februar 1992 - XII ZR 25/91, FamRZ 1992, 1058,
1059; vom 24. Oktober 2000 - XI ZR 300/99, NJW 2001, 524, 525; vom 28. Mai
2008, aaO Rn. 17). Sie steht unter dieser Voraussetzung einer nachfolgenden
Klage in gleicher Weise von Anfang an entgegen, wie gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1
ZPO die anderweitige Rechtshängigkeit der Streitsache in Deutschland.
-7-
11
c) Aus Art. 29 EuGVVO nF ergibt sich nicht, dass die in Deutschland erhobene Klage abweichend von den vorstehenden Grundsätzen zunächst zulässig war.
12
aa) Für den hier gegebenen Fall der doppelten Rechtshängigkeit einer
Streitsache bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten der Europäischen Union bestimmt Art. 29 Abs. 1 und 3 EuGVVO nF, dass das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen auszusetzen hat, bis die Zuständigkeit des
zuerst angerufenen Gerichts feststeht; sobald dies der Fall ist, hat sich das später angerufene Gericht zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären. Die doppelte Rechtshängigkeit ein und desselben Streitgegenstandes ist danach wie im deutschen Zivilprozessrecht auch im Verhältnis
zwischen den Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten der Europäischen Union
beachtlich und steht einer Sachentscheidung des später angerufenen Gerichts
entgegen. Im Interesse einer geordneten und abgestimmten Rechtspflege innerhalb der Gemeinschaft sollen so weit wie möglich Parallelverfahren und widersprüchliche Entscheidungen in verschiedenen Mitgliedstaaten verhindert
werden (für Art. 21 des Übereinkommens von Brüssel von 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in
Zivil- und Handelssachen - ABl. EG 1972 Nr. L 299 S. 32, EuGVÜ
- Jenard-Bericht, ABl. EG 1979 Nr. C 59 S. 1, 41; vgl. auch Erwägungsgrund 21
der EuGVVO nF), die sich daraus ergeben können, dass einem Kläger in den
Zuständigkeitsbestimmungen die Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen in
verschiedenen Mitgliedstaaten ermöglicht wird (für das EuGVÜ Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen Zivilprozess,
1996, S. 33; für Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom
22. Dezember 2000 - EuGVVO aF - Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches
Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 27 Rn. 1; für Art. 29 EuGVVO nF Rauscher/
-8-
Leible, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Aufl., Art. 29 Brüssel
Ia-VO Rn. 9).
13
bb) Die Regelung der Verordnung hat Vorrang vor dem Prozessrecht der
einzelnen Mitgliedstaaten (Simons in Simons/Hausmann, Brüssel I-Verordnung,
2012, vor Artt. 27-30 Rn. 15; Rauscher/Staudinger, aaO, Einl. Brüssel Ia-VO
Rn. 27 ff; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 261 Rn. 49, 53; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl., § 261 Rn. 73; zu Art. 21 EuGVÜ OLGR Stuttgart 2001, 288, 289). Der Vorrang gilt jedoch nur insoweit, als die Regelung der
Verordnung reicht. Art. 29 EuGVVO nF bestimmt die Rechtsfolge der doppelten
Rechtshängigkeit dahin, dass sich das später angerufene Gericht, sobald die
Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, für unzuständig zu
erklären hat. In welcher Weise und auf wessen Kosten der später begonnene
Rechtsstreit prozessual beendet wird, überlässt die Regelung dem nationalen
Recht (vgl. Dohm, aaO S. 190). Die deutsche Rechtsprechung hat schon zu
den früheren Bestimmungen in Art. 21 EuGVÜ und Art. 27 EuGVVO aF entschieden, dass die Klage bei dem später angerufenen Gericht als unzulässig
abzuweisen ist (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1985, NJW 1986, 662; vom 8. Februar 1995 - VIII ZR 14/94, NJW 1995, 1758, 1759; vgl. auch BGH, Urteil vom
19. Februar 2013 - VI ZR 45/12, BGHZ 196, 180 Rn. 11). Dies entspricht der
Rechtslage nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Die durch die anderweitige Rechtshängigkeit bewirkte Unzulässigkeit der späteren Klage besteht von Anfang an.
Deswegen ist dem Kläger auch der Weg versperrt, die Kosten über eine Erledigungserklärung auf den Beklagten abzuwälzen.
14
d) Selbst unter der Annahme, Art. 29 EuGVVO nF regle auch den Zeitpunkt, ab dem die Klage beim später angerufenen Gericht unzulässig ist, träfe
die Ansicht des Berufungsgerichts, die spätere Klage sei bis zur Feststellung
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der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts zulässig, nicht zu. Eine solche vorübergehende Zulässigkeit der später erhobenen Klage kann nicht aus
dem Umstand abgeleitet werden, dass Art. 29 Abs. 1 EuGVVO nF eine Aussetzung des Verfahrens vorschreibt, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen
Gerichts feststeht. Das Aussetzungsgebot betrifft ausschließlich das vom
Zweitgericht einzuhaltende Verfahren.
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aa) Nach der ursprünglichen Regelung in Art. 21 EuGVÜ hatte sich,
wenn bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen wegen desselben
Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht wurden, das später
angerufene Gericht von Amts wegen zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären. Falls die Unzuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geltend gemacht wurde, konnte das Gericht, das sich für unzuständig zu erklären hätte, die Entscheidung aussetzen. Diese Regelung brachte
zum Ausdruck, dass eine zweite Klage unzulässig war, wenn in einem anderen
Vertragsstaat bereits eine Klage über denselben Anspruch vor einem international zuständigen Gericht anhängig war. Durch Art. 8 des Übereinkommens
über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik
von 1989 (ABl. EG 1989 Nr. L 285, S. 1) wurde die Regelung dahin geändert,
dass die bisher fakultative Aussetzung obligatorisch wurde. Eine sofortige Prozessabweisung durch das Zweitgericht wurde in den Fällen als zu radikal angesehen, in denen die Erhebung der zweiten identischen Klage zur Fristwahrung
oder Verjährungsunterbrechung erfolgte (vgl. hierzu für das Lugano-Übereinkommen Jenard/Möller, ABl. EG 1990 Nr. C 189 S. 57, 78 Nr. 64; übernommen
für das EuGVÜ nF, vgl. Cruz/Real/Jenard-Bericht zum Beitrittsübereinkommen
1989, ABl. EG 1990 Nr. C 189 S. 35, 48 Nr. 28). Der Ausgangspunkt, dass die
zweite Klage angesichts der bereits bei einem anderen, international zuständigen Gericht anhängigen Klage unzulässig ist, änderte sich dadurch nicht. Es
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sollte lediglich vermieden werden, dass nach sofortiger Abweisung der zweiten
Klage ein neues Verfahren eingeleitet werden musste, sofern sich später die
Unzuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts herausstellte (vgl. Bäumer,
Die ausländische Rechtshängigkeit und ihre Auswirkungen auf das internationale Zivilverfahrensrecht, 1999, S. 192).
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bb) Die Regelung in Art. 29 Abs. 1 und 3 EuGVVO nF entspricht, wie
schon die Vorgängerregelung in Art. 27 EuGVVO aF, im Wesentlichen derjenigen in Art. 21 EuGVÜ nF. Auch sie schiebt lediglich die Befugnis des Zweitgerichts, sich im Hinblick auf die doppelte Rechtshängigkeit für unzuständig zu
erklären, zeitlich hinaus (vgl. Stein/Jonas/Wagner, ZPO, 22. Aufl., Art. 27
EuGVVO Rn. 58; Nieroba, Die europäische Rechtshängigkeit nach der
EuGVVO an der Schnittstelle zum nationalen Zivilprozessrecht, 2006, S. 156).
Das Zweitgericht hat die Entscheidung des Erstgerichts zur internationalen Zuständigkeit abzuwarten und im Verfahren bis dahin innezuhalten. Hierdurch sollen negative Kompetenzkonflikte vermieden werden, die im Falle einer sofortigen Abweisung der zweiten Klage wegen der anderweitigen Rechtshängigkeit
drohten, wenn sich das erste Verfahren letztlich doch mangels internationaler
Zuständigkeit als unzulässig erweist (für Art. 21 Abs. 2 EuGVÜ aF JenardBericht, aaO, S. 41; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 4. Aufl., Art. 27 EuGVVO
Rn. 21). Die Parteien sollen in einem solchen Fall nicht mit ihrem Prozess von
neuem beginnen müssen (für Art. 21 Abs. 2 EuGVÜ aF Jenard-Bericht, aaO; für
die EuGVVO nF Rauscher/Leible, aaO, Art. 29 Brüssel Ia-VO Rn. 38; Zöller/
Geimer, ZPO, 32. Aufl., Art. 29 EuGVVO Rn. 1). Damit ist den Interessen des
Klägers im Rahmen des von Art. 29 EuGVVO nF verfolgten Regelungszwecks
hinreichend Rechnung getragen. Eine weitergehende Bevorzugung seiner Interessen gebietet Art. 29 EuGVVO nF nicht. Insbesondere bezweckt die Bestimmung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht, dass ein Kläger gegen
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ein und denselben Beklagten wegen desselben Streitgegenstandes bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten ohne Kostenrisiko gerichtlich vorgehen kann.
Art. 29 EuGVVO nF dient auch dem Schutz des Beklagten vor der Gefahr, sich
einer doppelten Verurteilung und entsprechenden Kostenfolgen ausgesetzt zu
sehen (zu Art. 21 EuGVÜ BGH, Beschluss vom 28. November 1985 - III ZR
3/85, RIW 1986, 217 f).
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3. Der Senat erachtet ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267
AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union im Streitfall nicht für erforderlich. Der Regelungsumfang des Art. 29 EuGVVO nF ist angesichts der Gesetzgebungsmaterialien derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt. Der Senat ist davon überzeugt, dass diese Gewissheit
auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof besteht
(vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Cilfit, Slg. 1982, 3415
Rn. 16). Das Verfahren der Aussetzung und die prozessualen Folgen der Unzuständigkeit des später angerufenen Gerichts richten sich hingegen nach nationalem Recht.
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III.
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Das Urteil des Berufungsgerichts kann deshalb keinen Bestand haben
und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis
erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Kayser
Gehrlein
Schoppmeyer
Grupp
Meyberg
Vorinstanzen:
AG Groß-Gerau, Entscheidung vom 03.02.2016 - 62 C 85/15 (16) LG Darmstadt, Entscheidung vom 10.03.2017 - 24 S 24/16 -