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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 270/03
vom
27. Januar 2005
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO §§ 4a, 290 Abs. 1 Nr. 5
a) Erklärt sich der Schuldner im Eröffnungsverfahren zu seinem Stundungsantrag nicht ausreichend über seine wirtschaftlichen Verhältnisse, obwohl das
Insolvenzgericht auf die Mängel konkret aufmerksam gemacht und dem
Schuldner aufgegeben hat, diese binnen angemessener Frist zu beheben,
ist die Stundung deshalb zu versagen, weil der Antrag des Schuldners unzulässig oder unbegründet ist. Auf § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO kommt es in
diesem Zusammenhang nicht an (Anschluß an BGHZ 156, 92 und BGH,
Beschl. v. 16. Dezember 2004 - IX ZB 72/03, z.V.b.).
b) Bestehen nach dem Inhalt des Stundungsantrags objektiv keine Zweifel,
daß der Antragsteller nicht in der Lage ist, die anfallenden Kosten zu decken, hat das Insolvenzgericht nicht die Ursachen seiner mangelnden finanziellen Leistungsfähigkeit aufzuklären.
-2BGH, Beschluß vom 27. Januar 2005 - IX ZB 270/03 - LG München I
AG München
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Dr. Ganter, Kayser, Vill und die Richterin Lohmann
am 27. Januar 2005
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluß der
14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 26. September
2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht
zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
300 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die durch das Sozialamt ihres Wohnortes vertretene Schuldnerin beantragte am 2. September 2002 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr
Vermögen, die Restschuldbefreiung sowie die Stundung der Verfahrenskosten.
In der beigefügten Vermögensübersicht gab sie vier Gläubiger an mit Gesamtforderungen von rund 20.000 €. Davon entfielen auf den ersten Gläubiger, eine
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Bank, 16.920,15 € und auf den zweiten, das Finanzamt, 2.147,05 €. Die Frage
nach vorhandenem Vermögen wurde verneint. Mit Verfügung vom 24. April
2003 gab das Amtsgericht - Insolvenzgericht - der Schuldnerin auf, binnen drei
Wochen zu erklären, "welches Geschehen den Forderungen der Gläubiger 1
und 2 zugrunde liegt und wofür das Darlehen verwendet worden ist" und "aus
welchem Zeitraum die Schulden stammen (Monat und Jahr der ältesten und
jüngsten Schuld)". Die Schuldnerin wurde darauf hingewiesen, daß ihr Stundungsantrag zurückgewiesen werden könne, wenn sie ihrer Mitwirkungspflicht
nicht genüge. Die Schuldnerin stellte sich auf den Standpunkt, zu weiteren
Auskünften nicht verpflichtet zu sein.
Daraufhin hat das Amtsgericht den Stundungsantrag abgelehnt, weil die
Schuldnerin ihre Mitwirkungspflicht aus § 20 Abs. 1 InsO mindestens grob fahrlässig verletzt habe. Dies rechtfertige die Versagung der Restschuldbefreiung
nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Unter diesen Umständen sei schon der Stundungsantrag nach § 4a InsO zurückzuweisen. Die sofortige Beschwerde der
Schuldnerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich diese
mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 7 InsO) Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung zu Unrecht auf § 290
Abs. 1 Nr. 5 InsO gestützt. Wie der Senat mit Beschluß vom 16. Dezember
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2004 (IX ZB 72/03, z.V.b.) im einzelnen ausgeführt hat, kann die Stundung
zwar auch bei Vorliegen eines anderen als der in § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO
genannten Versagungsgründe ausgeschlossen sein; dies trifft insbesondere
auf § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu. Auf diese Vorschrift kommt es jedoch nicht an,
soweit es allein darum geht, ob der Schuldner zu seinem Antrag gemäß § 4a
InsO hinreichende Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht
hat. Reichen die Angaben nicht aus, um über den Stundungsantrag zu entscheiden, und hat der Schuldner die ihm vom Insolvenzgericht konkret bezeichneten Mängel (vgl. BGHZ 156, 92, 94) nicht beseitigt, so ist der Stundungsantrag entweder schon unzulässig oder unbegründet. Reichen sie aus,
kann dem Schuldner ein Verstoß gegen eine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht
nicht deshalb vorgeworfen werden, weil er die gerichtliche Anordnung einer
ergänzenden Stellungnahme nicht befolgt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 20. März
2003 - IX ZB 388/02, NJW 2003, 2167).
2. Nach dem bisherigen Sachstand ist der Stundungsantrag weder unzulässig noch unbegründet.
a) Ein zulässiger Antrag auf Stundung gemäß § 4a InsO setzt voraus,
daß der Schuldner dem Insolvenzgericht in substantiierter, nachvollziehbarer
Form darlegt, daß sein Vermögen voraussichtlich zur Deckung der anfallenden
Kosten nicht ausreicht. Für den Abschnitt des Insolvenzverfahrens müssen die
in § 54 InsO genannten Kosten gedeckt sein. Ebensowenig wie für den Eröffnungsantrag (vgl. hierzu BGHZ 153, 205, 207) ist eine Schlüssigkeit im technischen Sinne zu verlangen. Die umfassende Auskunftspflicht des Schuldners
setzt erst ein, wenn er einen zulässigen Antrag eingereicht hat (§ 20 Abs. 1
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Satz 1 InsO). Vorher besteht auch keine Amtsermittlungspflicht des Gerichts
(BGH aaO).
b) Genügt der Antrag diesen Mindestanforderungen, ist er mithin zulässig, kann er dennoch nur Erfolg haben, wenn der Schuldner dem Insolvenzgericht sämtliche Angaben macht, die dieses zur Beurteilung benötigt, ob das
Schuldnervermögen zur Kostendeckung nicht ausreichen wird (BGHZ 156, 92,
93 f; BGH, Beschl. v. 22. April 2004 - IX ZB 64/03, ZVI 2004, 281; v. 4. November 2004 - IX ZB 70/03, ZInsO 2004, 1307, 1308). Die Fragestellung, über die
das Gericht zu entscheiden hat, entspricht derjenigen des § 26 Abs. 1 Satz 1
InsO (BGH, Beschl. v. 4. November 2004 - IX ZB 70/03, aaO). Aus § 20 Abs. 1
Satz 1 InsO folgt, daß der Schuldner dem Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren umfassende Auskünfte über seine Vermögensverhältnisse erteilen, insbesondere ein Verzeichnis seiner Gläubiger und Schuldner vorzulegen und
eine geordnete Übersicht seiner Vermögensgegenstände einzureichen hat. Die
Anforderungen an die Begründung eines Stundungsantrags sind an diesem
Maßstab auszurichten (BGHZ 156, 92, 93 f). Deckungsgleich sind sie jedoch
nicht (Ahrens NZI 2003, 558, 559). Andernfalls könnte das Anliegen des Gesetzgebers vereitelt werden, durch die Gewährung der Verfahrenskostenstundung mittellosen Personen den raschen und unkomplizierten Zugang zu dem
Insolvenzverfahren unter zumutbaren Bedingungen zu ermöglichen (BGH,
Beschl. v. 25. September 2003 - IX ZB 459/02, NZI 2003, 665, 666; v. 16. Dezember 2004 - IX ZB 72/03, z.V.b.). Entsprechen die Angaben des Schuldners
dem, was er als Auskunft nach § 20 Abs. 1 Satz 1 InsO schuldet, so hat er in
der Regel auch für die Gewährung der Stundung gemäß § 4a InsO ausreichend vorgetragen (BGHZ 156, 92, 93 f; BGH, Beschl. v. 4. November 2004
- IX ZB 70/03, aaO). Umgekehrt können Angaben, die für eine Verfahrenseröff-
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nung noch der Ergänzung bedürfen, bereits für die Gewährung der Verfahrenskostenstundung genügen. Denn in diesem Verfahrensstadium ist lediglich eine
summarische Prüfung erforderlich; stellt sich später heraus, daß die Stundung
zu Unrecht bewilligt worden ist, hat das Gericht diese gemäß § 4c InsO aufzuheben (BT-Drucks. 14/5680 S. 20 ff). Dies haben die Insolvenzgerichte zu beachten, wenn sie noch Aufklärungsbedarf sehen. Dem Schuldner darf nicht
durch übersteigerte Informationsauflagen die Verfahrenskostenstundung erschwert werden.
Ein Recht - und bei einem (trotz etwaiger Lücken und Widersprüche)
zulässigen Antrag auch eine Pflicht - zur Nachfrage hat das Insolvenzgericht,
wenn der Antrag Lücken oder Widersprüche aufweist. Gegebenenfalls hat das
Insolvenzgericht die Mängel konkret zu bezeichnen und dem Schuldner aufzugeben, binnen angemessener Frist Darlegung und Nachweise zu ergänzen
(BGH, Beschl. v. 4. November 2004 - IX ZB 70/03, aaO). Es ist jedoch nicht
angezeigt, die Ursachen der Insolvenz im einzelnen aufzuklären, bevor über
den Stundungsantrag entschieden wird. Wenn aufgrund eines in sich stimmigen Stundungsantrags objektiv keine Zweifel bestehen, daß der Antragsteller
voraussichtlich nicht in der Lage ist, die anfallenden Kosten zu decken, hat das
Insolvenzgericht nicht zu prüfen, wie es dazu kommen konnte, daß der Schuldner derart verarmt ist. Mangels gegenteiliger konkreter Anhaltspunkte hat es
außerdem davon auszugehen, daß der Schuldner redlich ist und seine Angaben wahrheitsgemäß und vollständig gemacht hat (vgl. BGHZ 156, 139, 147
zur Restschuldbefreiung).
c) Im allgemeinen hat das Insolvenzgericht einen im Wege der Rechtsbeschwerde nur begrenzt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, wenn es vor
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der Frage steht, ob vor der Entscheidung über das Stundungsgesuch weitere
Umstände aufzuklären sind. Im vorliegenden Fall ist in den Vorinstanzen der
Rahmen dessen, was von dem Schuldner an Auskünften verlangt werden kann,
jedoch grundsätzlich verkannt worden.
Allein der Umstand, daß die Antragstellerin einerseits verneint hat, Vermögen zu haben, und andererseits Verbindlichkeiten bei einer Bank und dem
Finanzamt angegeben hat, wobei offenblieb, wann diese Verbindlichkeiten begründet worden sind, ließ den Stundungsantrag weder als widersprüchlich
noch als unvollständig oder in sonstiger Hinsicht ergänzungsbedürftig erscheinen. Ebensowenig war es gerechtfertigt, die Schuldnerin aufzufordern zu erklären, "wofür das Darlehen verwendet worden ist". Selbst wenn die Schuld bei
der Bank auf die Gewährung eines Darlehens an die Antragstellerin zurückgehen sollte, drängt sich deshalb noch nicht der Eindruck auf, die Angabe der
Antragstellerin, kein verwertbares Vermögen zu haben, könnte unzutreffend
sein. Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin am 26. September 2002 auf
Betreiben der gegen sie vollstreckenden Bank die eidesstattliche Versicherung
abgegeben hat.
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III.
Die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit unter
Beachtung der vorstehenden Ausführungen erneut über den Stundungsantrag
entschieden wird.
Fischer
Ganter
Vill
Kayser
Lohmann