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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 117/12
vom
25. September 2014
in der Zwangsvollstreckungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO § 89 Abs. 1; VVG § 110
Während des Insolvenzverfahrens ist die Einzelzwangsvollstreckung wegen einer
Insolvenzforderung in den Freistellungsanspruch des Schuldners gegen dessen
Haftpflichtversicherer unzulässig, sofern der Gläubiger seine persönliche Forderung
und nicht das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch
des Schuldners verfolgt.
BGH, Beschluss vom 25. September 2014 - IX ZB 117/12 - LG Hannover
AG Hannover
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer, Grupp und die
Richterin Möhring
am 25. September 2014
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 52. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 5. November 2012 wird auf
Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
7.644,29 € festgesetzt.
Gründe:
I.
1
Die Gläubigerin hat wegen einer durch vorläufig vollstreckbares Urteil
titulierten Geldforderung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen ihrer Schuldnerin im Wege der Sicherungsvollstreckung nach § 720a
ZPO die Pfändung der Forderung der Schuldnerin gegen ihren Haftpflichtversicherer beantragt. Sie behauptet, der Insolvenzverwalter habe die zu pfändende
Forderung aus der Insolvenzmasse freigegeben. Das Vollstreckungsgericht hat
den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat kei-
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nen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Pfändungsantrag weiter.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 793
ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, die beabsichtigte Einzelzwangsvollstreckung sei unzulässig. Die Gläubigerin sei als Insolvenzgläubigerin (§ 38
InsO) vom Vollstreckungsverbot des § 89 InsO betroffen, weil der Deckungsanspruch der Schuldnerin nach seiner Freigabe durch den Insolvenzverwalter in
deren sonstiges Vermögen im Sinne von § 89 Abs. 1 InsO falle.
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2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis
stand. Der von der Gläubigerin betriebenen Zwangsvollstreckung steht das als
Vollstreckungshindernis von Amts wegen zu beachtende (BGH, Beschluss vom
17. April 2013 - IX ZB 300/11, WM 2013, 939 Rn. 8 mwN) Vollstreckungsverbot
des § 89 Abs. 1 InsO entgegen. Hiernach sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in
die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig.
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a) Die Gläubigerin gehört zu den von dem Vollstreckungsverbot betroffenen Gläubigern. Mit ihrem Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses betreibt sie die Sicherungsvollstreckung eines vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen und vorläufig vollstreckbar titulierten persönlichen Anspruchs. Hinsichtlich dieses Anspruchs ist sie deshalb Insolvenzgläubigerin
(§ 38 InsO). Sie wäre nur dann nicht von § 89 Abs.1 InsO betroffen, wenn mit
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dem Pfändungsantrag nicht die persönliche Forderung vollstreckt, sondern ein
Absonderungsrecht verwertet werden sollte (BGH, Beschluss vom 12. Februar
2009 - IX ZB 112/06, WM 2009, 807 Rn. 4; MünchKomm-InsO/Breuer, 3. Aufl.,
§ 89 Rn. 11, 18, 21; HK-InsO/Kayser, 7. Aufl., § 89 Rn. 7; Uhlenbruck, InsO,
13. Aufl., § 89 Rn. 20; FK-InsO/App, 7. Aufl., § 89 Rn. 6). So liegt der Fall jedoch nicht.
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aa) Die Rechtsbeschwerde macht allerdings mit Recht geltend, dass die
Gläubigerin als Haftungsgläubigerin wegen des ihr gegen die Schuldnerin zustehenden Haftungsanspruchs gemäß § 110 VVG abgesonderte Befriedigung
aus dem Freistellungsanspruch der Schuldnerin gegen deren Haftpflichtversicherer verlangen kann, nachdem über das Vermögen der Schuldnerin als Versicherungsnehmerin das Insolvenzverfahren eröffnet ist.
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(1) Gemäß § 110 VVG kann der geschädigte Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen,
wenn über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Dies stellt
sicher, dass die Versicherungsleistung dem geschädigten Dritten und nicht den
Gläubigern des Versicherungsnehmers zugutekommt; letzteres widerspräche
der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung zu Gunsten des Dritten
(MünchKomm-VVG/Littbarski, § 110 Rn. 5 f; Bruck/Möller/Koch, VVG, 9. Aufl.,
§ 110 Rn. 3; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, VVG, 2. Aufl., § 110 Rn. 1;
vgl. auch BGH, Urteil vom 15. November 2000 - IV ZR 223/99, VersR 2001, 90,
91). Materiell-rechtlich erlangt der Dritte wegen § 110 VVG in der Insolvenz des
Schädigers ein gesetzliches Pfandrecht am Freistellungsanspruch (BGH, Urteil
vom 28. März 1996 - IX ZR 77/95, VersR 1997, 61, 62 mwN; vom 2. April 2009
- IX ZR 23/08, WM 2009, 960 Rn. 7; vgl. auch MünchKomm-InsO/Ganter,
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3. Aufl., § 50 Rn. 115; aA - im Sinne eines dem gesetzlichen Pfandrecht lediglich ähnlichen Rechts - etwa Jaeger/Henckel, InsO, Vor §§ 49-52 Rn. 20, 22).
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(2) Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG entsteht bei Vorliegen eines
Schadensfalls schon mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des versicherten Schädigers, auch wenn der Haftpflichtanspruch noch
nicht mit bindender Wirkung für den Versicherer (§ 106 Satz 1 VVG) festgestellt
ist (vgl. Bruck/Möller/Koch, aaO § 110 Rn. 5; Prölss/Martin/Lücke, VVG,
28. Aufl., § 110 Rn. 3; Thole, NZI 2013, 665, 667). Es bedarf deshalb keiner
Entscheidung, ob auch ein lediglich vorläufig vollstreckbares Urteil, das Grundlage der von der Gläubigerin betriebenen Sicherungsvollstreckung ist, die Fälligkeit des Deckungsanspruchs nach § 106 Satz 1 VVG auslösen kann (so
Prölss/Martin/Lücke, aaO § 106 Rn. 4; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter,
aaO § 106 Rn. 4; aA MünchKomm-VVG/Littbarski, aaO § 106 Rn. 17;
Bruck/Möller/Koch, aaO § 106 Rn. 9; jeweils mwN).
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bb) Mit dem Antrag auf Pfändung des Freistellungsanspruchs macht die
Gläubigerin jedoch nicht ihr Absonderungsrecht geltend.
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(1) Aufgrund der Regelung in § 110 VVG verfügt die Gläubigerin bereits
über ein Pfandrecht, mindestens über ein pfandrechtsähnliches Recht an dem
Freistellungsanspruch der Schuldnerin. Gemäß dem hiernach anwendbaren
§ 50 Abs. 1 InsO sind Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse
ein Pfandrecht haben, nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 InsO für Hauptforderung, Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung an dem Pfandgegenstand berechtigt. Ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 166
Abs. 2 InsO besteht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2013 - IX ZR 176/11,
WM 2013, 935 Rn. 15 mwN). Der deshalb gemäß § 173 Abs. 1 InsO selbst zur
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Verwertung berechtigte Gläubiger kann sein Absonderungsrecht entsprechend
den auf sein Sicherungsrecht anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen außerhalb des Insolvenzverfahrens durchsetzen (vgl. HK-InsO/Landfermann,
7. Aufl., § 173 Rn. 2; Uhlenbruck/Brinkmann, InsO, 13. Aufl., § 173 Rn. 3;
Flöther in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2009, § 173 Rn. 7). Als Inhaberin eines
Pfandrechts könnte die Gläubigerin entweder die Forderung der Schuldnerin
gegen ihren Haftpflichtversicherer unmittelbar einziehen (§ 1282 Abs. 1, § 1228
Abs. 2 BGB), nach Feststellung des Haftungsanspruchs somit unmittelbar vom
Versicherer Zahlung verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2004 - IV ZR
268/03, VersR 2004, 634, 635 mwN; Bruck/Möller/Koch, aaO § 110 Rn. 9 ff;
MünchKomm-InsO/Ganter, 3. Aufl., § 51 Rn. 236; HK-InsO/Lohmann, 7. Aufl.,
§ 51 Rn. 53; Thole, NZI 2013, 665, 667). Einer vorherigen Pfändung bedarf es
in diesem Fall nicht. Alternativ könnte die Gläubigerin nach § 1282 Abs. 2,
§ 1277 BGB Befriedigung aus dem mit dem Pfandrecht belasteten Recht suchen. Erforderlich wäre hierfür ein dinglicher Titel auf Duldung der Zwangsvollstreckung oder auf Gestattung der Befriedigung aus dem verpfändeten Recht
(vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2004 - IXa ZB 199/03, BGHReport 2004,
1323; RGZ 103, 137, 139; Staudinger/Wiegand, BGB, 2009, § 1277 Rn. 2). Aus
einem solchen Titel geht die Gläubigerin nicht vor. Sie betreibt vielmehr die Sicherungsvollstreckung aus einem persönlichen Zahlungstitel. Mit ihrem Absonderungsrecht aus § 110 VVG hat dies nichts zu tun.
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(2) Nichts anderes gilt, wenn der Insolvenzverwalter, wie von der Gläubigerin behauptet, den Freistellungsanspruch der Schuldnerin gegen ihren Haftpflichtversicherer freigegeben hat. Das nach § 110 VVG materiell-rechtlich entstandene Pfandrecht am Deckungsanspruch erlischt durch die Freigabe nicht
(BGH, Urteil vom 28. März 1996 - IX ZR 77/95, WM 1996, 835, 837 mwN; vom
2. April 2009 - IX ZR 23/08, WM 2009, 960 Rn. 7). Seine Verwertung erfolgt
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auch in diesem Fall nach den vorstehend angeführten gesetzlichen Bestimmungen. Der Antrag auf Pfändung dient dieser Verwertung nicht.
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b) Vollstreckt die Gläubigerin mithin als Insolvenzgläubigerin ihre persönliche Forderung, greift das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO. Dieses
gilt für Vollstreckungen in die Insolvenzmasse wie auch in das sonstige Vermögen des Schuldners. Auf die von der Gläubigerin behauptete Freigabe des Deckungsanspruchs kommt es auch in diesem Zusammenhang nicht an. Denn die
vom Insolvenzverwalter aus der Masse freigegebenen Gegenstände gehören
zu dem sonstigen Vermögen des Schuldners im Sinne von § 89 Abs. 1 InsO
(BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/04, BGHZ 166, 74 Rn. 26; Beschluss vom 12. Februar 2009 - IX ZB 112/06, WM 2009, 807 Rn. 12). Die Zuordnung freigegebener Gegenstände zum sonstigen Vermögen des Schuldners
und damit deren Einbeziehung in den Vollstreckungsschutz des § 89 Abs. 1
InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, noch während des Insolvenzverfahrens eine neue wirtschaftliche Existenz zu begründen (vgl. BGH, Beschluss
vom 12. Februar 2009, aaO Rn. 11 mwN). Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, der Freistellungsanspruch des insolventen Versicherungsnehmers
sei hiervon auszunehmen, weil er für dessen neue wirtschaftliche Existenz nicht
erforderlich sei und ein Ausschluss der Einzelzwangsvollstreckung lediglich
dem Haftpflichtversicherer zugutekomme, rechtfertigt dies keine abweichende
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Beurteilung. Unbillige Ergebnisse sind nicht zu befürchten. Dem Haftungsgläubiger bleibt es unbenommen, seine Rechte aus § 110 VVG entsprechend den
aufgezeigten gesetzlichen Verfahrensweisen zu verfolgen.
Kayser
Gehrlein
Grupp
Fischer
Möhring
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 31.08.2012 - 715 M 155469/12 LG Hannover, Entscheidung vom 05.11.2012 - 52 T 69/12 -