Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.
 
 
 
 
 
 

215 lines
11 KiB

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 48/11
Verkündet am:
19. Januar 2012
Kiefer
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Januar 2012 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dörr,
Dr. Herrmann, Hucke und Tombrink
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Januar 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem Vorwurf fehlerhafter Kapitalanlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Auf Empfehlung des Geschäftsführers der Beklagten zeichnete der Kläger am 5. Dezember 2003 eine mittelbare - über einen Treuhänder gehaltene Kommanditbeteiligung an der F.
& E.
VIP M.
3 GmbH
& Co. KG, einem geschlossenen Medienfonds, in Höhe von 55.000 € zuzüglich
- 3 -
5 % Agio (2.750 €). Diese Beteiligung finanzierte der Kläger in einem Umfang
von 33.000 € aus Eigenmitteln und in Höhe des Restbetrags von 24.750 € über
ein von der Beklagten vermitteltes Darlehen des Hamburger Bankhauses W.
& Co.
3
Der Kläger hat geltend gemacht, zwischen den Parteien sei ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte habe die ihr hieraus erwachsenen Pflichten verletzt, indem sie keine ordnungsgemäße Plausibilitätsprüfung
vorgenommen, irreführende und mangelhafte Prospektangaben nicht erörtert
und zudem unrichtig mitgeteilt habe, dass die versprochenen steuerlichen Vorteile sicher seien und die Rückzahlung der Einlage an die einzelnen Anleger
garantiert sei. Darüber hinaus habe sie es pflichtwidrig unterlassen, ihn, den
Kläger, über die Höhe der ihr aus der erfolgreichen Empfehlung der Kapitalanlage zufließenden Provision aufzuklären.
4
Das Landgericht hat der Klage auf Ersatz des Zeichnungsschadens
(Zahlung, Freistellung vom Bankdarlehen und Feststellung der Verpflichtung
zum Ersatz etwaiger weiterer Nachteile) weitgehend stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte
weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.
- 4 -
Entscheidungsgründe
5
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der
Sache an das Berufungsgericht.
I.
6
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7
Zwischen den Parteien sei ein Anlageberatungsvertrag geschlossen
worden. Aus diesem Verhältnis sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Kläger unaufgefordert über die genaue Höhe der ihr im Rahmen der Anlageberatung zufließenden Vergütung - hier: 7 % der Zeichnungssumme - aufzuklären.
Diese Aufklärungspflicht ergebe sich aus der Pflicht des Anlageberaters, zuvörderst die Interessen seines eine Kapitalanlage suchenden Auftraggebers zu
wahren. Um dem Vorwurf des Vertrauensmissbrauchs entgehen zu können, sei
der Berater gehalten, vertragswidrige Interessenkonflikte in ihrem konkreten
Ausmaß aufzudecken. In diesem Zusammenhang müsse der genaue Umfang
der gesamten Vergütung mitgeteilt werden, damit der Anlageinteressent das
Umsatzinteresse des Beraters und das Ausmaß des daraus resultierenden Interessenkonflikts einschätzen und die Objektivität der angebotenen Beratung beurteilen könne. Dies gelte für einen freien Anlageberater ebenso wie für eine
Bank. Die sonach bestehende Aufklärungspflicht habe die Beklagte verletzt, da
sie keine Mitteilungen zu ihrer Vergütung gemacht habe und der Anlageprospekt keine Angaben über die gerade der Beklagten zufließende Provision und
- 5 -
deren konkreten Umfang enthalte. Diese Pflichtverletzung, die für die Anlageentscheidung des Klägers kausal gewesen sei, habe die Beklagte zu vertreten
und verpflichte diese zum Ersatz des gesamten Zeichnungsschadens.
II.
8
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden
Punkt nicht stand.
9
1.
Auch bei Annahme des Zustandekommens eines Anlageberatungsver-
trags - wogegen die Revision keine Einwände erhebt - war die Beklagte nicht
verpflichtet, den Kläger unaufgefordert über die genaue Höhe der ihr zufließenden Vergütung für die erfolgreiche Empfehlung der Fondsanlage aufzuklären.
10
a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht wegen
der Besonderheiten der vertraglichen Beziehung zwischen einem Anleger und
einem freien, nicht bankmäßig gebundenen Anlageberater - soweit nicht § 31d
des Wertpapierhandelsgesetzes eingreift - jedenfalls dann keine Verpflichtung
für den Berater, ungefragt über eine von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Vergütung oder Provision aufzuklären, wenn der Anleger selbst keine
Vergütung an den Berater zahlt und offen ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen werden, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden (Senat, Urteil vom 15. April 2010 - III ZR 196/09,
BGHZ 185, 185, 187 ff Rn. 9 ff; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR
127/10, WM 2011, 526 f Rn. 9 ff; Urteile vom 3. März 2011 - III ZR 170/10, WM
2011, 640 ff Rn. 10 ff; vom 5. Mai 2011 - III ZR 84/10, BeckRS 2011, 13871
Rn. 9 ff und vom 10. November 2011 - III ZR 245/10, BeckRS 2011, 26787
- 6 -
Rn. 11). Der Senat hat in diesen Entscheidungen des Näheren ausgeführt, dass
sich die vorerwähnte Gestaltung der Anlageberatung durch einen freien Anlageberater - bei gebotener typisierender Betrachtungsweise - grundlegend von
der Anlageberatung durch eine Bank unterscheidet (Senatsurteile vom 15. April
2010 aaO S. 188 ff Rn. 11 ff; vom 3. März 2011 aaO S. 641 f Rn. 18 ff; vom
5. Mai 2011 aaO Rn. 10 und vom 10. November 2011 aaO; s. auch BGH, Beschlüsse vom 9. März 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925, 927 Rn. 29 ff und
vom 19. Juli 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1506, 1507 Rn. 6). Für den Anleger besteht regelmäßig kein schützenswertes Vertrauen darauf, dass der freie,
von ihm selbst nicht vergütete Anlageberater keine Leistungen des Kapitalsuchenden erhält; vielmehr sind dem Anleger sowohl die Provisionsvergütung des
Beraters durch den Kapitalsuchenden als auch der damit (möglicherweise) verbundene Interessenkonflikt bewusst. Soweit es um die genaue Höhe der gerade dem Anlageberater zukommenden Provision geht, ist es bei gebotener Abwägung der gegenüberstehenden Interessen der Vertragsparteien Sache des
Anlegers - dem das generelle Provisionsinteresse des Beraters bekannt ist -,
dieserhalb bei dem Anlageberater nachzufragen (Senatsurteile vom 15. April
2010 aaO S. 189 f Rn. 13; vom 3. März 2011 aaO S. 642 Rn. 21; vom 5. Mai
2011 aaO und vom 10. November 2011 aaO). Hiervon unberührt bleibt die generelle Pflicht des Anlageberaters, im Rahmen der objektgerechten Beratung
unaufgefordert über Vertriebsprovisionen Aufklärung zu geben, wenn diese eine
Größenordnung von 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals
überschreiten, und etwaige irreführende oder unrichtige Angaben zu Vertriebsprovisionen zu unterlassen beziehungsweise rechtzeitig richtigzustellen (s. Senatsurteile vom 3. März 2011 aaO S. 641 Rn. 16 mwN, S. 642 Rn. 22; vom
5. Mai 2011 aaO und vom 10. November 2011 aaO).
- 7 -
11
Von dieser Rechtsprechung abzugehen, besteht kein Anlass. Insbesondere hält der Senat nach wie vor daran fest, dass bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise zwischen dem Pflichtenkreis freier, bankungebundener
Berater und der im Bankensektor tätigen Berater zu unterscheiden ist. Diese
Differenzierung nach Berufsgruppen ist verfassungsrechtlich unbedenklich
(BVerfG, WM 2012, 68, 69) und hat auch die ausdrückliche Zustimmung des XI.
Zivilsenats des Bundesgerichtshofs gefunden (Beschlüsse vom 9. März und
19. Juli 2011 aaO).
12
b) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre Aufklärungspflicht verletzt habe, weil sie keine
Mitteilungen zu ihrer Vergütung gemacht habe und der Anlageprospekt keine
Angaben über die genaue Höhe der ihr zufließenden Provision enthalte.
13
Die nicht bankmäßig gebundene Beklagte erhielt vom Kläger selbst kein
Entgelt und keine Provision. In dem Zeichnungsschein und im Anlageprospekt
sind offen ein Agio von 5 % des Beteiligungsbetrags sowie weitere Kosten in
Höhe von 8,90 % der Zeichnungssumme für die Eigenkapitalvermittlung ausgewiesen. Bei dieser Lage war die Beklagte nach den vorstehend beschriebenen Rechtsprechungsgrundsätzen nicht gehalten, den Kläger unaufgefordert
über die (genaue) Höhe der ihr zufließenden Provision in Kenntnis zu setzen.
Dabei ist es unerheblich, dass die Vergütung der Beklagten 7 % der Beteiligungssumme betragen und damit das Agio in Höhe von 5 % des Zeichnungsbetrags überstiegen hat. Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich - ohne Hinzutreten weiterer Umstände - keine Pflicht der Beklagten, den Kläger ungefragt über
die Höhe ihrer Provision aufzuklären (vgl. Senatsurteil vom 10. November 2011
aaO Rn. 14). Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang entgegen der Ansicht
- 8 -
der Revisionserwiderung auch die damalige freundschaftliche Verbundenheit
zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten. Das hiermit einhergehende besondere Vertrauen des Klägers in eine an seinen Interessen orientierte Beratung bestand unbeschadet des ihm bewussten Umstands, dass die
Beklagte für die Empfehlung der Kapitalanlage von der Vertriebsseite eine Vergütung erhalten würde. Sollte ihm daran gelegen gewesen sein, die genaue
Höhe der der Beklagten zufließenden Provision zu erfahren, so hätte er deswegen nachfragen können und müssen (vgl. Senatsurteil vom 10. November 2011
aaO).
14
2.
Das Berufungsurteil ist nach alldem im Umfang der Anfechtung aufzuhe-
ben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht hinsichtlich der weiteren, vom Kläger geltend gemachten Pflichtverletzungen - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine (abschließenden) Feststel-
- 9 -
lungen getroffen hat und die Sache daher nicht zur Endentscheidung reif ist
(§ 563 Abs. 3 ZPO).
Schlick
Dörr
Hucke
Herrmann
Tombrink
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 24.11.2009 - 16 O 398/08 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.01.2011 - I-6 U 9/10 -