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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZB 27/04
vom
29. Juli 2004
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juli 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
Dr. Herrmann
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß der
11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 17. März 2004
aufgehoben.
Dem Kläger wird gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Der Kläger hat die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens zu
tragen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.843,24 €
Gründe:
I.
Das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts vom 12. November 2003
wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 17. November 2003 zugestellt. Dieser legte am 15. Dezember 2003 fristgerecht Berufung ein. Die Beru-
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fung hat er hingegen erst am 5. Februar 2004 begründet und zugleich beantragt, gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Hierzu hat der Prozeßbevollmächtigte
des Klägers vorgetragen und eine eidesstattliche Versicherung seiner Angestellten I.
H.
vorgelegt:
Nach Zugang des amtsgerichtlichen Urteils notierte die Angestellte H.
im Terminkalender und in der Handakte die Berufungsfrist sowie die Frist zur
Einreichung der Berufungsbegründung (Montag, den 12. Januar 2004: "VF Beruf.begründung"; Montag, den 19. Januar 2004: "Abl. Berufungsbegr."), und
zwar als Rotfristen. Nach vorfristgemäßer Vorlage der Akte am 12. Januar
2004 wurde der Prozeßbevollmächtigte des Klägers am 14. Januar 2004 vom
Amtsgericht aufgefordert, binnen zehn Tagen zu dem Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten Stellung zu nehmen. Im Terminkalender trug Frau H.
dar-
aufhin am 19. Januar 2004 - zusätzlich zu der Ablauffrist für die Berufungsbegründung - eine entsprechende Vorfrist ein und vermerkte den Ablauf der Stellungnahmefrist für den 26. Januar 2004; auch diese Fristen wurden, wie vom
Prozeßbevollmächtigten des Klägers allgemein angeordnet, als Rotfristen notiert.
Am 14. Januar 2004 diktierte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die
Stellungnahme zu dem Kostenfestsetzungsantrag vom 15. Januar 2004 und
verfügte schriftlich:
"1) bitte am 15.I. Schr. an Gericht
2) …
3) Rotfristen VF 19.I.04
FA 26.I.04 n. Erl.
streichen, bitte nicht FA 19.I.04
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für BerBegrd streichen!
4) Wv n. Erl. 16.I.04"
Entgegen dieser Verfügung strich die Büroangestellte, die ansonsten
stets zuverlässig und fehlerfrei arbeitete, die Rotfristen für den 19. Januar 2004
- also die Vorfrist für die Stellungnahme zum Kostenfestsetzungsantrag und die
Ablauffrist für die Berufungsbegründung - insgesamt und hängte die Akte nach
Erledigung des Schreibens vom 15. Januar 2004 weg. Das Versehen wurde am
28. Januar 2004 aufgedeckt.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Den Prozeßbevollmächtigten des Klägers treffe ein - dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes - Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.
Zu beanstanden sei die Büroanweisung, sowohl Rechtsmittelfristen als auch
die Fristen zu Stellungnahmen als Rotfristen in den Akten und im Terminkalender zu notieren. Diese Praxis verstoße gegen die anwaltliche Pflicht, Not-,
Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen besonders hervorzuheben.
Indem die Stellungnahmefristen ebenso wie die Fristen für die Rechtsmittel und
deren Begründung gleichermaßen als Rotfristen vermerkt worden seien, sei die
besondere Bedeutung der zuletzt genannten Fristen nicht mehr gegenwärtig
gewesen. Hierdurch sei der Keim für Mißverständnisse gelegt worden wie dasjenige, das hier wohl zu dem versehentlichen Streichen der am 19. Januar
2004 eingetragenen Rotfristen geführt habe.
II.
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1.
Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechts-
beschwerde ist auch im übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
(§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
2.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluß ver-
letzt den Kläger in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf
Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem
Rechtsstaatsprinzip). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand (§ 233 ZPO) aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozeßbevollmächtigten zu versagen, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter
Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht
rechnen mußte (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f und BVerfG NJW-RR 2002, 1004;
BGH, Beschluß vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03 - NJW-RR 2004, 711,
712).
a) Das Berufungsgericht hat an die Organisation der Fristennotierung zu
hohe, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verlangte Anforderungen gestellt.
Es entspricht zwar gefestigter Rechtsprechung, daß Rechtsmittel- und
Rechtsmittelbegründungsfristen so notiert werden müssen, daß sie sich von
gewöhnlichen Wiedervorlagefristen deutlich abheben (vgl. BGH, Urteil vom
21. Dezember 1988 - VIII ZR 84/88 - NJW 1989, 2393, 2394 m.w.N.). Ein bestimmtes Verfahren ist insoweit weder vorgeschrieben noch allgemein üblich.
Bei der in der Rechtsprechung erörterten Verwendung eines besonderen
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Promptfristenkalenders oder eines Kalenders mit besonderen Spalten für
Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen sowie bei der farblichen
Kennzeichnung bestimmter Fristen handelt es sich nur um Beispiele (vgl. BGH
aaO). Die Pflicht, bestimmte Fristen hervorzuheben, ist ferner nicht, wie das
Berufungsgericht anzunehmen scheint, zwingend auf Not-, Rechtsmittel- und
Rechtsmittelbegründungsfristen beschränkt. Gerötet oder in anderer Weise
von einfachen Wiedervorlagefristen unterschieden werden können auch andere genau einzuhaltende Fristen (vgl. BAG AP Nr. 6 zu § 232 ZPO) oder solche
sich aus dem Gesetz oder gerichtlicher Verfügung ergebenden Not- und andere Promptfristen, deren Nichtbeachtung Rechtsnachteile nach sich ziehen kann
(vgl. BGH aaO S. 2395).
Die Handhabung der Fristennotierung im Büro des Prozeßbevollmächtigten des Klägers genügte den vorbeschriebenen Erfordernissen. Der verwendete Tageskalender sah eine Spalte "Wiedervorlagen" und eine weitere, fett
umrandete Spalte "Fristablauf" vor. In der zuletzt genannten Spalte wurden die
genau einzuhaltenden Fristen, insbesondere die Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen und die fristgebundenen Stellungnahmen, als Rotfristen
eingetragen. Sie waren damit von den gewöhnlichen Wiedervorlagen getrennt
und hinreichend hervorgehoben.
b) Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers ist im übrigen seiner Verpflichtung, für den rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung bei dem
Berufungsgericht zu sorgen, bereits dadurch nachgekommen, daß er seiner
Angestellten H.
eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die bei Befolgung
die Fristwahrung gewährleistet hätte. Ein Rechtsanwalt darf nämlich grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Büroangestellte, die sich - wie hier - bisher als
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zuverlässig erwiesen hat, derartigen Weisungen nachkommt; es besteht keine
Verpflichtung, sich anschließend über die Ausführung zu vergewissern (vgl.
BGH, Beschluß vom 18. März 1998 - XII ZB 180/96 - NJW-RR 1998, 1360; Beschluß vom 23. Oktober 2003 - V ZR 28/03 - NJW 2004, 366, 369).
Im vorliegenden Fall hatte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers am
14. Januar 2004 verfügt, daß nur die das Kostenfestsetzungsverfahren betreffenden Fristen ("VF 19.I.04", "FA 26.I.04") nach Erledigung zu streichen seien.
Die (weitere) Frist für den Ablauf der Berufungsbegründung am 19. Januar
2004 sollte ausdrücklich bleiben und ihm die Akte am 16. Januar 2004 wieder
vorgelegt werden. Damit war das Notwendige veranlaßt, damit die Berufungsbegründung rechtzeitig gefertigt und bei Gericht eingereicht werden konnte.
Schlick
Streck
Galke
Kapsa
Herrmann