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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 9/12
Verkündet am:
9. Juli 2013
Vondrasek,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 278, § 280, § 311 Abs. 2
a) Ein Treuhandkommanditist, der auch eigene Anteile an der Gesellschaft hält,
haftet bei einer Verletzung der Aufklärungspflicht gegenüber den Anlagegesellschaftern wie ein Gründungsgesellschafter. Ein Verschulden eines Verhandlungsgehilfen ist ihm nach § 278 BGB zuzurechnen.
b) Vorstrafen der mit der Verwaltung des Vermögens einer Anlagegesellschaft
betrauten Person sind jedenfalls dann zu offenbaren, wenn die abgeurteilten
Straftaten nach Art und Schwere geeignet sind, ein Vertrauen der Anleger in
die Zuverlässigkeit der betreffenden Person zu erschüttern.
BGH, Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12 - Kammergericht
LG Berlin
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in dem
bis zum 14. Juni 2013 Schriftsätze eingereicht werden konnten, durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den Richter Dr. Strohn, die Richterin
Dr. Reichart sowie die Richter Dr. Drescher und Born
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 3 wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 8. Dezember 2011 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärungen vom 15. Oktober 2004
und 3. Mai 2005 über die T.
mbH Steuerberatungsgesellschaft H.
händerin an der Z.
J.
genden: Z.
) und der D.
J.
fonds KG (im Folgenden: D.
(frühere Beklagte zu 3) als Treu-
GmbH & Co. Prozesskostenfonds KG (im Fol-
J.
J.
GmbH & Co. Prozesskosten-
) mit Einlagen in Höhe von 50.000 €
nebst 5 % Agio und 25.000 €. Gründungskommanditistin der Fondsgesellschaf-
-3-
ten und deren Geschäftsbesorgerin ist die J.
plementärin die J.
AG (Beklagte zu 1), Kom-
Verwaltungs GmbH, eine 100 %-ige Tochtergesell-
schaft der Beklagten zu 1. Deren Vorstandsvorsitzender und zugleich Geschäftsführer der J.
Verwaltungs GmbH war M.
H.
(Beklagter zu
2).
2
Das Angebot zum Abschluss eines Treuhandvertrages gab der Anleger
aufgrund eines Prospekts durch Unterzeichnung einer vorformulierten Beitrittserklärung ab. Diese sollte an die Fondsgesellschaft geschickt und von dort an
die Treuhänderin weitergeleitet werden. Angenommen wurde die Beitrittserklärung jeweils von der Treuhänderin und der Fondsgesellschaft.
3
Der Beklagte zu 2, gegen den am 18. Februar 2009 Anklage wegen
mehrfacher Untreue und Urkundsdelikten erhoben wurde, ist ausweislich der
Eintragungen im Bundeszentralregister 23-mal vorbestraft.
4
Der Kläger ist der Auffassung, dass er über diese Vorstrafen von den
Beklagten zu 1 und 2, aber auch von der Treuhänderin hätte informiert werden
müssen. Da das nicht geschehen ist, verlangt er mit seiner Klage - soweit jetzt
noch von Bedeutung - Rückzahlung der Einlagen nebst Agio und Zinsen abzüglich erhaltener Ausschüttungen, und zwar hinsichtlich der Beteiligung an der
Z.
J.
J.
in Höhe von 43.073,77 € nebst Zinsen und hinsichtlich der D.
in Höhe von 21.009,59 € nebst Zinsen, insgesamt 64.083,36 €
nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übertragung seiner Rechte aus den Beteiligungen, sowie die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz aller weiteren
Schäden verpflichtet sind.
5
Das Landgericht hat die Beklagten zu 1 und 2 antragsgemäß verurteilt,
die Klage gegen die Treuhänderin dagegen abgewiesen. Auf die Berufung des
Klägers hat das Berufungsgericht auch der Klage gegen die Treuhänderin statt-
-4-
gegeben. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Treuhänderin.
6
Über deren Vermögen ist im Laufe des Revisionsverfahrens das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Beklagte zu 3 als Insolvenzverwalter hat
den Rechtsstreit aufgenommen und beantragt, seinen Widerspruch gegen die
zur Insolvenztabelle angemeldete Klageforderung für begründet zu erklären.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, und vorsorglich, unter Bezugnahme auf die Anmeldung einer Schadensersatzforderung aus der Beteiligung in Höhe von 43.073,77 € nebst 3.092,38 € Zinsen und 11.154,80 € Kosten, insgesamt 57.320,95 €, die Klageforderung in dieser Höhe im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zur Insolvenztabelle festzustellen.
Entscheidungsgründe:
7
Die Revision hat Erfolg.
8
Allerdings hat das Berufungsgericht die Klage gegen die frühere Beklagte zu 3 zu Recht für begründet erachtet. Gleichwohl ist das Berufungsurteil nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil der
Klageanspruch nach der zulässigen Antragsänderung im Revisionsverfahren
nicht mehr auf den vom Berufungsgericht zuerkannten Inhalt lauten kann und
der Rechtsstreit insoweit noch nicht zur Endentscheidung reif ist.
9
I. Nachdem während des Revisionsverfahrens über das Vermögen der
Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, sind noch Feststellungen zu treffen, die dem Tatrichter obliegen.
-5-
10
1. Die Änderung des Antrags des Beklagten zu 3 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin dahin, seinen Widerspruch gegen die zur Insolvenztabelle angemeldete Klageforderung für begründet zu erklären, ist auch in der Revisionsinstanz zulässig (vgl. BGH, Beschluss
vom 29. Juni 1994 - VIII ZR 28/94, ZIP 1994, 1193).
11
2. Auf den geänderten Antrag ist das Berufungsurteil aufzuheben und die
Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil nach den bisherigen
Feststellungen weder der Widerspruch des Beklagten zu 3 als unbegründet zurückgewiesen werden kann noch die Klageforderungen zur Insolvenztabelle
festgestellt werden können.
12
a) Der Beklagte zu 3 hat zur Begründung seines nach Aufnahme des
Rechtsstreits in der Revisionsinstanz gestellten Antrags, seinen Widerspruch
gegen „die zur Insolvenztabelle angemeldete Klagforderung für begründet zu
erklären“, zwar angeführt, der Kläger habe „seine behauptete Forderung“ zur
Insolvenztabelle angemeldet und er, der Beklagte zu 3, habe sie bestritten, ohne allerdings den genauen Inhalt der Anmeldung im Hinblick auf die vom Berufungsgericht im angefochtenen Urteil zugesprochenen Ansprüche im Einzelnen
darzulegen. Aus dem vom Kläger vorgelegten Auszug aus der Insolvenztabelle
ergibt sich lediglich die Anmeldung einer bezifferten Schadensersatzforderung
einschließlich Zinsen und Kosten in Höhe von insgesamt 57.320,95 €, die hinsichtlich des Schadensersatzbetrages dem zuerkannten Zahlungsantrag hinsichtlich der Beteiligung an der Z.
J.
entspricht. Ob und mit welchem
Inhalt hinsichtlich der übrigen Ansprüche, die das Berufungsgericht zuerkannt
hat (Zahlungsanspruch hinsichtlich der Beteiligung an der D.
J.
, Fest-
stellung der Pflicht zum Ersatz sonstiger Schäden) weitere Anmeldungen zur
Insolvenztabelle erfolgt sind und der Beklagte zu 3 widersprochen hat, lässt
sich dem Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz dagegen nicht entnehmen.
-6-
13
b) Diese weiteren Ansprüche könnten im Übrigen nur dann zur Insolvenztabelle festgestellt werden, wenn sie in Geld umgerechnet worden wären.
14
Mit der Zug um Zug-Einschränkung könnte der Schadensersatzanspruch
bezüglich der Beteiligung an der D.
J.
nach dem insolvenzrechtlichen
Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger aus der Masse nicht
zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Anmeldefähig sind nur - gegebenenfalls nach Umrechnung gemäß § 45 Satz 1 InsO - auf Geld gerichtete Ansprüche, die sich für die Berechnung der Quote eignen (BGH, Beschluss vom
19. April 2011 - II ZR 263/10, NZG 2011, 750 Rn. 7 ff. mwN).
15
Hinsichtlich der Pflicht zur Freistellung des Klägers von sämtlichen weiteren Schäden gilt gleichfalls, dass allenfalls die Feststellung eines nach § 45
Satz 1 InsO umgerechneten Zahlungsanspruchs erfolgen kann.
16
c) Soweit der Kläger die Forderung eines (bezifferten) Schadensersatzanspruchs hinsichtlich der Beteiligung an der Z.
J.
mit dem vollen
Zahlungsbetrag ohne die beantragte und vom Berufungsgericht ausgesprochene Zug um Zug-Einschränkung angemeldet hat, hängt die Entscheidung von
dem Wert der Zug um Zug zu übertragenden Beteiligung ab. Denn die Einschränkung des Zahlungsanspruchs durch die Zug um Zug zu leistende Übertragung der Rechte aus der Beteiligung stellt einen Anwendungsfall der den
Anspruch unmittelbar betreffenden Vorteilsausgleichung dar (vgl. BGH, Urteil
vom 15. Januar 2009 - III ZR 28/08, ZIP 2009, 870 Rn. 14).
17
Im vorliegenden Fall kommt daher in Betracht, den Wert der Zug um
Zug-Einschränkung in entsprechender Anwendung des § 45 Satz 1 InsO auf
einen Geldbetrag zu schätzen und von dem Schadensersatzbetrag abzuziehen
(zur Abgrenzung zu § 103 InsO s. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2003 - IX ZR
165/02, ZIP 2003, 2379 ff.). Der Insolvenzverwalter hat geltend gemacht, die
Beteiligung sei jedenfalls nicht wertlos. Da somit nach dem gemäß § 559 Abs. 1
-7-
ZPO der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegenden Vorbringen der Parteien nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Beteiligung
wertlos ist, und die Parteien dies in der Revisionsinstanz auch nicht unstreitig
gestellt haben, bedarf es insoweit der weiteren Aufklärung durch den Tatrichter.
18
II. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht der Klage - vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens - zu Recht
stattgegeben hat.
19
1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie
folgt begründet:
20
Die Schuldnerin hafte nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im
weiteren Sinne auf Schadensersatz, weil sie sowohl als Gesellschafterin der
Fondsgesellschaft als auch als Treuhänderin verpflichtet gewesen sei, den Kläger über die Vorstrafen des Beklagten zu 2 aufzuklären. Jedenfalls auf die Vorstrafen mit vermögensrechtlichem Hintergrund habe hingewiesen werden müssen. Der Kläger habe ein entsprechendes Informationsinteresse, weil er dem
Beklagten zu 2 sein Geld anvertraut habe. Dem könne angesichts der großen
Zahl der Vorstrafen das Resozialisierungsinteresse des Beklagten zu 2 nicht
entgegengehalten werden. Auch folge aus § 7 Abs. 1 Satz 1 der am 6. Dezember 2011 in Kraft getretenen Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung
(VermVerkProspV) nicht, dass andere als die dort genannten Vorstrafen nicht
offenbart werden müssten.
21
Die Schuldnerin sei auch passivlegitimiert. Das folge unabhängig von der
Frage, ob sie Gründungsgesellschafterin sei, jedenfalls aus ihrer Stellung als
Gesellschafterin vor Beginn des Vertriebs und beziehe sich auch auf Treugeber, die - wie hier der Kläger - im Innenverhältnis wie ein Kommanditist gestellt
worden seien. Ebenso sei die Schuldnerin auch in ihrer Eigenschaft als Treuhänderin zur Aufklärung verpflichtet gewesen.
-8-
22
Der Hinweis im Prospekt auf die fehlende Prüfung durch die Schuldnerin
ändere an der Haftung nichts. Zum einen könne man sich nicht mittels einer
solchen Klausel der Haftung entziehen. Zum anderen sei die Klausel intransparent und auch deshalb unwirksam.
23
Die Schuldnerin habe den Informationsmangel auch zu vertreten. Jedenfalls sei ihr das Verschulden der J.
Verwaltungs GmbH und damit des
Beklagten zu 2 als deren Geschäftsführer nach § 278 BGB zuzurechnen.
24
2. Diese Ausführungen halten revisionsgerichtlicher Kontrolle stand. Die
Insolvenzmasse haftet dem Kläger auf Schadensersatz wegen Verletzung von
Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit den Fondsbeitritten - vorbehaltlich
der noch zu treffenden insolvenzrechtlichen Feststellungen (s. Rn. 12 ff.).
25
a) Die Schuldnerin war aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafterin der
Fondsgesellschaften zur Aufklärung des Klägers über die Vorstrafen des Beklagten zu 2 verpflichtet.
26
aa) Die Prospekthaftung im weiteren Sinne ist ein Anwendungsfall der
Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241
Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB (st. Rspr., s. etwa BGH, Urteile vom 23. April 2012
- II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 9 und II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 23).
Danach obliegen dem, der selbst oder durch einen Verhandlungsgehilfen einen
Vertragsschluss anbahnt, gewisse Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber
seinem Verhandlungspartner, bei deren Verletzung er auf Schadensersatz haftet (MünchKommBGB/Emmerich, 5. Aufl., § 311 Rn. 112). Diese Haftung wird
- wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - durch die spezialgesetzlichen Formen der Prospekthaftung nicht außer Kraft gesetzt (Suchomel,
NJW 2013, 1126, 1129 ff.; Nobbe, WM 2013, 193, 204; Wagner in
Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl., § 15 Rn. 187,
aA Reinelt, NJW 2009, 1, 3; zur Haftung von Wirtschaftsprüfern s. BGH, Urteil
-9-
vom 21. Februar 2013 - III ZR 139/12, ZIP 2013, 935 Rn. 13; s. auch BGH, Urteil vom 21. März 2013 - III ZR 182/12, ZIP 2013, 921 Rn. 23).
27
Abgesehen von dem Sonderfall des § 311 Abs. 3 BGB, in dem auch ein
Dritter haften kann, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, trifft die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss
denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließen will (BGH, Urteil
vom 23. April 2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 23). Das sind bei einem
Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die schon beigetretenen
Gesellschafter. Denn der Aufnahmevertrag wird bei einer Personengesellschaft
zwischen dem neu eintretenden Gesellschafter und den Altgesellschaftern geschlossen (BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 9).
Die Komplementärin kann dabei bevollmächtigt werden, im Namen der übrigen
Gesellschafter zu handeln, was hier in § 5 Abs. 5 der Gesellschaftsverträge geschehen ist.
28
Bei einer Publikumsgesellschaft - wie hier bei den Fondsgesellschaften ist eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss nur insoweit ausgeschlossen, als sie sich gegen Altgesellschafter richten würde, die nach der
Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch beigetreten sind und auf die Vertragsgestaltung und die Beitrittsverhandlungen und -abschlüsse erkennbar keinerlei Einfluss haben (BGH, Urteil vom 24. April 1978 - II ZR 172/76, BGHZ 71,
284, 286; Urteil vom 30. März 1987 - II ZR 163/86, ZIP 1987, 912, 913; Urteil
vom 19. Juli 2004 - II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707; Urteil vom 20. März
2006 - II ZR 326/04, ZIP 2006, 849 Rn. 7). Sie sind in der Regel bei ihrem Beitritt ebenso nicht ordnungsgemäß über die Risiken der Anlage aufgeklärt worden wie die Neugesellschafter. Es wäre deshalb unbillig, wenn bei dieser Sachlage die früher beigetretenen Anlagegesellschafter den später beigetretenen
haften würden.
- 10 -
29
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier entgegen der Ansicht der Revision
nicht vor. Dabei kann offen bleiben, ob die Schuldnerin zu den Gründungskommanditisten der Fondsgesellschaften gehört. Denn jedenfalls war sie schon
Gesellschafterin, als sich die ersten Anleger an den Fondsgesellschaften beteiligt haben. Diese Gesellschafterstellung erschöpfte sich auch nicht in dem treuhänderischen Halten von Beteiligungen der Treugeber. Die Schuldnerin hielt
vielmehr auch jeweils einen eigenen Anteil. Damit war sie nicht nur Treuhandgesellschafterin, so dass offen bleiben kann, ob ein Treuhandgesellschafter, der
ausschließlich als solcher beteiligt ist, einem geringeren Pflichtenkatalog unterliegt. Die Schuldnerin haftet vielmehr - auch - als „normale“ Gesellschafterin. Ihr
kommen die Haftungserleichterungen für rein kapitalistische Anleger nicht zugute. Anders als jene verfolgt sie nicht ausschließlich Anlageinteressen. Sie erhält
für ihre Dienste nach § 11 der Treuhandverträge ein einmaliges Entgelt und
sodann eine jährliche Vergütung. Auch war sie nicht - wie ein nur kapitalistisch
beteiligter Anlagegesellschafter - erkennbar von jedem Einfluss auf die Vertragsgestaltung und die Einwerbung von neuen Gesellschaftern ausgeschlossen. Unabhängig von der Frage, ob sie tatsächlich auf die Gestaltung des Gesellschafts- und des Treuhandvertrages Einfluss genommen hat, war das aufgrund ihrer Einbindung in die Gesellschaftsstruktur jedenfalls aus der Sicht der
Anleger nicht ausgeschlossen. Die Anleger mussten daher auch nicht davon
ausgehen, dass die Schuldnerin zu ihrem Gesellschaftsbeitritt und ihrer Tätigkeit als Treuhänderin ausschließlich mit den Informationen gewonnen worden
war, die sich aus dem Prospekt ergaben. Zumindest aber hatte die Schuldnerin
insoweit einen eigenen Handlungsspielraum, als sie die Angebote auf Abschluss von Treuhandverträgen annehmen oder ablehnen konnte und ohne ihre
Annahmeerklärung solche Verträge nicht zustande kommen konnten.
30
Dass der Kläger nicht - unmittelbar - als Kommanditist, sondern nur mittelbar über die Schuldnerin als Treuhänderin beteiligt werden wollte - wie das
- 11 -
Berufungsgericht festgestellt hat und was die Revision daher ohne Erfolg in
Frage stellt (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007,
1434 Rn. 11) -, ist für die Haftung der Schuldnerin als Gesellschafterin der
Fondsgesellschaften ebenfalls ohne Bedeutung. Denn aufgrund der Ausgestaltung der Treuhandverhältnisse in § 6 der Gesellschaftsverträge und § 8 der
Treuhandverträge sollte der Kläger im Innenverhältnis so gestellt werden, als
wäre er - unmittelbarer - Gesellschafter (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2012
- II ZR 69/12, ZIP 2012, 1289 Rn. 17 f.; Urteile vom 23. April 2012 - II ZR 75/10,
ZIP 2012, 1342 Rn. 9 und II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 10; Urteil vom
13. Juli 2006 - III ZR 361/04, ZIP 2006, 1631 Rn. 10; Urteil vom 20. März 2006
- II ZR 326/04, ZIP 2006, 849 Rn. 7). Dann aber würde ihm die Schuldnerin - in
ihrer Eigenschaft als Altgesellschafterin - persönlich für Verletzungen der vorvertraglichen Aufklärungspflicht auf Schadensersatz haften.
31
Dass die Beitrittsinteressenten neben dem Treuhandmodell die Möglichkeit hatten, auch als - unmittelbare - Gesellschafter den Fondsgesellschaften
beizutreten, spielt keine Rolle. Denn jedenfalls war die Schuldnerin für den
Großteil der Anleger, die nur treuhänderisch beitreten wollten, notwendige Vertragspartnerin (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2010 - III ZR 321/08, ZIP 2010,
1801 Rn. 9).
32
bb) Auf die Vorstrafen des Beklagten zu 2 hätte der Kläger in dem Emissionsprospekt oder auf andere Weise hingewiesen werden müssen.
33
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muss einem Anleger für
seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung
von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, verständlich und vollständig aufgeklärt werden, wozu auch eine Aufklärung über Umstände gehört, die
den Vertragszweck vereiteln können (s. etwa BGH, Urteil vom 23. April 2012
- 12 -
- II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 13 mwN). Dazu gehörte es hier, über die
Vorstrafen des für die Verwaltung des Fondsvermögens zuständigen Beklagten
zu 2 zu informieren.
34
Eine derartige Offenbarungspflicht besteht jedenfalls dann, wenn die abgeurteilten Straftaten nach Art und Schwere geeignet sind, ein Vertrauen der
Anleger in die Zuverlässigkeit der betreffenden Person zu erschüttern. Das hat
das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen. Es ging nicht nur um vereinzelt gebliebene Verurteilungen und auch nicht um Verurteilungen, die nur
andere als Vermögensdelikte betrafen. Vielmehr war der Beklagte zu 2 unter
anderem wegen Eigentumsdelikten, mehrfachen Betruges, Meineids, mehrfacher Beitragsvorenthaltung und Insolvenzverschleppung verurteilt worden. Die
Fülle der Vorstrafen und der Umstand, dass sich der Beklagte zu 2 trotz zum
Teil vollzogener Freiheitsstrafen nicht von der Begehung weiterer Straftaten
hatte abhalten lassen, stellt eine Information dar, die von ausschlaggebender
Bedeutung für den Entschluss der Anleger war, ihr Geld gerade dem Beklagten
zu 2 anzuvertrauen. Dass die Strafen noch nicht ausreichten, um den Beklagten
zu 2 von dem Amt des Geschäftsführers einer GmbH oder des Vorstands einer
Aktiengesellschaft nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 GmbHG, § 76 Abs. 3
Satz 1 Nr. 3, Satz 2 AktG für die Dauer von fünf Jahren auszuschließen, ist für
die Aufklärungspflicht ebenso wenig von Bedeutung wie die Frage, ob und inwieweit die Strafen auch nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 5 VermVerkProspV in
einem Verkaufsprospekt nach § 1 Abs. 2 VermAnlG zu offenbaren gewesen
wären. Zum einen handelt es sich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VermVerkProspV bei
dieser Aufzählung lediglich um Mindestangaben, zum anderen betrifft sie nur
die spezialgesetzlich angeordnete Prospekthaftung nach §§ 1, 6 ff. VermAnlG,
nicht dagegen die Prospekthaftung im weiteren Sinne, also die Haftung wegen
Verschuldens bei Vertragsschluss.
- 13 -
35
b) Dass der Aufklärungsmangel für den Abschluss der Beteiligungsverträge durch den Kläger ursächlich geworden ist und dass der Kläger dadurch
einen Schaden in der geltend gemachten Höhe erlitten hat, ist vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt worden. Dagegen wehrt sich die Revision
nicht.
36
c) Ob die Schuldnerin ein persönliches Verschulden an der Aufklärungspflichtverletzung trifft, wie das Berufungsgericht angenommen hat, kann offen
bleiben. Denn jedenfalls ist ihr das Verschulden der J.
Verwaltungs
GmbH und ihres Geschäftsführers, des Beklagten zu 2, nach § 278 BGB zuzurechnen.
37
Für eine Zurechnung des Verschuldens eines Verhandlungsgehilfen
nach § 278 Satz 1 BGB reicht es aus, dass der spätere Vertragspartner - hier
die Schuldnerin hinsichtlich der im Innenverhältnis einer Beteiligung als Gesellschafter gleichstehenden Treuhandverträge - die Vertragsverhandlungen nicht
selbst führt und dabei auch nicht selbst die etwaigen Aufklärungspflichten erfüllt, sondern sich dazu der Hilfe eines anderen bedient (BGH, Urteil vom
14. Mai 2012 - II ZR 69/12, ZIP 2012, 1289 Rn. 10; Urteil vom 21. September
1987 - II ZR 265/86, NJW-RR 1988, 161). Der Verhandlungsgehilfe muss entgegen der Auffassung der Revision keine Abschlussvollmacht haben (BGH,
Urteil vom 8. Dezember 1989 - V ZR 259/87, NJW 1990, 1661, 1662; Erman/Kindl, BGB, 13. Aufl., § 311 Rn. 24). Entscheidend ist allein, dass er nach
den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Wissen des Schuldners
bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als dessen Hilfsperson tätig wird (BGH, Urteil vom 8. Februar 1974 - V ZR 21/72, BGHZ 62, 119,
124, Urteil vom 9. Oktober 1986 - I ZR 138/84, BGHZ 98, 330, 334; Urteil vom
3. Mai 2011 - XI ZR 373/08, WM 2011, 1465 Rn. 24).
- 14 -
38
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Schuldnerin hat sich nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Anwerbung von Anlegern als
Treugeber oder - unmittelbare - Gesellschafter der Komplementärin als Verhandlungs- und damit Erfüllungsgehilfin im Sinne des § 278 Satz 1 BGB bedient. Diese wiederum hat die Beklagte zu 1 mit der Durchführung der Vertragsanbahnungen beauftragt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2012 - II ZR 69/12,
ZIP 2012, 1289 Rn. 14). Der Beklagte zu 3 kann sich daher nicht auf fehlendes
eigenes Verschulden der Schuldnerin berufen.
39
Ob der Vorstandsvorsitzende der Beklagten zu 1 und zugleich Geschäftsführer der Komplementärin der Fondsgesellschaften, nämlich der Beklagte zu 2, um dessen Vorstrafen es geht, selbst gehandelt hat, kann offen
bleiben. Jedenfalls wäre sein Wissen von den Vorstrafen den beiden Gesellschaften in entsprechender Anwendung der §§ 166, 31 BGB zuzurechnen (vgl.
BGH, Urteil vom 2. Februar 1996 - V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 37). Dabei
spielt keine Rolle, ob es sich bei den Vorstrafen um privat erlangte Kenntnisse
des Beklagten zu 2 handelt. Zwar wird im Schrifttum die Meinung vertreten,
dass privat erlangtes Wissen eines Organmitglieds der Gesellschaft nur dann
zuzurechnen sei, wenn der Wissensträger selbst gehandelt habe (Fleischer,
NJW 2006, 3239, 3242; Buck-Heeb, WM 2008, 281, 283; s. auch BGH, Urteil
vom 9. April 1990 - II ZR 1/89, ZIP 1990, 636, 637 aE; Urteil vom 30. April 1955
- II ZR 5/54, WM 1955, 830, 832). Ob dem zu folgen ist, kann jedoch offenbleiben. Denn diese Einschränkung kann jedenfalls dann nicht gelten, wenn es sich
bei dem privat erlangten Wissen um einen Umstand handelt, der für den Erfolg
des Gesellschaftsunternehmens von ganz wesentlicher Bedeutung und bei jedem Vertriebsvorgang zu beachten ist. Das ist hier der Fall. Auf die Vorstrafen
des Beklagten zu 2 ist bei jeder Werbung eines Anlegers hinzuweisen, und damit steht und fällt der Erfolg der Fondsgesellschaften.
- 15 -
40
d) Die Haftung der Schuldnerin ist nicht durch den Inhalt der Beitrittserklärungen ausgeschlossen. Dort heißt es:
Mir ist bewusst, dass der Treuhänder und die Rechtsanwälte nicht für die Plausibilität des Angebots haften und sie die Beteiligung nicht geprüft haben.
41
Diese Klausel unterliegt der AGB-rechtlichen Kontrolle, da es sich nicht
um eine gesellschaftsvertragliche Regelung handelt und daher die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB nicht einschlägig ist. Das hat der Senat
für eine Verjährungsklausel in einem Emissionsprospekt ausgesprochen (BGH,
Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 41 mwN). Es gilt
für eine Haftungsfreizeichnungsklausel in einem vorformulierten Angebot zum
Abschluss eines Treuhandvertrages ebenso.
42
Wie der Senat ebenfalls schon entschieden hat, sind derartige formularmäßige Freizeichnungsklauseln wegen der grundlegenden Bedeutung der Aufklärungspflicht für den Schutz der Investoren nach § 307 Abs. 1 BGB bzw. § 9
AGBG nichtig (BGH, Urteil vom 14. Januar 2002 - II ZR 41/00, NJW-RR 2002,
915 Rn. 24; s. auch BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - III ZR 118/03, ZIP
2004, 414, 415 f.; Urteil vom 19. November 2009 - III ZR 108/08, BGHZ 183,
220 Rn. 11 ff.). Sie benachteiligen die Anleger entgegen den Geboten von Treu
und Glauben unangemessen. Das gilt hinsichtlich der Haftung für vorsätzliches
oder grob fahrlässiges Verhalten (s. § 309 Nr. 7b BGB) ebenso wie hinsichtlich
der Haftung für leichte Fahrlässigkeit. Damit kann offen bleiben, ob die Klausel
hier - da nur die Plausibilität der Anlage angesprochen wird - überhaupt anwendbar wäre.
43
Das Gleiche gilt für den Haftungsausschluss in § 12 Abs. 3 der Treuhandverträge. Auch diese Klausel ist unwirksam.
- 16 -
44
e) Die in § 6 Abs. 8 der Gesellschaftsverträge geregelte Ausschlussfrist
von sechs Monaten steht dem Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten
zu 3 ebenfalls nicht entgegen.
45
Die Klausel schließt - ebenso wie eine entsprechende Verjährungsverkürzung (s. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231
Rn. 41) - die Haftung auch für grobes Verschulden mittelbar aus. Als Begrenzung der Haftung für grobe Fahrlässigkeit im Sinne des Klauselverbots nach
§ 309 Nr. 7b BGB sieht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung
auch eine generelle Verkürzung der Verjährungsfrist an (BGH, Urteil vom
29. Mai 2008 - III ZR 59/07, ZIP 2008, 1481 Rn. 34 f.; Urteil vom 6. November
2008 - III ZR 231/07, ZIP 2009, 1430 Rn. 17; Urteil vom 18. Dezember 2008
- III ZR 56/08, NJW-RR 2009, 1416 Rn. 20 f. mwN; Urteil vom 23. Juli 2009 - III
ZR 323/07, juris Rn. 8). Die Anordnung einer Ausschlussfrist befasst sich zwar
nicht unmittelbar mit der Frage des Haftungsmaßes. Da sie aber keine Ausnahme enthält, ist davon auszugehen, dass alle Ansprüche unabhängig von der
Art des Verschuldens erfasst werden. Mittelbar führt die generelle Einführung
einer Ausschlussfrist also dazu, dass sich die Beklagten nach Fristablauf auf
die Ausschlussfrist hinsichtlich aller etwaigen Schadensersatzansprüche unabhängig von dem jeweiligen Haftungsmaßstab berufen können und so ihre Haftung für jedwede Art des Verschuldens entfällt. Die Klausel lässt es nicht zu, sie
auf einen unbedenklichen Inhalt zurückzuführen.
- 17 -
46
f) Der Anspruch ist auch nicht nach §§ 195, 199 BGB verjährt, wie das
Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat und was von der Revision auch
nicht in Zweifel gezogen wird.
Bergmann
Strohn
Drescher
Reichart
Born
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 20.06.2011 - 33 O 368/10 KG, Entscheidung vom 08.12.2011 - 23 U 163/11 -