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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 125/02
Verkündet am:
11. November 2002
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
ja (bis einschl. II. A)
BGHR:
ja
BGB §§ 27 Abs. 3, 666; GmbHG § 51 a Abs. 2
a)
Landesverbänden steht gegen den
Vorstand ihres Dachverbandes auf dessen Verbandsversammlung ein Auskunftsrecht nach §§ 27 Abs. 3, 666 BGB über alle wesentlichen tatsächlichen
und rechtlichen Verhältnisse des Dachverbandes zu.
b) Einem solchen vereinsrechtlichen Informationsrecht der Mitglieder unterliegen grundsätzlich auch die Angelegenheiten einer vom Dachverband zur
Auslagerung seines wirtschaftlichen Betriebes als GmbH gegründeten und
betriebenen Tochtergesellschaft, soweit sie auch für den Dachverband objektiv von erheblicher wirtschaftlicher oder rechtlicher Bedeutung sind. Dieses Informationsrecht findet seine Grenze nur in einem (vorrangigen) berechtigten Geheimhaltungsinteresse des Dachverbandes zur Abwehr einer
zu besorgenden Gefahr für ihn selbst oder die Tochtergesellschaft mbH (entsprechend § 51 a Abs. 2 GmbHG).
BGH, Urteil vom 11. November 2002 - II ZR 125/02 - OLG München
-2-
LG München I
-3-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom
11. November
2002
durch
den
Vorsitzenden
Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly
und die Richterin Münke
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München vom 21. Januar 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts
München I, 24. Zivilkammer, vom 1. März 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin wurde 1985 als GmbH gegründet, um aus dem gemeinnützigen Vereinsbereich der "Deutsche Billardunion e.V." (im folgenden: DBU) den
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zum Zwecke gewinnbringender Vermarktung
des Billardsports auszugliedern. Gesellschafter der Klägerin sind die DBU als
-4-
Dachverband des deutschen Billardsports mit einem Geschäftsanteil von
40 Prozent sowie drei der ihm als Mitglieder angehörenden Landesverbände
(Baden-Württemberg, Westfalen und Niederrhein) mit einem Geschäftsanteil
von je 20 Prozent. Alle in der DBU zusammengeschlossenen 17 Landesverbände sind in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins organisiert. Der Beklagte - der Bayerische Landesverband - war bis zur Veräußerung seines Gesellschaftsanteils am 26. Juni 1997 ebenfalls Gesellschafter der Klägerin. Im
Zusammenhang mit den ihr von der DBU überlassenen Vermarktungsrechten
unterliegt die Klägerin Gewinnabführungspflichten: von dem erwirtschafteten
Gewinn sind 50 Prozent an die DBU und 25 Prozent an die übrigen Gesellschafter abzuführen, die restlichen 25 Prozent kann der Geschäftsführer
- neben seinem Gehalt - als Tantieme beanspruchen.
Zwischen dem Beklagten und der Klägerin sowie der DBU besteht seit
längerem vielfältiger Streit, der seine Ursache vor allem in der Vereinigung der
Ämter des Geschäftsführers der Klägerin und des Präsidenten der DBU in der
Person von W. R. hat: aufgrund der Machtfülle R.s befürchtet der Beklagte eine
Beeinträchtigung der Rechte und finanziellen Belange der DBU. So versandte
der Vorstand des Beklagten u.a. im zeitlichen Vorfeld von Mitgliederversammlungen der DBU in den Jahren 1995, 1999 und 2000 als "vertraulich" gekennzeichnete Schreiben an sämtliche - also auch die nicht als Gesellschafter an
der Klägerin beteiligten - Landesverbände und an die DBU, in denen das Verhalten der Klägerin bzw. ihres Geschäftsführers angegriffen und eine Diskussion auf den jeweiligen Verbandstagen angekündigt wurde. Im Rundschreiben
vom 15. Juni 1995 erhob der Beklagte u.a. den Vorwurf, R. habe im Zusammenwirken mit dem Vizepräsidenten der DBU auf Gesellschafterversammlungen der Klägerin eine Neuregelung der Führungsverhältnisse mit erheblichen
finanziellen Folgen für die Mitglieder der DBU durchzusetzen versucht: danach
-5-
habe er als Geschäftsführer der Klägerin gegen Abfindung von 150.000,00 DM
ausscheiden, gleichzeitig als hauptamtlicher Generalsekretär bei der DBU gegen ein Gehalt von über 100.000,00 DM eingestellt werden und zusätzlich als
Berater der Klägerin gegen ein Jahreshonorar von 60.000,00 DM fungieren
wollen, während der Vizepräsident der DBU die Geschäftsführung der Klägerin
habe übernehmen sollen. Die Mitgliederversammlung der DBU vom 24. Juni
1995 verwies die Angelegenheit in eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der Klägerin unter Beteiligung sämtlicher Landesverbände; diese
erklärte am 7. Januar 1996 die Sache schließlich für erledigt.
Im Rundschreiben vom 12. Mai 1999 führte der Beklagte zur Begründung
des für die Mitgliederversammlung angekündigten Antrags Nr. 3 u.a. aus, der
Geschäftsführer der Klägerin habe sich unter Verstoß gegen das Gesetz und
seinen Anstellungsvertrag für die Geschäftsjahre 1995 - 1997 Urlaubsabgeltungen von insgesamt über 54.000,00 DM ausgezahlt; dem Schreiben war eine
Kopie des "Arbeitsvertrages" des Geschäftsführers beigefügt, in dem als "Arbeitgeber" neben der Klägerin auch die DBU aufgeführt ist. Da sämtliche Anträge des Beklagten wegen verspäteter Einreichung auf dem Verbandstag 1999
nicht behandelt wurden, übersandte der Beklagte den Landesverbänden mit
Schreiben vom 11. Mai 2000 nochmals inhaltsgleiche Ankündigungen für die
Mitgliederversammlung 2000; trotz rechtzeitiger Einreichung nahm die DBU die
Anträge nicht in die Tagesordnung auf. Mit Urteil vom 27. Januar 2001 hat das
Schiedsgericht der DBU festgestellt, daß die DBU verpflichtet war, die Anträge
in die Tagesordnung aufzunehmen und an die Teilnehmer zu versenden.
Mit der Klage hat die Klägerin von dem Beklagten Unterlassung der
Weitergabe bestimmter vertraulicher Interna an Dritte und an Landesverbände,
die nicht ihre Gesellschafter sind, begehrt. Sie ist der Ansicht, der Beklagte
-6-
dürfe Kenntnisse, die er aus seiner früheren Gesellschafterstellung bei der Klägerin habe, nur ihren Gesellschaftern offenbaren. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung wandte sich die Klägerin nur gegen die Klageabweisung hinsichtlich der Landesverbände, die nicht Gesellschafter der
Klägerin sind. Das Berufungsgericht hat den Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, folgende vertrauliche Interna, soweit es sich um Umstände handelt, die
zur Zeit der Gesellschafterstellung des Beklagten bei der Klägerin bis 26. Juni
1997 eingetreten sind, an diejenigen Landesverbände der DBU weiterzugeben,
die nicht als Gesellschafter an der Klägerin beteiligt sind:
1. Arbeitsverträge und Geschäftsführerverträge des Herrn R. und Arbeitsverträge von evtl. weiteren Mitarbeitern der Klägerin sowie deren
Gehälter;
2. Entwürfe von Arbeitsverträgen von Herrn R. und evtl. weiteren Mitarbeitern der Klägerin;
3. Jahresabschlüsse der Klägerin mit Ausnahme veröffentlichungspflichtiger Teile sowie entsprechende Entwürfe von Jahresabschlüssen der
Klägerin;
4. Verträge und Vertragsentwürfe zwischen der Klägerin und Nichtgesellschaftern der Klägerin;
5. Protokolle und Inhalte aus Protokollen von Gesellschafterversammlungen der Klägerin;
-7-
6. Steuermodelle und Leistungsaustauschmodelle betreffend die Klägerin und deren Entwürfe;
7. Wiedergabe von Gesprächsinhalten aus nicht-öffentlichen Gesellschafterversammlungen der Klägerin, die aus den Protokollen von
nicht-öffentlichen Gesellschafterversammlungen der Klägerin ersichtlich sind, sowie
8. internes Zahlenmaterial und sonstige Geschäftsunterlagen, die ausschließlich den Gesellschaftern der Klägerin als Grundlage der Entscheidungsfindung zugänglich gemacht wurden oder werden und die
durch eindeutige Kennzeichnung wie z.B. "Tischvorlage", "Geschäftsvorlage", "internes Zahlenmaterial" oder ähnliches ausdrücklich bezeichnet sind.
Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt zur Zurückweisung der Berufung der
Klägerin.
I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagte habe gegen seine
ihm gegenüber der Klägerin obliegende Verschwiegenheitspflicht verstoßen,
indem er in den Rundschreiben vom 15. Juni 1995 und 12. Mai 1999 auch diejenigen Landesverbände der DBU, die nicht Gesellschafter der Klägerin sind,
über Einzelheiten der Vergütung des Geschäftsführers der Klägerin informiert
-8-
habe. Diese Landesverbände seien als Dritte anzusehen, denen gegenüber
vertrauliche Interna der Klägerin nicht weitergegeben werden dürften. Daran
ändere auch der Umstand nichts, daß die DBU Gesellschafterin der Klägerin sei
und die Verbandsversammlung der DBU, der die Landesverbände als deren
Mitglieder angehörten, das höchste Vereinsorgan der DBU sei, dem der Vorstand rechenschaftspflichtig sei. Im Spannungsverhältnis zwischen der Verschwiegenheitspflicht nach Gesellschaftsrecht und den "Informations-/Mitgliedschaftsrechten" nach Vereinsrecht sei die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung als grundsätzlich vorrangig anzusehen. Aus den
beiden Rundbriefen und dem Prozeßverhalten des Beklagten ergebe sich eine
Wiederholungsgefahr hinsichtlich sämtlicher unter Nr. 1 bis 8 des Urteils aufgeführten Interna der Klägerin. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
II. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein
Unterlassungsanspruch nicht zu. Durch die mit den beiden Rundschreiben an
die Landesverbände weitergegebenen Einzelheiten des bestehenden "Arbeitsvertrags" des Geschäftsführers R. sowie der geplanten Änderungen der Vergütung seiner Leitungstätigkeit für die DBU/Klägerin (Tenor I., 1. Variante in
Nr. 1 u. 2 des Berufungsurteils) hat der Beklagte nicht seine Verschwiegenheitspflicht als Gesellschafter der Klägerin verletzt (vgl. unter A). Hinsichtlich
der weiteren Klageanträge (Tenor Nr. I., Nr. 1 u. 2 - jew. 2. Variante -, Nr. 3 bis
8 des Berufungsurteils) fehlt es bereits an einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr (vgl. unter B).
A. 1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts,
wonach das individuelle Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters nach
§ 51 a GmbHG umfassend ausgestaltet ist (BGHZ 135, 48, 54). Das Informati-
-9-
onsrecht ist, vom Sonderfall des § 51 a Abs. 2 GmbHG abgesehen, prinzipiell
unbeschränkt und findet seine Grenze erst bei einer nicht zweckentsprechenden Wahrnehmung (BGHZ aaO; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG 17. Aufl.
§ 51 a Rdn. 20 m.w.N.). Kehrseite dieses umfassenden und sehr weitgehend
gestalteten Informationsrechts ist als Ausfluß der gesellschaftsrechtlichen
Treuepflicht eine verstärkte Verschwiegenheitspflicht (allgemeine Meinung, vgl.
nur
Scholz/K. Schmidt,
GmbHG
9. Aufl.
§ 51 a
Rdn. 6;
Meyer-Landrut/
Miller/Niehaus, GmbHG 1987, § 51 a Rdn. 13; Lutter/Hommelhoff, GmbHG
15. Aufl. § 51 a Rdn. 24). Die Weitergabe von Informationen zu gesellschaftsfremden Zwecken oder an gesellschaftsfremde Dritte ist grundsätzlich pflichtwidrig, und zwar ohne Rücksicht auf ihren Inhalt und ohne Rücksicht darauf,
welche Zwecke mit der Verbreitung der Kenntnisse verfolgt werden (Hachenburg/Hüffer, GmbHG 8. Aufl. § 51 a Rdn. 11; Scholz/K. Schmidt aaO).
2. Rechtsfehlerhaft hat jedoch das Berufungsgericht diejenigen Landesverbände der DBU, die nicht Gesellschafter der Klägerin sind, als gesellschaftsfremde Dritte eingeordnet und dabei die Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht beachtet. Denn sämtliche Landesverbände sind Mitglieder der
DBU und damit auch Mitglieder des obersten Organs des Hauptgesellschafters
der Klägerin, nämlich der Mitgliederversammlung der DBU; in dieser Eigenschaft können auch diejenigen Landesverbände, die nicht selbst Gesellschafter
der Klägerin sind, nicht wie gesellschaftsfremde Dritte behandelt werden. Den
Landesverbänden steht als Vereinsmitgliedern der DBU in der Mitgliederversammlung - unabhängig von der Stellung zur Klägerin - ein Auskunftsrecht nach
§§ 27 Abs. 3, 666 BGB gegenüber dem Vorstand der DBU (vgl. allgemein
Staudinger/Weick, BGB 13. Aufl. § 27 Rdn. 25; KG NJW-RR 1999,1486) über
alle wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des Vereins zu
(vgl. Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts 8. Aufl. Rdn. 885;
- 10 -
Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht 8. Aufl. Rdn. 303). Hierzu gehören im vorliegenden Fall auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen der DBU
zur Klägerin; denn diese ist - entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts keine "fremde" GmbH, sondern eine Tochtergesellschaft der DBU, auf die im
wesentlichen aus steuerlichen Gründen der wirtschaftliche Betrieb der DBU
ausgegliedert und die zur Gewinnabführung - davon zu 50 Prozent an die
DBU - verpflichtet ist. Dem (vereinsrechtlichen) Informationsrecht der Landesverbände der DBU unterlagen daher grundsätzlich auch die Angelegenheiten
bei der Klägerin als Tochterunternehmen, soweit sie auch für die DBU als
Hauptgesellschafterin objektiv von so erheblicher wirtschaftlicher oder rechtlicher Bedeutung waren, daß sie damit auch zu Angelegenheiten der DBU selbst
wurden.
3. Dieses umfassende Informationsrecht der Verbandsversammlung der
DBU findet seine Grenze nur in einem etwa vorrangigen berechtigten Geheimhaltungsinteresse der DBU zur Abwehr einer zu besorgenden Gefahr für den
Dachverband selbst oder die Klägerin als ihre Tochtergesellschaft (entsprechend § 51 a Abs. 2 GmbHG). In einem derartigen Fall, in dem der Vorstand die
Auskunft verweigern könnte, wäre auch der Beklagte als Mitglied der DBU nicht
berechtigt gewesen, im Rahmen seines satzungsmäßigen Initiativantragsrechts
zur Tagesordnung der jeweiligen Mitgliederversammlung die anderen Landesverbände, die nicht Gesellschafter der Klägerin waren, durch die Rundschreiben über seine Anträge nebst Begründungen zu inneren Angelegenheiten der
Klägerin vorab zu informieren. Ein solches vorrangiges Geheimhaltungsinteresse der DBU oder der Klägerin als Tochterunternehmen bestand jedoch
- entgegen der nicht näher begründeten Ansicht des Berufungsgerichts - im
vorliegenden Fall jedenfalls hinsichtlich der in den Schreiben des Beklagten
vom 15. Juni 1995 und 12. Mai 1999 aufgeführten Einzelheiten nicht.
- 11 -
a) Die im Schreiben vom 15. Juni 1995 erwähnten, auf einer Gesellschafterversammlung der Klägerin besprochenen Veränderungen auf der Leitungsebene durch Wechsel des Geschäftsführers R. in eine hauptamtliche Position bei der DBU betrafen grundlegende strukturelle Fragen des Verhältnisses
der Klägerin zur DBU einschließlich der finanziellen Folgen (Vergütung, Abfindung), die ersichtlich schon allein im Hinblick auf die Funktion des Vorstandes
der DBU auch in die Zuständigkeit ihrer Mitgliederversammlung fielen und damit
zugleich dem uneingeschränkten Informationsrecht der Landesverbände unterlagen. Dementsprechend wurde der Inhalt des Rundschreibens des Beklagten
auf dem Verbandstag vom 24. Juni 1995 diskutiert und anschließend auf der
außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Klägerin in Anwesenheit der
Vorstände der Landesverbände, die nicht Gesellschafter der Klägerin waren,
offen erörtert.
b) Die Information im Schreiben vom 12. Mai 1999 über Urlaubsabgeltungen, die sich der Geschäftsführer der Klägerin selbst bewilligt hatte, betraf
nicht lediglich deren innere Verhältnisse, sondern auch die DBU und deren Mitglieder. Denn zusätzliche Gehaltszahlungen der Klägerin an ihren Geschäftsführer mindern den Gewinn der Klägerin und damit auch die Gewinnabführungsansprüche der DBU gegen die Klägerin. Hinzu kommt, daß die DBU auch
formalrechtlich an dem "Arbeitsvertrag" des Geschäftsführers R. auf Arbeitgeberseite neben der Klägerin beteiligt war. Somit waren hinsichtlich dieser Einzelheiten des Dienstverhältnisses - das im übrigen keinen geheimhaltungsbedürftigen Inhalt hat - auch diejenigen Landesverbände, die nicht Gesellschafter
der Klägerin sind, informationsberechtigt. Dementsprechend hat das Schiedsgericht der DBU zutreffend festgestellt, daß auch der für einen späteren Verbandstag wiederholte inhaltsgleiche Antrag Nr. 3 in die Tagesordnung hätte
- 12 -
aufgenommen und sämtlichen Verbandsmitgliedern zugänglich gemacht werden müssen.
Der Hinweis des Berufungsgerichts, wonach im Aktienrecht Angaben zur
Vergütung der Vorstandsmitglieder nicht zu individualisieren sind, vermag nicht
zu überzeugen. Es handelt sich dabei um eine - nicht unumstrittene (siehe dazu
auch die gegenteilige Anregung im Deutschen Corporate Governance Kodex
4.2.4 Satz 2) - Besonderheit des Aktienrechts.
Einen pflichtwidrigen Verstoß gegen eine Verschwiegenheitspflicht als
Gesellschafter der Klägerin hat der Beklagte durch die Versendung der Rundschreiben daher nicht begangen.
B. Hinsichtlich der weitergehenden Klageanträge kann dahinstehen, ob
denjenigen Landesverbänden der DBU, die nicht Gesellschafter der Klägerin
sind, bezüglich der darin genannten Einzelheiten ein Auskunftsrecht zustehen
würde. Denn insoweit läßt sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts aus den Schreiben vom 15. Juni 1995 und 12. Mai 1999 oder aus dem Prozeßverhalten des Beklagten eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr nicht
herleiten.
1. Hinsichtlich eines Unterlassungsanspruchs muß die Wiederholungsgefahr objektiv vorliegen. Dabei müssen Indiztatsachen gegeben sein, die den
Schluß zulassen, daß eine Wiederholung des Eingriffs wahrscheinlich ist oder
doch zumindest eine naheliegende Möglichkeit bildet (Staudinger/Grunsky,
BGB 13. Aufl. § 1004 Rdn. 206). Die Frage, ob eine ernstliche Besorgnis weiterer Störungen besteht, ist zwar tatsächlicher Natur; sie ist jedoch in der Revisionsinstanz nachprüfbar, wenn die Urteilsgründe ergeben, daß in dem ange-
- 13 -
fochtenen Urteil von unrichtigen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen
worden ist (BGHZ 14, 163,167). So liegt es hier. Das Berufungsgericht hat - wie
vorstehend unter A ausgeführt - zu Unrecht angenommen, daß der Beklagte
durch die Übermittlung der Rundschreiben vom 15. Juni 1995 und 12. Mai 1999
eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Klägerin verletzt habe. Daher
scheidet insoweit schon mangels Erstbegehung eine Wiederholungsgefahr aus.
2. Auch aus dem Prozeßverhalten des Beklagten ergibt sich damit
- mangels Erstbegehung - keine Wiederholungsgefahr. Sofern das Berufungsgericht mit seiner nicht näher begründeten Erwägung zum Prozeßverhalten
(auch) auf die sog. Erstbegehungsgefahr abstellen wollte, tragen die Feststellungen die Entscheidung jedoch ebenfalls nicht. Ein auf Erstbegehungsgefahr
gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch besteht nur, soweit ernsthafte
und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Beklagte
werde sich in naher Zukunft in der näher bezeichneten Weise rechtswidrig verhalten (BGH, Urt. v. 15. April 1999 - I ZR 83/97, NJW-RR 1999, 1563, 1564
m.w.N.). Eine Erstbegehungsgefahr kann sich zwar unter Umständen auch aus
dem Prozeßverhalten der in Anspruch genommenen Partei ergeben. Die Tatsache allein, daß sich ein Beklagter gegen die Klage verteidigt und dabei die Auffassung äußert, zu dem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein, ist jedoch
nicht als Berühmung zu werten, die eine Erstbegehungsgefahr begründet; andernfalls würde der Beklagte in der wirksamen Verteidigung seines Rechts, in
einem gerichtlichen Verfahren die Rechtmäßigkeit bestimmter Verhaltensweisen klären zu lassen, und in seinem Recht auf rechtliches Gehör beschränkt
(vgl. BGH, Urt. v. 31. Mai 2001 - I ZR 106/99, NJW-RR 2001, 1483, 1484
m.w.N.). Allein aus dem Prozeßverhalten des Beklagten kann somit im vorliegenden Fall nicht auf eine Erstbegehungsgefahr hinsichtlich der übrigen Klageanträge geschlossen werden.
- 14 -
III. Da die Sache aufgrund der bisherigen, umfassenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts entscheidungsreif ist, hatte der Senat in der
Sache selbst zu entscheiden und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen
(§§ 562, 563 Abs. 3 ZPO n.F.).
Röhricht
Henze
Kurzwelly
Goette
Münke