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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 4/08
Verkündet am:
14. Januar 2010
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die
Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 14. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Dresden vom 11. Dezember 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien betreiben in G.
Autohäuser. Sie haben gegeneinander
wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wegen bestimmter Werbemaßnahmen geltend gemacht. Für die Revisionsinstanz ist nur noch die Widerklage
des Beklagten von Interesse.
2
Am 28. Juni 2006 warb die Klägerin auf ihrer Internetseite für einen PKW
Ford Fiesta mit einem Kilometerstand von 20 km, dessen Erstzulassung am
30. März 2006 erfolgt ist. Die Abbildung des Fahrzeugs wies an der Stelle des
Nummernschildes die Bezeichnung „Neuwagen“ auf; auf seiner Frontscheibe und
in der Preisauszeichnung an der Seitenscheibe befand sich der Hinweis, dass es
sich um ein deutsches Modell mit Tageszulassung handele.
-3-
3
Der Beklagte hält diese Werbung für irreführend. Das Landgericht hat die
Klägerin unter Androhung von Ordnungsmitteln dem Antrag des Beklagten gemäß
dazu verurteilt,
in ihrer Werbung die Behauptung zu unterlassen, dass ein PKW Ford Fiesta … mit
einer ca. drei Monate alten Tageszulassung ein Neuwagen ist.
4
Außerdem hat das Landgericht dem Beklagten gestattet, die in diesem Zusammenhang entstandenen Abmahnkosten in Höhe von 335,90 € gegen einen
Erstattungsanspruch der Klägerin aufzurechnen.
5
Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Abweisung der Widerklage und Zahlung weiterer 335,90 € weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
6
I. Das Berufungsgericht hat die beanstandete Werbung als irreführend nach
§§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG 2004 angesehen und dazu ausgeführt:
7
Die durch die Werbung der Klägerin beim Verkehr erweckte Erwartung, in
den Genuss aller Vorteile eines Neuwagens zu kommen, werde beim Kauf des
angebotenen Fahrzeugs nicht erfüllt, und zwar auch dann nicht, wenn es vom
Händler nicht - etwa als Vorführwagen - genutzt worden sei. Bei einer Tageszulassung werde das Fahrzeug im wirtschaftlichen Wert gemindert, da die Zahl der
Halter bzw. Vorbesitzer bei einem späteren Verkauf des Fahrzeugs als Gebrauchtwagen eine erhebliche Rolle spiele. Die durch die Erstzulassung bedingte
Verkürzung der Fristen für Herstellergarantie, Neuwertentschädigung in der Vollkaskoversicherung und die nächste TÜV-Prüfung sei nach der Rechtsprechung
-4-
des Bundesgerichtshofs nur dann unwesentlich, wenn sich die Erstzulassung auf
wenige Tage beschränke und die Herstellergarantie um nicht mehr als zwei Wochen verkürzt werde. Es könne dahinstehen, ob bei dem konkret beworbenen
Fahrzeug die Neuwagengarantie bereits mit der Tageszulassung zu laufen begonnen habe. Eine Zulassung von ca. drei Monaten mindere unabhängig vom
Lauf der Herstellergarantie den Wert des Fahrzeugs. Der durch die Bewerbung als
„Neuwagen“ hervorgerufene irreführende Eindruck werde nicht dadurch ausgeräumt, dass in der Frontscheibe und der an den Seitenscheiben angebrachten
Preisauszeichnung auf die Erstzulassung hingewiesen werde.
8
II. Die Revision hat Erfolg. Die rechtliche Beurteilung, die Werbung mit der
Angabe, ein Pkw mit einer etwa drei Monate alten Tageszulassung sei ein Neuwagen, sei irreführend, wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu sind widersprüchlich und erlauben dem Senat keine hinreichend sichere rechtliche Beurteilung des Parteivorbringens (§ 545 Abs. 1, § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
9
1. Das tatsächliche Vorbringen der Parteien ist in erster Linie dem Tatbestand des Urteils zu entnehmen (§ 314 ZPO). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch anerkannt, dass vom Geltungsbereich des § 314 ZPO
auch diejenigen tatsächlichen Feststellungen erfasst werden, die in den Entscheidungsgründen enthalten sind (BGHZ 139, 36, 39). Die Beweiskraft des Tatbestands und damit auch die Bindung für das Revisionsgericht entfallen aber, soweit
die Feststellungen Widersprüche oder Unklarheiten aufweisen (BGHZ 80, 64, 67;
BGH, Urt. v. 17.5.2000 - VIII ZR 216/99, NJW 2000, 3007). Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen enthalten einen solchen Widerspruch, der von
Amts wegen zu berücksichtigen ist (BGH, Urt. v. 9.3.1995 - III ZR 44/94, NJW-RR
1995, 1058, 1060 m.w.N.).
-5-
10
Das Berufungsgericht hat auf Seite 6 seines Urteils eine „Zulassung von ca.
drei Monaten“ angenommen, also eine ununterbrochene Zulassungsdauer von ca.
drei Monaten. Dazu stehen das vom Berufungsgericht bestätigte Unterlassungsgebot und die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts
in unlösbarem Widerspruch.
11
Der Klägerin wurde vom Landgericht untersagt, damit zu werben, „dass ein
Ford Fiesta 1.0 Fun mit einer ca. drei Monate alten Tageszulassung ein Neuwagen ist“. Damit bezieht sich der Tenor nach seinem an sich eindeutigen Wortlaut
auf ein Fahrzeug, für das ca. drei Monate zuvor eine Tageszulassung bestand,
also eine Zulassung von grundsätzlich nur einem oder allenfalls einigen wenigen
Tagen. Ein abweichendes Verständnis ergibt sich auch nicht aus den Gründen
des landgerichtlichen Urteils. Dort ist auf den Seiten 6 und 7 von einer „Tageszulassung vom 30.03.2006“ die Rede. Auf Seite 11 heißt es, es liege „bereits eine
drei Monate zurückliegende anderweitige Zulassung auf einen Dritten“ vor. Auf
Seite 16 wird ausgeführt, die Tageszulassung liege drei Monate zurück. Diesen
Formulierungen kann nicht entnommen werden, dass das Landgericht mit dem
Begriff „ca. drei Monate alte Tageszulassung“ eine Zulassung gemeint hat, die drei
Monate ununterbrochen angedauert hat. Wenn in den Entscheidungsgründen des
Berufungsurteils dann von einer „Zulassung von ca. drei Monaten“ die Rede ist, ist
trotz Bestätigung der landgerichtlichen Verurteilung der Klägerin unklar, ob das
Berufungsgericht den Tenor im selben Sinn wie das Landgericht verstanden hat.
Es bleibt offen, ob sich das Verbot auf eine Werbung für ein drei Monate lang zugelassenes Fahrzeug bezieht oder für ein solches, das vor drei Monaten für einen
oder allenfalls einige wenige Tage zugelassen war.
12
Damit beruht die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts auf widersprüchlichen Feststellungen, die dem Revisionsgericht keine hinreichend sichere
-6-
Beurteilung des Sachverhalts erlauben. Das Berufungsurteil ist schon wegen dieses Mangels aufzuheben (vgl. BGH NJW 2000, 3007).
13
2. Zudem fehlt dem Berufungsurteil ein vollstreckungsfähiger Inhalt. Wegen
der Widersprüche zwischen dem Tenor und den Entscheidungsgründen, die nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung des Urteilsausspruchs heranzuziehen sind (BGHZ 34, 337, 339; BGHZ 118, 53, 55 - Professorenbezeichnung in der Arztwerbung II), ist unbestimmt, welche konkrete Werbeform der Klägerin untersagt ist.
14
3. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben. Da das Revisionsgericht die
Widersprüchlichkeit nicht selbst beseitigen kann, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das nunmehr widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen hat.
Bornkamm
Pokrant
Bergmann
Büscher
Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 27.07.2007 - 43 O 221/06 OLG Dresden, Entscheidung vom 11.12.2007 - 14 U 1440/07 -