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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 126/11
Verkündet am:
6. Februar 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Koch und Dr. Löffler
beschlossen:
Das Verfahren wird in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO
bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen
Union in dem Verfahren I ZR 124/11 ausgesetzt.
Gründe:
1
I. Die Klägerinnen entwickeln, produzieren und vertreiben Videospiele
und Videospiel-Konsolen, darunter die Konsole „Nintendo DS“ und zahlreiche
dafür passende Spiele. Die Klägerin zu 1 ist Inhaberin der urheberrechtlichen
Schutzrechte an den Computerprogrammen, Sprach-, Musik-, Lichtbild- und
Filmwerken sowie Laufbildern, die Bestandteil der Videospiele sind. Die Klägerin zu 2 ist ein Tochterunternehmen der Klägerin zu 1. Im europäischen Wirtschaftsraum werden die Spiele und die Spielekonsolen von der Nintendo of Europe GmbH, einer Tochtergesellschaft der Klägerin zu 1 und zugleich deren
Lizenznehmerin, hergestellt und vertrieben. Die Nintendo of Europe GmbH hat
die Klägerin zu 2 ermächtigt, wettbewerbsrechtliche Ansprüche durchzusetzen.
2
Die Videospiele werden ausschließlich auf besonderen, nur für die Nintendo-DS-Konsole passenden Speichermedien, den „Slot-1-Karten“ angeboten,
die in den Kartenschacht der Konsole, den „Slot-1“, eingesteckt werden. Die
Karten verfügen über einen eingebauten Speicher, auf dem die Software sowie
die Grafik- und Audiodateien der Spiele gespeichert sind. Auf dem Endkundenmarkt sind keine Geräte erhältlich, mit denen die Karten ausgelesen oder
beschrieben werden können. Ohne eine in den „Slot-1“ eingesteckte Karte kön-
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nen auf der Konsole keine Spiele geladen und gespielt werden. Die Klägerinnen
haben die „Slot-1-Karten“ speziell für die Nintendo-DS-Konsole entwickelt, um
damit eine Vervielfältigung der Spiele durch den Durchschnittsverbraucher zu
verhindern.
3
Die Beklagte bot im Jahr 2008 im Internet Adapter für die Nintendo-DSKonsole an. Diese Adapter sind den originalen Speicherkarten in Form und
Größe genau nachgebildet, damit sie in den „Slot-1“ der Konsole passen. Sie
verfügen über einen Einschub für eine Micro-SD-Karte oder über einen eingebauten Speicherbaustein („Flash-Speicher“). Nutzer der Konsole können mit
Hilfe dieser Adapter im Internet angebotene Kopien von Spielen der Klägerinnen, die von Dritten durch Auslesen der Originalkarten unter Umgehung von
Kopierschutzmaßnahmen erstellt worden sind, auf der Konsole verwenden. Dazu laden sie solche Kopien der Spiele aus dem Internet herunter und übertragen diese sodann entweder auf eine Micro-SD-Karte, die anschließend in den
Adapter eingesteckt wird, oder unmittelbar auf den eingebauten Speicherbaustein des Adapters. Mithilfe der Adapter kann die Nintendo-DS-Konsole auch für
eine Vielzahl von Spielen anderer Anbieter genutzt werden. Die Adapter sind
weder mit einer CE-Kennzeichnung noch mit Herstellerangaben versehen.
4
Die Klägerin zu 1 sieht in dem Vertrieb der Adapter einen Verstoß gegen
die Vorschrift des § 95a Abs. 3 UrhG zum Schutz wirksamer technischer Maßnahmen. Sie hat daher beantragt, den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen,
zu gewerblichen Zwecken in den Kartenschacht der Nintendo-DS-Spielkonsole
passende sogenannte „Slot-1-Karten“, die über einen internen wiederbeschreibbaren Speicher oder eine Vorrichtung zur Verwendung einer Micro-SDKarte verfügen und geeignet sind, im Internet verfügbare Kopien von NintendoDS-Spielen der Klägerinnen auf einer Nintendo-DS-Konsole abzuspielen, insbesondere die [näher bezeichneten] „Slot-1-Karten“, einzuführen, zu verbreiten,
zu verkaufen, im Hinblick auf den Verkauf zu bewerben oder zu besitzen.
-4-
5
Darüber hinaus hat sie die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung, zur Rechnungslegung und zur Vernichtung der Karten sowie Feststellung
der Schadensersatzpflicht begehrt.
6
Die Klägerin zu 2 hat die Beklagte wegen Verstoßes gegen § 4 Nr. 11
UWG in Verbindung mit § 4 des Gesetzes über technische Arbeitsmittel und
Verbraucherprodukte (GPSG) und §§ 1, 3, 4 der Zweiten Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Zweite GPSGV) auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.
7
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten
ist im Blick auf die urheberechtlichen Ansprüche ohne Erfolg geblieben und hat
im Blick auf die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche nur hinsichtlich des Auskunftsanspruchs zu einem geringen Teil Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen, verfolgt
die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
8
II. Die Aussetzung des Verfahrens ist in entsprechender Anwendung von
§ 148 ZPO auch ohne gleichzeitiges Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union grundsätzlich zulässig, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung derselben Frage abhängt, die
bereits in einem anderen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union
zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt wurde (BGH, Beschluss
vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10, juris Rn. 8; Beschluss vom 31. Mai 2012
- I ZR 28/10, juris Rn. 5).
9
Der Senat hat im Verfahren I ZR 124/11 dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie
2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001
-5-
zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. Nr. L 167 vom 22. Juni
2001, S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG der Anwendung einer
Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG ins nationale Recht umsetzenden Vorschrift (hier § 95a Abs. 3 UrhG) entgegen, wenn die in Rede stehende technische Maßnahme zugleich nicht nur Werke oder sonstige Schutzgegenstände,
sondern auch Computerprogramme schützt?
10
Diese Vorlagefrage ist auch im vorliegenden Verfahren erheblich. Dem
Vorlageverfahren und dem vorliegenden Verfahren liegen in den maßgeblichen
Punkten weitgehend übereinstimmende Sachverhaltsgestaltungen zugrunde.
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Der Senat hält es daher für angemessen, das vorliegende Verfahren in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit des beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits auszusetzen.
Bornkamm
Pokrant
Koch
Büscher
Löffler
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 26.11.2009 - 7 O 21914/08 OLG München, Entscheidung vom 09.06.2011 - 6 U 1741/10 -