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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 100/00
Verkündet am:
24. Oktober 2002
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ
:
BGHR
:
ja
nein
ja
Sparvorwahl
UWG § 3
Der Bezeichnung "Sparvorwahl" für die Netzvorwahl eines Anbieters von Telefongesprächen im Festnetz im Call-by-Call-Verfahren entnimmt der durchschnittlich aufmerksame, informierte, verständige Verbraucher erfahrungsgemäß nur,
daß er bei Inanspruchnahme dieser Dienstleistung Geld sparen kann, weil es
sich um einen im Verhältnis zu dem Preisniveau auf dem Markt niedrigen Preis
handelt. Ohne eine Bezugnahme auf sämtliche Wettbewerber wird der Verbraucher den Begriff "Sparvorwahl" nicht dahin verstehen, der Anbieter wolle zum
Ausdruck bringen, preisgünstiger als die gesamte Konkurrenz zu sein. Bei diesem Verständnis der Werbung fehlt es an einer Irreführung der Verbraucher,
wenn das beworbene Angebot günstiger ist als der Tarif des Marktführers.
BGH, Urt. v. 24. Oktober 2002 - I ZR 100/00 - OLG Köln
LG Köln
-2-
-3-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und
Dr. Schaffert
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Köln vom 24. März 2000 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 31. Zivilkammer
des Landgerichts Köln vom 5. August 1999 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, die Deutsche Telekom AG, ist das größte deutsche Unternehmen im Telekommunikationsbereich. Die Beklagte ist die MobilCom Communikationstechnik GmbH. Diese bietet als Verbindungsnetzbetreiberin zu einem Einheitspreis pro Minute Telefongespräche im Festnetz an. Zur Nutzung
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des Angebots muß der Kunde die Netzvorwahl der Beklagten vor jedem Telefongespräch wählen (sogenanntes Call-by-Call-Verfahren).
In der Zeitschrift "Der Spiegel" vom 5. Oktober 1998 warb die Beklagte
- wie nachstehend im Klageantrag verkleinert und schwarz-weiß wiedergegeben - für ihre Netzvorwahl "01019" unter anderem wie folgt:
"3,3 Mio telefonieren schon mit 01019 rund um die Uhr für
19 Pf/Min.
Und Sie? Was haben Sie in letzter Zeit gewählt? Hoffentlich die
01019. Dann telefonieren und sparen Sie nämlich mit dem einfachsten Tarif Deutschlands. Einfach die 01019 Sparvorwahl vor jedem
Ferngespräch wählen. Ohne Anmeldung, gleich lostelefonieren.
Oder noch besser, Ihren Anschluß von der Telekom für 01019 freischalten lassen. Dann telefonieren sie noch günstiger. ..."
Die Klägerin hat die Werbung als irreführend beanstandet. Sie hat geltend gemacht, die Beklagte erwecke mit der Bezeichnung "Sparvorwahl" den
Eindruck, der Kunde könne bei ihr stets und in jedem Fall günstiger telefonieren
als bei der Konkurrenz. Dies sei jedoch nicht der Fall.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen
Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ihre Verbindungsnetzbetreiberkennzahl 01019 als "Sparvorwahl" zu bezeichnen und/oder bezeichnen zu lassen, wie nachstehend wiedergegeben:
-5-
-6-
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat eine Irreführung des
Verkehrs in Abrede gestellt und vorgetragen, die Angabe "Sparvorwahl" bezeichne nur die Preisgünstigkeit ihres Angebots. Bei dessen Nutzung könnten
die Kunden im Verhältnis zur Klägerin und auch zu weiteren Anbietern Gebühren sparen. Die Bezeichnung "Sparvorwahl" besage dagegen nicht, die Kunden
könnten bei Inanspruchnahme ihrer Netzvorwahl immer kostengünstiger als bei
den Wettbewerbern telefonieren.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung ist erfolglos
geblieben (OLG Köln CR 2001, 26).
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für begründet erachtet. Hierzu hat
es ausgeführt:
Der Unterlassungsanspruch sei wegen Irreführung aus § 3 UWG gerechtfertigt. Ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise werde
den Hinweis "einfach die 01019 Sparvorwahl vor jedem Ferngespräch wählen"
so verstehen, daß die Beklagte über ihre Netzvorwahl 01019 durchweg oder
jedenfalls überwiegend günstigere Tarife als die gesamte Konkurrenz anbiete
und der Kunde Geld spare, wenn er die Dienstleistung der Beklagten statt ihrer
Wettbewerber in Anspruch nehme. Das Angebot der Beklagten möge zwar
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günstiger sein als die Tarife der Klägerin. Andere Wettbewerber böten jedoch
bei Ferngesprächen (deutlich) günstigere Tarife als die Beklagte an. Die beanstandete Werbung sei geeignet, die angesprochenen Verbraucher in ihrer Entscheidung für die Inanspruchnahme der Telekommunikationsdienstleistungen
der Beklagten zu beeinflussen. Die Beklagte habe auch ohne weiteres die Möglichkeit, den Verbraucher zutreffend über ihre Tarife zu informieren und eine
Irreführung des Verkehrs zu vermeiden.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Abweisung der Klage. Der Klägerin steht der Unterlassungsanspruch nach § 3 UWG nicht zu.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Verbraucher würden die Bezeichnung der Netzvorwahl der Beklagten als "Sparvorwahl" dahin verstehen,
die Beklagte biete durchweg oder jedenfalls überwiegend günstigere Tarife als
die gesamte Konkurrenz an, widerspricht der Lebenserfahrung. Das Berufungsgericht hat zu hohe Anforderungen an die Günstigkeit eines Preises bei der
Werbung mit der Bezeichnung "Sparvorwahl" gestellt.
Bei dem Verständnis des Begriffs "Sparvorwahl" geht das Berufungsgericht davon aus, mit ihrer Werbung nehme die Beklagte bezogen auf die Preisgünstigkeit ihres Tarifs für sich eine Sonderstellung gegenüber allen am Markt
befindlichen Mitbewerbern in Anspruch. Der Bezeichnung der Netzvorwahl der
Beklagten als "Sparvorwahl" ist diese Behauptung jedoch nicht zu entnehmen.
Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage nach § 3 UWG ist, wie der
angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung aufgrund des Gesamteindrucks der Anzeige versteht. Bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses ist
auf einen situationsadäquat durchschnittlich aufmerksamen, informierten und
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verständigen
Verbraucher
abzustellen
(vgl.
BGH,
Urt.
v.
18.10.2001
- I ZR 193/99, GRUR 2002, 550, 552 = WRP 2002, 527 - Elternbriefe; Urt. v.
20.12.2001 - I ZR 215/98, GRUR 2002, 715, 716 = WRP 2002, 977 - ScannerWerbung). Da es um Dienstleistungen des täglichen Bedarfs geht, hat das Berufungsgericht das Verständnis der Werbung ersichtlich aufgrund der Lebenserfahrung ermittelt. Die Beurteilung des Verkehrsverständnisses der Werbung
durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht darauf überprüfen, ob
die Feststellung des Verkehrsverständnisses mit der Lebenserfahrung vereinbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 3.5.2001 - I ZR 318/98, GRUR 2002, 182, 184 = WRP
2002, 74 - Das Beste jeden Morgen).
Der Bezeichnung "Sparvorwahl" ist nach dem Wortsinn nur zu entnehmen, daß der Verbraucher bei Inanspruchnahme der Dienstleistung der Beklagten Geld sparen kann, weil es sich um einen im Verhältnis zu dem Preisniveau auf dem Markt niedrigen Preis handelt. Der Begriff "Sparvorwahl", der keinen Superlativ enthält, besagt dagegen nicht, daß es sich um den (annähernd)
niedrigsten Preis schlechthin handelt (vgl. auch BGH, Urt. v. 25.10.1984
- I ZR 129/82, GRUR 1985, 392, 393 = WRP 1985, 74 - Sparpackung; Großkomm.UWG/Lindacher, § 3 Rdn. 871; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 3 UWG Rdn. 275; enger: Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 3
Rdn. 385).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weiß der angesprochene Verbraucher, daß es auf dem Telekommunikationssektor zahlreiche weitere
Anbieter gibt und diese in hartem Wettbewerb stehen, die Preise in den Medien
ständig verglichen werden und dies auch schon zum Zeitpunkt des Erscheinens
der Anzeige der Beklagten im Oktober 1998 der Fall war. Ohne ausdrückliche
oder schlüssige Bezugnahme auf sämtliche Wettbewerber - woran es in der
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vorliegenden Werbung fehlt - wird der Verkehr die Bezeichnung "Sparvorwahl"
somit nicht dahin verstehen, die Beklagte wolle zum Ausdruck bringen, preisgünstiger als die gesamte Konkurrenz zu sein. Dem Kunden wird vermittelt, daß
er bei Einsatz der genannten Vorwahl Geld sparen kann, das er mehr aufbieten
muß, wenn er sich bei Ferngesprächen beispielsweise allein des Festnetzes
der Klägerin bedient. Das wird durch die Empfehlung verdeutlicht, daß er sich
den Anschluß am besten von der Telekom für die beworbene Nummer freischalten lassen solle. Auf einen Sparvergleich mit anderen Verbindungsnetzbetreibern, die ebenfalls das Call-by-Call-Verfahren anbieten, stellt die angegriffene Werbung nicht ab.
2. Erschöpft sich der Begriff "Sparvorwahl" in der angegriffenen Werbung
der Beklagten in dieser Aussage, ist die Werbung nicht irreführend i.S. von § 3
UWG. Bei diesem Verständnis fehlt es an einer Irreführung der Verbraucher,
weil das beworbene Angebot der Beklagten günstiger ist als der Tarif der Klägerin, die Marktführerin ist. Das Berufungsgericht hat von seinem Standpunkt aus
folgerichtig hierzu keine Feststellungen getroffen, sondern lediglich ausgeführt,
die Tarife der Beklagten mögen gegenüber denen der Klägerin derzeit günstiger
sein. Eine Zurückverweisung der Sache ist gleichwohl nicht erforderlich. Der
Senat kann die notwendigen Feststellungen anhand des unstreitigen Sachverhalts und des Vortrags der Klägerin selbst treffen.
Nach dem Akteninhalt und der von der Klägerin im Verfahren der einstweiligen Verfügung der Parteien vorgelegten Tarifübersicht waren die Tarife der
Klägerin zum Zeitpunkt des Erscheinens der in Rede stehenden Anzeige bei
"RegioCall"-Verbindungen - das waren Inlandsgespräche im Bereich bis 50 km,
die nicht zum Tarifbereich "CityCall" der Klägerin gehörten - werktags in der Zeit
zwischen 9.00 und 18.00 Uhr mit 0,24 DM bis 0,276 DM/Minute teurer als die
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Telefongespräche mit der Netzvorwahl der Beklagten, die zu diesem Zeitpunkt
0,19 DM/Minute kosteten. Bei Ferngesprächen über diesen Tarifbereich hinaus
("GermanCall") lag der Preis der Klägerin werktags mit Ausnahme des Zeitraums von 2.00 bis 5.00 Uhr und an Samstagen und Sonntagen insgesamt über
dem von der Beklagten geforderten Preis. Das von der Klägerin verlangte Entgelt betrug werktags in der Zeit von 21.00 bis 2.00 Uhr 0,20 DM/Minute, in der
Zeit zwischen 5.00 und 9.00 Uhr sowie 18.00 und 21.00 Uhr 0,32 DM/Minute
und in der Zeit von 9.00 bis 18.00 Uhr zwischen 0,51 DM und 0,55 DM/Minute.
An Samstagen und Sonntagen forderte die Klägerin für Telefongespräche in der
Zeit zwischen 21.00 und 5.00 Uhr 0,20 DM/Minute und in der Zeit zwischen
5.00 und 21.00 Uhr 0,24 DM/Minute. In Anbetracht dieser Differenzen zwischen
den Preisen der Parteien zum Zeitpunkt des Erscheinens der Anzeige der Beklagten - die Beklagte forderte 0,19 DM/Minute - war die Beklagte bei Ferngesprächen nahezu durchgängig preisgünstiger als die Klägerin.
Daran änderte sich - soweit die Klägerin hierzu vorgetragen hat - Entscheidendes auch nicht in der Folgezeit. Nach den ab 1. Januar 1999 gültigen
Tarifen waren Ferngespräche bei der Klägerin bei Regionalverbindungen
werktags in der Zeit von 9.00 bis 18.00 Uhr mit 0,24 DM/Minute und bei
Deutschlandverbindungen im selben Zeitraum mit 0,36 DM/Minute und bei
ISDN-Anschlüssen mit 0,24 DM/Minute teurer als bei der Beklagten unter Benutzung der beworbenen Netzvorwahl.
Ein Tarifvergleich ab April 1999 erübrigt sich. Die Beklagte berechnete
seit Anfang April 1999 für Ferngespräche bundesweit je Minute in der Zeit von
7.00 bis 19.00 Uhr 0,12 DM, von 19.00 bis 22.00 Uhr 0,08 DM und von 22.00
bis 7.00 Uhr 0,04 DM. Gegenstand des Antrags ist allein die Verwendung des
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Begriffs "Sparvorwahl" für die 01019 Vorwahl bei einem einheitlichen Tarif der
Beklagten von 19 Pf/Min.
III. Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben, auf die Berufung
der Beklagten das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.
Ullmann
Bornkamm
Büscher
Pokrant
Schaffert