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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
BLw 32/01
vom
26. April 2002
in der Landwirtschaftssache
betreffend Ansprüche nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 328, LwAnpG §§ 28 Abs. 2, 36, 44
Die zwischen einem ehemaligen LPG-Mitglied und einem Dritten geschlossene Vereinbarung über die Abgeltung aller Ansprüche aus der früheren LPG-Zugehörigkeit
kann für den nicht an der Vereinbarung beteiligten Rechtsnachfolger der LPG einen
eigenen Anspruch begründen, daß auch gegen ihn keine weiteren Forderungen
geltend gemacht werden.
BGH, Beschl. v. 26. April 2002 - BLw 32/01 - OLG Brandenburg
AG Fürstenwalde
-2-
Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 26. April
2002
durch
den
Vorsitzenden
Richter
Dr. Wenzel
und
die
Richter
Prof. Dr. Krüger und Dr. Lemke sowie die ehrenamtlichen Richter Siebers und
Gose
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Landwirtschaftssenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Juni 2001 aufgehoben.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des
Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Fürstenwalde vom 11. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich
der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin trägt der Antragsteller.
Beschwerdewert: 51.129,19 €
-3-
Gründe:
I.
Der Antragsteller verfolgt aus abgetretenem Recht Ansprüche nach dem
Landwirtschaftsanpassungsgesetz.
W.
R.
S.
war zum 1. Januar 1959 in die LPG Typ III "F.
eingetreten. Später wurde er im Zuge der Konzentration
und Spezialisierung der Landwirtschaft Mitglied der LPG "E.
R.
"
und F.
"
, die sich im Jahr 1991 mit drei anderen LPG'en zu der "Vereinigte
LPG (P) G.
des Herrn S.
" zusammenschloß. Diese bezifferte den Wert der Beteiligung
mit 21.400 DM.
In einer Vollversammlung wurde am 8. November 1991 mit 928 Stimmen
von 942 anwesenden bzw. vertretenen Mitgliedern (bei insgesamt 1.056 Mitgliedern) beschlossen, das gesamte Vermögen der LPG auf eine neu zu gründende GmbH & Co. KG zu übertragen, bei der eine ebenfalls neu zu gründende GmbH Komplementärin und die LPG zunächst alleinige Kommanditistin
werden sollten; die Komplementär-GmbH wurde ermächtigt, die Aufteilung des
Kommanditanteils auf die Mitglieder der LPG nach Maßgabe des Umwandlungsbeschlusses in der Weise vorzunehmen, daß jeder Sonderrechtsnachfolger erst mit seiner Eintragung in das Handelsregister Gesellschafter wurde.
Dementsprechend schlossen die neu gegründete "Landwirtschaft G.
GmbH" und die LPG am 28. November 1991 den Gesellschaftsvertrag der Antragsgegnerin. Deren Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 19. Juni
1992. Die LPG schied am 21. April 1994 aus der Antragsgegnerin aus, indem
-4-
sie ihre Kommanditeinlage im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf 554 frühere LPG-Mitglieder übertrug. Ab dem 16. September 1994 wurde die Antragsgegnerin im Register als Rechtsnachfolgerin der LPG geführt.
W.
S.
wurde nicht Kommanditist. Er veräußerte sein "Anwart-
schaftsrecht auf Eintragung als Gesellschafter" für 4.280 DM an die "Landwirtschaft G.
Betriebs GmbH", eine Kommanditistin der Antragsgegnerin; sie
hatte ihm im April 1993 den Erwerb entsprechend dem in dem Umwandlungsbeschluß enthaltenen Übernahmeangebot nach § 36 LwAnpG in Höhe von
20 % des buchmäßigen Nennbetrags seines Kommanditanteils unterbreitet. In
§ 5 des Vertrags ist vereinbart, daß damit "alle Ansprüche aus der früheren
LPG-Zugehörigkeit des Verkäufers - einschließlich der Ansprüche gegen deren
Rechtsnachfolger - erledigt sind".
Am 12. Mai 2000 trat W.
schaft in der LPG "E.
und F.
S.
seine Ansprüche aus der Mitglied-
" R.
an den Antragsteller ab.
Der Antragsteller meint, daß die Umstrukturierung der "Vereinigte
LPG (P) G.
" nicht den Bestimmungen des Landwirtschaftsanpassungsge-
setzes entspreche; es liege keine identitätswahrende Umwandlung der LPG in
die Antragsgegnerin vor. Den Vertrag über die Veräußerung der Kommanditbeteiligung hält der Antragsteller für nichtig, weil W.
S.
lediglich 20 %
des Werts seiner Beteiligung erhalten habe. Das Landwirtschaftsgericht hat
den auf die Feststellung, daß die Antragsgegnerin nicht durch Umstrukturierung der "Vereinigte LPG (P) G.
" nach den Bestimmungen des Landwirt-
schaftsanpassungsgesetzes entstanden ist, gerichteten Antrag und die auf
Zahlung von 17.945 DM nebst Zinsen sowie Auskunftserteilung gerichteten
-5-
Hilfsanträge zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat dem Feststellungsantrag stattgegeben. Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der
- zugelassenen - Rechtsbeschwerde, mit der sie die Wiederherstellung der
Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts erstrebt. Der Antragsteller beantragt
die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Das Beschwerdegericht hält den Feststellungsantrag für zulässig. Die
Frage nach dem rechtlichen Bestand der Strukturänderung betreffe das
Rechtsverhältnis der Antragsgegnerin zu den zusammengeschlossenen
LPG'en; sie berühre zugleich die Stellung des Antragstellers aus der ihm abgetretenen Rechtsposition des W.
S.
als Mitglied der früheren LPG und
damit das Rechtsverhältnis zur Antragsgegnerin.
Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist der Feststellungsantrag
begründet. Der Antragsteller sei aktivlegitimiert. Die Strukturänderung entspreche allerdings nicht den vom Landwirtschaftsanpassungsgesetz zur Verfügung
gestellten Umwandlungsmöglichkeiten, weil die Mitglieder der LPG'en nicht
unmittelbar Gesellschafter der Antragsgegnerin geworden seien. Deswegen
liege keine identitätswahrende Umwandlung vor.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet, ohne daß es auf die Frage der
identitätswahrenden Umwandlung ankommt.
-6-
1. Zu Recht hält das Beschwerdegericht allerdings den negativen Feststellungsantrag für zulässig. Er betrifft zwar kein Rechtsverhältnis zwischen
den Beteiligten. Im streitigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann
aber ein Antrag nach § 256 ZPO analog auch auf die Feststellung gerichtet
sein, daß zwischen dem Antragsgegner und einem Dritten ein Rechtsverhältnis
bestehe oder nicht bestehe, wenn dies zugleich für die Rechtsbeziehungen der
streitenden Parteien von Bedeutung ist, der Antragsteller an einer alsbaldigen
Klärung dieser Frage ein rechtliches Interesse hat und das Umwandlungs- oder
Gesellschaftsrecht für die Austragung eines solchen Streits keine abschließende Regelung trifft (Senat, BGHZ 137, 134, 136 f; Senatsbeschl. v. 7. November
1997, BLw 26/97, AgrarR 1998, 21, 22). Diese Voraussetzungen liegen hier
vor. Die Frage nach dem rechtlichen Bestand der Strukturänderung betrifft das
Rechtsverhältnis der Antragsgegnerin zu der "Vereinigte LPG (P) G.
" und
somit zu den zusammengeschlossenen LPG'en. Sie berührt zugleich die Ste
llung des W.
S.
als früheres LPG-Mitglied und damit sein Rechtsver-
hältnis zu der Antragsgegnerin. Durch die Abtretung ist der Antragsteller in diese Stellung eingetreten. Würde der Antragsgegnerin gegenüber festgestellt,
daß sie nicht im Wege der formwandelnden Strukturänderung aus den in der
"Vereinigte LPG (P) G.
" zusammengeschlossenen LPG'en hervorgega
n-
gen ist, könnte dem Antragsteller ein Anspruch gegen die dann als Liquidationsgenossenschaft fortbestehende LPG (§ 69 Abs. 3 LwAnpG) zustehen. Hätte
der Hauptantrag dagegen keinen Erfolg, könnten Ansprüche gegen die Antragsgegnerin bestehen. Angesichts dieser Rechtsunsicherheit hat der Antragsteller ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Klärung, denn er muß sich
nicht von vornherein für den einen oder anderen Anspruch entscheiden; da
jedoch Ansprüche überhaupt denkbar sind, schadet es auch nicht, daß W.
-7-
S.
nicht Kommanditist der Antragsgegnerin geworden ist, ein Rechtsver-
hältnis zu ihr somit nicht besteht (vgl. Senat, BGHZ aaO, 137).
Da auch durch eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage nicht geklärt
werden kann, ob im Fall der Rechtswidrigkeit oder Nichtigkeit eines angefochtenen Umwandlungsbeschlusses die Strukturänderung nicht gleichwohl Bestand hat, und dem Antragsteller die Auflösungsklage nach §§ 161, 133 HGB
wegen fehlender Gesellschafterstellung nicht zur Verfügung steht (vgl. Senat,
BGHZ aaO, 138), bestehen nach alledem keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Hauptantrags.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
a) Allerdings ist der Antragsteller aktivlegitimiert. Bedenken gegen die
Abtretbarkeit von Abfindungsansprüchen nach §§ 36, 44 LwAnpG bestehen
nicht (Senatsbeschl. v. 16. Juni 2000, BLw 30/99, AgrarR 2001, 22, 23). Auch
die Rechtsbeschwerde erinnert insoweit nichts. Sie meint vielmehr, daß W.
S.
im Frühjahr 1994 seine sämtlichen Rechte auf die "Landwirtschaft
G.
Betriebs GmbH" übertragen habe und deswegen keine Forderung an
den Antragsteller mehr habe abtreten können. Das ist indes nicht richtig. Die
Vereinbarung zwischen W.
S.
und der "Landwirtschaft G.
Betriebs
GmbH" betrifft nach ihrem eindeutigen Wortlaut die Veräußerung seines Anwartschaftsrechts auf Eintragung als Kommanditist der Antragsgegnerin in das
Handelsregister. Weitere Rechte und Ansprüche wurden nicht übertragen und
abgetreten. Insbesondere erfolgte keine Abtretung von eventuellen Ansprüchen nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz; sie verblieben bei W.
S.
, so daß er sie später noch abtreten konnte. Das geschah dann am
-8-
12. Mai 2000; seitdem ist der Antragsteller Inhaber dieser Ansprüche. Dem
steht nicht entgegen, daß nach § 5 der Vereinbarung zwischen W.
und der "Landwirtschaft G.
ren LPG-Zugehörigkeit des W.
S.
Betriebs GmbH" alle Ansprüche aus der früheS.
- einschließlich der Ansprüche gegen
deren Rechtsnachfolger - erledigt sein sollten. Diese Klausel bewirkt schon
deswegen nicht den Untergang der Ansprüche nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz, weil die Vereinbarung nicht mit der Antragsgegnerin geschlossen wurde; ein Erlaß von Forderungen zugunsten Dritter ist jedoch nicht
möglich (BGHZ 126, 261, 266). Allenfalls könnte für die Antragsgegnerin aus
der Vereinbarung ein Anspruch gegen W.
S.
entstanden sein, eventu-
elle Ansprüche gegen sie nicht geltend zu machen (vgl. BGH, Urt. v.
18. September 1957, V ZR 209/55, LM BGB § 328 Nr. 15). Das berührt indes
nicht den Bestand der Forderungen.
b) Jedoch ist die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Antragsgegnerin ausgeschlossen.
Die Vereinbarung zwischen W.
S.
und der "Landwirtschaft G.
Betriebs GmbH" enthält im Hinblick auf Ansprüche gegen die Antragsgegnerin
ein sogenanntes pactum de non petendo. Ihr Sinn bestand darin, daß
W.
S.
sich verpflichtete, keine Ansprüche aus seiner früheren LPG-
Mitgliedschaft mehr zu erheben. Dementsprechend erklärten die Vertragsparteien solche Ansprüche, auch soweit sie sich gegen Rechtsnachfolger der LPG
richteten, für erledigt. Allerdings kann der Vertragszweck nicht dadurch erreicht
werden, daß W.
S.
lediglich der "Landwirtschaft G.
Betriebs
GmbH" gegenüber verpflichtet ist, die Antragsgegnerin nicht in Anspruch zu
nehmen. Erforderlich und sinnvoll ist vielmehr die Begründung auch eines ei-
-9-
genen Anspruchs der Antragsgegnerin darauf, daß W.
S.
ihr gegen-
über keine weiteren Forderungen mehr geltend macht. Ein derartiger Anspruch
ergibt sich unmittelbar aus der Vereinbarung. Gegen die Wirksamkeit einer
solchen Abrede bestehen keine Bedenken (BGH, Urteil vom 18. September
1957, aaO).
Die Vereinbarung ist auch im übrigen wirksam; sie verstößt nicht gegen
die guten Sitten (§ 138 BGB). Die Tatsache, daß W.
S.
auf 80 % des
buchmäßigen Nennbetrags seines möglichen Kommanditanteils verzichtet hat,
führt nicht zur Sittenwidrigkeit der vereinbarten Regelung. Der Verzicht auf eine
Forderung ist nämlich nur dann sittenwidrig, wenn er sich nach der Würdigung
von Inhalt, Beweggrund und Zweck seinem Gesamtcharakter nach als nicht mit
den guten Sitten vereinbar darstellt (Senatsbeschl. v. 16. Juni 2000,
BLw 19/99, WM 2000, 1762, 1763). Hieran fehlt es. W.
S.
waren der
auf der Grundlage von Landfläche und Arbeitsjahren ermittelte Wert seines
Beteiligungsanspruchs aus der Mitgliedschaft in der LPG und der damit der
Höhe nach identische buchmäßige Nennbetrag seines möglichen Kommanditanteils bekannt; der Betrag wurde sogar mit in die Vereinbarung aufgenommen. Auch war in dem Umwandlungsbeschluß die mit dem späteren Entgelt für
die Veräußerung der möglichen Eintragung als Kommanditist in das Handelsregister identische Höhe der angebotenen Barabfindung nach § 36 LwAnpG
enthalten. Zwischen dem Umwandlungsbeschluß und dem Abschluß der Ve reinbarung lag ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren, in welchem W.
S.
abwägen konnte, ob er seine mögliche Kommanditbeteiligung zu dem vereinbarten Preis veräußern wollte. Deswegen wußte er genau, auf welchen Betrag
er mit dem Abschluß der Vereinbarung verzichtete. Das alles schließt die A nnahme der Sittenwidrigkeit aus.
- 10 -
3. Der Ausschluß der Geltendmachung von Ansprüchen des W.
S.
gegen die Antragsgegnerin führt dazu, daß auch die Hilfsanträge un-
begründet sind.
- 11 -
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG.
Wenzel
Krüger
Lemke