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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (B) 50/02
vom
26. Mai 2003
in dem Verfahren
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
-2-
Der Bundesgerichtshofs, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Deppert, den Richter Dr. Ganter, die Richterin Dr. Otten, den
Richter Dr. Frellesen, die Rechtsanwälte Dr. Wüllrich und Dr. Frey sowie die
Rechtsanwältin Dr. Hauger nach mündlicher Verhandlung
am 26. Mai 2003
beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des I. Senats des Anwaltsgerichtshofes Berlin vom
25. April 2002 aufgehoben.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 11. Juli 2001 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen und
der Antragsgegnerin die ihr entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
50.000
  

- 3 -
Gründe:
I.
Nach vorheriger Zulassung in einem anderen Bundesland wurde der
Antragsteller im Jahre 2000 als Rechtsanwalt beim Landgericht Berlin und
beim Kammergericht zugelassen. Zugleich wurde er darauf hingewiesen, daß
die Vereinbarkeit einer von ihm angezeigten, am 1. Juli 1999 begonnenen Nebentätigkeit als Geschäftsführer bei der B.-kammer B.
mit dem Anwaltsberuf
noch gesondert geprüft werde.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2001 hat die Antragsgegnerin die Zulassung
des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO widerrufen. Der Anwaltsgerichtshof hat dem hiergegen eingelegten Antrag auf
gerichtliche Entscheidung stattgegeben und den Widerrufsbescheid aufgehoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, zwar sei die Tätigkeit des Antragstellers bei der B.-kammer B.
mit dem Anwaltsberuf unvereinbar; indes sei die
Tätigkeit nachträglich zu einer bloß vorübergehenden im Sinne von § 47 Abs. 1
BRAO geworden, weil der Antragsteller am 4. Mai 2001 mit seinem Arbeitgeber
eine Befristung seines Beschäftigungsverhältnisses bis zum 31. Mai 2003 vereinbart habe. Deshalb müsse die Antragsgegnerin erst über einen am 26. Juni
2001 gestellten Antrag gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BRAO befinden. Dagegen
wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.
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II.
Das Rechtsmittel ist gemäß § 42 Abs. 2 BRAO zulässig; es hat auch
Erfolg. Die Tätigkeit des Antragstellers als Geschäftsführer der B.-kammer
B.
rechtfertigt den Widerruf der Zulassung als Rechtsanwalt (§ 14 Abs. 2
Nr. 8 Halbs. 1 BRAO). Für den Antragsteller bedeutet der Widerruf keine unzumutbare Härte (§ 14 Abs. 2 Nr. 8 Halbs. 2 BRAO), und der Widerruf ist auch
nicht deswegen entbehrlich, weil etwa die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1
BRAO vorliegen.
1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit ausübt, die mit seinem Beruf, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann. Diese Regelung soll - ebenso wie die entsprechende Regelung über
die Versagung der Zulassung (§ 7 Nr. 8 BRAO) - die Freiheit und Unabhängigkeit des Anwaltsberufs schützen (BT-Drucks. 12/4993, S. 24). Die Zulassung
von aktiven Angehörigen des öffentlichen Dienstes zur Rechtsanwaltschaft widerspricht diesem Schutzgedanken. Das ergibt sich aus der gesetzgeberischen
Wertung der §§ 7 Nr. 11, 14 Abs. 2 Nr. 5, 47 BRAO. Diese Vorschriften werden
durch § 7 Nr. 8 BRAO ergänzt. Zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels ist
eine deutliche Trennung des Rechtsanwaltsberufs von einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst erforderlich, weil die Mittel der Berufsaufsicht Abhängigkeitsverhältnisse nicht zuverlässig ausschließen können oder jedenfalls in den Augen der Öffentlichkeit nicht gleich wirksam sind. Für die Betroffenen ist die dadurch zum Ausdruck kommende Beschränkung ihrer Berufsfreiheit allerdings
nur dann zumutbar, wenn sie nicht starr gehandhabt wird. Der öffentliche
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Dienst ist vielgestaltig. Es muß deshalb im Einzelfall geprüft werden, ob die
gleichzeitige Ausübung des Anwaltsberufs und eine Tätigkeit im öffentlichen
Dienst die Belange der Rechtspflege gefährden kann (BVerfGE 87, 287, 324;
BGHZ 100, 87, 90 f; BGH, Beschl. v. 13. September 1993 - AnwZ (B) 24/93,
BRAK-Mitt. 1994, 42; v. 16. Februar 1998 - AnwZ (B) 74/97, BRAK-Mitt. 1998,
200; v. 16. November 1998 - AnwZ (B) 36/98, NJW-RR 1999, 571; v.
14. Februar 2000 - AnwZ (B) 9/99, NJW 2000, 3004). Eine derartige Gefahr ist
gegeben, wenn der Rechtsanwalt öffentliche Aufgaben von einer Art wahrnimmt, daß das rechtsuchende Publikum den Eindruck gewinnen kann, die Unabhängigkeit des Anwalts sei durch Bindungen an den Staat beeinträchtigt.
Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Rechtsanwalt in seinem
Zweitberuf hoheitlich tätig wird. Die Belange der Rechtspflege sind auch dann
gefährdet, wenn bei den Rechtsuchenden die Vorstellung entstehen kann, der
Rechtsanwalt könne wegen seiner "Staatsnähe" mehr als andere Rechtsanwälte für sie bewirken, oder - umgekehrt - der Gegner eines solchen Rechtsanwalts den Eindruck der Benachteiligung gewinnen kann. Ob derartige Gefahren gegeben sind, muß anhand der konkreten Ausgestaltung des Angestelltenverhältnisses und der ausgeübten Tätigkeit geprüft werden. Dabei ist sowohl
der Aufgabenbereich der Körperschaft, bei welcher der Rechtsanwalt angestellt
ist, als auch deren Bedeutung im Bereich der Niederlassung des Rechtsanwalts zu berücksichtigen (BVerfGE 87, 287, 323 f; BGHZ 100, 87, 91; BGH,
Beschl. v. 13. September 1993 aaO; v. 16. November 1998 aaO; v. 14. Februar
2000 aaO).
2. Der Arbeitgeber des Antragstellers, die B.- kammer B.
, ist die
öffentliche Berufsvertretung der .............................................................. Diese
gehören der B.-kammer als Pflichtmitglieder an (...............). Die B.-kammer hat
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den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (................). Ihre
Aufgabe ist es unter anderem, die Berufspflichten der Mitglieder in einer Berufsordnung festzulegen und die Erfüllung dieser Pflichten zu überwachen
(................), soweit nicht für die Überwachung der im öffentlichen Dienst tätigen Mitglieder der Dienstherr zuständig ist (.................). In diesen Funktionen
nimmt die B.- kammer als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung hoheitliche
Aufgaben wahr.
3. Der Antragsteller ist bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben - auch
und gerade in der Vorstellung des rechtsuchenden Publikums - maßgeblich
beteiligt. Er wirkt nicht lediglich als interner Berater des Kammervorstands,
sondern tritt auch nach außen als Repräsentant der B....kammer in Erscheinung. Gemäß Ziffer 2a und 2g seines Anstellungsvertrages umfassen seine
Aufgaben die "Leitung der Geschäftsstelle in personellen und materiellen Belangen" und die "Beratung der Mitglieder"; aufgrund von Ziffer 2i und 2j obliegen ihm die "Repräsentation der B.-kammer nach außen sowie die Vertretung
berufspolitischer Interessen, insbesondere Kontaktpflege zu Behörden, Verbänden
und
der
Bundes...kammer"
und
"öffentlichkeitswirksame
Maß-
nahmen zur Stärkung des Bekanntheitsgrades und des Ansehens der B.kammer".
Da der Antragsteller insbesondere den Mitgliedern als Berater zur Verfügung steht, wird er von diesen als Repräsentant der B.-kammer angesehen
und geachtet. Dabei deckt sich der örtliche Zuständigkeitsbereich der B.kammer mit dem Landgerichtsbezirk, in dem der Antragsteller sich als Rechtsanwalt niedergelassen hat.
- 7 -
4. Weder bedeutet der Widerruf für den Antragsteller eine unzumutbare
Härte (§ 14 Abs. 2 Nr. 8 Halbs. 2 BRAO) noch liegen jetzt noch die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 BRAO vor.
a) Die Härteklausel beruht auf der Erkenntnis, daß der Zwang zur Aufgabe eines gewählten und bereits ausgeübten Berufs den Betroffenen ungleich
stärker belastet als ein Hindernis zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit
(Feuerich/Weyland, BRAO 6. Aufl. § 14 Rn. 69). Im vorliegenden Fall ist der
Antragsteller jedoch bereits bei der Zulassung durch die Antragsgegnerin darauf hingewiesen worden, daß die Vereinbarkeit der von ihm aufgezeigten Nebenbeschäftigung bei der B.-kammer mit dem Anwaltsberuf noch gesondert
überprüft werden müsse. Der Antragsteller durfte somit zu keinem Zeitpunkt
darauf vertrauen, neben der bestehenden Anstellung bei der B.-kammer als
Anwalt auf Dauer tätig sein zu können (vgl. BGH, Beschl. v. 16. November
1998 - AnwZ (B) 44/98, NJW-RR 1999, 570).
b) Die lediglich vorübergehende Tätigkeit eines Rechtsanwalts im öffentlichen Dienst führt nicht zwingend zum Widerruf der Zulassung; vielmehr
können Anträge nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BRAO zur Bestellung eines Vertreters
oder sogar dazu führen, daß dem Rechtsanwalt gestattet wird, den Beruf selbst
auszuüben (BGH, Beschl. v. 5. November 1984 - AnwZ (B) 25/84, BRAK-Mitt.
1986, 49; v. 16. November 1998 - AnwZ (B) 44/98, aaO; Feuerich/Weyland
§ 47 BRAO Rn. 15).
Darauf kann die Antragsgegnerin aber jetzt nicht mehr verwiesen werden. Da die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers gemäß § 47 Abs. 1
Satz 2 BRAO, dessen vorrangige Prüfung der Anwaltsgerichtshof hier aufge-
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geben hat, inzwischen durch - bestandskräftigen - Bescheid vom 12. Dezember
2002 abgelehnt hat, kann der Widerruf der Zulassung nicht deswegen unterbleiben, weil der berufswidrige Zustand in anderer - den Anwalt geringer belastender - Weise sanktioniert werden kann.
Ob ungeachtet der bestandskräftigen Ablehnung des Antrags gemäß
§ 47 Abs. 1 Satz 2 BRAO eine Widerrufsverfügung aufrecht erhalten werden
kann, wenn die Beschäftigung im öffentlichen Dienst, auf welche der Widerruf
gestützt ist, wenige Tage später mit Sicherheit endet, braucht der Senat nicht
zu entscheiden. Denn diese Sicherheit hat der Antragsteller dem Senat nicht
vermittelt. Die ausweichenden Antworten seines Arbeitgebers auf entsprechende Anfragen der Antragsgegnerin lassen es im Gegenteil als möglich erscheinen, daß nach Abschluß des vorliegenden Verfahrens das Beschäftigungsverhältnis fortgesetzt wird.
Deppert
Ganter
Wüllrich
Otten
Frey
Frellesen
Hauger