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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (Brfg) 62/15
vom
24. Februar 2016
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Bestehens einer Berufshaftpflichtversicherung nach § 51 BRAO
ECLI:DE:BGH:2016:240216BANWZBRFG62.15.0
-2-
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Dr. Bünger und Dr. Remmert sowie den
Rechtsanwalt Prof. Dr. Quaas und die Rechtsanwältin Schäfer
am 24. Februar 2016
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen
das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes
Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 2015 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 4.750 € festgesetzt.
Gründe:
I.
1
Die Beklagte forderte den Kläger nach Erhalt einer Mitteilung der A.
Versicherung AG mit Schreiben vom 23. Januar 2015 auf, durch Vorlage einer
Bescheinigung seines Versicherers nachzuweisen, dass Versicherungsschutz
gemäß § 51 BRAO bestehe. Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 bestätigte die
A.
Versicherung AG, dass das Beitragskonto des Klägers ausgeglichen sei,
jedoch für den Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 eine Versicherungslücke bestehe. Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger auf, bis
zum 23. Februar 2015 den Nachweis zu erbringen, dass die vorgenannte Versi-
-3-
cherungslücke geschlossen sei. Mit Schreiben vom 2. April 2015 bestätigte die
A.
2
Versicherung AG, dass die Versicherungslücke nicht mehr bestehe.
Die Generalstaatsanwaltschaft D.
leitete auf den Antrag der Be-
klagten vom 12. August 2015 ein anwaltsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der Verletzung der Berufspflichten aus
§§ 43, 51 BRAO ein.
3
Der Kläger hat gegen die Beklagte Klage erhoben, zuletzt mit dem Antrag festzustellen, dass für den Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar
2015 keine Lücke im Versicherungsschutz seiner anwaltlichen Berufshaftpflichtversicherung bestanden habe und kein Verstoß gegen § 51 BRAO vorliege. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage als unzulässig verworfen, da es an
einem Feststellungsinteresse des Klägers fehle. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
4
Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft
und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.
5
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils
(§ 112e Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.
6
Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder
eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage
gestellt wird (BVerfG, NJW 2009, 3642; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011
-4-
- AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3; vgl. ferner BVerwG, NVwZ-RR
2004, 542, 543; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 112e BRAO Rn. 77).
7
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht ein Feststellungsinteresse des Klägers verneint. Feststellungsanträge sind im Verfahren der Anwaltsgerichtsbarkeit nach Änderung des
Verfahrensrechts zum 1. September 2009 und mit Wegfall der §§ 39 ff., 223
BRAO nicht mehr grundsätzlich unzulässig (vgl. zur früheren Rechtslage Senat,
Beschluss vom 6. November 2000 - AnwZ (B) 3/00, NJW 2001, 1572, 1573
mwN). Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage erfordert jedoch nach § 112c
Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 VwGO, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung hat. Ein solches Interesse schließt
jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher
oder auch ideeller Art ein (vgl. nur BVerwG, NJW 1996, 2046, 2048; Kopp/
Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 43 Rn. 23).
8
Der Anwaltsgerichtshof hat ein Feststellungsinteresse des Klägers im
Hinblick auf die Einleitung des Verfahrens durch die Generalstaatsanwaltschaft,
in dem sich der Kläger einlassen und seine Rechte wahren könne, verneint.
Demgegenüber vertritt der Kläger die Auffassung, das anwaltsrechtliche Ermittlungsverfahren sei nicht geeignet, eine erschöpfende Regelung zwischen den
Parteien des vorliegenden Verfahrens zu der streitigen Frage des Bestehens
oder Nichtbestehens einer Versicherungslücke im Zeitraum vom 13. Oktober
2014 bis 29. Januar 2015 herbeizuführen. Es gebe auch keinen rechtskräftigen
Bescheid, in dem diese Frage und damit die Frage des Verstoßes gegen § 51
BRAO bereits entschieden worden sei.
-5-
9
Damit hat der Kläger ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1
VwGO nicht dargetan.
10
a) Die vorgenannte Versicherungslücke und der mit ihr einhergehende
Verstoß gegen § 51 BRAO ist zwischen den Parteien ausschließlich im Rahmen der Wahrnehmung der dem Vorstand der Beklagten nach § 73 Abs. 2 Nr. 4
BRAO obliegenden Aufgaben der Berufsaufsicht und der Handhabung des Rügerechts von Bedeutung. Dementsprechend könnte ein Interesse des Klägers
an der von ihm begehrten Feststellung allenfalls im Rahmen des von der Beklagten eingeleiteten Aufsichtsverfahrens bestehen. Zwar darf der Vorstand der
Beklagten nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BRAO keine Rüge mehr erteilen, wenn
das anwaltsgerichtliche Verfahren eingeleitet ist. Das Rügerecht erlischt durch
diese Einleitung und lebt auch nicht mehr auf, wenn das anwaltsgerichtliche
Verfahren eingestellt oder der Beschuldigte freigesprochen wird (Lauda in
Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 74 BRAO Rn. 20). Indes ist vorliegend noch nicht gemäß § 121 BRAO ein anwaltsgerichtliches Verfahren eingeleitet worden. Es ist vielmehr denkbar, dass die Generalstaatsanwaltschaft beim Anwaltsgericht keine Anschuldigungsschrift einreicht, sondern
das Verfahren an den Vorstand der Beklagten zur Entscheidung zurückgibt (vgl.
Lauda aaO Rn. 19). Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass das Aufsichtsverfahren von der Beklagten fortgeführt wird.
11
b) Ein berechtigtes Interesse des Klägers an der von ihm begehrten
Feststellung wird hierdurch jedoch nicht begründet. Denn er kann seine von
dem Aufsichtsverfahren betroffenen Rechte in vollem Umfang innerhalb dieses
Verfahrens wahren. Einer gesonderten Feststellung mit dem von ihm begehrten
Inhalt bedarf es hierzu nicht. Zwar kann ein berechtigtes Interesse im Sinne von
§ 43 Abs. 1 VwGO im Hinblick auf zu erwartende Sanktionen gegeben sein (vgl.
-6-
Deckenbrock in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 112c Rn. 12; Kopp/
Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 43 Rn. 23 mwN; Pietzcker in Schoch/Schneider/
Bier, VwGO, § 43 [Stand: Oktober 2008] Rn. 34). Dies ist etwa anzunehmen,
wenn es dem Betroffenen im Einzelfall nicht zuzumuten ist, sich auf sein Risiko
berufsrechtlich relevant in einer bestimmten Weise zu verhalten und die Klärung
der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens in einem ihm wegen dieses Verhaltens
drohenden nachfolgenden Disziplinar- oder Strafverfahren abzuwarten (vgl.
hierzu BVerwG, NJW 1976, 1224, 1226; BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1969
- I C 86.64, juris Rn. 19; BVerwGE 89, 327, 331: "Damokles-Rechtsprechung").
12
Eine derartige Situation liegt jedoch nicht vor. Gegenstand des zwischen
den Parteien bestehenden Streits ist die Frage, ob im Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 eine Versicherungslücke bestanden und der Kläger deshalb gegen § 51 BRAO verstoßen hat. Betroffen ist damit ausschließlich
ein in der Vergangenheit liegender, abgeschlossener Sachverhalt. Der Kläger
unterliegt nicht dem Risiko und der Unsicherheit, unter dem "DamoklesSchwert" der berufsrechtlichen Sanktionierung ein Verhalten zu beginnen oder
fortzusetzen, das möglicherweise von der Beklagten als berufsrechtswidrig bewertet und gerügt werden wird. Er kann, da der berufsrechtlich relevante Sachverhalt bereits abgeschlossen ist, sein Verhalten auch nicht mehr an dem Ergebnis eines Feststellungsrechtsstreits ausrichten und damit eine - ihm gegebenenfalls nicht zumutbare - Verhaltensunsicherheit beseitigen. Vielmehr kann
er seine Rechte in vollem Umfang in dem von der Beklagten eingeleiteten Aufsichtsverfahren beziehungsweise in einem gegen eine etwaige aufsichtsrechtliche Maßnahme der Beklagten geführten Anfechtungsprozess wahren. Ein Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung ist vor diesem Hintergrund nicht gegeben.
-7-
13
2. Aus den vorgenannten Gründen hat die Rechtssache weder eine
grundsätzliche Bedeutung noch weist sie besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2, 3 VwGO).
Der Sachverhalt ist übersichtlich; die Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig.
III.
14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
Abs. 2 VwGO. Der Streitwert wird in Übereinstimmung mit der Festsetzung
durch den Anwaltsgerichtshof und den Angaben des Klägers gemäß § 194
Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG auf 4.750 € festgesetzt.
Kayser
Bünger
Quaas
Remmert
Schäfer
Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 23.10.2015 - 1 AGH 28/15 -