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5 StR 269/12
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 19. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
-2-
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2012
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Saarbrücken vom 14. Februar 2012 nach
§ 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2
StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen
Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit
Vergewaltigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs
Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat hinsichtlich des
Strafausspruchs Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts missbrauchte der Angeklagte die zu Beginn des Tatzeitraums zehnjährige Nebenklägerin sexuell,
indem er in einem Fall seinen Finger in die Scheide der sich wehrenden Nebenklägerin einführte und dabei die Beine des Kindes mit seinen eigenen
fixierte (Fall 1; Einzelfreiheitsstrafe: sechs Jahre), in zwei Fällen ein Tablet-
-3-
tenröhrchen (Fälle 2 und 3; Einzelfreiheitsstrafen: jeweils fünf Jahre), in einem Fall sein Geschlechtsteil (Fall 4; Einzelfreiheitsstrafe: sechs Jahre) und
in einem weiteren Fall einen Finger ohne Gegenwehr des Kindes (Fall 5;
Einzelfreiheitsstrafe: vier Jahre sechs Monate) in die Scheide einführte.
3
2. Die Aussprüche über die verhängten Einzelfreiheitsstrafen und die
Gesamtfreiheitsstrafe können nicht bestehen bleiben.
4
a) Im Rahmen der Prüfung minder schwerer Fälle nach § 176a Abs. 4
Halbsatz 2 StGB und des Vorliegens einer Ausnahme von der Regelwirkung
des § 177 Abs. 2 StGB berücksichtigt das Landgericht maßgeblich, „dass die
Tathandlungen als solche auch schwerwiegend waren. Es kam zum Einführen des Fingers sowie von Gegenständen als auch zum Geschlechtsverkehr
mit dem Kind“ (UA S. 21). Dies stellt einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot dar. Da § 176a Abs. 4 Halbsatz 2 StGB eine Strafrahmenverschiebung gerade für minder schwere Fälle des Qualifikationstatbestandes
nach § 176a Abs. 2 StGB vorsieht, können Umstände, die diese Qualifikation
erst begründen, nicht herangezogen werden, um einen minder schweren Fall
abzulehnen (§ 46 Abs. 3 StGB analog; vgl. auch Fischer, StGB, 58. Aufl.,
§ 46 Rn. 82).
5
b) Auch die äußerst knapp gehaltene Begründung für die konkrete
Zumessung der Einzelstrafen hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach
einer formelhaften Wiedergabe des Textes von § 46 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1
StGB beschränkt sich die Abwägung des Landgerichts darauf, dem für den
Angeklagten sprechenden Umstand, „dass er bei den Taten nicht mit massiver körperlicher Gewalt gegen die Nebenklägerin einwirkte“, den Umstand
gegenüberzustellen, „dass er das in ihn gesetzte Vertrauen grob missbrauchte und ausnutzte“ (UA S. 22). Zwar braucht das Tatgericht im Allgemeinen in
den Urteilsgründen nur diejenigen Umstände anzuführen, die für die Strafzumessung bestimmend sind (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Eine erschöpfende
Darstellung aller letztlich maßgebenden belastenden und entlastenden Um-
-4-
stände ist weder vorgeschrieben noch möglich. An die Wiedergabe der für
die Strafzumessung bestimmenden Umstände sind aber umso höhere Anforderungen zu stellen, je höher die erkannte Strafe ist (vgl. BGH, Beschluss
vom 30. August 1983 – 5 StR 587/83, StV 1984, 152). Das Landgericht hat
Strafen verhängt, die sich im oberen Bereich der üblicherweise für vergleichbare Taten verhängten Strafen bewegen. Angesichts dessen bedurfte die
Bemessung der Strafhöhen einer eingehenderen Begründung als geschehen. Insbesondere ist auch nicht ersichtlich, ob der bereits am 30. Januar 2007 wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer zur Bewährung
ausgesetzten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilte Angeklagte die
verfahrensgegenständlichen Taten noch während des Laufs der Bewährungsfrist aus dieser Verurteilung begangen hat oder hiervon zu seinen
Gunsten nicht ausgegangen werden kann.
6
Im Übrigen begegnet die Bemessung der Gesamtstrafe – für sich genommen – rechtlichen Bedenken. Das Landgericht verweist zwar auf den
Umstand, dass die Taten in einem engen zeitlichen und situativen Zusammenhang begangen wurden, zieht daraus aber keine erkennbaren Konsequenzen.
7
3. Der Senat hebt das angefochtene Urteil daher im gesamten Strafausspruch auf. Da lediglich Wertungsfehler vorliegen, können die Feststellungen bestehen bleiben. Sie können um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
Basdorf
Schaal
Dölp
Schneider
König