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5 StR 232/12
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 21. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
-2-
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juni 2012
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Januar 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO
aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung
des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer
Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung und mit Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe unter Einbeziehung weiterer Freiheitsstrafen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von
§ 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die unterbliebene Maßregelanordnung nach § 64 StGB hat keinen
Bestand.
-3-
3
a) Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte seit 1984 regelmäßig Cannabis und etwa seit 1991/1992 zunächst gelegentlich und
„bald“ täglich Kokain bis zum Tode seiner Mutter im Jahre 2002. Danach
schränkte er seinen Kokainkonsum ein und absolvierte im Jahr 2005 mit Erfolg eine eineinhalbjährige Drogentherapie, so dass er bis Mitte 2008 drogenabstinent blieb. Nach einem Rückfall nahm er bis zu seiner Inhaftierung
Mitte Februar 2010 „zwar nicht täglich, aber in unregelmäßigen Abständen
etwa zwei- bis dreimal wöchentlich, dann mehrere Wochen gar nicht, zwei
bis drei Gramm Kokain ein“. Nach dem Konsum litt der Angeklagte unter
Schweißausbrüchen, Krampfanfällen, Wahnvorstellungen und Ruhelosigkeit,
weshalb er sich danach mehrere Tage erholen musste. Zuletzt führte der
Angeklagte von August 2010 bis April 2011 eine ambulante Drogentherapie
durch, wobei es im Sommer 2011 zu einem (einmaligen) Rückfall kam. Seinen Drogenkonsum ab Mitte 2008 finanzierte sich der Angeklagte aus den
vom Nebenkläger fortlaufend erpressten Zahlungen.
4
b) Die Strafkammer hat – sachverständig beraten – einen Hang des
Angeklagten, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht
zweifelsfrei festzustellen vermocht, weil der Angeklagte nicht von einer
Suchtmittelabhängigkeit beherrscht und sein Leben nicht auf den Betäubungsmittelkonsum eingeengt gewesen sei. Es liege zwar ein schädlicher
und „süchtiger“ Kokainkonsum vor; ein durchgängiges Syndrom einer schweren Betäubungsmittelabhängigkeit sei aber nicht feststellbar, weil der Angeklagte in der Lage gewesen sei, seinen Drogenkonsum zu kontrollieren, sich
aus eigener Initiative einer Drogentherapie zu unterziehen und sich um seine
familiären Belange zu kümmern.
5
c) Die Begründung, mit der das Landgericht einen Hang im Sinne von
§ 64 Satz 1 StGB verneint hat, ist rechtsfehlerhaft. Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad
-4-
physischer Abhängigkeit erreicht haben muss (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss
vom 9. November 2011 – 2 StR 427/11, StV 2012, 282 mwN). Die Annahme
einer solchen Neigung liegt nach den Urteilsgründen nahe; die vom Landgericht geforderte Betäubungsmittelabhängigkeit des Täters ist hingegen nicht
Voraussetzung der Maßregelanordnung.
6
2. Der Senat hebt daher die Entscheidung über den unterbliebenen
Maßregelanspruch auf. Er schließt aus, dass das Landgericht bei Anordnung
der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt eine niedrigere Strafe verhängt hätte.
7
Das neue Tatgericht wird auch die übrigen Voraussetzungen des § 64
StGB zu prüfen und gegebenenfalls eine Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe und Maßregel zu treffen haben (§ 67 Abs. 2
StGB). Der Aufhebung von Feststellungen zum unterbliebenen Maßregelausspruch bedarf es nicht, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Gleichwohl wird es zur Abklärung der maßgeblichen aktuellen Situation des Angeklagten der Anhörung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) bedürfen. Die
bisherigen Feststellungen können durch sie nicht widersprechende ergänzt
werden.
Raum
Schaal
König
Schneider
Bellay