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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 115/15
vom
19. November 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
wegen zu 1. bis 5.: Betrugs
zu 6.:
Beihilfe zum Betrug
-2-
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
24. September 2015 in der Sitzung am 19. November 2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
– in der Verhandlung –
Richterin am Landgericht
– bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten
– in der Verhandlung –,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten
– in der Verhandlung –,
Rechtsanwältin
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten
– in der Verhandlung –,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten
– in der Verhandlung –,
B.
G.
und
To.
S.
-3-
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten
– in der Verhandlung –,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten
T.
P.
,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom
30. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit
die Angeklagten verurteilt worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft wird
verworfen.
Von Rechts wegen
-4-
Gründe:
1
Das Landgericht hat die Angeklagten G.
T.
, To.
, S.
und
jeweils wegen „gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges“ in
412 Fällen, den Angeklagten B.
unter Freispruch im Übrigen wegen „ge-
meinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges“ in 365 Fällen und die Angeklagte
P.
, ebenfalls unter Freispruch im Übrigen, wegen „Beihilfe zum ge-
meinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrug“ in 334 Fällen verurteilt. Gegen den
Angeklagten G.
hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und
acht Monaten, gegen die Angeklagten To.
, S.
und T.
jeweils
eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, gegen den Angeklagten B.
eine solche von einem Jahr und sechs Monaten und gegen die Angeklagte
P.
eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt. Sämtliche
Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es festgestellt,
dass die Angeklagten durch die Taten mindestens 528.596 € erlangt haben und
nur deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt wird, weil Ansprüche von
Geschädigten entgegenstehen.
2
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten jeweils
mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Mit Ausnahme des Angeklagten T.
beanstanden sie darüber hinaus das Verfahren. Die zu Ungunsten
der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich mit
der Sachrüge insbesondere gegen die unterbliebene Verurteilung der Angeklagten wegen Betruges als Mitglieder einer Bande sowie gegen die Strafzumessung, ferner gegen den Teilfreispruch der Angeklagten P.
.
-5-
A.
3
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
Im Januar 2007 veranlassten die Angeklagten G.
B.
die Gründung des Unternehmens „N.
, T.
und
Ltd.“ mit Sitz in V.
, die als Zweigniederlassung eines in Großbritannien ansässigen
Unternehmens firmierte. Die Angeklagten B.
und S.
– B.
trat auch
als Gründungsgesellschafter auf – wechselten sich in der Folgezeit in der Geschäftsführung dieses Unternehmens ab, dessen Gegenstand der Vertrieb von
Getränken und Nahrungsergänzungsprodukten war. G.
T.
, B.
und
beabsichtigten, vor allem sogenannte Energy-Drinks mit dem Label
einer ihnen bekannten Rockergruppe zu produzieren und über die N.
Ltd.
zu vertreiben. Da die Aufnahme der nachfolgend produzierten Engergy-Drinks
in das Produktangebot u.a. in Verbrauchermärkten den Einsatz von Kapital erforderte, über das die N.
Ltd. nicht verfügte, so dass der Absatz dieser
Produkte äußerst schleppend verlief, betrieb die N.
Ltd. neben dem einge-
tragenen Geschäftsgegenstand ab 2007 zum Zweck der Kapitalbeschaffung
auch die Vermittlung des Verkaufs neuer Pkws unter gleichzeitigem Abschluss
von Werbeverträgen. Pro vermitteltem Fahrzeug wurde aus der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis der Fahrzeuge jeweils ein Betrag von
4.000 € erzielt. Gleichzeitig wurden mit den Fahrzeugkäufern Werbeverträge
mit einer Laufzeit von zwei Jahren abgeschlossen, die man mit den aus den
Verkaufserlösen gewonnenen Einnahmen zu bezahlen beabsichtigte. Für die
ersten etwa fünf Fahrzeuge wurden die Werbeverträge auf diese Weise auch
erfüllt. Obwohl die durch die Fahrzeugverkäufe eingenommenen Gelder auch
dazu eingesetzt wurden, die von der N.
Ltd. vertriebenen Produkte zu ver-
-6-
markten, brachte der Verkauf von Energy-Drinks nicht den erhofften Erfolg, so
dass er Anfang 2009 eingestellt wurde. Der anschließende Versuch der Vermarktung von Tattoo-Entfernungscremes scheiterte ebenso wie der Vertrieb
von Wasserfiltern.
5
In der Zwischenzeit war der Angeklagte To.
G.
, T.
und S.
zu den Angeklagten
hinzugestoßen; er realisierte bei Bedarf die Kre-
ditfinanzierung des von den Kunden zu entrichtenden Kaufpreises für die Fahrzeuge über die Sa.
Bank. Diese Angeklagten erkannten im Laufe der
ersten Jahreshälfte 2008 die notleidende finanzielle Situation der Firma N.
Ltd. und stellten fest, dass lediglich der Verkauf von Fahrzeugen bei gleichzeitigem Abschluss der Werbeverträge Geld einbrachte, allerdings nur dann, wenn
man die gegenüber den Werbefahrern eingegangenen Verpflichtungen zur Zahlung der monatlichen Werbeprovisionen außer Ansatz ließ. In der Folgezeit intensivierten sie daher diesen Teil ihrer geschäftlichen Tätigkeit. Dabei gingen
sie arbeitsteilig vor. Neben dem Angeklagten G.
klagten S.
und To.
im Wesentlichen für die Fahrzeugbeschaffung
verantwortlich. Über die Firma Sch.
S.
Automobile des Angeklagten
– mit derselben Anschrift wie die Firma N.
nehmen
A.
waren auch die Ange-
Ltd. – und das Unter-
GmbH des Angeklagten To.
Geschädigten ihre Fahrzeuge. S.
und die Buchhaltung der N.
bezogen
die
war ferner für die finanziellen Belange
Ltd. zuständig. B.
verantwortete die
monatlichen Kalkulationen der Firmenverbindlichkeiten und hatte die Befugnis,
Arbeitsverträge zu unterschreiben sowie Kündigungen auszusprechen. Er stellte auch den Insolvenzantrag für die N.
Ltd. Der Angeklagte T.
war
ebenfalls an Personalentscheidungen beteiligt und erstellte außerdem die Kaufund Werbeverträge. Die Angeklagte P.
1. März 2009 als Vollzeitkraft – bei der N.
war als Sekretärin – ab dem
Ltd. tätig und trug die Verantwor-
-7-
tung für alle organisatorischen Belange im Zusammenhang mit den Kauf- und
Werbeverträgen. Sie war gegenüber den anderen Büroangestellten weisungsbefugt und vertröstete die Geschädigten, die sich über ausbleibende Werbezahlungen beschwerten.
6
Zu einer deutlichen Erhöhung der Zahl der abgeschlossenen Kauf- und
Werbeverträge kam es infolge eines am 15. Oktober 2008 zwischen der N.
Ltd., vertreten durch den Angeklagten S.
abgeschlossenen
pflichtete sich die Ad.
des Angeklagten To.
A.
sog.
, und der Firma Ad.
Kooperationsvertrages.
Danach
ver-
, deren Geschäftsführer ein Bekannter
war und die unter derselben Anschrift wie die
GmbH firmierte, das Geschäftsmodell der Angeklagten durch
eine Werbeaktion unter dem Motto „Werbezuschuss für PKW-Werbung“ zu unterstützen. Obwohl den Angeklagten spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Kooperationsvertrages bewusst war, dass nennenswerte Umsätze
mit den beworbenen Produkten der N.
Ltd. nicht erzielt worden waren und
sie auch damit rechneten und dies zumindest billigend in Kauf nahmen, dass
dies auch in Zukunft nicht der Fall sein würde, verkauften sie jedenfalls ab dem
15. Oktober 2008 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken bis Anfang
2010 in den in den Urteilsgründen tabellarisch dargestellten Fällen EU-Neufahrzeuge des Typs F.
zu deutlich über dem Marktpreis liegenden
Preisen an die Geschädigten. Dabei versprachen die Angeklagten den Fahrzeugkäufern bei Abschluss der Kaufverträge jeweils, dass der Fahrzeugkaufpreis vollständig durch Werbeprovisionen von der Firma N.
Ltd. in Höhe
von monatlich rund 230 € pro Fahrzeug – bei einer Laufzeit der Werbeverträge
von regelmäßig 72 Monaten – zurückerstattet würde.
-8-
7
Das Landgericht hat dieses Vorgehen der Angeklagten als gewerbsmäßigen Betrug bzw. als Beihilfe dazu gewertet. Die Angeklagten hätten gewusst,
dass die N.
Ltd. finanziell nicht in der Lage war und auch in Zukunft nicht in
der Lage sein würde, die zahlreichen abgeschlossenen Werbeverträge zu erfüllen, da weder aus dem eigentlichen Vertriebsgeschäft noch aus den Fahrzeugverkäufen erzielte Einnahmen die Zahlung der monatlichen Werbeprämien an
die Fahrzeugkäufer auf Dauer ermöglicht hätten. Die geschädigten Fahrzeugkäufer seien auf Grund der erfolgten Täuschung bereit gewesen, die angebotenen Fahrzeuge zu erwerben und den geforderten, über dem üblichen Marktpreis liegenden Kaufpreis zu bezahlen. Da ihnen von den Angeklagten zugesagt worden sei, dass sie den bezahlten Kaufpreis über die monatlichen Werbeprämien zurückerhalten würden, sei ihnen der geforderte Kaufpreis gleichgültig gewesen, weshalb sie bereit gewesen seien, einen höheren Kaufpreis als
bei einem „normalen“ Händler zu bezahlen, da sie sonst nicht in den Genuss
der Werbeprämie gekommen wären.
Den Fahrzeugkäufern sei jeweils ein Schaden von mindestens 1.283 €
8
entstanden. Der übliche Marktpreis für das in den ausgeurteilten Fällen jeweils
verkaufte Fahrzeug habe im streitgegenständlichen Zeitraum bei höchstens
13.517 € gelegen, ein Betrag, der sich aus dem Listenpreis des Fahrzeugs zuzüglich Überführungskosten abzüglich des damals gewährten Herstellerrabattes
der Firma F.
errechne. Die Angeklagten hätten hingegen die Fahrzeuge für
mindestens 14.800 € an die Geschädigten verkauft. Die Angeklagten G.
T.
, S.
und To.
,
hätten daher im gesamten Tatzeitraum in
412 Einzelfällen einen Mindestgesamtschaden von 528.596 € verursacht, der
Angeklagte B.
habe ab dem 1. Januar 2009 in 365 Fällen als Mittäter bei
einem Gesamtschaden von 468.295 € mitgewirkt. Die Angeklagte P.
habe die vorstehend aufgeführten Taten während ihrer Tätigkeit als Vollzeit-
-9-
sekretärin in mindestens 335 Fällen unterstützt und sei daher an einer Gesamtschadensverursachung von 428.522 € beteiligt.
B.
9
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten führen ebenso wie die zu Ungunsten der Angeklagten
eingelegten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, mit denen die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit
die Angeklagten verurteilt worden sind, und zur Zurückverweisung an das
Landgericht.
I.
10
Zu den Revisionen der Angeklagten:
11
Die Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg. Einer Erörterung der von ihnen erhobenen Verfahrensrügen
bedarf es daher nicht.
12
Die Verurteilung der Angeklagten wegen tatmehrheitlich begangenen Betruges bzw. Beihilfe dazu kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil das
Landgericht es versäumt hat, in rechtlich nachprüfbarer Weise festzustellen,
durch welche konkreten Einzelhandlungen die Angeklagten in den jeweiligen
Fällen die gesetzlichen Merkmale des objektiven und des subjektiven Tatbestandes des § 263 StGB erfüllt haben.
- 10 -
13
1. Die Urteilsgründe müssen in einer geschlossenen, aus sich selbst
heraus verständlichen Darstellung die für erwiesen erachteten konkreten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden
werden (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO). Werden mehrere Angeklagte wegen mehrerer selbständiger Straftaten (§ 53 StGB) verurteilt, müssen die Gründe für jede Tat und in Bezug auf jeden deshalb verurteilten Angeklagten die erwiesenen
Tatsachen so deutlich angeben, dass das Revisionsgericht nachprüfen kann,
ob das Strafgesetz ohne Rechtsirrtum angewandt ist. Die Sachdarstellung darf
nicht durch eine Tabelle mit pauschalen Angaben über die einzelnen Taten ersetzt werden, wenn daraus bei der einzelnen Tat weder die Modalitäten der jeweiligen Tatausführung und die Art des Tatbeitrags der einzelnen Mittäter noch
die für die Strafzumessung erforderlichen Einzelheiten entnommen werden
können (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – 5 StR 171/09, NStZ-RR
2010, 54; LR-StPO/Stuckenberg, 26. Aufl., § 267 Rn. 41 mwN).
14
2. Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht.
15
a) Das Landgericht hat lediglich die allgemeinen Umstände der zunächst
erfolglosen unternehmerischen Betätigung der Angeklagten, die in diesem Zusammenhang erfolgte Gründung der Firma N.
Ltd. und die Funktion der
einzelnen Angeklagten im Rahmen des von ihnen entwickelten Geschäftsmodells dargestellt, ebenso die Beschaffung der für den Weiterverkauf an die
Werbekunden bestimmten Kraftfahrzeuge, den Inhalt des am 15. Oktober 2008
abgeschlossenen Vertrages mit der Firma Ad.
sowie die auf
den Abschluss der Kauf- und Werbeverträge bezogene allgemeine Geschäftsentwicklung. Feststellungen zur Beteiligung der Angeklagten an den ihnen zur
Last gelegten Einzelfällen des Betruges enthalten die Urteilsgründe hingegen
nicht. Die Strafkammer beschränkt sich insoweit auf eine tabellarische Über-
- 11 -
sicht, in der die Daten der abgeschlossenen Werbeverträge, die Namen und die
Anschriften der Kunden aufgeführt sind. Zum Tatgeschehen enthält das Urteil
lediglich die Formulierung, den Angeklagten sei ab Oktober 2008 bewusst gewesen, nennenswerte Umsätze mit den zunächst beworbenen Produkten der
Firma N.
Ltd. nicht erzielen zu können, weshalb sie zumindest damit rech-
neten und auch billigend in Kauf nahmen, dass dies auch in Zukunft nicht der
Fall sein werde. Vor diesem Hintergrund hätten sie in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken von Oktober 2008 bis Anfang 2010 in den in der Tabelle
aufgeführten Fällen EU-Neufahrzeuge des genannten Typs zu deutlich über
dem Marktpreis liegenden Preisen an die Geschädigten verkauft. Bei Abschluss
der Verträge hätten „die Angeklagten“ den Kunden jeweils versprochen, der
Kaufpreis für das Fahrzeug werde vollständig durch die Werbeprovisionen zurückerstattet, obwohl ihnen klar gewesen sei, dass die von ihnen betriebene
Firma N.
16
Ltd. dazu auf Dauer nicht in der Lage sein würde.
b) Diese Art der Sachdarstellung begegnet durchgreifenden rechtlichen
Bedenken, weil völlig unklar bleibt, welche Fahrzeugkäufer durch welchen Angeklagten, wann und durch welche tatbestandlich relevanten Verhaltensweisen
geschädigt wurden. Zwar stellen die einzelnen Vertragsabschlüsse für sich genommen selbständige Handlungen dar, die sich die Angeklagten, sofern der
Betrugstatbestand erfüllt ist, nach den Grundsätzen der Mittäterschaft (§ 25
Abs. 2 StGB) zurechnen lassen müssten. Für die Frage des Vorliegens einer
oder mehrerer Handlungen im Sinne der §§ 52, 53 StGB kommt es aber auf die
eigenen Tatbeiträge der Angeklagten zu den jeweiligen Vertragsabschlüssen
an. Nur soweit sie selbst die Käufer getäuscht oder sonst einen konkreten Beitrag zu dem jeweiligen Abschluss geleistet hätten, läge Tatmehrheit vor. Bestand ihr Tatbeitrag zum Abschluss der Kauf- und Werbeverträge aber lediglich
in der Leitung und Organisation einer der beteiligten Gesellschaften, läge nur
- 12 -
eine Tathandlung vor (vgl. Senatsurteil vom 19. Juli 2001 – 4 StR 65/01, wistra
2001, 378; Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2007 – 4 StR 481/07, NStZ 2008,
352, 353; zum sog. uneigentlichen Organisationsdelikt vgl. ferner BGH, Urteil
vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177; Beschluss vom 29. Juli
2009 – 2 StR 160/09, NStZ 2010, 103).
II.
17
Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
18
1. Dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung (vgl. dazu
BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 – 3 StR 122/09) entnimmt der Senat, auch im
Hinblick auf Nr. 156 Abs. 2 RiStBV, dass der Teilfreispruch des Angeklagten
B.
nicht angefochten ist.
In der gegen den „gesamten Schuld- und Strafausspruch“ gerichteten
19
Revisionsrechtfertigung legt die Staatsanwaltschaft zunächst im Einzelnen dar,
aus welchen Gründen sie das angefochtene Urteil hinsichtlich der Angeklagten
G.
, To.
, S.
, T.
, B.
und P.
für rechtsfeh-
lerhaft hält, soweit diese verurteilt worden sind. Im Anschluss daran finden sich
den Teilfreispruch der Angeklagten P.
betreffende Ausführungen.
Demgegenüber verhält sich die Revisionsbegründung zum Teilfreispruch des
Angeklagten B.
20
nicht.
2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet, soweit die Angeklagten verurteilt
worden sind, im Ergebnis zu Recht die Nichtanwendung der Qualifikationsnorm
des § 263 Abs. 5 StGB. Die Verneinung eines Handelns der Angeklagten als
- 13 -
Bande im Sinne des § 263 Abs. 5 StGB beruht auf einem durchgreifenden Erörterungsmangel zum Vorteil der Angeklagten. Insoweit wird das Rechtsmittel
auch vom Generalbundesanwalt vertreten.
21
a) Seine rechtliche Bewertung begründet das Landgericht mit folgenden
Erwägungen:
22
Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Angeklagten sich
schon von Anfang an, also vom Zeitpunkt der Gründung der Firma N.
Ltd.
an, zu einer Bande zusammengeschlossen hätten, um Betrugsstraftaten zu begehen. Es könne vielmehr davon ausgegangen werden, dass jedenfalls zu Beginn der Firmentätigkeit auch durchaus ernsthafte Bemühungen stattgefunden
hätten, die verschiedenen Produkte erfolgreich zu vermarkten, um unter anderem die zugesagten Werbeprovisionen zahlen zu können. Der Angeklagte
G.
Ad.
habe im Übrigen ausgesagt, dass erst ab dem Zeitpunkt des mit der
geschlossenen Kooperationsvertrages der Überblick über
die Geschäfte verloren gegangen sei und das Ganze einen „gewissen Drive“
bekommen habe. Die Kammer sehe es deswegen erst ab dem 15. Oktober
2008 als erwiesen an, dass die Angeklagten zumindest damit rechneten, die
zugesagten Werbeprovisionen nicht bezahlen zu können, und dass sie dennoch
fortfuhren, den Fahrzeugkäufern und Werbefahrern zuzusagen, durch Zahlung
der Werbeprovisionen den Fahrzeugpreis vollständig finanzieren zu können. So
hätten diese veranlasst werden sollen, die Fahrzeuge zu einem, wie sie wussten, über dem Marktpreis liegenden Kaufpreis zu erwerben.
23
b) Damit hat sich das Landgericht den Blick dafür verstellt, dass die für
die Qualifikationsnorm des § 263 Abs. 5 StGB erforderliche Bandenabrede
auch noch in dem Zeitraum ab dem 15. Oktober 2008 getroffen worden sein
- 14 -
könnte, dies nach den Feststellungen sogar nahe liegt. Da eine solche Abrede
nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits vorliegt,
wenn die Bandenmitglieder mit dem Willen handeln, sich zur Begehung von
Straftaten für die Zukunft und für eine gewisse Dauer zusammenzutun, und dies
auch konkludent geschehen kann (BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 – 3 StR
492/04, BGHSt 50, 160, 161 f.,164), drängten die Feststellungen zur Erörterung
einer entsprechenden Abrede ab dem genannten Datum. Der Generalbundesanwalt weist zutreffend darauf hin, dass das Geschäftsmodell der Angeklagten
und ihr arbeitsteiliges Zusammenwirken besonders nach dem Abschluss des
Vertrages mit der Ad.
am 15. Oktober 2008 eine neue Dimen-
sion erreichte, zumal die Aktivitäten zum Vertrieb von Produkten über die
N.
Ltd. im Niedergang begriffen waren und kurze Zeit später ganz einge-
stellt wurden. Die rechtlichen Anforderungen an den Nachweis einer Bandenabrede beim Übergang von einer zunächst legalen Tätigkeit zur Begehung von
Straftaten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. Mai 1998 – 1 StR 154/98, BGHR
StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3 Bande 3) schließen die Annahme einer derartigen Abrede hier nicht von vornherein aus.
24
c) Mit den weiteren, gegen den Schuldspruch gerichteten Einwänden,
wonach dessen Reichweite unklar sei und das Landgericht die Höhe des Betrugsschadens fehlerhaft berechnet habe, zeigt die Beschwerdeführerin hingegen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten auf. Entsprechendes gilt, soweit sie den Teilfreispruch der Angeklagten P.
angreift. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Zuschrift vom 7. Mai 2015 Bezug.
- 15 -
III.
25
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
26
1. Für die Prüfung des objektiven Tatbestandes des Betruges dürfte nach
den bisherigen Feststellungen von einem einheitlichen Geschäft, bestehend
aus dem Kaufvertrag über das jeweilige Kraftfahrzeug und der zugehörigen
Werbevereinbarung auszugehen sein. Denn in allen Fällen war das Zustandekommen des Kaufvertrages notwendig mit dem Abschluss der Werbevereinbarung verknüpft. Danach könnten sich die Fahrzeugkäufer jeweils auf Grund
einer entsprechenden Täuschung in einem Irrtum darüber befunden haben,
dass die in Aussicht gestellten Werbeprämien bis zum Ende der Laufzeit der
vertraglichen Vereinbarung gezahlt werden würden. Der neue Tatrichter wird in
diesem Zusammenhang Gelegenheit haben, auch den wesentlichen Inhalt der
abgeschlossenen Verträge mitzuteilen.
27
Die Feststellungen zum täuschungsbedingten Vorstellungsbild der Fahrzeugkäufer bei Abschluss der verbundenen Verträge durfte das Landgericht auf
die Bekundungen der vernommenen zwölf betroffenen Vertragspartner stützen.
In Fällen, denen zahlreiche, im Wesentlichen gleich gelagerte Betrugshandlungen zu Grunde liegen, ist es dem Tatrichter gestattet, nur eine begrenzte Anzahl von Geschädigten als Zeugen zu vernehmen und gegebenenfalls auf eine
entsprechende Irrtumserregung auch bei anderen Verfügenden zu schließen
(vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459, 460
mwN). Das ist im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei geschehen.
- 16 -
28
2. Für den Fall, dass sich die für die Annahme täuschungsbedingter
Vermögensverfügungen erforderlichen Feststellungen in der neuen Verhandlung bestätigen sollten, werden bei der rechtlichen Bewertung des Vermögensschadens die vom Bundesgerichtshof zum sog. Schneeballsystem aufgestellten
Grundsätze zu beachten sein.
29
Auch insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze, also das Prinzip der
Gesamtsaldierung, wonach der Vermögenswert unmittelbar vor der Vermögensverfügung mit dem unmittelbar nach ihr zu vergleichen ist (BGH, Beschluss
vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201 f. mwN). Spätere
Entwicklungen, etwa in Gestalt der Erbringung der versprochenen Gegenleistung durch den Täter vor allem im Anfangsstadium eines auf Täuschung aufgebauten Geschäftsmodells, können lediglich einen Ausgleich für einen bereits
eingetretenen tatbestandlichen Schaden darstellen. Dem Schneeballsystem ist
immanent, dass zunächst eine gewisse Chance auf Erhalt der versprochenen
Gegenleistung besteht. Da jedoch alles vom weiteren Erfolg des Systems und
vom Eingang weiterer betrügerisch erlangter Gelder abhängt, ist die hierauf
basierende Aussicht auf Erfüllung der vom Täter eingegangenen Verpflichtung
nicht, auch nicht teilweise, die versprochene Gegenleistung, sondern stellt von
vornherein keinen wirtschaftlichen Wert dar (vgl. nur BGH, Beschluss vom
18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 205 mwN).
30
3. Der vom insoweit sachverständig beratenen Landgericht zur Bestimmung des Vermögensschadens herangezogene Maßstab, wonach von dem
(Markt-)Wert des jeweiligen Fahrzeugs auszugehen sei, der bei einem Verkauf
erzielt werden würde, und nicht von dem Wert, für den das Fahrzeug gekauft
wurde (UA 69 f.), ist entgegen der in den Revisionen der Angeklagten geäußerten Ansicht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (BGH, Beschluss vom
- 17 -
18. Juli 1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; Urteil vom 20. Februar 1962
– 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148; Beschluss vom 12. Juni 1991 – 3 StR
155/91, NStZ 1991, 488; Beschluss vom 9. Juni 2004 – 5 StR 136/04, NJW
2004, 2603).
31
4. Hinsichtlich einer gegebenenfalls zu treffenden Entscheidung nach
§ 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB wird der neue Tatrichter
Feststellungen zur wirtschaftlichen Mitverfügungsgewalt der jeweiligen Angeklagten an den aus der Tat erlangten Vermögenswerten zu treffen haben (vgl.
BGH, Beschluss vom 27. April 2010 – 3 StR 112/10, NStZ 2010, 568 m. Anm.
Spillecke; Urteil vom 19. Oktober 2011 – 1 StR 336/11, wistra 2012, 69, 70).
Der neue Tatrichter wird zudem § 73c StGB zu erörtern haben, der auch bei
einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO Geltung beansprucht (Senatsurteil
vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 50).
32
5. Vor dem Hintergrund der zu Ungunsten der Angeklagten P.
eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft weist der Senat außerdem darauf
hin, dass gegebenenfalls die Frage, ob diese Angeklagte als Gehilfin oder als
Mittäterin anzusehen ist, eingehender als im angefochtenen Urteil zu prüfen
sein wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn der neue Tatrichter wieder zu der
Feststellung gelangen sollte, dass die Angeklagte, wie Zeugen ausweislich der
Gründe des angefochtenen Urteils in der Hauptverhandlung bekundet haben,
eine gegenüber den anderen Angestellten der N.
Ltd. mit Weisungsbefug-
nis ausgestattete, herausragende Stellung mit besonderem Näheverhältnis zu
den anderen Angeklagten innehatte, die Werbeverträge ausfertigte, zum Teil
mit einem falschen Namen unterschrieb und spätestens seit dem 1. März 2009
in das verfahrensgegenständliche Geschäftskonzept eingeweiht war. Der dem
Tatrichter in Grenzfällen der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme
- 18 -
eingeräumte Beurteilungsspielraum verlangt insoweit eine vollständige Würdigung aller entscheidungserheblichen Umstände (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil
vom 17. Juli 1997 – 1 StR 781/96, NJW 1997, 3385, 3387; Beschluss vom
17. Juni 2003 – 3 StR 183/03, NJW 2003, 2759, 2760).
33
6. Im Hinblick auf die bisher verstrichene Zeit könnte ferner zu erwägen
sein, nur die Fälle als Grundlage für eine mögliche Verurteilung heranzuziehen,
in denen keine oder nur geringe Beträge an die Geschädigten ausgezahlt wurden.
Sost-Scheible
Cierniak
Bender
Franke
Quentin