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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 425/15
vom
28. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:280116U3STR425.15.0
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Januar
2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
- in der Verhandlung -,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
- bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers
K.
,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenkläger A.
und E.
S.
,
-3-
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin T.
S.
,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Koblenz vom 24. Juni 2015 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten
dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die
Staatskasse.
Von Rechts wegen
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, jeweils in vier tateinheitlichen Fällen, weiter in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Revision der Staatsanwaltschaft rügt
die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das
Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
-4-
I.
2
1. Die Anklageschrift wirft dem Angeklagten vor, er habe am 9. Dezember 2014 gegen 03.30 Uhr im Wohnhaus der Nebenkläger durch eine fehlende
Glasscheibe an der Haustür eine dahinter als Windschutz aufgehängte Jacke
angezündet, um die, wie er gewusst habe, in dem Gebäude schlafenden Nebenkläger mittels Feuer oder Rauch zu töten. Die Flammen hätten unter anderem die hölzerne Haustür erfasst, die schließlich selbständig gebrannt habe.
Den erwachenden Nebenklägern, die Rauchvergiftungen erlitten hätten, sei es
aber gelungen, den Brand zu löschen.
3
2. Das Landgericht hat das objektive Brandgeschehen wie in der Anklageschrift angenommen festgestellt, sich aber von der Täterschaft des Angeklagten nicht überzeugen können. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt:
4
a) Zwar seien mögliche Motive des Angeklagten für die Brandlegung
nicht zu verkennen. Die Nebenklägerin T.
S.
habe im September
2014 eine persönliche Beziehung zum Angeklagten beendet und ihre Anstellung in dessen Betrieb gekündigt. Mangels weiteren Einkommens habe sie
gleichzeitig die Mietzahlungen für das von ihr angemietete spätere Brandobjekt
eingestellt, so dass der Vermieter den Mietvertrag am 12. November 2014 fristlos gekündigt habe. Dies habe zu zusätzlichem Streit geführt, denn der Angeklagte habe sich dem ihm bekannten Vermieter gegenüber für die Zahlungen
verantwortlich gefühlt; dieser habe sich zur Vermietung nur aufgrund seiner Bestätigung bereit gefunden, die Nebenklägerin könne mit dem bei ihm erzielten
Arbeitseinkommen die Miete bezahlen. In der Folge habe der Angeklagte deshalb die Nebenklägerin und ihren Lebensgefährten, den Nebenkläger K.
,
-5-
mehrfach aufgefordert, das Anwesen zu räumen. Die noch nicht ersetzte Glasscheibe an der Haustür habe er am 30. Oktober 2014 gegen 23.30 Uhr selbst
eingeschlagen, um in das Haus einzudringen und die Genannten wegen der
Mietrückstände zur Rede zu stellen.
5
b) Diese Motivlage sei jedoch nicht ausreichend, um den bestreitenden
Angeklagten der Brandlegung zu überführen; weitere für seine Täterschaft
sprechende Indizien hätten sich nicht ergeben.
6
Zwar sei der im Nachbarhaus wohnende Angeklagte nach dem Löschen
des Brandes am Tatort erschienen, jedoch könne ihm seine Einlassung nicht
widerlegt werden, er sei nur zufällig beim - von einer Zeugin auch an anderen
Tagen beobachteten - nächtlichen Ausführen seines Hundes vorbeigekommen.
Soweit er anschließend in einem weiteren Streitgespräch mit der Nebenklägerin
T.
S.
sinngemäß geäußert habe, die Nebenkläger das nächste Mal
"richtig abfackeln" zu wollen, habe er nach dem Gesprächszusammenhang
lediglich provozieren wollen.
7
Ebenso wenig führe ein von der Staatsanwaltschaft vorgelegtes Foto der
Bildschirmanzeige eines Internet-Chats weiter, in dem sich einer der beiden
Teilnehmer offenbar zur Tat bekenne. Der Wortlaut lasse keine Rückschlüsse
auf die Identität der Chatteilnehmer zu. Zwar sei den Beiträgen des Bekenners
jeweils ein "Miniatur-Lichtbild" zugeordnet. Es sei aber nicht zu erkennen, ob es
sich bei der abgebildeten Person um den Angeklagten oder um einen der in der
Hauptverhandlung vernommenen Zeugen handele.
-6-
II.
8
1. Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht
dadurch verletzt, dass es zur Ermittlung der Partner des abgelichteten InternetChats nicht (nochmals) die Nebenkläger K.
und T.
S.
als Zeugen
vernommen habe, ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unzulässig. Zwar hätte es sich in Anbetracht der Schwere des Tatvorwurfs - auch bereits der Staatsanwaltschaft - aufgedrängt, die Identität der
Chat-Teilnehmer durch Lokalisierung des Chatraums, entsprechende Ermittlungen beim Anbieter und gegebenenfalls Auswertung beim Angeklagten vorhandener elektronischer Speichermedien zu klären. Eine dahingehende Aufklärungsrüge ist jedoch nicht erhoben.
9
2. Soweit die Revision Verstöße des Landgerichts gegen § 261 StPO
rügt, wendet sie sich in der Sache gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
Diese weist indes keine Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.
10
a) Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters,
dem allein es obliegt, sich unter dem Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil
über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht kann demgegenüber nur prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters
mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. August
2015 - 3 StR 226/15, juris Rn. 5). Lückenhaft ist die Würdigung der Beweise
-7-
insbesondere dann, wenn das Urteil nicht erkennen lässt, dass der Tatrichter
alle Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in seine Überlegungen einbezogen
und dabei nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2015 - 3 StR 635/14, juris
Rn. 3). Liegt ein solcher Rechtsfehler nicht vor, ist die tatrichterliche Würdigung
auch dann hinzunehmen, wenn ein anderes Ergebnis ebenso möglich gewesen
wäre oder gar näher gelegen hätte (BGH, Urteil vom 17. April 2014 - 3 StR
27/14, NStZ-RR 2014, 279, 280).
11
b) Nach diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung des Landgerichts
revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Näherer Erörterung bedarf - im Einklang mit der Antragsschrift des Generalbundesanwalts - nur Folgendes:
12
c) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht die Umstände, die aus seiner Sicht geeignet waren, die Entscheidung zu Ungunsten
des Angeklagten zu beeinflussen, nicht nur jeweils isoliert für sich gewertet,
sondern auch in eine hinreichende Gesamtwürdigung einbezogen. Es hat dargelegt, dass die der beendeten Beziehung zur Nebenklägerin und der Sorge
um die Mietzahlungen entspringende Motivlage des Angeklagten mangels weiterer für die Täterschaft des Angeklagten sprechender Beweisanzeichen nicht
ausreiche. Dabei nochmals näher auf das Erscheinen des Angeklagten am
Tatort und die gegenüber der Nebenklägerin ausgesprochene Drohung einzugehen, als dies auf UA S. 12 und 16 unter Hinweis auf die übrige Beweislage
geschehen ist, war das Landgericht nicht gehalten, denn diesen Umständen hat
es wegen ihrer weitgehenden Ambivalenz rechtsfehlerfrei eine wesentliche
Indizwirkung zu Lasten des Angeklagten abgesprochen.
-8-
13
d) Unbegründet ist auch die weitere materiellrechtliche Beanstandung
der Beschwerdeführerin, das Urteil enthalte weder eine den Anforderungen des
§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO genügende Verweisung auf das Bildschirmfoto noch
eine zureichende Beschreibung der darauf erkennbaren "Miniatur-Lichtbilder"
und erlaube deshalb keine revisionsgerichtliche Überprüfung, ob der Tatrichter
diese rechtsfehlerfrei als für die Identifizierung des Chat-Teilnehmers unergiebig angesehen habe.
14
aa) Das Urteil verweist in zulässiger Weise auf die zu den Akten genommene, die "Miniatur-Lichtbilder" enthaltende Ablichtung. Mit dem Klammerzusatz "Anlage 2 zum Protokoll vom 24. Juni 2015" ist der Inhalt der Verweisung eindeutig bestimmt. Auch die Art und Weise genügt den Anforderungen
von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO.
15
Will der Tatrichter bei der Abfassung der Urteilsgründe im Sinne von
§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf eine bei den Akten befindliche Abbildung verweisen, so hat er dies deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck zu bringen (BGH,
Beschluss vom 19. Dezember 1995 - 4 StR 170/95, BGHSt 41, 376, 382). Dem
hieraus von der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung und der strafrechtlichen Literatur gezogenen Schluss, eine bloße Mitteilung der Fundstelle in den
Akten genüge dafür nicht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 267
Rn. 8 mwN), kann sich der Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anschließen. Eine besondere Form schreibt die genannte Vorschrift für die Verweisung nicht vor. So wird teilweise auch die Notwendigkeit verneint, den Gesetzeswortlaut zu wiederholen oder mitzuteilen, die Verweisung geschehe "wegen der Einzelheiten" (hierzu OLG Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember
1997 - 1 Ss (OWi) 96B/97, NStZ-RR 1998, 240 mwN). Darüber, ob der Tatrichter deutlich und zweifelsfrei erklärt hat, er wolle die Abbildung zum Bestandteil
-9-
der Urteilsgründe machen (OLG Brandenburg aaO), ist deshalb stets im Einzelfall unter Heranziehung seiner Darlegungen insgesamt zu entscheiden. Insoweit gilt nichts anderes als für die Feststellungen und Wertungen des Tatrichters im Übrigen, die, um rechtlich Bestand zu haben, ebenfalls die Gebote der
Eindeutigkeit und der Bestimmtheit wahren müssen.
16
Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht dadurch, dass es bei der
Nennung und der nachfolgenden inhaltlichen Erörterung der Ablichtung einen
Klammerzusatz mit dessen genauer Fundstelle angebracht hat, deutlich und
zweifelsfrei erklärt, es wolle die Ablichtung zum Gegenstand der Urteilsgründe
machen. Schon nach allgemeiner Lebensanschauung enthält ein unter solchen
Umständen hinzugefügter Klammerzusatz die Aufforderung an den Adressaten,
nicht nur die Beschreibung des Gegenstands zur Kenntnis zu nehmen, sondern
sich darüber hinaus durch dessen Betrachtung auch einen eigenen Eindruck zu
verschaffen. Wird dergestalt bei der Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe
verfahren, so drängt sich diese Auslegung in besonderem Maße auf, denn dem
Tatrichter kann das Bewusstsein unterstellt werden, dass eine bloße Fundstellenangabe ohne Sinn bliebe.
17
bb) Das Landgericht hat sich auch hinreichend mit der Ergiebigkeit der
"Miniatur-Lichtbilder" auseinandergesetzt. Nachvollziehbar hat es den Lichtbildern nach deren Inhalt und Qualität nicht von vornherein die Eignung als
Grundlage für eine Identifizierung der abgebildeten Person abgesprochen.
Vielmehr hat es unter Berücksichtigung der darauf erkennbaren individuellen
Merkmale lediglich nicht ausschließen können, dass es sich bei dieser Person
statt um den Angeklagten um einen in der Hauptverhandlung vernommenen
Zeugen handelt. Dagegen ist nichts zu erinnern. Nähere Darlegungen zu den
Merkmalen, welche die Ähnlichkeit der abgebildeten Person auch zu dem un-
- 10 -
mittelbar vor der Strafkammer aufgetretenen Zeugen begründen, sind bei dieser Sachlage von Rechts wegen nicht zu verlangen (vgl. zum umgekehrten Fall
der Identifizierung des Abgebildeten BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995
- 4 StR 170/95, BGHSt 41, 376, 382 ff.; s. auch BGH, Beschluss vom 7. Juni
1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 21 ff.).
Becker
Hubert
Mayer
Schäfer
Spaniol