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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 291/16
vom
29. November 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs
hier:
Revisionen der Angeklagten Y.
und L.
ECLI:DE:BGH:2016:291116B3STR291.16.0
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 1. b) aa) im Hinblick auf den
Angeklagten Y.
sowie zu 2. auf dessen Antrag - am 29. November 2016
gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog, § 357 StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten Y.
und L.
wird das
Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 16. März 2016 - auch
soweit es den Angeklagten U.
betrifft -
a) in den jeweiligen Schuldsprüchen dahin geändert, dass
aa) der
Angeklagte
Y.
des
gewerbsmäßigen
Bandenbetrugs in 16 Fällen (Fälle 1 bis 12, 15 und 17
bis 19 der Urteilsgründe) und des Betrugs in vier Fällen
(Fälle 13, 14, 16 und 20 der Urteilsgründe) schuldig ist,
bb) die
Angeklagten
L.
und
U.
jeweils
des
gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 16 tateinheitlichen
Fällen schuldig sind,
b) betreffend
die
Angeklagten
Y.
,
L.
und
U.
aufgehoben
aa) im gesamten Strafausspruch, jedoch bleiben die
zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten,
bb) im
Ausspruch
über
das
Absehen
von
der
Verfallsanordnung gemäß § 111i Abs. 2 StPO mit den
zugehörigen Feststellungen.
-3-
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten Y.
wegen gewerbsmäßigen
Bandenbetrugs in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und
sechs Monaten, den Angeklagten L.
ten U.
und den nicht revidierenden Angeklag-
jeweils wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in zwei Fällen, da-
von in dem einen Fall in zehn und in dem anderen Fall in sechs tateinheitlichen
Fällen, unter Einbeziehung von früher gegen diese Angeklagten verhängten
Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren (L.
Jahren und neun Monaten (U.
) sowie von vier
) verurteilt. Es hat außerdem gemäß § 111i
Abs. 2 StPO von Verfallsanordnungen abgesehen, festgestellt, dass der Angeklagte Y.
53.576,85 € und die Angeklagten L.
sowie U.
jeweils
47.295,95 € aus den Taten erlangt haben, und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten Y.
und L.
haben jeweils mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen
Teilerfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO.
-4-
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen fassten die
Angeklagten U.
, L.
und Y.
spätestens im September 2012 den
Entschluss, von Gifhorn aus unter dem Namen "B.
-Reisen" ein "fiktives
Reisebüro" zu betreiben. Sie beabsichtigten, über das Internet sowie durch
Werbeanzeigen in Zeitungen Reiseleistungen zu Preisen anzubieten, die unter
den marktüblichen lagen, und die dadurch gewonnenen Kunden nach der
Buchung zur vollständigen Zahlung des Reisepreises auf ein zu diesem Zweck
bei der C.
bank H.
eingerichtetes "Geschäftskonto" zu veranlas-
sen. Die Angeklagten hatten von vornherein vor, weder die verkauften Reiseleistungen zu erbringen noch die für die Veröffentlichung der Werbeanzeigen
anfallenden Kosten zu begleichen. Auf diese Weise wollten sie sich eine fortlaufende Einnahmequelle zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts verschaffen.
3
Nach dem gemeinsamen Tatplan der Angeklagten sollte U.
als
"Kopf" der Gruppe das Projekt leiten und die wesentlichen Entscheidungen treffen. Er sollte insbesondere mittels der für das Geschäftskonto ausgegebenen
Bankkarte alleinigen Zugriff auf die eingehenden Beträge haben. L.
als Stellvertreter von U.
sollte
fungieren und dessen leitende Funktionen insbe-
sondere während eines längeren Krankenhausaufenthalts von U.
über-
nehmen. Beide sollten im Wesentlichen organisatorische Beiträge leisten, die
dem Aufbau und der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienten, während die Ausführung der konkreten Tathandlungen Y.
obliegen sollte. Er
hatte insbesondere die Aufgabe, Werbeanzeigen aufzugeben sowie interessierten Kunden Reisen zu verkaufen. Außerdem sollte Y.
die Reisen erstellen und an die Kunden versenden.
die Rechnungen für
-5-
4
In Umsetzung des Vorhabens nahm Y.
Kontakt zu Mitarbeitern von
Zeitungsverlagen auf und bewirkte in zehn Fällen die Veröffentlichung von
Werbeanzeigen zum Preis von insgesamt 39.785,15 € (Fälle 1 bis 10 der Urteilsgründe). Es gelang ihm ferner in zehn Fällen, Reiseinteressenten, die sich
aufgrund der Werbeanzeigen telefonisch mit ihm in Verbindung gesetzt und
Reisen gebucht hatten, dazu zu veranlassen, den Reisepreis zu zahlen, und
zwar insgesamt in Höhe von 13.791,70 € (Fälle 11 bis 20 der Urteilsgründe).
Dabei gab er abweichend von der mit U.
und L.
getroffenen Absprache
in vier Fällen auf den betreffenden Rechnungen nicht das Geschäftskonto von
"B.
-Reisen" bei der C.
bei der Sparkasse F.
bank H.
, sondern sein eigenes Konto
an (Fälle 13, 14, 16 und 20 der Urteilsgründe). Die
auf dieses Konto überwiesenen Beträge in Höhe von insgesamt 6.280,90 € behielt er für sich. Außerdem hob er ebenfalls entgegen der Abrede mit U.
und L.
mehrfach Geld, das auf dem Geschäftskonto eingegangen war, am
Bankschalter in bar ab, indem er sich unter Vorlage seiner Ausweispapiere als
Kontoinhaber auswies.
5
2. Die Schuldsprüche halten rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
6
a) Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten Y.
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs (§ 263 Abs. 5 StGB) in den Fällen 13,
14, 16 und 20 der Urteilsgründe nicht, weil es sich insoweit nicht um Bandentaten, sondern um allein diesem Angeklagten zurechenbare Taten handelte.
7
aa) Die Annahme eines Bandenbetrugs setzt neben einer Bandenabrede
zwischen mindestens drei Personen voraus, dass der Täter den Betrug gerade
als Mitglied der Bande begeht. Die einzelne Tat muss Ausfluss der Bandenabrede sein und darf nicht losgelöst davon ausschließlich im eigenen Interesse
-6-
der jeweils unmittelbar Beteiligten ausgeführt werden (vgl. dazu BGH,
Beschlüsse vom 17. Januar 2006 - 4 StR 595/05, NStZ 2006, 342, 343; vom
1. Februar 2010 - 3 StR 432/10, StV 2011, 410, 411; Urteil vom 22. März 2006
- 5 StR 38/06, NStZ 2006, 574). Ein solcher konkreter Bezug der Tat zu der
vorangegangenen Bandenabrede lag in den Fällen 13, 14, 16 und 20 der Urteilsgründe nicht vor. Die Vorgehensweise des Angeklagten Y.
wich in die-
sen Fällen derart von dem gemeinsamen Tatplan ab, dass die betreffenden
Taten nicht mehr als Ausfluss der Bandenabrede angesehen werden können.
Sie dienten vielmehr losgelöst davon ausschließlich seinem eigenen Interesse;
denn entgegen der mit U.
und L.
getroffenen Abrede gab er auf den
Rechnungen nicht das Geschäftskonto von "B.
-Reisen", sondern sein ei-
genes Konto an, so dass die eingezahlten Gelder von vornherein dem Zugriff
der anderen Bandenmitglieder entzogen waren. Wenngleich das Landgericht
keine genaueren Feststellungen über die nach dem gemeinsamen Tatplan vorgesehene Aufteilung der von den Reiseinteressenten überwiesenen Beträge
unter U.
, L.
und Y.
getroffen hat, so stand doch jedenfalls fest,
dass die Kunden den Reisepreis auf das zu diesem Zweck eingerichtete Geschäftskonto bei der C.
bank H.
einzahlen sollten, auf das U.
als Bandenchef mittels der Bankkarte alleinigen Zugriff haben sollte; keinesfalls
sollte Y.
8
hingegen Überweisungen auf sein eigenes Konto abzweigen.
Demgegenüber stellt es das Vorliegen von Bandentaten nicht in Frage,
dass Y.
in einigen Fällen abweichend von dem gemeinsamen Tatplan ei-
genmächtig Barabhebungen von dem Geschäftskonto vornahm, um die betreffenden Beträge ebenfalls für sich zu behalten. Insbesondere ist darin entgegen
der von der Revision des Angeklagten Y.
vertretenen Auffassung keine
"Aufkündigung" der Bandenabrede zu sehen. Denn insoweit hatte Y.
die
Taten als solche entsprechend dem gemeinsamen Tatplan begangen. Er hatte
-7-
die Reiseinteressenten dazu veranlasst, den Reisepreis auf das Konto bei der
C.
bank H.
zu überweisen, so dass U.
mittels der Bankkarte
darauf zugreifen konnte. Durch die anschließenden eigenmächtigen Barabhebungen hat er die anderen Bandenmitglieder lediglich bei Gelegenheit der
von ihm begangenen Bandentaten eigennützig hintergangen.
9
In den Fällen 13, 14, 16 und 20 der Urteilsgründe kommt eine Verurteilung des Angeklagten Y.
demnach nur wegen Betrugs in Betracht (§ 263
Abs. 1 und 3 Satz 2 Nr. 1 Alternative 1 StGB). Der Senat hat den Schuldspruch
auf die Revision des Angeklagten Y.
entsprechend geändert (§ 354 Abs. 1
analog StPO).
10
bb) Die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte Y.
bei al-
len seiner Verurteilung zugrunde liegenden Taten gewerbsmäßig handelte, ist
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das gilt im Ergebnis auch im Hinblick auf die Fälle 1 bis 10 der Urteilsgründe. In diesen Fällen ergibt sich die
Gewerbsmäßigkeit entgegen der Ansicht der Strafkammer jedoch nicht daraus,
dass Y.
- gleichermaßen wie L.
und U.
- Aufwendungen ersparte,
indem die Kosten für die Zeitungsanzeigen nicht beglichen wurden. Sie folgt
vielmehr aus dem engen Zusammenhang zwischen den zum Nachteil der
Zeitungsverlage und den zum Nachteil der Reiseinteressenten begangenen
Betrugstaten.
11
Gewerbsmäßig handelt, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine
nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 518/14,
NStZ-RR 2015, 341, 343 mwN). Es genügt insoweit, dass die Taten mittelbar
als Einnahmequelle dienen (BGH, Urteile vom 24. Februar 1983 - 4 StR
660/82, bei Holtz MDR 1983, 621, 622; vom 1. Juli 1998 - 1 StR 246/98, NStZ
-8-
1998, 622, 623; Beschluss vom 17. September 1999 - 2 StR 301/99, BGHR
StGB § 335 Abs. 2 Nr. 3 Gewerbsmäßig 1; Urteil vom 21. Juni 2007 - 5 StR
532/06, juris Rn. 27). So verhielt es sich in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe. Die zum Nachteil der Zeitungsverlage begangenen Betrugstaten dienten
den Angeklagten gerade dazu, Reiseinteressenten zu gewinnen, um diese betrügerisch zu Geldzahlungen zu veranlassen.
12
b) In Bezug auf den Angeklagten L.
und den insoweit gleichermaßen
betroffenen, nicht revidierenden Angeklagten U.
tragen die Feststellungen
den Schuldspruch wegen zweier selbständiger Taten (§ 53 StGB) des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs nicht. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Tatbeiträge der Angeklagten L.
und U.
nach den
Grundsätzen des sog. uneigentlichen Organisationsdelikts (vgl. dazu BGH,
Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341 f.) als einheitliche Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen sind, weil sie sich
darin erschöpften, am Aufbau und an der Aufrechterhaltung des fiktiven Reisebüros mitzuwirken. Fehl geht indes die Annahme der Strafkammer, dass in Bezug auf L.
und U.
jeweils von zwei Taten auszugehen sei, weil sich de-
ren Tatentschluss "zum einen auf die Täuschung der Zeitungsverlage und zum
anderen auf die Täuschung der Reiseinteressenten" erstreckt habe (UA S. 57).
Dieser Gesichtspunkt trägt die Annahme zweier materiell-rechtlich selbständiger Taten nicht. Die organisatorischen Tatbeiträge von L.
und U.
dien-
ten der Realisierung eines einheitlichen Tatplans, der sowohl die Betrügereien
zum Nachteil der Zeitungsverlage als auch diejenigen zum Nachteil der Reiseinteressenten umfasste. Dass der Tatentschluss auf zwei unterschiedliche
Betrugsmodalitäten gerichtet war, ändert daran nichts. Deshalb liegt hinsichtlich
dieser Angeklagten jeweils nur eine Tat (§ 52 StGB) des gewerbsmäßigen
Bandenbetrugs vor, begangen in 16 tateinheitlichen Fällen. Das Vorliegen nur
-9-
einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne steht der Annahme banden- und gewerbsmäßigen Handelns nicht entgegen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juni
2004 - 3 StR 344/03, NStZ-RR 2006, 106). Auf die Revision des Angeklagten
L.
hat der Senat den Schuldspruch auch insoweit in entsprechender An-
wendung des § 354 Abs. 1 StPO geändert und die Entscheidung gemäß § 357
StPO auf den Angeklagten U.
erstreckt.
13
3. Die Rechtsfolgenaussprüche haben weitgehend keinen Bestand:
14
a) Der den Angeklagten Y.
betreffende Strafausspruch entfällt - un-
geachtet des durch die Schuldspruchänderung bedingten Wegfalls der in den
Fällen 13, 14, 16 und 20 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie der
Gesamtstrafe - insgesamt, weil die Strafkammer nicht geprüft hat, ob in Bezug
auf diesen Angeklagten eine Milderung des Strafrahmens unter Anwendung
von § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB in der zur Tatzeit geltenden
Fassung in Betracht kommt.
15
Nach den Feststellungen hatte Y.
zur Aufklärung eines erpresseri-
schen Menschenraubes (§ 239a StGB) und anderer Straftaten beigetragen, die
L.
und U.
im Januar 2013 zu seinem Nachteil begangen hatten. Des-
halb eröffnet § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in seiner zur Tatzeit geltenden, für
den Angeklagten Y.
günstigeren Fassung (§ 2 Abs. 3 StGB) die Möglich-
keit einer Strafmilderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB. Die danach maßgebliche
Fassung der Vorschrift setzt nicht voraus, dass ein Zusammenhang zwischen
der offenbarten und der von dem "Kronzeugen" verübten Tat besteht. Es reicht
vielmehr aus, dass er Aufklärungshilfe zu einer der in § 100a Abs. 2 StPO aufgeführten Taten leistet. Schließlich steht der Anwendbarkeit der Vorschrift auch
nicht entgegen, dass es sich bei dem Angeklagten um das Tatopfer handelte
- 10 -
(vgl. zu allem BGH, Beschluss vom 19. Mai 2010 - 5 StR 182/10, BGHSt 55,
153, 154 f.).
16
Die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht berührt werden.
17
b) Hinsichtlich der Angeklagten L.
und U.
hat die Schuldspruch-
änderung eine Aufhebung der gegen sie verhängten Einzel- und Gesamtstrafen
zur Folge. Auch insoweit können die dem Strafausspruch zugrunde liegenden
Feststellungen indes bestehen bleiben.
18
c) Schließlich führen die Revisionen der Angeklagten Y.
und L.
zur Aufhebung der sie betreffenden Entscheidungen über das Absehen von
einer Verfallsanordnung gemäß § 111i Abs. 2 StPO, insoweit mit den zugehörigen Feststellungen. Denn die Strafkammer hat es in Bezug auf beide Angeklagten unterlassen, die Härtevorschrift des § 73c StGB zu prüfen. Diese ist
auch im Rahmen einer Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 44). Die
Prüfung war hier entgegen der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vertretenen Auffassung in Anbetracht der bislang zu den wirtschaftlichen
Verhältnissen der Angeklagten getroffenen Feststellungen auch nicht entbehrlich.
19
Der Senat hat die Entscheidung auch insoweit gemäß § 357 StPO auf
den Angeklagten U.
erstreckt, weil er von dem Rechtsfehler gleichermaßen
betroffen ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Frage, ob wegen einer unbilligen Härte (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB) oder aufgrund einer Ermessensentscheidung (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB) von der Anordnung des Verfalls abzusehen
ist, auf individuellen Erwägungen beruht, deren Beantwortung ganz wesentlich
- 11 -
von den persönlichen Verhältnissen des jeweils Betroffenen abhängt (BGH,
Beschluss vom 10. Januar 2008 - 5 StR 365/07, NStZ 2008, 565, 567). Denn
der Rechtsfehler liegt hier schon darin, dass die Strafkammer der Vorschrift des
§ 73c StGB im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung ersichtlich keine Bedeutung beigemessen hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom
28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 51).
20
Die Aufhebung der die Angeklagten Y.
, L.
und U.
betreffen-
den Entscheidungen über das Absehen von einer Verfallsanordnung nach
§ 111i Abs. 2 StPO hat zur Folge, dass auch die im Urteilstenor getroffenen
Feststellungen über das von diesen Angeklagten aus der Tat Erlangte entfallen.
Insoweit weist der Senat im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung auf
Folgendes hin:
21
Der Begriff des "Erlangten" im Sinne des § 111i Abs. 2 StPO ist in demselben Sinne zu verstehen wie in § 73 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 73a Satz 1 StGB
(BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 43). Danach
ist ein Vermögenswert aus der Tat erlangt, wenn er dem Begünstigten unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des
Tatablaufs zugeflossen ist, er an ihm also unmittelbar aus der Tat tatsächliche,
aber nicht notwendig rechtliche Verfügungsmacht gewonnen und dadurch einen Vermögenszuwachs erzielt hat. Bei mehreren Tatbeteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben (BGH, Urteil vom
28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 45 f. mwN). Der Vermögensvorteil kann auch in ersparten Aufwendungen bestehen (BGH, Beschlüsse vom
13. Juli 2010 - 1 StR 239/10, wistra 2010, 406; vom 28. Juni 2011 - 1 StR
37/11, wistra 2011, 394, 395).
- 12 -
22
Dementsprechend hat die Strafkammer bei der Feststellung des Erlangten sowohl im Hinblick auf den Angeklagten Y.
Angeklagten L.
und U.
als auch hinsichtlich der
zu Recht die ersparten Aufwendungen in den
Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe in Höhe von insgesamt 39.785,15 € berücksichtigt. Sie ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte
U.
außerdem die in den Fällen 11, 12 und 15 sowie 17 bis 19 der Urteils-
gründe auf das Geschäftskonto überwiesenen Beträge in Höhe von insgesamt
7.510,80 € und der Angeklagte Y.
überdies die in den Fällen 13, 14, 16
und 20 der Urteilsgründe von den Reiseinteressenten gezahlten Beträge in
Höhe von insgesamt 6.280,90 € erlangt hat. Denn Y.
sein eigenes Konto bei der Sparkasse F.
auch auf das Geschäftskonto von "B.
hatte nicht nur auf
, sondern - ebenso wie U.
-
-Reisen" Zugriff, indem er als Konto-
inhaber unter Vorlage seiner Ausweispapiere Barabhebungen davon vornehmen konnte.
23
Während die Strafkammer danach insgesamt zutreffend das von dem
Angeklagten Y.
U.
Erlangte mit 53.576,85 € und das von dem Angeklagten
Erlangte mit 47.295,95 € bemessen hat, hält die Feststellung des von
dem Angeklagten L.
Erlangten rechtlicher Überprüfung nicht stand, soweit
das Landgericht insoweit auch die in den Fällen 11, 12 und 15 sowie 17 bis 19
der Urteilsgründe auf das Geschäftskonto überwiesenen Beträge in Höhe von
insgesamt 7.510,80 € berücksichtigt hat. Denn L.
hat nach den Urteilsfest-
stellungen zu keinem Zeitpunkt tatsächliche Verfügungsmacht über diese Gelder erlangt. Er war - anders als U.
- weder im Besitz der betreffenden
Bankkarte noch konnte er - im Gegensatz zu Y.
- unter Vorlage seiner
Ausweispapiere Barabhebungen von dem Konto vornehmen, weil er nicht
Kontoinhaber war.
- 13 -
24
Falls die neue Hauptverhandlung erneut zu Entscheidungen über das
Absehen von Verfallsanordnungen gemäß § 111i Abs. 2 StPO führt, wird in den
Urteilsgründen deutlicher als bisher zum Ausdruck zu bringen sein, ob und inwieweit die Angeklagten Y.
, L.
und U.
in Bezug auf das jeweils Er-
langte als Gesamtschuldner haften (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Oktober
2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 52). Jedenfalls hinsichtlich der in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe ersparten Aufwendungen kommt nur eine gesamtschuldnerische Haftung der Angeklagten in Betracht.
Becker
Schäfer
Tiemann
Spaniol
Berg