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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 311/05
vom
21. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
-2-
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. September 2005 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 3. März 2005 mit den Feststellungen aufgehoben,
soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer
des Landgerichts Köln zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer
Schutzbefohlenen sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes
in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten
verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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II.
1. Die Revision des Angeklagten hat bereits mit der Sachrüge in vollem
Umfang Erfolg. Eines Eingehens auf die Verfahrensrügen bedarf es daher nicht
mehr.
Die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil weist rechtlich erhebliche
Mängel auf (§ 337 StPO). Sie ist zwar Sache des Tatrichters und das Revisionsgericht hat sie grundsätzlich hinzunehmen. Das gilt aber nicht, wenn die
Beweiswürdigung lückenhaft oder unklar ist (vgl. BGH NStZ 2002, 161). Dies
ist hier der Fall.
a) Das Landgericht stützt die Verurteilung des Angeklagten, der sich in
der Hauptverhandlung nicht eingelassen hat, weitgehend auf seine geständigen Einlassungen im Ermittlungsverfahren, welche "im Wesentlichen - wenn
auch nicht unbedingt im Detail - mit den zuletzt in der Hauptverhandlung erhobenen Tatvorwürfen der Geschädigten" übereinstimmten (UA S. 61). Der Angeklagte hat aber - ausweislich der Urteilsgründe - im Ermittlungsverfahren die
Taten - insbesondere was die Tatabläufe im Einzelnen (Ergreifen der Initiative
durch die Geschädigte), aber auch was deren Intensität angeht - nicht so gestanden, wie von der Strafkammer schließlich festgestellt. Bei dieser Sachlage
hätte sich die Strafkammer bei der notwendigen (vgl. BGH NJW 2005, 1440,
1441) Würdigung der Geständnisse nicht auf die pauschale Aussage beschränken dürfen, dass sich die vorprozessualen Einlassungen des Angeklagten im Wesentlichen mit den Angaben der Geschädigten deckten, ohne zu den
einzelnen Fällen die Aussage der Geschädigten in der Hauptverhandlung wiederzugeben und diese im Hinblick auf ihre Glaubhaftigkeit in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise zu würdigen.
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Unklar ist bereits, inwieweit die Strafkammer die Feststellungen zum
Tatgeschehen, die über das Geständnis des Angeklagten hinausgehen, auch
auf die Angaben der Geschädigten stützt. Soweit sie dabei die Angaben der
Geschädigten ausdrücklich berücksichtigt, fehlt es an einer umfassenden und
in sich geschlossenen Darstellung der relevanten Aussagen. Insbesondere die
Angaben der Geschädigten in der Hauptverhandlung werden nicht mitgeteilt,
obwohl jedenfalls im Stadium des Ermittlungsverfahrens noch in zentralen
Punkten Aussage gegen Aussage stand. Bei einer solchen Beweislage muss
der Tatrichter nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erkennen lassen, dass er alle Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen
geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH NStZRR 2002, 174, 175; BGH StV 1994, 359, 360; 1993, 235). In diesem Zusammenhang wäre auch nachvollziehbar darzulegen gewesen, warum die Strafkammer der Geschädigten geglaubt und den Angeklagten teilweise verurteilt,
ihn aber im Übrigen mangels "entsprechender Angaben" der Geschädigten in
der Hauptverhandlung (UA S. 87) freigesprochen hat.
b) Darüber hinaus fehlt es an einer hinreichenden Darstellung und Würdigung des eingeholten aussagepsychologischen Gutachtens. Hält der Tatrichter die Zuziehung einer Sachverständigen für erforderlich, so hat er deren Ausführungen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zu Grunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der
daraus gezogenen Schlussfolgerungen wiederzugeben, um dem Revisionsgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (BGH NStZ-RR 1996, 233;
BGH StV 1994, 359, 360; 1993, 235). Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Lediglich zu Tat II.15 findet sich eine knappe Würdigung der Ausführungen der Sachverständigen. Im Übrigen enthält das Urteil
nur den Hinweis, dass die Angaben der Geschädigten in dem vorbereitenden
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schriftlichen Sachverständigengutachten "vor allem zur angeblichen Unfreiwilligkeit ihrerseits während der sexuellen Übergriffe des Angeklagten und dessen
angeblicher Gewaltanwendung als nicht hinreichend belegbar" beurteilt werden
(UA S. 54 f.). Eine Auseinandersetzung mit diesem den Urteilsfeststellungen
weitgehend widersprechenden Gutachten fehlt gänzlich.
2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Der neue Tatrichter wird hinsichtlich der Tat II.5 genauere Feststellungen dazu zu treffen haben, ob durch das Verhalten des Angeklagten die
Erheblichkeitsschwelle des § 184 c StGB a.F. überschritten ist (vgl. BGH NStZ
1999, 45). Die bisherige Feststellung zu dieser Tat: "Der Angeklagte berührte
die Geschädigte über deren Kleidung im Vaginalbereich.", lässt einen solchen
Schluss nicht zweifelsfrei zu und rechtfertigt im Übrigen nicht die Verhängung
einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Ausschluss eines minder schweren Falls.
b) Des Weiteren wird zu überprüfen sein, ob es sich bei den unter II.14
und II.17 des Urteils aufgeführten Lebenssachverhalten nicht - wie vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausführlich dargelegt - um die nämliche Tat handelt.
c) Gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB wird die neu entscheidende Strafkammer einen Anrechnungsmaßstab hinsichtlich der in Polen im Rahmen des
vorliegenden Verfahrens erlittenen Haft festzulegen haben.
d) Die Abfassung des Urteils veranlasst den Senat schließlich darauf
hinzuweisen, dass es Aufgabe des Tatrichters ist, im Rahmen der Beweiswürdigung eine Begründung dafür zu geben, auf welchem Weg er zu den Feststellungen gelangt ist, die Grundlage der Verurteilung geworden sind. Er ist des-
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halb gehalten, die in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittel im Urteil
erschöpfend zu würdigen, soweit sich aus ihnen bestimmte Schlüsse zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten herleiten lassen (BGH NStZ 1985,
184). Andererseits haben die Urteilsgründe nicht die Aufgabe, den Gang der
Ermittlungen oder der Hauptverhandlung sowie das mit der abgeurteilten Tat
nicht im Zusammenhang stehende Randgeschehen in allen Einzelheiten wiederzugeben. Deshalb ist es auch nicht nötig, für jede Feststellung in den Urteilsgründen einen Beleg zu erbringen (vgl. BGH NStZ 2002, 49, 50;
Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen 27. Aufl. Rdn. 350 ff.). Die Angabe der Beweisgründe und die Bewertung der für die Urteilsfindung maßgebenden Beweismittel verlangt vielmehr eine in sich geschlossene Darstellung.
Otten
Kuckein
Fischer
Rothfuß
Appl